L 14 RA 91/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 1282/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 91/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19. März 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die im Jahre 1949 geborene Klägerin, von Beruf Allgemeinmedi- zinerin, legte in der ehemaligen DDR Ausbildungs- und Beitragszeiten in der Zeit zwischen Februar 1965 und Oktober 1984 zurück. Ab 01.11.1984 bezog sie dort eine Invalidenrente, die nach ihrem (nicht bekannt gewordenen) Zuzug in die BRD am 08.01.1989 weiterbezahlt und dann bei der Wiedervereinigung von der Beklagten übernommen worden ist. Diese Rente wurde mit Ablauf März 1994 von der Beklagten eingestellt und für die Zeit ab 01.02.1989 zurückgefordert. Nach Zuzug in die BRD beantragte die Klägerin bei der Beklagten am 10.04.1989 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit und nahm diesen Antrag nach einer Begutachtung (Ergebnis: reaktive oder neurotische Depression, Befürwortung eines Heilverfahrens) wegen Besserung ihres Gesundheitszustands im November 1989 zurück.

Auf ihren zweiten am 15.11.1989 gestellten Rentenantrag wurde das nervenärztliche Gutachten des Dr.S. vom 14.05.1990 eingeholt. Unter Berücksichtigung der Vorgutachten (dort Halswirbelsäulen-bedingte Nackenkopfschmerzen, Analgetikaabusus und Persönlichkeitsfehlentwicklung) diagnostizierte Dr.S. eine depressive Neurose mit schwerwiegender Symptomatik (erhebliche Antriebsstörungen und emotionale Defizite) und hielt die Klägerin im bisherigen Beruf sowie in Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes für zwei Stunden bis unter halbschichtig einsetzbar; sie sei motiviert und einsichtsfähig für eine Psychoanalyse, die ambulant durchgeführt werden könne. Es werde vorgeschlagen, die Klägerin für zwei Jahre zu berenten, um ihr die Möglichkeit zu einer intensiven Therapie zu geben. Mit Bescheid vom 30.07.1990 gewährte die Beklagte eine Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 01.11.1989 bis 30.06.1992 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 30.04.1985.

In Zusammenhang mit der Rückforderung der in der DDR gezahlten Invalidenrente und einem Stundungsbegehren der Klägerin ging bei der Beklagten das einen Zahlungsaufschub befürwortende Attest der Neurologin und Psychiaterin Dr. H. B. vom 27.11.1995 ein, in dem eine nervenärztliche Behandlung seit dem 04.10.1995 bescheinigt wird. Es liege ein ausgeprägtes depressiv-antriebsarmes Syndrom vom Ausmaß einer Major Depression vor, wobei es sich um eine wiederholte Phase handele.

Am 26.09.1997 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Sie gab hierzu an, sie sei seit ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 24.09.1995 wegen massiver Schlafstörungen, Antriebsstörungen, häufigen Kopfschmerzen (meist Halswirbelsäulen-bedingt) sowie Brustwirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom arbeitsunfähig und erwerbsunfähig. Vorgelegt wurde hierzu das nervenärztliche Attest der Dr.B. vom 24.09.1997, nach dem sich die Klägerin derzeit in regelmäßiger Behandlung befinde und ein ausgeprägtes und anhaltendes depressives Syndrom im Sinne einer Major Depression (depressive Persönlichkeitsentwicklung mit narzißtischen Defiziten) vorliege und die Berentung für ein bis zwei Jahre befürwortet werde. Aufgrund der von der Klägerin beigebrachten und den von der Beklagten ermittelten Unterlagen ergab sich, dass die Klägerin von Dezember 1992 bis September 1995 als Ärztin selbständig 12,5 Stunden pro Woche gearbeitet hatte, und zwar bis einschließlich Juni 1993 auf Honorarbasis (Vergütung circa 2.500,00 DM brutto) in einer "Obdachlosenpraxis Dr.R. der Stadt M." und bis September 1995 als zugelassene Kassenärztin in derselben Praxis. Vom 24.09.1995 bis zur Aussteuerung am 23.03.1997 bezog sie von der Allgemeinen Ortskrankenkasse München Krankengeld (mit der Folge der Entrichtung von Pflichtbeiträgen), anschließend Sozialhilfe. Ab 25.05.1998 (Arbeitsunfähigkeit ab 11.05.1998) bezog sie wiederum Krankengeld, anschließend danach erneut Sozialhilfe.

Die Beklagte holte das nervenärztliche Gutachten des Dr.K. vom 09.12.1997 ein. In der dortigen Anamnese ist die vorausgehende Berufstätigkeit der Klägerin wiedergegeben, außerdem, dass sie seither (Beendigung der Tätigkeit im November 1995) wieder depressiv sei und an Kopfschmerzen, Antriebsstörungen sowie Ein- und Durchschlafstörungen leide. Dr.K. führte aus, dass Hinweise für Aggravations- oder Dissimulationstenden- denzen nicht festgestellt werden konnten. Die Patientin sei zum Ort, zur Zeit, zur Person und zur Situation voll orientiert und bewusstseinsklar gewesen. Formale und inhaltliche Denkstörungen psychotischen Ausmaßes hätten nicht vorgelegen, Gedächtnis, Konzentrations- und Merkfähigkeit seien nicht gravierend beeinträchtigt gewesen. Im Vordergrund hätten der stockende Sprachfluss der Klägerin und die depressive Stimmungslage (morgendliches Stimmungstief, Ein- und Durchschlafstörungen, deutliche Antriebsstörungen) gestanden. Bei den Diagnosen "endoreaktive Dysthymie, Migräne und chronisches Lumbalsyndrom bei schwerem Übergewicht und im extremen Risikobereich gelegenen BMI" (97 kg bei 164 cm Körperlänge) hielt Dr.K. die Klägerin seit 24.09.1995 für erwerbsgemindert; sie könne bestenfalls zwei Stunden bis unter halbschichtig als Ärztin und halb- bis unter vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Frauenarbeiten ohne Schichtdienst, ohne Stressbelastung und ohne hohe statische Belastung der Wirbelsäule verrichten. Wünschenswert wäre eine stationäre Heilbehandlung. Diese Beurteilung gelte für die Dauer eines Jahres (gemeint: bis Dezember 1998). Der beratende Arzt Dr.B. hielt die Klägerin im bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zwei Stunden bis unter halbschichtig in der Zeit zwischen September 1995 und Dezember 1998 für einsetzbar.

Vor Verbescheidung des Rentenantrags reichte die Klägerin noch eine ärztliche Bescheinigung des Klinikums Innenstadt der Universität M. ein, aus dem sich eine Operation des linken oberen Sprunggelenks (Osteosynthese) am 11.05.1998 mit folgender Gipsruhigstellung für voraussichtlich sechs Wochen ergab.

Bei der Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen kam die Beklagte zu dem Ergebnis, dass in den letzten 60 Mo- naten vor Eintritt des Leistungsfalls am 24.09.1995 nur zehn Pflichtbeiträge vorhanden seien. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Schiebezeiten wurde der Fünf-Jahres-Zeitraum ab Dezember 1983 gerechnet, dennoch ergab sich bei den Lücken im Versicherungsverlauf der Klägerin - insbesondere während der Zeit der selbständigen Tätigkeit von Juli 1992 bis August 1995 - nicht die Mindestanzahl von 36 Pflichtbeiträgen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.10.1998 lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 26.09.1997 ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, wobei sie lediglich die rechtlichen Voraussetzungen anführte und im Übrigen auf einen (nicht beiliegenden) Versicherungsverlauf verwies.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch monierte die Klägerin den fehlenden Versicherungsverlauf, woraufhin die Beklagte erklärte, die Vorlage sei noch nicht möglich, weil für die Zeit vom September 1974 bis Oktober 1984 noch keine Entgeltmeldungen eingegangen seien; sie stellte das Widerspruchsverfahren zunächst ruhend. Mit Feststellungsbescheid vom 12.07.1999 wurde ein Versicherungsverlauf erstellt und die "Anerkennung" der Zeit vom 01.12.1992 bis 23.09.1995 als rentenrechtliche Zeit abgelehnt. Die dann noch erfolgte Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit ergab unter Zugrundelegung eines Fünf-Jahres-Zeitraums vom 24.10.1983 bis 23.09.1995 (unter Herausrechnung der Schiebezeiten) die Belegung mit elf Monaten an Pflichtbeiträgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2000 wurde der Rechtsbehelf der Klägerin zurückgewiesen, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach wie vor nicht erfüllt seien.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München forderte das Sozialgericht vergeblich eine Klagebegründung sowie Angaben der Klägerin zu ihren Behandlungen, den behandelnden Ärzten und Gesundheitsstörungen mit einer Entbindungserklärung an (Schreiben vom 22.11.2000 und 19.12.2001). Unter dem 05.03.2002 erging der richterliche Hinweis an die Klägerin, dass die angeforderten Angaben und die Entbindungserklärung bisher nicht eingegangen seien und ohne diese keine medizinischen Unterlagen beigezogen werden könnten sowie die Erstattung eines Gutachtens nicht möglich erscheine, so dass die Klage nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast abgewiesen werden müsse. Es werde beabsichtigt, die Sache durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Der Klägerin werde bis zum 18.03.2002 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Als die Klägerin auch hierauf nicht reagierte, erging der Gerichtsbescheid vom 19.03.2002, mit der die Klage unter Zugrundelegung des Grundsatzes der objektiven "Beweislast" (gemeint: Beweislosigkeit) abgewiesen wurde, weil medizinische Unterlagen nicht beigezogen werden könnten, die Erstattung eines Gutachtens nicht möglich sei und damit auch der streitige Anspruch nicht überprüfbar.

Die Klägerin legt hiergegen Berufung ein und kündigt an, dass die Begründung folge. Die medizinischen Sachverhalte würden von ihr akzeptiert, sie wende sich jedoch gegen die Nichterfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Nach Aufforderung und Anmahnung der Berufungsbegründung bringt die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.07.2002 vor, entgegen den Ausführungen des sozialgerichtlichen Urteils habe die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid bereits das eingeschränkte Erwerbsvermögen bestätigt. Die Klägerin erklärt weiterhin, aus welchen Gründen in ihrem Versicherungsverlauf Lücken in der Zeit von 1984 bis 1995 vorlägen, und erwähnt u.a. wiederum die Tatsache, dass sie von Dezember 1992 bis einschließlich September 1995 selbständig tätig gewesen sei; anschließend habe wiederum Arbeitsunfähigkeit aus demselben Grund bestanden, der eine Berentung rechtfertige. Der Senat möge seinen Ermessensspielraum in dem Sinne nutzen, dass er unter Berücksichtigung ihrer speziellen Situation mit illegalem Verlassen der ehemaligen DDR und der sonstigen Umstände (Schwierigkeiten, eine Praxis zu gründen, sowie Betrug durch einen Kredithai) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuspreche.

Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen (Schreiben vom 22.07.2002), dass das Gericht keinerlei Ermessenspielraum bei seiner Entscheidung habe. Er hat ihr die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente erklärt und besonders auf die große Lücke während der Zeit ihrer selbständigen Tätigkeit hingewiesen, so dass nur noch eine Chance auf Rente bestehe, wenn sie bereits seit 1992 durchgehend berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei. Letzteres könne ohne ihre Mitwirkung (Angaben zu Ärzten mit genauen Adressen, Behandlungszeiten, Entbindungserklärung) nicht festgestellt werden. Ihr werde daher dringend geraten, das beiliegende Formblatt (Angaben über Behandlungen und Entbindungserklärung) genau auszufüllen und alsbald unterschrieben an das Gericht zurückzusenden. Trotz Erinnerung vom 14.10.2002 ist das Formblatt bis zur mündlichen Verhandlung nicht eingegangen.

Auch auf weitere Schreiben des Gerichts hat die Klägerin nicht oder ungenügend reagiert. Auf gerichtliche Anforderungen erfolgten Anträge auf Fristverlängerung und dann die Frage (Schreiben der Klägerin vom 24.11.2002), ob die Lücke von Juli 1992 bis August 1995 als Berücksichtigungszeit gewertet werden könne, weil in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen nur eine geringfügige selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei. Die fachärztliche Bescheinigung werde noch nachgereicht.

Der Senat hat ihr darauf den Hinweis (Schreiben vom 28.11.2002) gegeben, dass diese Lücke weder eine Anrechnungszeit noch eine Berücksichtigungszeit noch eine sonstige rentenrechtliche Zeit darstelle und eine fachärztliche Bescheinigung hieran nichts ändern könne. Es werde anheim gestellt, die Berufung zurückzunehmen oder bis zum 15.12.2002 zu begründen.

Die Klägerin hat dann erneut um Äußerungsfrist bis zu einem Besprechungstermin in der Beratungsstelle der Beklagten am 16.01. 2003 und dann bis zum 30.01.2003 gebeten und lediglich vorgebracht, es bestünden noch Ungereimtheiten in Zusammenhang mit dem ablehnenden Bescheid der Beklagten, weil zuerst der erwähnte Versicherungsverlauf nicht vorhanden gewesen sei und dann noch Unklarheiten in Zusammenhang mit ihrer Zusatzversorgung bestünden; außerdem habe sie gesundheitliche Probleme (vier Operationen).

Vorsorglich ist der Klägerin eine Kopie des Versicherungsverlaufs übersandt (Schreiben vom 19.12.2002) und die Frist zur Stellungnahme bis zum 25.01.2003 verlängert worden. Weiterhin ist nochmals mit einem mehrseitigen Schreiben vom 29.01.2003 die Sachlage in medizinischer und rechtlicher Sicht dargestellt und auch darauf hingewiesen und begründet worden, dass sich eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von 1992 bis 1995 nicht mit der gebotenen Sicherheit mehr nachweisen lassen werde sowie Fragen der Zusatzversorgung im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung hätten. Der nochmaligen Aufforderung, sich zu äußern und die bisher abgeforderten Angaben zu machen, ist die Klägerin nicht nachgekommen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), den Bescheid der Beklagten vom 13.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, unter Berücksichtigung des Rentenantrags vom 26.09.1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird hierauf sowieauf die zu Beweiszwecken beigezogene Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.

Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin ein Rentenanspruch nicht zusteht. Sie erfüllt zwar die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung (Berufsunfähigkeit ab 24.09.1995 mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit bei Aufgabe der selbständigen Tätigkeit mit Ablauf des 30.09.1995), aber nicht die rechtlichen Voraussetzungen.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI in den vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassungen).

Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).

Unter Zugrundelegung des gesetzlich definierten Leistungsvermögens kann Berufsunfähigkeit ab 24.09.1995 bejaht werden. Zugrunde zu legen ist hier im Wesentlichen das Gutachten des Dr.K ... Bei der Klägerin lag ein depressives Syndrom im Sinne einer Major Depression vor. Sie zeigte sich zeitlich und örtlich sowie zur Person und zur Sache voll orientiert und bewusstseinsklar, ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen. Gedächtnis, Konzentration und Merkfähigkeit waren nicht gravierend beeinträchtigt, autoaggressive Tendenzen fehlten. Im Vordergrund stand die depressive Stimmungslage mit Ein- und Durchschlafstörungen, morgentlichem Stimmungstief und deutlichen Antriebsstörungen. Bei fehlenden neurologischen Zeichen (EEG, AEP) beherrschten die Symptome einer endoreaktiven Dysthymie das Krankheitsbild. Aufgrund dessen erscheint ein unter halbschichtiges Leistungsvermögen im Beruf als Ärztin gesichert. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann die Klägerin weniger als halbschichtig leichte Frauenarbeiten ohne Schichtdienst, ohne Stressbelastung und ohne hohe statische Belastung der Wirbelsäule verrichten. Auch insoweit führen die sozialmedizinisch im Vordergrund der Gesundheitsstörungen stehenden Antriebsstörungen zu zeitlichen (und qualitativen) Einschränkungen des Erwerbsvermögens.

Der Eintritt der Berufsunfähigkeit ist mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 24.09.1997 anzunehmen, der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit erst mit dem 30.09.1997, weil vorher eine selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist und dieser Tatbestand kraft gesetzlicher Regelung eine Erwerbsunfähigkeit ausschließt, und zwar auch dann, wenn Arbeitsunfähigkeit bestehen sollte.

Ein vor dem 24.09.1997 liegender Leistungsfall ist nicht zu objektivieren, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Laut dem Gutachten des Dr.K. und auch den Angaben der Klägerin besteht ein phasenhafter Verlauf der Erkrankung, wobei ein erneuter Schwerpunkt mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im September 1997 dokumentiert ist. Bestätigt wird dies auch durch den Eindruck der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr.B. , die im Attest vom 24.09.1997 von einem ähnlich schweren Zustand sprach, wie er bei der Klägerin kurz vor Verlassen der BRD (im Jahre 1989) bestanden hat.

Der im Berufungsverfahren erfolgte vage Hinweis der Klägerin, dass sie aus gesundheitlichen Gründen bereits von 1992 bis 1995 nur eine geringfügige selbständige Tätigkeit (12,5 Stunden/Woche) ausgeübt habe - diese Äußerung erfolgte im Übrigen erst nach Hinweis des Senats auf fehlende Erwerbs- und Berufsunfähigkeit in diesem Zeitraum - ist nicht aussagekräftig, geschweige denn beweisend. Möglicherweise hatte die Klägerin keine passende Gelegenheit, umfassend tätig zu werden, oder kein Interesse daran, etwa deshalb, weil sie mit dem erzielten Verdienst zufrieden gewesen ist oder sie mehr Arbeitsaufwand - im Hinblick auf Schulden (Rückforderung der Beklagten und Pfändung, sonstige Schulden, siehe "Kredithai") nicht für sinnvoll hielt. Festzustellen ist jedenfalls, dass die Klägerin damals bemüht gewesen ist, sich eine eigene Arztpraxis aufzubauen, also sich durchaus für leistungsfähig hielt; wenn dies nicht geglückt ist, so mag dies auf verschiedene Gründe, u.a. auf wirtschaftliche bzw. finanzielle, zurückzuführen sein, jedenfalls nicht auf gesundheitliche.

Aktenkundig ist ferner, dass sich die Klägerin erst ab 04.10. 1995 in ständige nervenärztliche Behandlung begeben hat (vgl. Attest der Dr.B. vom 27.11.1995), so dass objektive Anhaltspunkte für die vorausgehende Zeit fehlen, wohingegen erst durch die einschlägige Behandlung (und die Arbeitsunfähigkeit) ein Leidensdruck und ein krankheitswertiges Geschehen von Gewicht belegt werden.

Sonstige Gesundheitsstörungen der Klägerin, die in der Zeit von 1992 bis 1995 von wesentlichem Gewicht wären, sind nicht festzustellen. Die von der Klägerin vorgebrachten Operationen am Fußknöchel erfolgten erst ab dem Jahre 1998. Von 1992 bis 1995 vermag eventuell bereits ein chronisches Wirbelsäulen-Syndrom vorgelegen haben, wie es Dr.K. im Jahre 1997 diagnostiziert hat. Allerdings bestanden keine Nervenwurzelreizungen, und die Beweglichkeit der Wirbelsäule war nicht eingeschränkt (z.B. Finger-, Boden-Abstand 0 cm); mehr als eine Druckdolenz im lumbosacralen Übergangsbereich war nicht festzustellen. Hieraus lässt sich unter Mitberücksichtigung des Übergewichts der Klägerin für die Jahre 1992 bis 1995 kaum mehr ableiten, als dass die Fähigkeit für schweres Heben und Tragen sowie für sonstige schwerere körperliche Tätigkeiten nicht vorlag. Damit ist aber noch nicht Berufsunfähigkeit zu begründen (wohingegen eine Erwerbsunfähigkeit schon wegen der ausgeübten selbständigen Tätigkeit ausscheidet).

Bei einem Leistungsfall im September 1997 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung wegen verminderter bzw. geminderter Erwerbsfähigkeit nicht erfüllt. § 43 Abs.1 und Abs.2a und § 44 Abs.1 sowie Abs.2a SGB VI a.F. und § 43 Abs.1 und Abs.4 SGB VI n.F. setzen voraus, dass in den letzten fünf Jahren (60 Monate) vor Eintritt des Leistungsfalls (hier im September 1997) mindestens drei Jahre (36 Monate) Pflichtbeiträge, in der Regel für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, vorhanden sind. Aufgrund der Lücke im Versicherungsleben der Klägerin von Juli 1992 bis September 1995, das sind 39 Monate, (sowie sonstiger nicht mehr relevanter Lücken) kann die Mindestbelegung mit 36 Pflichtbeiträgen nicht mehr erreicht werden, weil die unbelegte Zeit rechnerisch nicht größer als 24 Monate sein darf.

Die Lücke kann auch nicht durch herauszurechnende Schiebezeiten, das sind insbesondere Anrechnungs- und Berücksichtigungszeiten (§ 43 Abs.3 SGB VI a.F. und § 43 Abs.4 SGB VI n.F.) gemindert werden. Anrechnungszeiten sind vor allem Zeiten der Arbeitslosigkeit oder der Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitslosigkeit setzt aber gemäß § 58 Abs.1 Nr.3 SGB VI nicht nur die Beschäftigungslosigkeit voraus, sondern auch die Meldung beim Arbeitsamt als arbeitsuchend und den Bezug von "öffentlich-rechtlichen Leistungen" (z.B. Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe); die Klägerin war jedoch nicht arbeitslos gemeldet. Die "Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit" (§ 58 Abs.1 Nr.1 SGB VI) wird in der Regel durch eine Krankschreibung bzw. den Bezug von Krankengeld bewiesen. Eine Unfähigkeit, die bisher ausgeübte Tätigkeit oder eine ähnlich geartete Erwerbstätig- keit entweder nicht mehr ausüben zu können oder nur auf die Gefahr hin, den Gesundheitszustand zu verschlimmern, ist bei der Klägerin vor September 1997 nicht zu beweisen. Abgesehen davon müsste die Arbeitsunfähigkeit eine versicherte Beschäftigung bzw. Tätigkeit unterbrochen haben (§ 58 Abs.2 SGB VI), wobei eine solche Unterbrechung nur vorliegt, wenn zwischen dem Ende der versicherten Beschäftigung bzw. Tätigkeit und dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit kein voller Kalendermonat liegt. Eine Berücksichtigungszeit stellt eine Zeit der Kindererziehung bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres dar (§ 57 SGB VI) und ist bei der Klägerin nicht gegeben, ebenso wenig sonstige Schiebezeiten.

Die zweite Alternative der Erhaltung der Rentenanwartschaft, die vollständige Belegung der Monate ab 01.01.1984 mit Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen oder sonstigen An- wartschaftserhaltungszeiten (Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der Arbeitslosigkeit, Berücksichtigungs- und Rentenbezugs- zeiten usw.), gemäß §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. § 241 Abs.2. SGB VI n.F. ist bei der Klägerin nicht gegeben und auch nachträglich nicht erfüllbar.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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