L 5 RJ 718/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 498/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 718/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Die am 1939 geborene Klägerin ist im Dezember 1984 aus Polen zugezogen. Sie war hier von Juli 1987 bis Juli 1989 als Reinigungsfrau versicherungspflichtig beschäftigt. Der verbindlich festgestellte Versicherungsverlauf vom 21.07.1997 enthält Pflichtbeiträge von 1956 bis Juli 1989. Unterbrechungen finden sich von Juli 1979 bis August 1980, von September 1981 bis April 1982 und von Januar 1985 bis Juli 1987. Ab Juli 1989 war die Klägerin bis November 1990 15 Monate lang arbeitslos. Anschließend schloss sich bis Mai 1993 Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug an. Von August 1993 bis November 1993 war die Klägerin ebenso wie von Februar 1994 bis Mai 1999 ohne Leistungsbezug arbeitslos. Am 17.06.1999 beantragte die Klägerin Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Diesen Antrag lehnte die Beklagte am 25.06.1999 ab. Zwar habe sie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt, aber im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum vom 01.01.1980 bis 31.08.1999 seien statt der erforderlichen acht Jahre (= 96 Kalendermonate) nur 68 Kalendermonate an Versicherungszeiten enthalten. Den Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie habe am 25.05.1999 in der Beratungsstelle der Beklagten die Auskunft erhalten, die Rente stehe ihr ab 01.09.1999 ohne Abschlag zu. Sie habe sich darauf verlassen und stehe unter Vertrauensschutz. Sie legte eine Rentenauskunft vom 25.05.1999 vor, auf der handschriftlich vermerkt ist: "14.02.1996 alo -) Vertrauensschutz Altersrente wegen Arbeitslosigkeit 60. Lebensjahr Rentenbeginn 01.09.1999 ohne Abschlag." Die Beklagte wies den Widerspruch am 24.02.2000 mit der Begründung zurück, eine fehlerhafte Beratung sei nicht erfolgt. Selbst wenn dem so wäre, könne mittels des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein rechtwidriger Zustand geschaffen werden.

Mit ihrer Klage vom 24.03.2000 hat die Klägerin ihr Begehren auf vorgezogene Altersrente gemäß § 38 SGB VI weiter verfolgt. Ein Mitarbeiter der Beklagten habe ihr am 25.05.1999 Altersrente zugesichert; diese Zusicherung sei aufgrund der schriftlichen Fixierung auf der Rentenauskunft vom selben Tag bindend. Wegen des klaren Verwaltungsfehlers stehe ihr ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zu. Das Sozialgericht hat die Klage am 06.11.2001 abgewiesen. Der handschriftliche Vermerk vom 25.05.1999 stelle keine Zusicherung dar, da er ohne Unterschrift sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheide aus, da die fehlende Anwartschaftszeit nicht ersetzt werden könne. Gegen das am 20.11.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.12.2001 Berufung eingelegt. Bei jeder Beratung durch die LVA ab 1992 sei ihr versichert worden, dass sie mit 60 Jahren Altersrente bekomme. Sie hat schriftliche Auskünfte der LVA vom 25.05.1999, 28.05.1999 und 01.07.1999 vorgelegt, wonach im Versicherungsverlauf keine Lücken vorhanden seien. Auf diesen Auskünften ist aufgedruckt, Rechtsansprüche könnten daraus nicht hergeleitet werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin geltend gemacht, bei richtiger Beratung hätte sie eine Beschäftigung aufgenommen, um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen rechtzeitig zu schaffen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 06.11.2001 sowie des Bescheides vom 25.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 17.06.1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres zu gewähren.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.11.2001 zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 16.11.1999 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 05.07.1999 auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt. Zwar sei die Klägerin seit Antragsstellung erwerbsunfähig, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien aber nicht gegeben, da auch unter Berücksichtigung der Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ab Juli 1989 keine 36 Pflichtbeiträge im Fünfjahreszeitraum vorhanden seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München, der beigezogenen Akten des Arbeitsamts sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.11.2001 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 25.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2000. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Unstreitig sind die Voraussetzungen des gemäß § 300 Abs.2 SGB VI maßgebenden § 38 SGB VI in der ab 01.08.1996 bis 31.12.1999 maßgebenden Fassung nicht erfüllt. Danach haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie 1. das 60. Lebensjahr vollendet haben, 2. entweder a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und innerhalb der letzten eineinhalb Jahre vor Beginn der Rente insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren ... oder b) 24 Kalendermonate Altersteilzeitarbeit ausgeübt haben, 3. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeiten sind, verlängert und 4. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. Die Klägerin hat in den letzten zehn Jahren vor dem beantragten Beginn der Rente am 01.09.1999 keinerlei Pflichtbeiträge vorzuweisen. Zwar verlängert sich der Zehnjahreszeitraum im Hinblick auf die nahezu durchgehende Zeit der Arbeitslosigkeit ab August 1989 bis 01.01.1980. Wegen der über zweijährigen Lücke von Januar 1985 bis Juli 1987, in der die Klägerin als Hausfrau tätig war, werden jedoch auch im erweiterten Zehnjahreszeitraum keine acht Jahre an Pflichtbeiträgen erreicht. Am Erfordernis von acht Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente hat auch die Gesetzesänderung ab 01.01. 2000 nichts verändert. § 237 SGB VI hält an diesem Erfordernis auch für die Zeit über den 31.12.1999 fest.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, die Bewilligung einer Altersrente ab dem 60. Lebensjahr sei ihr zugesichert worden. Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form (§ 34 Abs.1 Satz 1 SGB X). Die Anforderung an die Schriftform konkretisiert § 33 Abs.3 SGB X, worin es heißt, ein schriftlicher Verwaltungsakt müsse die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Von wem der handschriftliche Vermerk auf der Rentenauskunft vom 25.05. 1999 stammt, ist offen. Selbst wenn er von dem Mitarbeiter der Beklagten, S. , stammen sollte, wie dies die Klägerin behauptet, genügt der Vermerk keinesfalls dem Schrifterfordernis des § 34 Abs.1 SGB X i.V.m. § 33 Abs.3 SGB X. Er trägt nämlich keine Unterschrift. Die Art des Vermerks auf der Rentenauskunft legt zudem eine Beratung nahe, die im Gegensatz zur Zusicherung kein Verwaltungshandeln zusichert, sondern auf die Möglichkeit bestimmter Verwaltungshandlungen hinweist. Auch aus dem wiederholten Ausdruck "aus dem SB-Dialog", im Versicherungsverlauf seien keine Lücken vorhanden, kann die Klägerin keinen Rentenanspruch ableiten. Die Aussage über eine nicht vorhandene Lücke steht in keinem Zusammenhang mit einem bestimmten zu erlassenden Verwaltungsakt. Jede dieser Auskünfte vom 25.05., 28.05. und 01.07.1999 war zudem mit einem Vorbehalt verbunden. Ausdrücklich heißt es darin, der Inhalt dieser Auskunft sei aus dem aktuellen Kontostand erstellt und diene nur als Bearbeitungs- bzw. Beratungsgrundlage. Rechtsansprüche könnten daraus nicht hergeleitet werden. Am 25.05.1999 ist der Klägerin auch nicht bereits vorgezogene Altersrente bewilligt worden. Zwar kann ein Verwaltungsakt auch mündlich erlassen werden (§ 33 Abs.2 Satz 1 SGB X), die Klägerin trägt jedoch selbst vor, an diesem Tag tatsächlich nur eine Auskunft erhalten zu haben. Die Antragstellung ist auch erst am 17.06.1999 erfolgt. Zudem ist im Sozialversicherungsrecht der schriftliche Verwaltungsakt die Regel; ein Bediensteter der LVA wird kaum jemals mündlich einen Regelungswillen mit der Tragweite einer Altersrentenbewilligung bekunden.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch einen sozialrechtlichen Herstellunganspruch verneint. Dabei kann als wahr unterstellt werden, die Klägerin habe tatsächlich am 25.05.1999 die falsche Auskunft erhalten, ihr stehe ab 01.09.1999 Altersrente zu. Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellunganspruchs ist neben der Pflichtverletzung eines Leistungsträgers der dadurch herbeigeführte Eintritt eines Schadens in Form des Ausbleibens von Vorteilen, die an sich im Sozialrecht vorgesehen sind. Zwischen der unterstellten fehlerhaften Auskunft und der Ablehnung des Altersrentenanspruchs besteht jedoch keinerlei Zusammenhang. Zum Zeitpunkt der Beratung am 25.05.1999 waren die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des Altersrentenanspruchs zum 01.09.1999 nicht mehr erfüllbar. Mittels des Herstellungsanspruchs kann grundsätzlich nur die Erfüllung des infolge des Verwaltungsfehlers beeinträchtigten oder gefährdeten, originären Hauptanspruchs verlangt werden (Seewald in Kassler Kommentar, Vorbemerkungen vor §§ 38 bis 47 Rz.44 m.w.N.). Durch die falsche Auskunft hat sich der originäre Hauptanspruch in keiner Weise verändert. Ziel des Herstellungsanspruchs ist die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge, die eingetreten wäre, wenn sich der Leistungsträger rechtmäßig verhalten hätte. Wäre die Auskunft am 25.05.1999 zutreffend gewesen, hätte die Klägerin wohl gar keinen Antrag auf Altersrente gestellt. Jedenfalls stünde ihr auch dann keinerlei Rentenanspruch zu. Die Klägerin begehrt keinen Ausgleich eines sozialrechtlichen Schadens, sondern einen Ausgleich für ihre enttäuschten Erwartungen. Würde die Beklagte den von ihr erwarteten Zustand herbeiführen, würde sie dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zuwider handeln (Art.20 Abs.3 Grundgesetz). Für die Anwendung des Rechtsinstituts des Herstellungsanspruchs bleibt dann kein Raum, wenn ein Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde. Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat (BSGE vom 25.01.1994 in SozR 3-4100 § 249e Nr.4 m.w.N.). Demgemäß lässt sich mit Hilfe des Herstellungsanspruchs ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht. Das kann bei verspäteter Antragstellung, verspäteter Beitragsentrichtung oder verspäteter Vorlage von Unterlagen der Fall sein, wenn die Verspätung auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Leistungsträgers beruht. Das Ausscheiden der Klägerin aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung Mitte 1989 bzw. die Nichtaufnahme einer solchen Beschäftigung bis Mitte 1987 oder auch später ist eine Begebenheit tatsächlicher Art, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln der Beklagten zugängig ist. Sie kann nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht werden.

Sollte ein Bediensteter der Beklagten die Klägerin tatsächlich falsch beraten haben, und wäre diese Pflichtverletzung dafür ursächlich, dass die Klägerin keine Altersrente beanspruchen kann, kommt ein Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB in Betracht, der auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen ist (Art.34 S.3 GG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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