L 2 U 538/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 446/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 538/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 169/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.12.2000 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 09.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1998 abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1951 geborene Kläger rutschte laut Unfallanzeige vom 25.01.1996 am 24.01.1996 aus und fiel auf die rechte Schulter. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.K. , diagnostizierte am 24.01.1996 eine Tossy I-Verletzung des rechten AC-Gelenkes. Am 22.02.1996 gab Dr.K. an, die Beweglichkeit in der rechten Schulter habe sich gebessert, die Abduktion des Armes gelinge über 90¬. Es bestehe im Schultereckgelenk eine kleine Stufenbildung mit einer gering vermehrten Dehiszens, aber keine Instabilität. Die Behandlung sei abgeschlossen, Arbeitsfähigkeit trete am 26.02.1996 ein.

Am 23.06.1997 suchte der Kläger Prof.Dr.K. (Unfallchirurgie der Universität U.) auf, der einen painful arc bei freier Beweglichkeit feststellte, einen leichten Schulterkopfhochstand und eine Kalksalzminderung im Tuberculum majus. Am 22.08.1997 erfolgte eine arthroskopische Operation. Interaoperativ habe, so Prof.Dr.K. , subacromial eine massive Synovitis vorgelegen. Ein Zusammenhang des Impingementsyndroms mit dem Unfall sei noch zu klären. Am 22.10.1997 äußerte Prof.Dr.K. , das rechte Schultergelenk könne passiv frei bewegt werden. Eine aktive Abduktion sei bis 100¬ möglich. Impingementtests seien negativ.

Der Orthopäde Dr.M. führte im Gutachten vom 27.11.1997 aus, der Kläger habe sich eine Prellung des rechten Schultergelenkes zugezogen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei es nicht zu einer Schultereckgelenksteilsprengung vom Typ Tossy I gekommen. Dagegen sprächen die röntgenologisch beschriebenen sowie die von Dr.K. festgestellten Befunde. Es fehle an Brückensymptomen. Hier sei von einem Anlageleiden auszugehen. Die jetzt festgestellte Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks sei mit Wahrscheinlichkeit nicht als Folge des Unfalls zu sehen. Die MdE liege unter 10 v.H.

Mit Bescheid vom 09.03.1998 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab, da der Unfall eine MdE in rentenberechtigendem Grad über die 13. Woche hinaus nicht hinterlassen habe. Durch den Arbeitsunfall sei es zu einer Schulterprellung rechts gekommen, Unfallfolgen seien nicht mehr nachweisbar.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 18.03.1998. Die Beklagte zog weitere Berichte des Prof.Dr.K. vom 31.03.1998 und 28.04.1998 bei, aus denen hervorging, dass der Kläger noch über Beschwerden im Rahmen einer Schultereckgelenksarthrose klagte. Am 26.06.1998 äußerte Prof.Dr.K. , am 16.06.1998 sei eine AC-Gelenk-Resektion erfolgt. Vom 15.07. bis 09.10.1998 befand sich der Kläger zur ambulanten Rehabilitation in der Fachklinik I ... Es zeigte sich eine geringe Besserungstendenz der Beweglichkeit der Schulter, die Schmerzen waren kaum beeinflussbar.

Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr.B. , erklärte in der Stellungnahme vom 19.11.1998, bei Auswertung der Röntgenaufnahmen sei mit Sicherheit von einer vorbestehenden Arthrose des Schultereckgelenks auszugehen und gleichzeitig von vorbestehenden Verschleiß- und Entzündungszeichen im Supraspinatussehnenverlauf und am Sehnenansatz bzw. im subacromialen Raum. Eine Teilsprengung des Schultereckgelenks habe sicher nicht vorgelegen.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.1998 zurück.

Mit der Klage vom 09.12.1998 hat der Kläger geltend gemacht, er müsse sich immer noch ärztlichen Behandlungsmaßnahmen unterziehen. Weitere Operationen seien notwendig gewesen.

Das SG hat Berichte von Prof.Dr.K. vom 26.01.1999 und 15.03. 1999 beigezogen mit den Diagnosen: Schmerzhafte Frozen-shoulder nach zweifacher Schulteroperation, Tendinitis der langen Bizepssehne, Zustand nach Schultereckgelenkssprengung Typ Tossy I 1996, Impingement-Syndrom rechte Schulter, Zustand nach AC-Gelenkresektion bei AC-Gelenkarthrose rechts 6/98.

Im Befundbericht für das Versorgungsamt Augsburg vom 03.04.1998 hat Dr.K. u.a. ausgeführt, es bestünden ein Zustand nach Oberschenkelfraktur 1971 mit Beinverkürzung rechts, Meniskopathie, Gonarthrose, Zustand nach Schultertrauma 1996, Verdacht auf posttraumatisches Impingementsyndrom mit Ruptur der Supraspinatussehne, chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Kreuzschmerzen sowie endgradig schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, Myegelosen im Nacken-Schulterbereich.

Im Entlassungsbericht vom Heilverfahren in B. vom 17.05. bis 14.06.1995 sind die Diagnosen gestellt worden: Chronisch-degenerativ rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Fehlstatik (Beinverkürzung rechts), Coxarthrose, Gonarthrose, muskuläre Verspannungen paravertebral sowie im Schulter-Nackenbereich.

Der Orthopäde Dr.S. hat im Bericht vom 05.02.1997 auf fast schon chronische Beschwerden im rechten Schultergelenk seit gut 1 1/2 Jahren hingewiesen. Der Röntgenbefund zeige an der rechten Schulter eine Salzgehaltminderung, an der Halswirbelsäule degenerative Veränderungen.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.L. hat im Gutachten vom 01.07.1999 zusammenfassend ausgeführt, der Befund des rechten Arms entspreche nicht dem einer "Frozen shoulder", die durch eine völlige fibröse Schultersteife gekennzeichnet sei. Befunde, die darauf hindeuteten, nämlich Schwund der Muskulatur und Durchblutungsstörungen, seien nicht festzustellen. Beim Kläger bestehe eine leichte Schultereckgelenkarthrose, die durch die Prellung aktiviert worden sei. Diese Veränderungen seien letztlich die Ursache für die Entwicklung des Impingements, d.h. des Engpasses im Sehnengleitraum, wobei die Prellung nur noch beschwerdeauslösend, möglicherweise auch beschleunigend gewirkt habe. Das lange Zeitintervall zwischen Unfall und Auftreten der stärkeren Impingementsymptomatik im Juli 1997 spreche gegen eine durch den Unfall entstandene Schultersteife. Eine messbare MdE liege über den 22.02.1996 hinaus nicht vor.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Privatdozent Dr.H. (Prof.Dr.K. hat das Gutachten mitunterschrieben) hat im Gutachten vom 03.04. 2000 erklärt, aus den Aktenunterlagen ergebe sich eine "leere" Schulteranamnese rechts. Im Vergleich zur linken Schulter zeige sich, dass dort Vorschädigungen eher ausgeprägter seien. Der von Dr.K. am 24.01.1996 erhobene Befund spreche typischerweise für eine Schultereckgelenksverletzung Tossy I. Ebenso spreche der dokumentierte Unfallmechanismus mit Sturz gegen eine Kante für eine Verletzung des Schultereckgelenks. Auch der Verlauf mit zunächst passagerer Besserung der Beschwerdesymptomatik und dann erneuter Verschlechterung lasse mit Wahrscheinlichkeit auf einen Zusammenhang zwischen den jetzigen Beschwerden und dem Unfall schließen. Jetzt stehe die Problematik der Bizepssehne im Vordergrund. Übereinstimmung bestehe mit Dr.L. , dass derzeit keine Frozen-Shoulder vorliege. Dr.L. berücksichtige aber nicht, dass Dr.K. im Bericht vom 22.02.1996 nur angegeben habe, die Beweglichkeit der rechten Schulter habe sich gebessert. Von freier Beweglichkeit sei nicht die Rede. Die MdE sei bis 20.08.1997 mit 20 v. H., vom 21.08. bis 30.09.1997 mit 100 v.H., vom 01.10.1997 bis 14.06.1998 mit 20 v.H., vom 15.06. 1998 bis 31.07.1998 mit 100 v.H. und vom 01.08.1998 bis auf weiteres mit 20 v.H. zu bewerten.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 02.06.2000 hat Dr.L. ausgeführt, Dr.H. gehe von einem konstant bestehenden Schmerzsyndrom nach dem Unfall im Sinn eines posttraumatischen Impingementsyndroms aus und nehme einen Reizzustand der langen Bizepssehne und deren Gleitgewebe als Ursache an. Selbst wenn man die Brückensymptomatik nach dem Unfall als gegeben erachte, sei unter Berücksichtigung des Schmerzzustandes und des objektiv noch möglichen Bewegungsbefundes die MdE auf 10 v.H. einzuschätzen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.08.2000 hat der Kläger angegeben, dass er 1972 eine Oberschenkelfraktur erlitten habe, die als Wehrdienstbeschädigung mit einer MdE von 30 v.H. anerkannt sei.

Im Bericht vom 14.09.2000 hat Dr.S. erklärt, der Kläger habe sich am 04.02.1997, 12.02.1997 und 26.02.1997 in seiner Sprechstunde vorgestellt und Spritzen erhalten. Dr.K. hat im Bericht vom 04.10.2000 angegeben, eine stärkere Impingementsymptomatik sei ab 06.11.1996 aufgetreten. Behandelt worden sei der Kläger im Februar, November und Dezember 1996, Januar und Februar 1997.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.2000 hat Dr.L. die Auffassung vertreten, die Brückensymptomatik zwischen Unfall und späteren Befunden könne nun als vorhanden angesehen werden, so dass auch die Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs bestätigt werden müsse. Die MdE sei wegen der Unfallfolgen mit 10 v.H. einzuschätzen.

Mit Urteil vom 13.12.2000 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.1998 verurteilt, die schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter als Folge des Unfalls vom 24.01.1996 anzuerkennen und ab 26.02.1996 Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. zu gewähren. Zweifel am Unfallzusammenhang seien offensichtlich nur entstanden, weil zunächst nach Aktenlage ein beschwerdefreies Intervall zwischen dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit und der ersten Feststellung der Schulterbeschwerden im Juni 1997 bestanden habe. Nachdem durch die Auskünfte der Dr.K. und des Dr.M. geklärt sei, dass durchgehend Schulterbeschwerden bestanden hätten, sei auch von Dr.L. ein Unfallzusammenhang bejaht worden. Im Gutachten von Dr.H. sei nachvollziehbar dargelegt, dass mehr Gründe für einen Unfallzusammenhang sprächen. In Übereinstimmung mit Dr.L. und den allgmeinen Erfahrungswerten sei eine höhere MdE als 10 v.H. aber nicht begründet. Insoweit sei die Klage abzuweisen.

Zur Begründung der Berufung vom 27.12.2000 übersandte der Beklagte eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.L. vom 09.02.2001. Der Kläger habe am 24.01.1996 eine Schulterprellung erlitten. Verletzungszeichen seien nicht objektiviert worden, obwohl nach einer direkten Gewalteinwirkung zumindest eine Prellmarke, Weichteilschwellung, Blutergussverfärbung oder Schürf-Platzwunde zu erwarten gewesen wären. Durch die Prellung sei es nur zu einer gewissen Aktivierung der unfallfremden umformenden Veränderungen gekommen, die jedoch spätestens Ende Februar 1996 wieder abgeklungen gewesen sei; ab diesem Zeitpunkt seien die Veränderungen wieder schicksalsmäßig verlaufen. Eine unfallbedingte MdE über die 13. Woche nach dem Unfall habe nicht vorgelegen.

Beigezogen ist der Bericht über ein Heilverfahren vom 13.03. bis 10.04.2000 u.a. mit den Diagnosen schmerzhafte Frozen- shoulder rechts nach zweifacher Schulteroperation, poststraumatische Coxarthrose, Gonarthrose, Wirbelsäulenfehlstatik bei Beinverkürzung. Im Gutachten vom 11.04.2000 erklärte die praktische Ärztin Dr. H. , der rechte Arm sei kaum zu bewegen.

Der Arbeitgeber des Klägers, der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises N. , erklärte im Schreiben vom 04.07.2001 zum Aufgabengebiet des Klägers hätten Tätigkeiten wie Rohschlacke mit einem Radlader auf Lkws laden, Container transportieren und entladen, Aussortieren von nicht verbrannten Materialien von Hand, Pflege der Außenanlagen, Wartung und Instandhaltung des Fuhrparks, Kurierfahrten, Aufsichtstätigkeit in der Anlieferhalle gehört. Krankheitsbedingte Fehlzeiten hätten vom 02.07. bis 13.07.1997, vom 21.08. bis 30.11.1997 bestanden und seit 05.06.1998 bis zur Kündigung zum 31.12.2000. Von 1997 bis 1999 seien sechs Eingliederungsversuche erfolgt.

Aus den Unterlagen der AOK ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten 1988 wegen statischer Beschwerden, HWS-Distorsion, Rippenprellung, Sternumprellung, Brustbeinbruch sowie 1991 und 1995 wegen des Rückens.

Die praktische Ärztin R. , bei der der Kläger seit 1999 in Behandlung war, gab an, er habe seit dem Unfall über ständige starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk geklagt. Die Befunde hätten sich seit Anfang 2000 erheblich verschlechtert.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. kam im Gutachten vom 08.01.2002 zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Kläger habe am 24.01.1996 eine Prellverletzung des rechten Schultereckgelenkes erlitten, keine Schultergelenksprengung. Zwischen Mitte Februar 1996 und November 1996 habe er den Hausarzt nicht aufgesucht. Anfang 1997 sei er zum Orthopäden überwiesen worden. Im Universitätsklinikum U., das die Weiterbehandlung übernommen habe, sei eine Verletzung der Rotatorenmanschette nach kernspintomographischer und arthroskopischer Abklärung ausgeschlossen worden. Aus den am Unfalltag gefertigten Röntgenaufnahmen zeige sich, dass schon zu diesem Zeitpunkt deutliche degenerative Veränderungen im rechten Schultergelenk bestanden hätten. Im Entlassungsbericht von 1988 werde auf Schmerzausstrahlungen zur rechten Schulter hingewiesen. Der Entlassungsbericht vom Heilverfahren 1995 bestätige, dass damals Nacken-Schulterbeschwerden behandlungsbedürftig gewesen seien. Die jetzige Symptomatik finde durch die morphologischen Strukturveränderungen keine Erklärung. Auszugehen sei von einer sogenannten Schmerzkrankheit, worunter die Verselbständigung von Schmerzen ohne adäquates, pathologisch-anatomisches Substrat zu verstehen sei. Bereits im Gutachten des Dr.L. vom 01.07.1999 sei auf eine vermutete Aggravation hingewiesen worden. Die Zerr- oder Prellverletzung des Schultereckgelenks sei ab 25.02.1996 zur Ausheilung gekommen. Eine unfallbedingte MdE sei nicht zu begründen.

In der ergänzenden Stellungnahme gemäß § 109 SGG vom 24.04. 2002 erklärte Privatdozent Dr.H. , nach Meinung von Dr.L. und Dr.F. sprächen das Fehlen von äußeren Verletzungszeichen und von durchgehenden Schulterbeschwerden, sowie die vorbestehenden arthrotischen Veränderungen und Beschwerden gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Zum Fehlen von äußeren Verletzungszeichen komme es aber häufig, wenn die Haut durch Klei- dungsstücke bedeckt sei. Durchgehende Schulterbeschwerden seien in der Tat zwischen dem 16.02.1996 und 06.11.1996 nicht schriftlich fixiert. Aber schließlich habe der Kläger am 06.11.1996 wegen rechtsseitiger Schulterbeschwerden Dr.K. aufgesucht. Ob diese Beschwerden durch den Unfall vom 24.01. 1996 oder durch einen weiteren Unfall bedingt seien, lasse sich nicht beantworten. Ein Zusammenhang mit dem Unfall vom 24.01.1996 sei wahrscheinlicher. Vorbestehende degenerative Veränderungen seien zwar objektiviert, der Kläger sei aber wegen diesen Veränderungen nie ärztlich behandelt worden. Erst nach dem Unfall habe der Kläger über Beschwerden geklagt. Somit sei wahrscheinlich, dass der Unfall richtungweisend gewesen sei. Die zusätzliche Bewegungseinschränkung im Sinne einer Frozen-shoulder könne nur so erklärt werden, dass das Schultergelenk unter Schmerzen nicht mehr richtig bewegt worden und mit der Zeit die Schulterkapsel eingesteift bzw. verklebt sei.

Der vom Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurologe Prof.Dr.R. führte im Gutachten vom 18.11.2002 aus, ein Hinweis auf eine primäre Schädigung sensibler oder motorischer Nerven oder des Armnervengeflechtes ergebe sich in den ersten neurologischen Befunden nicht. Auch die neurologische Untersuchung 1999 und die heutige Untersuchung zeigten klinisch-neurologisch keine eindeutigen sensiblen oder neurogenen motorischen Defizite. Insbesondere zeige auch die elektromyographische Ableitung keine Hinweise auf einen chronisch-neurogenen Umbau des Musculus deltoideus, so dass die Atrophie am ehesten inaktivitätsbedingt einzuordnen sei. Sicher habe im Laufe der langjährigen Auseinandersetzung eine gewisse eigendynamische Fixierung der Schmerzsymptomatik stattgefunden. Es zeigten sich aber keinerlei Hinweise für eine bewusstseinsnahe simulierende oder aggravierende Ausgestaltung. Soweit aus den Akten hervorgehe, sei vor dem Unfall keine Schmerztherapie erforderlich gewesen, dagegen aber nach dem Unfall. Die Gesamt-MdE sei mit 30 v.H. zu bewerten.

Der Beklagte stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 12.06.2001.

Der Kläger stellt die Anträge aus dem Schriftsatz vom 11.06.2001.

Außerdem beantragt er, die Kosten für die Begutachtung des Klägers durch Dr.H. und Prof.Dr.R. aus die Staatskasse zu übernehmen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig und sachlich begründet. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Abs.1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten versicherten Tätigkeiten erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein äußeres Ereignis, d.h. einen von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang, der rechtlich wesentlich den Körperschaden verursacht hat (vgl. BSGE 23, 139 ff.). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSG 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenen Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney, VSSR 1993, 81,114).

Der Arbeitsunfall des Klägers vom 24.01.1996 hat über den 26.02.1996 hinaus keine bleibenden Gesundheitsstörungen, die eine MdE von wenigstens 10 v.H. der Vollrente bedingen würden, zurückgelassen. Es ist durch den Unfall nicht zu einer Schultereckgelenksverletzung Tossy I rechts und nicht zu einem posttraumatischem Impingementsyndrom der rechten Schulter gekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats insbesondere aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.F. , der erläutert hat, dass der Kläger am 24.01.1996 lediglich eine Prellverletzung des Schultereckgelenkes erlitten hat. Arbeitsunfähigkeit wurde, worauf Dr.F. zu Recht hinweist, vom erstbehandelnden Arzt Dr.K. lediglich bis 26.02.1996 angenommen. Wichtig ist auch, dass das rechte Schultereckgelenk unmittelbar nach dem Unfall zwar druckempfindlich, aber nicht wesentlich geschwollen war. Äußere Verletzungszeichen wurden von Dr.K. ausgeschlossen. Auch ergab sich aus den Röntgenaufnahmen kein Hinweis auf eine knöcherne Verletzung. Auffällig war aber, so Dr.F. , dass bereits auf den Röntgenaufnahmen vom Unfalltag deutliche degenerative Veränderungen zu sehen waren und der rechte Oberarmkopf zu hoch stand. Ein derartiger Oberarmkopfhochstand direkt nach dem Unfallgeschehen ist ebenfalls als Hinweis auf eine Vorschädigung zu werten. Eine Vorschädigung des Schultergelenks lässt sich schon dem Entlassungsbericht vom Heilverfahren 1988 entnehmen; damals wies der Kläger auf Schmerzausstrahlungen zur rechten Schulter hin. Immerhin war der Kläger 1988 wegen statischer Beschwerden, HWS-Distorsion, Rippenprellung, Sternumprellung und Brustbeinbruch arbeitsunfähig erkrankt, im November/Dezember 1991 wegen einer Rückenerkrankung, ebenso im Mai/Juni 1995. Auch im Entlassungsbericht vom Heilverfahren 1995 werden Nacken-Schulterbeschwerden erwähnt und als behandlungsbedürftig bezeichnet.

Dr.F. weist insbesondere darauf hin, dass der Kläger zwischen dem 22.02.1996 und dem 06.11.1996 keinerlei ärztliche Behandlung suchte. Erst danach wurde während der Behandlung durch Prof.Dr.K. eine laufende Verschlechterung bis hin zur jetzigen Symptomatik mit krampfhaftem Hochstand des rechten Schultergelenks und Fehlhaltung im rechten Ellenbogen- und Handgelenk festgestellt. Inzwischen besteht, wie Dr.F. erläutert, eine Schmerzkrankheit, nämlich die Verselbständigung von Schmerzen ohne adäquates pathologisch-anatomisches Substrat. Im Hinblick darauf, dass Dr.K. unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis 26.02.1996 für gegeben ansah, Prof.Dr.K. noch am 24.06.1997 freie Beweglichkeit der Schulter feststellte, der Kläger zwischen Februar und November 1996 ärztliche Hilfe nicht in Anspruch nahm und erhebliche degenerative Vorschäden dokumentiert sind, ist ein Kausalzusammenhang im Sinn der wesentlichen Bedingung zwischen dem Unfall (und seinen Folgen) und der Schmerzkrankheit nicht zu begründen.

Im Hinblick auf den Unfallmechanismus, der zu einer Schulterprellung ohne äußere Verletzungszeichen führte, auf die dokumentierte Vorschädigung mit degenerativen Veränderungen sowohl an der rechten als auch an der linken Schulter, auf die Behandlungslücke zwischen Februar und November 1996 sowie auf die Tatsache, dass von Dr.F. keinerlei Muskelminderung am rechten Arm gemessen wurde, sondern der rechte Oberarm sogar etwas muskelstärker als der linke war, kann von einer wahrscheinlichen Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und dem jetzt bestehenden Gesundheitszustand nicht ausgegangen werden. Die Prellverletzung war Ende Februar 1996 folgenlos abgeheilt. Der sich daran anschließende Verlauf ist nicht mehr in Zusammenhang mit den Unfallereignis zu sehen.

Insofern können die Ausführungen von Privatdozent Dr.H. nicht überzeugen. Allein die Tatsache, dass der Kläger in den Jahren nach dem Unfall zunehmend über stärkere Beschwerden als früher geklagt hat, reicht für die Begründung einer Kausalität nicht aus, zumal Privatdozent Dr.H. Annahme, der Kläger habe früher keinerlei Beschwerden angegeben, im Hinblick auf die zwischen 1988 und 1995 dokumentierten Behandlungen wegen Schulter-, Nacken und Rückenbeschwerden nicht zutrifft. Wenn Privatdozent Dr.H. davon ausgeht, dass zwischen dem Unfall und der ersten Vorstellung in der Universitätsklinik U. keine Zeitlücke bestehe, so übersieht er, dass eine Behandlungslücke zwischen Februar 1996 und November 1996 bleibt. Der lange zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und dem Auftreten der narbigen entzündlichen Veränderungen und Verklebungen, die 1997 festgestellt wurden, spricht ebenfalls gegen einen Unfallzusammenhang. Denn die posttraumatische Schultersteife entwickelt sich in wenigen Tagen bis Wochen nach einem Unfall (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S.560). Zwar trifft es zu, dass Dr.K. nur von einer Besserung, nicht aber von freier Beweglichkeit gesprochen hat. Aber Privatdozent Dr. H. übersieht, dass Prof.Dr.K. noch am 24.06.1997 freie Beweglichkeit feststellte und am 22.10.1997 die Schulter als passiv frei beweglich bezeichnete.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass 80 bis 90 % der Fälle schmerzhafter Schultersteife Folge degenerativer Veränderungen in der Umgebung des Schultergelenks, wie sie beim Kläger vorliegen, sind. Auch eine cervikale Fernwirkung kann zu schmerzhaften Bewegungsstörungen der Schulter führen (vgl. Schoenberger-Mehrtens-Valentin a.a.O. S.559). Immerhin ist in diesem Zusammenhang auch an die 1988 eingetretene HWS-Distorsion zu erinnern.

Das Gutachten des Prof.Dr.R. konnte in diesem Zusammenhang keine weitere Aufklärung bringen, zumal eine Schädigung sensibler oder motorischer Nerven oder des Armnervengeflechts sich weder aus den aktenkundigen Befunden noch aus der elektromyographischen Ableitung durch Prof.Dr.R. ergibt. Prof. Dr. R. weist auf eine gewisse eigendynamische Fixierung der Schmerzsymptomatik hin, sieht aber einen Zusammenhang mit einer Verschlechterung der Beschwerdesymptomatik durch einen Reizzustand der Schulter. Allerdings spricht dagegen, dass, wie Dr.F. ausgeführt hat, zirkuläre Sensibilitätstörungen am rechten Oberarm bis zur Mitte des Unterarms angegeben werden, die nicht segmental einzuordnen sind. Die Angabe solcher Sensibilitätsstörungen gilt, wie Dr.F. betont, als Hinweis für eine psychogene Komponente. So hat auch Dr.L. darauf hingewiesen, dass der Kläger zwar bei der Bewegungsprüfung massiv gegeninnervierte, aber beim Hochheben des Arms zur Prüfung der Umfangsmessung für einen Moment völlig locker blieb, bis auch hier wieder stark aktiv gegeninnerviert wurde. Beim Verlassen der Praxisräume bestand ein völliger Schultergradstand und ein absolut flüssiges Bewegungsbild mit Pendeln des Arms, ein Bild, das in erheblichem Gegensatz zum Untersuchungsbefund stand.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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