L 10 AL 164/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 88/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 164/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.03.2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Einstellungszuschuss an die G. GmbH.

Die G. GmbH, ein Unternehmen für schlüsselfertiges Bauen (G.), wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 18.12.1997/ 10.02.1998 gegründet. Ihre Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 16.02.1998. Gesellschafter waren H. A. und C. T ... Beide Gesellschafter waren jeweils Inhaber eines weiteren Ingenieurbüros. Diese Firmen wurden neben der Klägerin weiterbetrieben.

Am 12.08.1998 beantragte die G. bei der Beklagten einen Einstellungszuschuss für die Einstellung der Arbeitslosen K. S ... Diese stand vom 18.09.1995 bis 28.02.1998 in einem Arbeitsverhältnis. Vom 01.03.1998 bis 29.03.1998 bezog sie Krankengeld und anschließend vom 30.03.1998 bis 06.08.1998 und vom 10.08.1998 bis zu ihrer Einstellung bei der G. am 24.08.1998 Arbeitslosengeld (Alg). Der Alg-Bezug war vom 07.08.1998 (Freitag) bis 09.08.1998 wegen einer verspäteten Urlaubsrückmeldung unterbrochen. Mit Bescheid vom 25.11.1998 lehnte die Beklagte die Zahlung des Einstellungszuschusses ab, weil die Arbeitnehmerin vor der Einstellung nicht mindestens drei Monate Leistungen gemäß § 226 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) bezogen habe. Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die G. geltend, Frau S. sei über sechs Monate arbeitslos gewesen. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 29.12.1998 zurück.

Dagegen hat die G. Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 25.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Anspruch auf Einstellungszuschuss erneut zu entscheiden. Sie trug vor, Frau S. sei unmittelbar vor der Einstellung vom 30.03.1998 bis 23.08.1998, also mehr als drei Monate, arbeitslos gewesen. Vom 07.08.1998 (Freitag) bis 09.08.1998 habe sie allerdings kein Alg erhalten, da sie sich am 07.08.1998 innerhalb der Geschäftszeiten beim Arbeitsamt nicht mehr aus dem Urlaub habe zurückmelden können.

Mit Urteil vom 22.03.2000 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, über den Anspruch auf Einstellungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Das SG vertrat die Ansicht, die Auffassung der Beklagten, ein mindestens dreimonatiger Alg-Bezug müsse unmittelbar vor der Einstellung liegen, finde im Gesetz keine Stütze. Der im Gesetz verwendete Begriff "insgesamt" spreche im Gegenteil nicht für einen ununterbrochenen dreimonatigen Leistungsvorbezug.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, die Leistungen müssten nahtlos und unmittelbar vor der Einstellung bezogen worden sein. Der Begriff "insgesamt" beziehe sich auf die Kumulierung nach § 226 Abs 1 Nr 1 Buchst. a - c SGB III. Im Übrigen fehle es auch an der Voraussetzung einer Neugründung. Ferner habe die G. vor der Einstellung der Frau S. offenbar mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.

Die G. GmbH wurde in die G. G. AG (G. AG) umgewandelt und die Umwandlung am 13.04.2000 in das Handelsregister eingetragen. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G. AG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts F. vom 10.01.2001 mangels Masse abgewiesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Modalitäten der Urlaubsrückmeldung der Frau S. seien mit dem Sachbearbeiter des Arbeitsamtes vorher besprochen worden. Weil die Ingenieurbüros, aus denen sich die G. entwickelt habe, neben dieser fortbestanden, habe es sich um eine Neugründung gehandelt. Erst im September 1998 seien mit Frau S. fünf Arbeitskräfte beschäftigt worden. Die G. legte Bestätigungen der Steuerberatungsgesellschaft A. vom 03.08.2000 und die Gewerbeanmeldung vom 23.12.1997 vor.

In Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine andere Ermessensentscheidung der Beklagten.

Der Wechsel der Klägerin stellt nach h.M. eine Klageänderung dar, die vorliegend zulässig ist, weil der Senat sie für sachdienlich hält und auch die Beklagte zugestimmt hat (§ 99 Abs 1, 2 SGG; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 99 RdNrn.6, 9).

Nach § 226 Abs 1 Nr 1 Buchst. a SGB III in der vom 01.01.1998 bis 31.07.1999 gültigen Fassung kann ein Einstellungszuschuss bei Neugründung erbracht werden, wenn der Arbeitnehmer vor der Einstellung insgesamt mindestens drei Monate Alg, Arbeitslosenhilfe oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat ... und ohne die Leistung nicht oder nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann und der Arbeitgeber nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (Nr 2).

Die Beklagte hat die Leistung zu Recht mit der Begründung verweigert, Frau S. habe vor ihrer Einstellung (24.08.1998) nicht insgesamt mindestens drei Monate Alg oder eine der in § 226 Abs 1 Nr 1 Buchst. a - d SGB III genannten anderen Leistungen bezogen. Unmittelbar vor der Einstellung erhielt die Arbeitnehmerin nämlich lediglich vom 10.08.1998 bis 23.08.1998 Alg. Der davorliegende Leistungsbezug ab 30.03.1998 war wegen einer verspäteten Urlaubsrückmeldung vom 07.08.1998 bis 09.08.1998 unterbrochen worden. Diese - relativ geringfügige - Unterbrechung ist jedoch entscheidungserheblich, weil die Voraussetzungen der Buchstaben a - d des Abs 1 unmittelbar vor der Einstellung für insgesamt mindestens drei Monate vorgelegen haben müssen (Winkler in Gagel, SGB III, Stand: Oktober 2002, § 226 RdNr 4). Das Wort "unmittelbar" wurde zwar erst durch das 2. SGB III-ÄndG mWv 01.08.1999 eingefügt. Diese Ergänzung erfolgte jedoch lediglich zur Klarstellung (Brandt in Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 226 RdNr 4), so dass die vorhergehende und hier anzuwendende Fassung des § 226 Abs 1 SGB III nicht anders zu verstehen ist. Zu Recht weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das SG den Begriff "insgesamt" falsch auslegt, weil es diesen auf unterbrochene Zeiten der Arbeitslosigkeit bezieht und nicht auf die vier Förderungstatbestände der Buchst. a - d, deren Zeiträume - die nicht unterbrochen sein dürfen - zusammenzurechnen sind (Winkler aaO). In der nunmehr möglichen Addition mehrerer Fallvarianten liegt die Änderung gegenüber der Vorläuferregelung § 55 b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung. Auch das Fehlen einer Rahmenfrist im § 226 SGB III spricht für einen ununterbrochenen dreimonatigen Leistungsbezug vor der Einstellung.

Bereits aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die von der Beklagten im Berufungsverfahren nachgeschobenen Gründe müssen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes außer Betracht bleiben, weil ein Nachschieben von Gründen bei Ermessensentscheidungen jedenfalls bei Klageerhebung vor 01.01.2001 grundsätzlich unzulässig war (Meyer-Ladewig aaO § 54 RdNr 35 b; von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 41 RdNr 1).

Unabhängig davon hätte die G. die Anspruchsvoraussetzungen jedoch insoweit erfüllt, als sie Leistungen für eine Neugründung begehrte. Die G. wurde nämlich zusätzlich zu den bereits bestehenden Firmen der beiden Gesellschafter gegründet und als eigenständige Gesellschaft geführt. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Gewerbeanmeldung beim Markt C. vom 23.12.1997, aus dem Handelsregisterauszug des Amtsgerichts F. vom 16.02.1998 und aus der Bestätigung der Steuerberatungsgesellschaft A. vom 03.08.2000. Es handelte sich also nicht um eine bloße Umgründung oder die Übernahme eines Betriebs, die nach dem Willen des Gesetzgebers nicht förderungsfähig sein sollen (vgl Begr. des RegE-AFRG S. 193). Im Übrigen liegt eine Neugründung im genannten Sinne auch dann vor, wenn - wie vorliegend - der Arbeitgeber bereits Inhaber eines anderen selbständigen Unternehmens ist (Winkler aaO, § 225 RdNr 4). Aus einer weiteren Bestätigung der Steuerberatungsgesellschaft A. vom 03.08.2000 ist ersichtlich, dass die G. zum Zeitpunkt der Einstellung der Frau S. lediglich vier Mitarbeiter hatte, so dass die Voraussetzungen der Nr 2 des § 226 Abs 1 SGB III ebenfalls erfüllt wären. Hierauf kam es entscheidungserheblich jedoch nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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