L 14 RA 141/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 301/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 141/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Januar 1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 3. Februar 1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 1996 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin an die Beklagte Witwenrentenleistungen in Höhe von 106.160,15 DM zurückzuzahlen hat.

Die im Jahre 1940 geborene Klägerin, eine Mutter von drei in den Jahren 1959, 1960 und 1966 geborenen Kindern, stellte im Januar 1970 bei der Beklagten Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 09.03.1970 bewilligte die Beklagte die große Witwenrente gemäß § 45 Abs.2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ab 26.12. 1969, weil eine der alternativen Voraussetzungen, die Erziehung mindestens eines waisenrentenberechtigten Kindes, erfüllt war.

Mit Schreiben vom 04.04.1984 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Umwandlung der großen Witwenrente in die kleine Witwenrente gemäß § 45 Abs.1 AVG mit Wirkung ab 01.07.1984 an. Die Anspruchsvoraussetzungen für die große Witwenrente seien nicht mehr gegeben, weil das jüngste, am 1966 geborene Kind im Juni das 18. Lebensjahr vollende und damit die Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes ende. Daher werde die Rente ab 01.07.1984 neu berechnet und in verminderter Höhe zur Anweisung gebracht. Die Klägerin wandte hiergegen ein (Schreiben vom 11.04.1984), sie sei mit der Herabsetzung der Rentenhöhe nicht einverstanden, weil der in einem Lehrverhältnis stehende Sohn nur Einkünfte von 438,71 DM netto habe und noch ihrer finanziellen Unterstützung bedürfe.

Mit Bescheid vom 12.07.1984 stellte die Beklagte die Witwenrente mit Wirkung ab 01.07.1984 neu fest, weil die Klägerin die Voraussetzungen für die große Witwenrente (Vollendung des 45. Lebensjahres oder Berufsunfähigkeit oder Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes) nicht mehr erfülle. Bei Volljährigkeit eines Kindes komme der Erziehungstatbestand nicht mehr in Frage, auf die finanzielle Unterstützung des Sohnes komme es nicht an. Die kleine Witwenrente betrage mtl. 281,20 DM (netto) und werde ab 01.08.1984 laufend gezahlt; für Juli 1984 sei noch die große Witwenrente in Höhe von 765,23 DM (netto) angewiesen worden, so dass eine Überzahlung in Höhe von 484,03 DM entstanden sei. Die Klägerin habe letzteren Betrag gemäß § 50 des Sozialgesetzbuches Teil X (SGB X) rückzuerstatten. Der Bescheid vom 09.03.1970 werde gemäß § 48 SGB X rückwirkend ab 01.07.1984 aufgehoben.

In Ausführung dieses Bescheids wies die Beklagte der Klägerin ab 01.08.1984 monatlich 281,20 DM an. Der verfügte Wegfallauftrag für die große Witwenrente kam nicht zur Ausführung, so dass an die Klägerin auch für die Zeit ab dem 01.08.1984 mtl. 765,23 DM überwiesen wurden.

Gegen den Bescheid vom 12.07.1984 ließ die Klägerin durch einen Rechtsbeistand und Steuerberater Widerspruch erheben mit der Begründung, dass die große Witwenrente weiter zu zahlen sei, solange ein Kind die Waisenrente - auch über das 18. Lebensjahr hinaus wegen Schul- oder Berufsausbildung - beziehe. Dies sei bei dem jüngsten Kind der Klägerin der Fall, für das die Beklagte über das 18. Lebensjahr hinaus Waisenrente gewährt habe. Nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten und Übersendung eines Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) wurde der Widerspruch zurückgenommen.

Mit Bescheid vom 12.03.1985 wandelte die Beklagte die kleine Witwenrente mit Wirkung ab 01.04.1985 in die große Witwenrente um, weil die Klägerin das 45. Lebensjahr vollendet hatte und nunmehr die Voraussetzungen des § 45 Abs.2 AVG wieder erfüllte. Die Bewilligung erfolgte mit Wirkung ab 01.04.1985, die Anweisung der laufenden großen Witwenrente in Höhe von 765,04 DM (netto) ab 01.06.1985. Die Nachzahlung der großen Witwenrente für April und Mai 1985 (mtl. 765,04 DM) verrechnete die Beklagte mit der noch für diese Monate geleisteten kleinen Witwenrente (281,20 DM mtl.). Der verbleibende Betrag wurde nach Aufrechnung mit der im Jahre 1994 entstandenen Überzahlung an die Klägerin ausgefolgt (Bescheid vom 26.03.1985).

Im August 1994 meldete die Deutsche Bundespost der Beklagten mehrere Fälle, in denen der Verdacht der Doppelzahlung einer Rente bestehe. Die Beklagte stellte daraufhin Ermittlungen an, die zu dem Ergebnis hatten, dass die aufgrund des ersten Rentenbescheids vom 09.03.1970 verfügte Zahlungsanweisung nie zur Einstellung gekommen war und die Klägerin neben der bewilligten kleinen Witwenrente und der anschließenden großen Witwenrente durchgehend eine zweite große Witwenrente bezogen hatte. Diese stellte die Beklagte mit dem 30.09.1994 ein und hörte mit Schreiben vom 17.01.1995 die Klägerin zu der beabsichtigten Rückforderung von insgesamt 106.160,15 DM gemäß § 50 SGB X an. Hierbei wurde der Sachverhalt geschildert und sind die einzelnen überzahlten Rentenbeträge in der Zeit vom 01.08.1984 bis 30.09.1994 aufgelistet worden. Weiterhin wurde die Klägerin gebeten, alle Gründe mitzuteilen und Nachweise darüber einzusenden, die ihrer Meinung nach der beabsichtigten Rückforderung entgegenstünden.

Hierzu nahm die Tochter der Klägerin in deren Auftrag dahingehend Stellung (Schreiben vom 23.01.1995), dass ihre Mutter aufgrund einer Augenerkrankung fast erblindet sei. Jene sei all die Jahre der Überzeugung gewesen, die Rente stünde ihr uneingeschränkt zu. Sie habe nicht gewusst, dass es sich um eine Doppelzahlung handele. Allerdings sei sie verwundert gewesen, dass im Oktober 1994 die Zahlung eingestellt worden sei. Da ihre Mutter sonst keinerlei Einkünfte erhalte und aufgrund ihrer Augenerkrankung auch keiner Beschäftigung nachgehen könne, sei sie niemals in der Lage, der Forderung der Beklagten nachzukommen. Die verbleibende Rente werde sowieso nicht ausreichen, den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 03.02.1995 forderte die Beklagte die in der Zeit vom 01.08.1984 bis 30.09.1994 entstandene Überzahlung in Höhe von 106.160,15 DM gemäß § 50 SGB X zurück. Der Klägerin habe ab 01.07.1984 nur die kleine Witwenrente und dann die große Witwenrente zugestanden; bereits ab 1984 sei daneben nochmals eine große Witwenrente ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Die Klägerin genieße keinen Vertrauensschutz, weil sie die Rechtswidrigkeit der Doppelzahlung kannte oder ohne größere Überlegung erkennen hätte können (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X entsprechend). Nach Lage der Dinge habe sie sich der Unrechtmäßigkeit der Leistung voll bewusst sein müssen. Eine Ermessensentscheidung habe bei dieser Sachlage nicht getroffen werden können, infolge der Bösgläubigkeit sei das Ermessen "auf Null" reduziert, wie auch das BSG im Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92 - entschieden habe.

Hiergegen ließ die Klägerin durch einen bevollmächtigten Anwalt Widerspruch erheben und vortragen, ihr sei die angebliche Doppelzahlung weder bekannt noch erkennbar gewesen, so dass Bösgläubigkeit nicht vorliegen könne. Aufgrund der Erblindung habe sie eventuelle Zahlungsdifferenzen aus verschiedenen Bescheiden überhaupt nicht erkennen können. Es sei Sache der Beklagten, Doppelzahlungen zu vermeiden. Wie solle ein Zahlungsempfänger bei den regelmäßig eingegangenen Rentenanpassungsmitteilungen wissen, dass ihm die dort genannten Beträge nicht zustünden. Im Übrigen werde eingewandt, dass die gesamten Mittel zur Lebensführung verwandt worden seien, der von der Beklagten erweckte Vertrauenstatbestand schließe jeden Rückzahlungsanspruch aus, auf die Parallelvorschrift des § 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) werde verwiesen. In rechtlicher Hinsicht dürfte der Aspekt des § 254 BGB, sofern ein Verschulden der Klägerin überhaupt feststellbar sein sollte, überwiegend zu Lasten der Beklagten anzusetzen sein.

Es folgte zwischen den Beteiligten eine Korrespondenz, anlässlich der die Klägerin die Rückzahlung in Höhe von 50,- DM mtl. anbot, was die Beklagte nicht akzeptierte und ihrerseits die Klägerin aufforderte, sämtliche Einkünfte anzugeben und ihre Vermögensverhältnisse nachvollziehbar darzulegen (Schreiben vom 02.06.1995).

Die Klägerin brachte nunmehr vor, die Zahlung der großen Witwenrente ab 1984 habe aus ihrer Sicht so ausgesehen, dass der ehemals im Jahre 1984 erhobene Widerspruch erfolgreich gewesen sei und sie daher anstelle der kleinen Witwenrente die große Witwenrente weiterhin beziehen dürfe. Mit Vollendung des 45. Lebensjahres im Jahre 1985 habe sie eine Erhöhung der Rente erhalten, die aus technischen Gründen nicht als einheitliche Rente ausbezahlt worden sei, sondern in zwei Teilbeträgen. Für sie stelle sich der Vorgang als überaus logisch und verständlich dar. Ohne Anerkennung einer Rechtpflicht werde angeboten, die angebliche Doppelzahlung in Raten von mtl. 100,- DM abzutragen.

Die Beklagte ihrerseits wies auf Widersprüche im Vorbringen der Klägerin hin und hielt eine vergleichsweise Regelung nur für möglich, wenn die Klägerin mindestens 200,- bis 300,- DM monatlich zurückzahle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.1996 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 03.02.1995 zurückgewiesen. Die Zuvielzahlungen seien nach § 50 Abs.2 SGB X zu erstatten; dabei sei § 45 SGB X entsprechend anzuwenden. § 45 Abs.2 Satz 2 SGB X lasse eine unbefristete Rücknahme zu, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorlägen. Die Anwendung des § 580 ZPO sei auch dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Tatbestand des § 581 Abs.1 ZPO nicht gegeben sei. Hierzu fehle in § 45 SGB X ein entsprechender Verweis. Für das Jahr 1984 habe kein Hinweis auf eine Erblindung vorgelegen, außerdem hätte die Klägerin dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Vermögensangelegenheiten ggf. durch einen Pfleger oder eine sonstige Hilfsperson geregelt würden. In Anbetracht der Sachlage sei das Ermessen der Verwaltung "auf Null" reduziert. Auf gutgläubigen Verbrauch könne sich die Klägerin nicht berufen; ihr Hinweis auf § 814 BGB gehe fehl.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München brachte die Klägerin vor, laut Rentenanpassungsbescheiden seien die Zahlungen von der Beklagten überprüft worden, so dass sie annehmen habe können, dass diese rechtmäßig gewesen seien. Sie sei davon ausgegangen, dass ihr Widerspruch erfolgreich gewesen und hierdurch eine erhebliche Verbesserung ihrer Situation eingetreten sei. Sie verstehe von Rentenberechnungen nichts. Ihr Rechtsbeistand habe sie nicht auf Doppelzahlungen hingewiesen.

Die Beklagte möge zunächst erst einmal die Einzelbeträge darlegen, die überzahlt worden seien. Infolge Zeitablauf sei der Klägerin die Prüfung unmöglich, welche Beträge wirklich zugegangen seien; angesichts des auch durch den vorliegenden Fall erkennbaren Desorganisationsgrades der Beklagten bestreite sie vorsorglich den Eingang der behaupteten Überzahlungen. Gegen einen eventuellen Rückzahlungsanspruch werde Entreicherung eingewendet, da sie aufgrund ihres geringen Einkommens und eines halbjährigen Urlaubs im Ausland keine Ersparnisse mehr habe; ihre gesamten finanziellen Mittel seien für ihren Lebensunterhalt verbraucht worden.

Seit 1993 sei die Sehfähigkeit auf dem ihr verbliebenen Auge auf 0,2 reduziert worden, seit 02.11.1994 sei sie zu 100 % schwerbehindert. Ihre Vermögensverhältnisse seien wie folgt darzustellen: Gegenwärtig Blindengeld in Höhe von mtl. 1.068,- DM, Rente (große Witwenrente) in Höhe von 1.040,- DM und Wohngeld in Höhe von 114,- DM. Den vom Sozialgericht abgeforderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 legte die Klägerin nicht vor.

Mit Urteil vom 26.01.1999 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 03.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.1996 auf und verurteilte die Beklagte, die Klägerin unter Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden sowie ihr die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Es war der Auffassung, bei der Rückforderung gemäß § 50, 45 Abs.2 Satz 2 Nr.3 SGB X sei Ermessen auszuüben und seien insbesondere finanzielle Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Aus den Vermerken in der Beklagtenakte folge, dass die Überzahlung von jener mitverschuldet worden sei, außerdem habe die Klägerin mit Schreiben vom 23.01. und 14.06.1995 darauf hingewiesen, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens nicht in der Lage sei, die Überzahlung zurückzuzahlen. Die Beklagte sei auf diese Ausführungen nicht eingegangen und habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob die Rückforderung unter diesen Umständen eine unbillige Härte bedeute. Es liege daher ein Ermessensfehler in Form von Ermessensnichtausübung vor; dementsprechend seien die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Die unterbliebene Ermessensausübung sei von der Beklagten nachzuholen.

Mit dem hiergegen eingelegten Rechtsmittel der Berufung bringt die Beklagte vor, entgegen dem sozialgerichtlichen Urteil sei eine erneute Verbescheidung nicht möglich, weil die Einjahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X längst verstrichen sei. Im vorliegenden Fall sei das Ermessen "auf Null" reduziert worden, so dass fehlerhafte Verwaltungsakte nicht vorlägen. Bei Bösgläubigkeit seien grundsätzlich keine billigenswerten Interessen rechtlich anzuerkennen, das schuldhaft zu Unrecht Erlangte ganz oder teilweise behalten zu dürfen. Eine wirtschaftliche Härte könne nach der Regelung im Bereich der Sozialversicherung im Rahmen des § 76 Abs.2 SGB Teil IV (SGB IV) berücksichtigt werden; dort sei die Frage, in welchem Zusammenhang und unter welchen Voraussetzungen wirtschaftliche Härten zu berücksichtigen seien, grundsätzlich abschließend und in einer dem Übermaßverbot in aller Regel genügenden Weise beantwortet.

Vorliegend handele es sich um einen besonders hochgradigen Fall von Bösgläubigkeit, wie auch das Bayerische 0berste Landesgericht festgestellt habe, als es in seinem Beschluss vom 21.08.1996 das Verhalten der Klägerin als in hohem Maße unredlich und unsozial eingestuft habe.

Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Bereich der Rückforderungen und legt mehrere dementsprechende Urteile von Landessozialgerichten vor.

Der Bevollmächtigte der Klägerin trägt vor, die Beklagte habe bisher nicht dargelegt, wie sich der zurückgeforderte Betrag berechnen lasse. Hierzu gebe es lediglich Forderungsaufstellungen und keinerlei Nachweise über die Richtigkeit der Berechnung. Die Beklagte habe bis heute nicht darlegen können, was sie denn geltend mache, etwa eine Überzahlung der kleinen Witwenrente oder gar der großen Witwenrente oder eine Mischung aus beidem. Sie, die Klägerin, habe nichts dazu beigetragen, dass es zu den angeblichen Überzahlungen gekommen sei. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit richte sich allenfalls gegen die Beklagte selbst; laut einem Zeitungsartikel sei es in 26.000 Fällen zu Überzahlungen gekommen, samt und sonders Fälle, in denen eine unglaubliche Schlamperei der Beklagten die Ursache für Doppelzahlungen gewesen sei.

Weiterhin müsste nach wie vor der Zahlungseingang der behaupteten Beträge bestritten werden. Die Beweislast für den Rückforderungsanspruch dem Grunde nach und der Höhe nach treffe allein die Beklagte. Die Klägerin besitze keine Möglichkeit, die angeblichen Zahlungsvorgänge nachzuprüfen, Kontounterlagen seien nicht mehr in ihrem Besitz, eine Nachfrage bei der Bank sei ergebnislos geblieben.

In zivilrechtlicher Hinsicht sei § 814 BGB einschlägig, weil die Beklagte nach eigenen Angaben über zehn Jahre hinweg Leistungen erbracht habe, obwohl sie gewusst habe, dass sie hierzu nicht verpflichtet sei. Im Übrigen müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin keine größere Verpflichtung habe, die Rentenhöhe regelmäßig nachzuprüfen, als die Beklagte selbst, die über sämtliche Erkenntnismöglichkeiten zur Rentenberechnung und über eine überdimensionale Organisation verfüge. Im Bereich des Schadensersatzrechtes würde § 254 BGB einschlägig sein; keine andere Überlegung rechtfertigten die konkreten Bestimmungen des SGB. Die Klägerin verwahre sich gegen den Vorwurf eines besonders hochgradigen Falls von Bösgläubigkeit. Auch der Hinweis auf die Entscheidung im Strafverfahren sei unbehelflich. Der Beklagten scheine wohl entgangen zu sein, dass die Klägerin wegen Betrugs frei gesprochen worden sei und der behauptete Vorwurf gerade nicht zu einer Verurteilung geführt habe. Das Bayerische 0berste Landesgericht habe selbst festgestellt, dass eine Rechtspflicht, den Versicherungsträger auf Fehler im Verwaltungshandeln aufmerksam zu machen, aus den versicherungsrechtlichen Bestimmungen nicht abzuleiten sei. Die Anstößigkeit des Schweigens allein genüge ebenfalls nicht, um eine Offenbarungspflicht aus Treu und Glauben zu begründen.

Sie, die Klägerin, habe Blindengeld, Wohngeld und Witwenrente erhalten; ab 01.04.2000 beziehe sie Altersruhegeld in derzeitiger Höhe von 260,21 Euro monatlich, deswegen sei allerdings das Wohngeld entfallen. Weitere Einkünfte habe sie nicht, hingegen erhebliche Verbindlichkeiten. Die von der Beklagten erteilten Bescheide habe sie nicht verstanden.

Hierzu weist die Beklagte darauf hin, dass sie die Rückforderungsbeträge in ihrem Anhörungsschreiben aufgeschlüsselt habe. §§ 814 und 254 BGB seien nicht einschlägig. Bei der Rückforderung gemäß §§ 50 Abs.2, 45 Abs.3 SGB X müsse der dort genannte Tatbestand des § 580 ZPO nicht vorliegen; das Gesetz ordne nur eine entsprechende Anwendung an, und es genüge der Betrugsverdacht.

Der Senat hat die Versichertenakte der Beklagten beigezogen und von dieser Nachweise über die Zahlungen an die Klägerin angefordert. Die Beklagte legte daraufhin eine Auskunft der Deutschen Post - Rentenservice - vom 17.04.2000 vor, in der mitgeteilt wird, dass die Nachweise für die Einzelüberweisungen bis Dezember 1989 wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren bereits vernichtet seien. Aus den Überweisungsträgern von Januar 1990 bis September 1994 ergäben sich unter verschiedenen Abrechnungsnummern Zahlungen auf das Konto der Klägerin, im Januar 1990 861,41 DM und 861,22 DM. Für Oktober 1994 sei nur noch eine Überweisung an die Klägerin in Höhe von 1.029,14 DM erfolgt.

Aus den von der Beklagten ebenfalls angeforderten Versicherungsunterlagen der Klägerin, soweit dort im Archiv aufbewahrt, ergaben sich ein Ausbildungsverhältnis von September 1957 bis Dezember 1958 sowie Beschäftigungszeiten von Januar 1970 bis November 1972 (insgesamt 51 Monate Beitragszeit); Unterlagen für die von der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht angegebenen Halbtagsbeschäftigung ab dem Jahre 1987 waren nicht vorhanden.

Auf Aufforderung des Senats legte die Klägerin drei Rentenanpassungsmitteilungen für die Zeit ab Juli 1983, 1984 und 1985 vor und erteilte ihr Einverständnis, dass das Gericht Auskünfte von ihrer Bank einhole. Auf richterliche Anfrage teilten die Vereinigten Sparkassen im Landkreis W. , Zweigstelle M. mit, die Unterlagen von 1984 bis 1989 seien wegen Ablauf der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfrist bereits vernichtet (Schreiben vom 24.03.2000). Sie legten für die Zeit von 1990 bis 1994 Reproduktionen der Kontoauszüge der Klägerin vor, aus denen sich ergibt, dass unter zwei nur geringfügig abweichenden Überweisungsnummern zwei Angestelltenrenten in nahezu gleicher Höhe - abweichend nur in Pfennigbeträgen - monatlich eingegangen sind.

Der Senat hat ferner die Schwerbehindertenakte des Amts für Versorgung und Familienförderung (AVF) München I, die Zivilblindenpflegegeld-Akte desselben AVF und die Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München II mit den Unterlagen aus dem Strafverfahren wegen Betrugs erster und zweiter Instanz beigezogen. Aus der Schwerbehindertenakte ist ersichtlich, dass die Klägerin am 02.11.1994 einen Antrag gestellt hatte, der mit Bescheid vom 26.01.1995 (GdB 100 v.H. wegen Sehminderung und Gesichtsfeldeinschränkung) verbeschieden worden ist. Antrag auf Gewährung von Pflegegeld an Zivilblinde wurde am 28.05.1996 gestellt, auf den hin Leistungen zunächst abgelehnt und dann ab 01.11.1996 wegen Verschlechterung des Augenleidens gewährt worden sind.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.01.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten, wird hierauf sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten und Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und in der Hauptsache begründet.

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Beklagte zu Recht 106.160,15 DM von der Klägerin zurückfordert. Das angefochtene sozialgerichtliche Urteil erscheint in zwei Punkten unrichtig. Zum Einen durfte das Sozialgericht die Beklagte nicht verurteilen, "die Klägerin unter Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden", worunter nur die Erteilung eines erneuten, Ermessen ausübenden Bescheids über die Rückforderung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu verstehen ist. Abgesehen davon, dass diese erneute Verbescheidung wegen Ablauf der Jahresfrist (§ 45 Abs.4 SGB X: binnen eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen) nicht mehr möglich bzw. zulässig ist, musste beachtet werden, dass die Klägerin dies nicht beantragt hatte. Sie hat vielmehr lediglich in erster Instanz begehrt (Schriftsatz vom 26.04.1996), den Widerspruchsbescheid vom 25.03.1996 aufzuheben. Nachdem in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts ordnungsgemäße Anträge nicht protokolliert worden sind, ist der Antrag sinngemäß (§ 123 SGG) dahingehend auszulegen, dass der Bescheid vom 03.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.1996 aufgehoben werden sollte, und zwar ersatzlos. Eine nochmalige Verbescheidung lag nicht im Interesse der Klägerin, und ein diesbezügliches konkludentes Begehren kann nicht angenommen werden.

Nicht nur durch die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, sondern auch durch die Verurteilung zur erneuten Verbescheidung ist die Beklagte - hierauf kam es im Berufungsverfahren an - ebenfalls beschwert.

Weiterhin musste die Beklagte bei der Rückforderung kein Ermessen ausüben. Die Aufhebung ihrer Bescheide wegen Ermessensfehler war daher unrichtig.

Die Rückforderung der Beklagten stützt sich auf § 50 Abs.2 in Verbindung mit § 45 SGB X. Die Beklagte hat zu Unrecht Rentenleistungen ohne Verwaltungsakt für die Zeit ab 01.08. 1984 erbracht.

1) Eine große Witwenrente (§ 42 Abs.2 AVG) wurde im Zeitraum vom 01.07.1984 bis 31.03.1985 neben der allein der Klägerin zustehenden kleinen Witwenrente, und im Zeitraum vom 01.04.1985 bis 30.09.1994 neben einer zweiten großen Witwenrente gezahlt. Eine Überzahlung ist lediglich nicht für Juli 1984 entstanden, weil der Differenzbetrag (484,03 DM) mit Bescheid vom 12.07.1984 zurückgefordert und später mit einer einbehaltenen Nachzahlung aufgerechnet worden ist (Bescheid vom 26.03.1985). Die noch vorhandene Überzahlung im Zeitraum vom 01.08.1984 bis 30.09.1994 ist "ohne Verwaltungsakt" erfolgt, weil der ehemals die große Witwenrente bewilligende Bescheid vom 09.03.1970 durch den Bescheid vom 12.07.1984 gemäß § 48 SGB X mit Wirkung ab 01.07.1984 rechtsverbindlich aufgehoben worden ist.

Der Senat sieht es auch als erwiesen an, dass die Klägerin die von der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 17.01.1995 genannten Beträge (neben den Zahlungsbeträgen aus einer zweiten Witwenrente) erhalten hat und diese von der Beklagten auch in richtiger Höhe berechnet worden sind.

Im Einzelnen handelt es sich um Folgendes:

vom bis mtl. Zahlbetrag x Monate = Gesamtbetrag

01.08.84/30.06.85 765,23 DM x 11 = 8.417,53 DM

01.07.85/30.06.86 776,03 DM x 12 = 9.312,36 DM

01.07.86/30.06.87 792,72 DM x 12 = 9.512,64 DM

01.07.87/30.06.88 816,70 DM x 12 = 9.800,40 DM

01.07.88/30.06.89 841,26 DM x 12 = 10.095,12 DM

01.07.89/30.06.90 861,41 DM x 12 = 10.336,92 DM

01.07.90/30.06.91 888,64 DM x 12 = 10.663,68 DM

01.07.91/30.06.92 933,37 DM x 12 = 11.200,44 DM

01.07.92/30.06.93 958,63 DM x 12 = 11.503,56 DM

01.07.93/30.06.94 995,66 DM x 12 = 11.947,92 DM

01.07.94/30.09.94 1029,46 DM x 3 = 3.088,38 DM

Gesamtüberzahlung = 106.160,15 DM

Die Überzahlung bzw. Doppelzahlung ist durch die von der Deutschen Post gegenüber der Beklagten gegebenen Auskunft und die Kontovorgänge der Sparkasse M. für die Zeit von 1990 bis 1994 nachgewiesen, gleichfalls die Höhe der der Klägerin ab 01.01.1990 gezahlten Beträge von 861,41 DM monatlich bis 1.029,46 DM monatlich. Zahlungen sind ferner nach Überzeugung des Senats auch für den Zeitraum vom 01.08.1984 bis 31.12.1989 nachgewiesen. Anhand der Beklagtenakte ist feststellbar, dass der Zahlungsauftrag für die Bundespost für die zum ersten Mal ab Dezember 1969 mit Bescheid vom 09.03.1970 bewilligte und angewiesene große Witwenrente unter der Schlüsselnummer PANR ... 970/14 231132 B 00421 lief und der Zahlungsauftrag für die zweite mit Bescheid vom 12.03.1985 angewiesene große Witwenrente unter 970/14 231132 B 00431. Der seit 1970 laufende Zahlungsauftrag sollte zwar mit Ablauf Juli 1984 entfallen (Anmerkung: daher noch die damals durchgeführte Rückforderung nur für Juli 1984), wie die Verfügung des Sachbearbeiters auf Bl.167 der Rentenakte unter Spalte Wegfallauftrag KA 009 beweist; der Wegfallauftrag wurde jedoch nicht durchgeführt (vgl. Bl.154, 169, 232 Rentenakte). Den Umstand, dass der alte Zahlungsauftrag (B 00421) neben dem neuen weiterhin durchgeführt worden ist, beweisen auch die Mitteilungen der Deutschen Post vom 17.04.2000 und die Bankauszüge der Klägerin, die auch zwei verschiedene Rentenzahlungen unter zwei Auftragsnummern mit der Zahlenfolge B 00 421 (alt) und B 00431 (neu) aufweisen.

Somit kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, sie hätte Beträge von 1984 bis 1994 bzw. auch nicht von 1984 bis 1990 erhalten. Es liegt auch der Nachweis der Überzahlung von 1984 bis 1990 vor. Ein Zahlungsauftrag, der objektivierbar im Jahre 1984 nicht storniert und nachweisbar von 1990 bis 1994 mit monatlichen Einzelzahlungen durchgeführt worden ist, muss auch für die Zeit von 1984 bis 1990 zur Ausführung gekommen sein. Hierfür sprechen auch die von der Beklagten nachträglich zusammengestellten Daten über die Zahlungsvorgänge (Bl.225 bis 231 und 242 bis 245 der Rentenakte); aus der Dokumentation der Zahlungsbeträge ergeben sich im Übrigen auch die einzelnen monatlichen Zahlbeträge, ab 01.07.1984 765,23 DM, ab Juli 1985 776,03 DM, ab 01.07.1986 792,72 DM, ab Juli 1987 816,70 DM, ab Juli 1988 841,26 DM usw.

Diese Zahlungsbeträge stimmen wiederum mit den von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Rentenanpassungsmitteilungen überein; dort sind die monatlichen Zahlungen vor und ab dem 01.07.1983, 01.07.1984 und 01.07.1985 (Rentenanpassungstermine) dokumentiert. Hinzuzufügen ist noch, dass die Rentenanpassungsmitteilungen die Abrechnungsnummer 970/14 231132 B 00421 tragen, also die Fortführung des seit 1970 laufenden ersten Zahlungsauftrags (erste große Witwenrente, die seit 1984 überzahlt ist) beweisen. Parallel hierzu haben Rentenanpassungsmitteilungen für die der Klägerin zustehende zweite große Witwenrente bestanden, wie die von der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegte Rentenanpassungsmitteilung mit der Abrechnungsnummer 970/14 231132 B 00431 belegt.

Die einzelnen von der Beklagten im Anhörungsschreiben aufgelisteten Zahlungsbeträge sind korrekt, sie stimmen im Übrigen auch rechnerisch mit den Rentenanpassungsgesetzen für die Jahre 1984 bis 1994 überein, nach denen jeweils zum 1. Juli eines Jahres keine Neuberechnung der Rente erfolgte, sondern eine "Anhebung" des bisherigen monatlichen Zahlbetrags durch einen prozentualen Rentenanpassungsfaktor. Hieraus erklärt sich im Übrigen auch die Abweichung der ersten von der zweiten großen Witwenrente der Höhe nach in Pfennigbeträgen. Die zweite im Jahre 1985 einsetzende große Witwenrente wurde ab ihrer Gewährung unter Zugrundelegung von Werteinheiten neu berechnet und dann erst in der Folgezeit angepasst. Bei der ersten großen Witwenrente entstanden durch Rundungen der Anpassungsbeträge von 1970 bis 1985 geringfügige Abweichungen.

2) Insgesamt sind vom 01.08.1984 bis 30.09.1994 DM 106.160,15 überzahlt. § 50 Abs.2 SGB X schreibt vor, dass ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachte Leistungen erstattet werden müssen. Im Einzelnen gelten hierzu § 45 und § 48 SGB X entsprechend. Vorliegend kommt lediglich die Anwendung des § 45 SGB X in Frage, soweit diese Vorschrift, die für Leistungen aufgrund eines rechtswidrigen bewilligenden Verwaltungsakts gilt, dem Sinn und Zweck nach passend erscheint.

Vorweg ist § 45 Abs.2 und hier wiederum insbesondere Satz 3 Nr.3 SGB X anwendbar, der regelt, dass sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen - unter anderem bei gutgläubigem Verbrauch (§ 45 Abs.2 Satz 2 SGB X) - berufen kann, soweit er den fehlenden Rechtsgrund für die Leistungen kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Insoweit ist der Senat zu der Überzeugung gekommen, dass die Klägerin positiv wusste, dass ihr die Mehrleistungen der Beklagten nicht zustanden, oder zumindest grob fahrlässig die Rechtsgrundlosigkeit nicht erkannte. Ihr Vorbringen, die Überzahlungen seien aus den verschiedensten Gründen weder bekannt noch erkennbar gewesen, u.a. wegen Blindheit, Nichterhalt der entsprechenden Bescheide oder Unvermögen, die Bescheide der Beklagten zu verstehen und die "Zahlungsdifferenzen aus den verschiedenen Bescheiden" zu erkennen, stellen sich in Kenntnis des gesamten Sachverhalts als Schutzbehauptungen dar. Sie sind schon deswegen nicht nachvollziehbar, weil der Sachverhalt nach den von der Beklagten erteilten Bescheiden und den ins Auge fallenden unstimmigen Zahlungsvorgängen jedem Laien verständlich sein musste, zumal sich die Klägerin - im Anhörungsverfahren im April 1984 - selbst mit der Minderung der Rentenleistungen (Umwandlung der großen Witwenrente in die kleine) und dem Rechtsgrund hierfür befasst und sich auf das erklärende Schreiben der Beklagten auch geäußert hat. Weiterhin muss sie persönlich, nicht der Rechtsbeistand, auch den maßgebenden Rentenbescheid vom 12.07.1984 erhalten haben, weil sie dann durch einen Steuerberater und Rechtsbeistand hiergegen Widerspruch einlegen ließ.

Aus dem Bescheid vom 12.07.1984 ging eindeutig hervor, dass die bisherige große Witwenrente nicht mehr gezahlt wird, wobei auch der letzte monatliche Zahlbetrag (765,23 DM netto) genannt wurde, und dass die kleine Witwenrente lediglich 281,20 DM (netto) ausmache. Diese Rechtsauffassung der Beklagten und die entsprechende Regelung durch Verwaltungsakt war der Klägerin bewusst, weil sie sonst nicht die Einlegung von Widerspruch hiergegen veranlasst hätte. Ebenso war ihr bekannt, dass der Widerspruch nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten an den Rechtsbeistand zurückgenommen worden ist, d.h. keinen Erfolg gehabt hatte. Dies folgt aus der Aussage des Rechtsbeistands am 13.03. 1996 vor dem Strafgericht Garmisch-Partenkirchen.

Aber auch wenn sie vom Ausgang des Widerspruchsverfahrens nichts mehr gehört hätte, musste sie allein aufgrund des Bescheids vom 12.07.1984 davon ausgehen, dass ihr ab 01.07.1984 nurmehr 281,20 DM monatlich und nicht 765,23 DM, erst recht nicht - wie geschehen - 281,20 DM und 765,23 DM, also zwei Witwenrenten, die große und die kleine, zustünden. Die Überzahlung war keinesfalls als "Zahlungsdifferenz" aus verschiedenen Bescheiden misszuverstehen, ebenso wenig als Erfolg des Widerspruchsverfahrens, dass ja negativ verlief und im Übrigen, wenn es Erfolg gehabt hätte, nur zur Zahlung der großen Witwenrente von 765,23 DM anstelle der kleinen Witwenrente von 281,20 DM geführt hätte.

Auch für Laien, die in Angelegenheiten der Rentenberechnung hilflos sein können und sind, war der Unrechtsbezug offensichtlich und klar ins Auge fallend. Vorliegend ging es nicht um Rentenberechnungen, sondern allein darum, dass laut dem Text von zwei Schreiben (Anhörung vom 04.04.1984 und Bescheid vom 12.07.1984) die Höhe der bisherigen Rentenleistungen, und zwar der Gesamtbetrag, herabgesetzt werden sollte und herabgesetzt wurde. Mit diesen Schriftstücken hat sich die Klägerin sehr wohl befasst und beschäftigt (vgl. ihre persönliche Äußerung im Anhörungsverfahren und das anschließende Widerspruchsverfahren, wobei der Rechtsbehelf wie im Anhörungsverfahren zuvor begründet worden ist). Beim Lesen ihrer Kontoauszüge, hier waren zwei Zahlungsvorgänge mit "ANV-Rente" und den einzelnen ihr bereits früher mitgeteilten Zahlungsbeträgen vorhanden, musste sie erkennen, dass sie zwei Renten bezog, wovon ihr die große Witwenrente nicht zustand. Die Vorgänge im Jahre 1984 sind so augenfällig und für jeden Laien durchschaubar, dass der Senat hierbei sogar vom positiven Wissen der Klägerin ausgeht. Höchst unglaubwürdig erschien es, wenn diese sich nachträglich als naiv, unbeholfen und nahezu als beschränkt darstellt. Aus den von der Beklagten übersandten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sie über eine Schulausbildung verfügt und zumindest 16 Monate Ausbildung als kaufmännischer Lehrling von September 1957 bis Dezember 1958 durchlaufen hat (vermerkt ist der Abbruch der Lehre wegen Tods des Arbeitgebers). Der weitere Versicherungsverlauf ist nicht geklärt, laut Klägerin soll sie die Lehre wegen Heirat am 31.09.1959 nicht mehr abgeschlossen haben; in der Folgezeit wurden die zwei jüngeren Kinder geboren (Juni 1959 und Juni 1960), so dass jedenfalls nicht von einem Ausbildungsabbruch wegen unzureichender intellektueller Fähigkeiten auszugehen ist. In den Versicherungsunterlagen ersichtlich ist noch eine versicherungspflichtige Tätigkeit in einer Sportschuhfabrik und bei einer Immobilienfirma von Januar 1970 bis November 1972. Weitere Beschäftigungszeiten müssen noch gefolgt sein, weil - wie erst in der letzten mündlichen Verhandlung zu erfahren gewesen ist, die Klägerin seit 01.04.2000 Alterruhegeld bezieht.

Aufgrund der Schul- und Ausbildungszeit ist nicht nur das Lesen, sondern auch eine gewisse Fähigkeit zum Verständnis des Gelesenen vorauszusetzen. Insoweit erwies sich die Klägerin laut den in der Versichertenakte enthaltenen Antragsformularen und Schreiben sogar als sehr wendig und selbst komplizierteren Vorgängen gewachsen. So hat sie mehrseitige Antragsformulare (Antrag auf Witwen- und Waisenrente, wiederholte Anträge auf Waisenrente wegen Berufsausbildung der Kinder auch über das 18. Lebensjahr hinaus) vollständig und richtig ausgefüllt und die benötigten Unterlagen beigebracht. Sie verfasste auch viele Schreiben in einem gewandten und sehr ansprechenden Stil und zeigte sich Fragen der Kranken- und Rentenversicherung auch in Bezug auf ihre Kinder (Ausbildung, Grenze der Verdienste der Kinder) gewachsen, hat sich sogar mit der Rechtsmaterie etwas befasst, die zum Bezug der Waisenrente über das 18. Lebensjahr des Kindes hinaus führen kann, wie ihre Argumentation hinsichtlich verschiedener Umstände (soziales Jahr, Sozialarbeit, Haushaltshilfe, Haushaltsjahr/Praktikantin), belegen.

Die Klägerin war sich auch der zunächst für einen Laien überraschenden Differenzierung bewusst, dass zwar Waisenrente für ein über 18 Jahre altes, in Ausbildung stehendes Kind gezahlt wird, aber dennoch die große Witwenrente in die kleine Witwenrente umgewandelt wird, wenn die Waise (hier das letzte Kind) das 18. Lebensjahr vollendet hat, weil wegen Volljährigkeit des Kindes keine Erziehung vorliegen kann. Wie ihr Schreiben vom 11.04.1984 an die Beklagte beweist, hat sie diese rechtliche Differenzierung durchaus verstanden und zum Erhalt der großen Witwenrente nurmehr damit argumentiert, dass ihr Sohn trotz Ausbildungsvergütung noch ihre finanzielle Unterstützung benötige, so dass die Weiterzahlung der großen Witwenrente doch angebracht sei.

Die Klägerin verfügte über eine mindestens durchschnittliche geistige Wendigkeit und Erkenntnisfähigkeit sowie Einsichtsvermögen, so dass ihr die Zahlung zweier Witwenrenten, davon eine ohne Rechtsgrund, klar und offensichtlich beim Lesen der Kontoauszüge gewesen sein muss.

Von denselben Umständen ist für die Zeit ab März 1985 auszugehen. Die Klägerin erhielt den Bescheid vom 12.03.1985, aus dem - ohne sich mit den Anlagen des Bescheides zur Rentenberechnung zu beschäftigen - klar und deutlich ersichtlich ist, dass die bisher bezogene kleine Witwenrente - auch der letzte Zahlbetrag von 281,20 DM ist hier genannt - wegen Vollendung des 45. Lebensjahres in die große Witwenrente bei einem Zahlbetrag von 765,04 DM (netto) umgewandelt werden sollte. Wie die Klägerin aus ihren Kontoauszügen dann ersehen konnte, wurden wiederum zwei Witwenrenten bezahlt, die bisher bereits zu Unrecht angewiesene große Witwenrente (Zahlbetrag vor dem 01.07.1985: 765,23 DM) und - bei Wegfall der zu Recht gezahlten kleinen Witwenrente - eine neu angewiesene große Witwenrente (Zahlbetrag vom 01.07.1985: 765,04 DM).

Soweit sich die Klägerin zur Bildung eines guten Glaubens auf die Rentenanpassungsmitteilungen bezog, kann der Senat dem nicht folgen. Offensichtlich und klar war hierbei, dass wegen Zahlung zweier Witwenrenten zweimal Anpassungsmitteilungen ergingen, in denen auch der Zahlungszweck (Witwenrente) und die Brutto- und Nettobezüge genannt worden sind. Jeder nicht geistig völlig unbedarfte Laie musste davon ausgehen, dass hier ein technischer Fehler der Beklagten seine Fortsetzung fand.

In den Rentenanpassungsmitteilungen ist im Übrigen nicht angeführt, dass die dort genannte Rente überprüft worden sei, dass heißt, dass auch eine Prüfung der Voraussetzungen für die Rente dem Grunde nach stattgefunden habe. Vielmehr ist dort lediglich deutlich gemacht, dass es nur um eine Erhöhung der bereits gezahlten Rente (bzw. Renten) wegen "Anpassung nach dem Rentenanpassungsgesetz 1984, 1985" usw. ging; zusätzlich war der Hinweis aufgebracht: "Die Höhe der Leistung ist überprüft worden". Derartige Mitteilungen stellen im Übrigen keine (rechtswidrig) eine Rente bewilligenden Bescheide dar.

Wenn sich die Klägerin weiterhin auf ihre Blindheit beruft, so stellt dies nur einen (anfänglich) irreführenden, von der Sache her unzutreffenden Hinweis dar. Es ist aus der Versichertenakte, der Schwerbehindertenakte und der Zivilblindengeldpflegeakte zu entnehmen, dass die Klägerin infolge eines Unfalls seit ca. 1965 auf dem rechten Auge erblindet ist. Wegen Verschlechterung der Sehleistung auf dem linken Auge fand am 26.11.1993 eine Operation statt und wurde am 02.11.1994 Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz und am 28.05.1996 Antrag auf Zivilblindengeld gestellt. Die Augenärztin Dr.J. bescheinigte hierbei eine Behandlung der Klägerin seit 25.11.1993 und eine Verschlechterung der Sehkraft seit 1996. Für die Zeit vor dem Jahre 1993 liegen keine ärztlichen Unterlagen vor; zuletzt hat die Klägerin auch nicht mehr behauptet, in der Fähigkeit zum Sehen und Lesen in der damaligen Zeit beeinträchtigt gewesen zu sein.

Es mag durchaus sein, dass im Laufe der Jahre vor 1993 schon eine gewisse Verschlechterung der Sehschärfe des linken Auges eingetreten ist. Dies hat die Klägerin aber nicht gehindert, Briefe zu verfassen und Schreiben zu lesen sowie ihre Kontoauszüge abzuholen und zu lesen, weiterhin noch ab dem Jahre 1987 laut ihren eigenen Angaben halbtags berufstätig zu sein. Noch in der Verhandlung vor dem Strafgericht Garmisch-Partenkirchen am 13.03.1996 hat sie eingeräumt, dass sie die Zahlungen zweier Renten in Anspruch genommen habe, "einfach ohne groß nachzudenken", "ihr sei es natürlich recht gewesen ... sie habe sich schon verwundert". Abgesehen davon, dass damit das im Renten- und Sozialgerichtsverfahren behauptete Nichtwissen widerlegt ist, erscheint auch dies dem Senat (wie schon zuvor dem Strafgericht und dem Bayerischen 0bersten Landesgericht) lediglich beschönigend. In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin sicherlich nicht auf ihren Freispruch in zweiter Instanz nach Verurteilung wegen Betrugs in erster Instanz berufen. Eine Verurteilung wegen Betrugs - eines vorsätzlichen Vergehens - scheiterte daran, wie das Bayerische 0berste Landesgericht ausgeführt hatte, dass zwar die Klägerin um die Unrechtleistungen wusste und den Irrtum der Beklagten ausnutzte, aber ein Betrug durch Unterlassen (fehlender Hinweis an die Beklagte auf die Doppelzahlung) an einer Garantenpflicht scheiterte.

3) Die Rückforderung der Beklagten ist nicht durch die Einjahresfrist des § 45 Abs.4 SGB X ausgeschlossen, die über § 50 Abs.2 SGB X entsprechend anwendbar ist (BSG vom 27.07.1989 - 11 RAr 42/87 in SozR 1300 § 45 Nr.44). Diese Vorschrift schränkt die Rückforderung von Unrechtleistungen vorliegend nicht ein. Die Rückforderung ist gemäß Abs.4 Satz 1 zulässig; nach Abs.4 Satz 2 muss die "Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts" (hier: die Rückforderung der ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachten Leistungen) binnen eines Jahres nach Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Vorausgesetzt wird hier die positive Kenntnis der Beklagten, die im Laufe der Zeit nach August 1994 entstand, als die Deutsche Bundespost die Beklagte auf den Verdacht einer Doppelzahlung hingewiesen hatte. Der Rückforderungsbescheid ist bereits im Februar 1995 ergangen, so dass die Jahresfrist gewahrt ist.

Eine positive Kenntnis der Beklagten - maßgebend wäre hier die Kenntnis eines zuständigen Sachbearbeiters - bereits im Zeitraum von 1984 bis 1994 kann nicht, wie die Klägerin es tut, unterstellt werden. Keineswegs wurden Nachweise über die monatlichen oder jährlichen Zahlungen in der Versichertenakte abgeheftet, geschweige denn dem Grunde nach geprüft; nachdem die Kennziffern, unter denen die Überweisungen getätigt worden sind, und im Übrigen auch die Zahlbeträge voneinander abwichen, liefen die Doppelzahlungen über die Deutsche Bundespost, die mit der Beklagten zentral abrechnete, unbemerkt weiter. Bereits deshalb neben der Sache liegt der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe in Kenntnis ihrer fehlenden Verpflichtung dennoch zuviel Leistungen erbracht, so dass die Herausgabe nicht gefordert werden könne (§ 814 BGB).

Bei der Rückforderung sind vorliegend nicht die Fristen des § 45 Abs.3 SGB X anzuwenden (von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, Rdz.10 zu § 50), wie bereits das BSG im Urteil vom 24.01.1995 - 8 Rkn 11/83 (SozR 3-1300 § 50 Nr.17) entschieden hat (wobei nebenbei an die Beklagte der Hinweis ergeht, dass auch bei Anwendung des § 45 Abs.3 SGB X die Rückforderung nicht gänzlich ausgeschlossen wäre, weil sich die in § 45 SGB X dort genannten Zeiträume auf Verwaltungsakte beziehen und im Falle des § 50 Abs.2 SGB X mangels Verwaltungsakts lediglich auf die Leistungen vor und nach dem Zeitpunkt des Fristlaufs abzustellen wäre).

§ 45 Abs.3 SGB X regelt nach seinem Sinn und Zweck den Ausschluss der Rückforderung von Leistungen, wenn ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt ergangen ist und so auch ein äußerer Rechtsschein gesetzt worden ist. Deshalb soll bei Bestehen des Rechtsscheins über eine gewisse Zeit hinweg eine Rückforderung nicht mehr zulässig sein. Auch § 580 ZPO (in Verbindung mit § 45 Abs.3 Satz 2 SGB X) knüpft an Tatbestände an, unter denen ein rechtskräftiges Urteil (und damit erst recht ein rechtsverbindlicher Verwaltungsakt) beseitigt werden kann. "Die Fälle der reinen Weiterzahlung einer Leistung ohne zugrundeliegenden Verwaltungsakt (§ 50 Abs.2 SGB X) haben keine ähnliche Bedeutung und Wirksamkeit; ihr Empfänger kann den Begünstigten eines Verwaltungsakts, welcher eine Dauerleistung zuspricht, nicht gleichgestellt werden. Denn die schlichte, wenn auch wiederholte Zahlung einer Leistung macht keine in die Zukunft weisende Aussage. Sie bietet daher insoweit keine Rechtssicherheit" (BSG, a.a.O., zum Fall der Weiterzahlung einer mit Bescheid entzogenen Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit von 1978 bis 1989, auch wenn Rentenanpassungsmitteilungen ergangen sind). § 45 Abs.3 SGB X kann daher nicht entsprechend im Rahmen des § 50 Abs.2 SGB X angewandt werden.

4) Die Beklagte musste bei der Rückforderung - im Bescheid oder Widerspruchsbescheid - kein Ermessen ausüben.

Bei der Anwendung des § 50 Abs.2 SGB X mit entsprechender Geltung des § 45 SGB X ist regelmäßig, aber nicht im vorliegenden Falle, eine Ermessensentscheidung geboten.

Das Verschulden der Beklagten ist offensichtlich, wenn es auch bei weitem nicht so schwerwiegend zu werten ist wie das Verschulden der Klägerin, die den Irrtum der Beklagten bemerkte und dennoch die Zuvielleistungen angenehm überrascht entgegengenommen hat. Der Maßstab des § 254 BGB gilt bei beidseitigem Verschulden nicht. Eine schriftlich dargelegte Abwägung des Grads des Verschuldens der Beteiligten und ein Eingehen auf das Verschulden der Beklagten durften unterbleiben. In den Fällen, in denen der Versicherte in positiver Kenntnis der Nichtberechtigung oder in einem besonders schwerwiegenden Fall der grob fahrlässigen Unkenntnis Leistungen entgegengenommen hat, besteht kein Vertrauensschutz des Versicherten und keine Verpflichtung der Beklagten, ihr eigenes Verschulden zu berücksichtigen bzw. abzuwägen (BSG vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92 in SozR 3-1300 § 50 Nr.16 zum Fall der Doppelzahlung einer Rente).

Die Klägerin hat auch nicht - spätestens im Widerspruchsverfahren - maßgebende Gründe vorgetragen, die im Wege einer Ermessensentscheidung zu würdigen wären. Der Umstand, dass sie aufgrund ihres behaupteten geringen Einkommens nicht zur Rückzahlung imstande sei (zu einer teilweisen Rückzahlung in Raten von 50,- DM sah sie sich aber imstande), ist in zweierlei Hinsicht unerheblich. Zum einen hat die Klägerin nicht, wie die Beklagte gefordert (Schreiben vom 02.06.1995), sämtliche Einkünfte und die Vermögensverhältnisse bis zum Ergehen eines Widerspruchsbescheides dargelegt (BSG vom 26.09.1990 - 9 b/7 RAr 30/90 in SozR 3-4100 § 155 Nr.2), zum anderen liegt in der Verpflichtung, wissentlich oder grob fahrlässig unwissend entgegengenommene Leistungen rückzuerstatten, keinesfalls schon eine unbillige Härte.

Die schlechte finanzielle Lage, in der sich ein Versicherter regelmäßig nach Ergehen des Rückforderungsbescheids befindet, ist allgemeinhin kein im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigender Grund, dass von der Rückforderung abzusehen ist. Hierüber kann im Rahmen der Möglichkeiten des § 76 SGB IV (Stundung/Ratenzahlung, ggf. Niederschlagung, wenn feststeht, dass auf längere Dauer die Einziehung der Forderung unmöglich ist) entschieden werden, wenn zunächst erst einmal die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß § 50 SGB X rechtsverbindlich oder rechtskräftig feststeht.

Eine Ausnahme zu den ausgeführten Grundsätzen ist jedenfalls nicht zutreffend. Nach der Rechtsprechung kann eine Ermessensentscheidung angebracht sein, wenn die Rückforderung den Versicherten nicht nur in eine schlechtere oder schlechte finanzielle Lage bringt, sondern darüber hinaus einen "existenzvernichtenden Eingriff" beinhaltet (BSG vom 25.01.1994, a.a.O.:" extremer Ausnahmefall", der aber voraussetzt, dass der Bereicherte allenfalls nur grob fahrlässig gehandelt hat und ferner ein im Sinne des Übermaßverbotes unerträgliches, durch Anwendung des § 76 Abs.2 SGB IV nicht ausräumbares Missverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rückforderung und dem Privatinteresse am Behaltendürfen des Werts der Begünstigung besteht ... Vernichtung der Lebensgrundlage). An einen solchen existenzvernichtenden Eingriff könnte z.B. gedacht werden, wenn dem Versicherten die Mittel entzogen würden, die er für die Führung eines Betriebs benötigt. Auch andere Fälle sind denkbar. Überlegungen der Beklagten hierzu erübrigen sich jedoch, weil die Klägerin selbst spätestens bis zum Ergehen des Widerspruchsbescheides Tatsachen zu einem "existenzvernichtenden Eingriff" hätte vortragen müssen (BSG, a.a.O.), was sie nicht getan hat. Der Hinweis allein auf ihre Einkünfte als Rentnerin (Bezug einer einzigen Witwenrente) war nicht ausreichend. Bei den von ihr damals genannten Einkünften wäre sie vollständig oder im Wesentlichen vor Pfändung oder Aufrechnung (§§ 51, 54 SGB I) geschützt gewesen, und die Lebensführung - soweit damals erkennbar - wäre nicht ausschlaggebend beeinträchtigt gewesen.

Aus den genannten Gründen war auf die Berufung der Beklagten hin das angefochtene sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage gegen die streitgegenständlichen Bescheide mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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