L 2 U 100/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 212/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 100/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 135/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.02.2000 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 07.02.2000 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 24.01.1995 und 10.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.1997 abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1953 geborene Kläger berichtete der Beklagten am 12.08.1994 über einen Arbeitsunfall vom 14.07.1994. Er habe Schäden an den Luftwegen, den Bronchien und der Lunge davongetragen, als im Schlachthof A. Ammoniak ausgetreten sei, das er bei Entladearbeiten eingeatmet habe.

Gegenüber dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr.G. klagte der Kläger am 14.07.1994 über Reizhusten, Brennen in der Brust und rezidivierende Bronchitis. Dr.G. diagnostizierte ein mittelgradiges Reizgasinhalationstrauma. Auf seinen Rat begab sich der Kläger in die Notaufnahme des Zentralklinikums A. ; dort wurde die Diagnose: "Bronchiale Reizung bei Zustand nach Ammoniakinhalation, Adipositas" gestellt. Der Kläger gab Reizhusten, Kopfschmerz, thorakales Brennen, leichte Dyspnoe an. Er habe in 50 bis 100 m Entfernung etwa 45 Minuten bei körperlicher Arbeit Ammoniakdämpfe inhaliert. Auf eigenen Wunsch wurde der Kläger noch am gleichen Tag wieder entlassen. Der praktische Arzt Dr.P. berichtete, der Kläger habe am 31.08.1994 noch über Atemnot bei Belastung und ständigen Hustenreiz geklagt, am 20.09.1994 über starken Reizhusten und Brennen in der Brust. Die Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr.R. berichtete am 14.10.1994, eindeutige Folge der Schadstoffinhalation sei eine derzeit hochgradige unspezifische Hyperreagibilität des Bronchialsystems; am 27.07. 1994 erklärte sie, der Kläger gebe noch starke Atembeschwerden an, es bestünden erhebliche klinische Anzeichen einer Tracheobronchitis.

Mit Bescheid vom 24.01.1995 gewährte die Beklagte vom 14.07. bis 15.07.1994 und vom 31.08. bis 06.09.1994 Verletztengeld. Nach den ärztlichen Äußerungen bestehe für einen Anspruch auf Verletztenrente kein Anhalt.

Mit Widerspruch vom 01.02.1995 wandte der Kläger ein, er sei weiter so beeinträchtigt, dass die Arbeitsfähigkeit dadurch erheblich eingeschränkt sei.

Nach den beigezogenen Unterlagen der AOK Günzburg war der Kläger vom 28.11. bis 04.12.1983 wegen Bronchitis und vom 30.01. bis 09.02.1990 wegen Sinubronchitis in Verbindung mit Grippe arbeitsunfähig erkrankt. Die Bayerische Versicherungskammer berichtete über eine Behandlung wegen Otitis media, chronischer Rhinitis, Sinusitis, Tinnitus, Septumdeviation am 29.01.1993. Dr.R. führte im Bericht vom 03.08.1994 aus, beim Kläger bestehe eine hochgradige bronchiale Hyperreagibilität, die zweifelsfrei auf die Schadstoffbelastung durch Ammoniakgasinhalation zurückzuführen sei. Er habe früher nie Beschwerden von seiten der Atemwege gehabt, es bestünde keine Neigung zu Bronchitiden. Die Lungenfunktionsprüfung habe normale Ventilationswerte gezeigt, keinen Hinweis für Obstruktion oder Restriktion.

Aus den Unterlagen der Staatsanwaltschaft ergibt sich, dass das Verfahren gegen die Mitarbeiter des Schlachthofs wegen fahrlässiger Körperverletzung eingestellt wurde. Zur Aufsichtsbeschwerde des Klägers erklärte der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht München, die Einstellung des Verfahrens entspreche der Sach- und Rechtslage. Der Beschwerdeführer habe sich ca. 80 m von der Unfallstelle entfernt aufgehalten; eine Anzahl von Personen, die sich wesentlich näher am Unfallort befunden hätten, hätten auch nicht nur annähernd vergleichbare gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten.

Im Gutachten vom 18.12.1995 führte Prof.Dr.R. aus, der Kläger gebe an, er habe sich ca. 15 Minuten am Unfallort aufgehalten. Er habe einen leichten Reiz im Pharynxbereich bemerkt, außerdem Hustenreiz, Atemnot, tränende Augen und deshalb ärztliche Hilfe gesucht. Diese Beschwerdesymptomatik habe sich im Laufe des Jahres 1995 verstärkt. Er spüre häufiges thorakales Brennen, außerdem Hustenreiz, bei körperlicher Anstrengung starke Atemnot, Cephalgien, Vertigo, Tinnitus und ein Trockenheitsgefühl im Mund- und Rachenraum. 1994 sei es zu rezidivierendem Sodbrennen gekommen. Prof.Dr.R. diagnostizierte unter anderem ein mäßiggradiges hyperreagibles Bronchialsystem, Adipositas, Verdacht auf Gastritis, Verdacht auf labile arterielle Hypertonie. Ein Zusammenhang der Beschwerden mit dem Unfall bestehe nicht. Die Möglichkeit einer permanenten Schädigung des Bronchialsystems durch einmalige Ammoniakexposition werde in der medizinischen Literatur verneint. Die Ammoniakexposition sei im Fall des Klägers als gering einzustufen, denn bei hohen Ammoniakkonzentrationen träten so starke Beschwerden auf, dass ein Weiterarbeiten nicht möglich sei. Es zeige sich im Rahmen der Provokationsuntersuchungen eine Abnahme der vormals als hochgradig beschriebenen bronchialen Hyperreagibilität. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass früher mehrfach Bronchitiden und Sinubronchitiden zu behandeln gewesen seien.

Im radiologischen Zusatzgutachten führte Prof.Dr.B. am 30.11.1995 aus, in allen Thoraxaufnahmen sei ein altersentsprechender unauffälliger Befund festzustellen gewesen.

Mit Bescheid vom 10.03.1997 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente ab.

Den Widerspruch vom 11.03.1997 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.1997 zurück. Der angefochtene Verwaltungsakt vom 24.01.1995 beruhe auf den Feststellungen des Dr.P ... Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe vom 14.07. bis 15.07. sowie vom 31.08. bis 06.09.1994 bestanden. Grundlage des Bescheides vom 10.03.1997 bildeten das Gutachten des Prof.Dr.R. und das Zusatzgutachten des Prof. Dr.B ... Hiernach liege ein mäßiggradiges hyperreagibles Bronchialsystem vor, das nicht auf den Unfall vom 14.07.1994 zurückzuführen sei. Eine unfallbedingte MdE sei nicht verblieben, Unfallfolgen lägen nicht vor.

Mit der Klage vom 23.06.1997 hat der Kläger eingewandt, wegen der teilweise zunehmenden Beschwerden könne er seine Tätigkeit nur noch eingeschränkt ausüben.

Dr.P. hat im Befundbericht angegeben, am 23.10.1997 habe der Kläger über Tinnitus, Magenschmerzen und Beschwerden im HWS-Bereich geklagt. Er habe u.a. die Diagnosen gestellt: Adipositas, Zustand nach Ammoniakvergiftung, chronische Bronchitis, Verdacht auf Heliobacter-induzierte Gastritis. Der Internist Dr.A. hat am 12.12.1995 die Diagnosen gestellt: Dyspeptisches Oberbauchsyndrom, Verdacht auf chronische Gastritis, ausgeprägte Fettleber, arterielle Hypertonie.

Beigezogen wurde die Akte des Landgerichts A. über den Zivilrechtsstreit des Klägers gegen die Stadt A ... Im dortigen Termin vom 03.12.1996 gab der Kläger an, als er zum Schlachthof gekommen sei, habe die Feuerwehr bereits Wasser verspritzt. Er habe beim Verlassen des Fahrzeugs sofort beißenden Geruch wahrgenommen. Vor dem Unfall habe er keine vergleichbaren Beschwerden gehabt. Der Sachverständige Dipl.Ing. H. hat angegeben, die Feuerwehr habe Ammoniak abgesaugt und einen Wasservorhang errichtet. Der Kläger habe sich etwa 77,50 m entfernt vom Austrittsort des Ammoniakgases aufgehalten.

Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr.R. führte im Gutachten für das Landgericht A. vom 01.04.1998 und der ergänzenden Stellungnahme vom 30.11.1998 aus, nach den Angaben des Klägers habe vor dem Unfall weder eine relevante asthmatische Atemnot noch eine bronchitische Symptomatik bestanden. Rezidivierende Infekte der oberen Luftwege im Kindes- und Jugendalter hätten keinerlei Einfluss auf die seit dem Unfall bestehende Beschwerdesymptomatik. Der Kläger sei einer intensiven etwa einstündigen Ammoniakinhalation ausgesetzt gewesen. Die Bodyplethysmographie zeige eine kombinierte moderate bis schwere obstruktiv-restriktive Ventilationsstörung, wobei die eingeschränkte Lungenfunktionsbreite nur mit Vorbehalt zu beurteilen gewesen sei aufgrund des starken Hustenreizes und der schlechten Motivierbarkeit des Klägers. Am 17.04.1998 sei eine grob orientierende Spiegelung der Atemwege vorgenommen worden. Es habe sich ein mäßiger endobronchialer Reizzustand mit deut- lich vulnerabler Schleimhaut gezeigt. Beim Kläger bestehe ein toxisch-irritatives Asthmasyndrom mit Sekundärläsion und manifester, nicht reversibler Atemwegsobstruktion bei richtungsweisender unfallbedingter inhalativer Ammoniakintoxikation.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr.G. hat im Gutachten vom 05.05.1998 ausgeführt, die objektiven Befunde zeigten in Ruhe eine normale Lungenfunktion, insbesondere ohne Hinweis auf eine obstruktive oder restriktive Ventilationsstörung. Im Röntgenbild zeige sich kein sicheres Korrelat für die Beschwerden, so dass als Ursache des Hustens nur eine durch inhalativ-toxische Schäden entstandene Hyperreagibilität des Bronchialsystems in Frage komme. Die MdE sei mit 40 v.H. zu bewerten. In der ergänzenden Stellungnahme vom 19.10.1998 hat Dr.G. erklärt, die früheren Bronchitiden des Klägers reichten nicht aus, um eine inhalativ-toxische Lungenschädigung für unmöglich zu halten. Der zeitliche Zusammenhang sei eindeutig.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Arztes für Arbeitsmedizin und Allergologie Dr.R. vom 03.05.1999 übersandt. In der Regel komme es nach der Exposition gegen Ammoniak nicht zu lang- anhaltenden Reizungen. Eine Zunahme der Atembeschwerden und der Hyperreagibilität lange nach der Exposition sei ungewöhnlich, und vor allem sei nicht anzunehmen, dass es nach einem so langen Zeitraum zu einer Lungenschädigung gekommen sei. Geringe Mengen Ammoniak, wie sie im Fall des Klägers angenommen werden könnten, würden bereits an den Schleimhäuten des oberen Atemtraktes physikalisch gelöst und dort ihre schleimhautreizende Wirkung entfalten. Die Befunde sprächen für eine vorübergehende Reizung des Bronchialsystems.

Dr.G. hat hierzu am 22.09.1999 erklärt, ein Zusammenhang der akuten nach dem Unfall aufgetretenen bronchialen Beschwerden sei nicht zu bestreiten, daher müsse das Reizgas auch in die Bronchien gelangt sein. Hierfür sprächen auch die Aufenthaltsdauer von etwa 60 Minuten und die Hyperventilation wegen der körperlichen Arbeit; insbesondere hierin unterscheide sich der Kläger von den anwesenden Helfern, die offenbar keine Schäden davon getragen hätten.

Mit Urteil vom 07.02.2000 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 24.01.1995 und vom 10.03.1997, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.1997, verurteilt, beim Kläger eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und Entzündung des gesamten Bronchialsystems durch inhalativ-toxi- sche Schädigung durch Ammoniakdämpfe als Folge des Arbeitsunfalles vom 14.07.1994 festzustellen und dem Kläger deswegen ab Beginn der 14. Woche nach dem Unfall Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 40 v.H. zu zahlen.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte geltend, es sei von einer vorübergehenden Reizung des Bronchialsystems durch eine geringgradige Exposition gegenüber Ammoniak auszugehen. Ein zeitlicher Zusammenhang reiche für die Anerkennung eines unfallbedingten Gesundheitsschadens nicht aus. Darüber hinaus sei auch die Höhe der MdE nicht nachvollziehbar. Eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität werde mit 20 v.H. bewertet, wenn sie nachgewiesen sei.

Im Schreiben vom 15.11.1995 führte Dr.R. aus, es bestehe immer noch eine mäßiggradige bronchiale Hyperreagibilität. Im Schreiben vom 19.11.1997 wies sie darauf hin, bei unspezifischer Provokation komme es zu einer ausgeprägten Obstruktion und einem deutlichen Anstieg des Atemwegswiderstandes. Es bestehe eine hochgradige bronchiale Hyperreagibilität, die zweifelsfrei auf die Ammoniakgasinhalation zurückzuführen sei. Im Attest vom 18.05.2000 erklärte Dr.P. , aufgrund der Schwere der Erkrankung sei anzunehmen, dass bei dem Unfall größere Mengen von Ammoniak ausgeströmt sein müssten. Im Attest vom 20.10.2000 erklärte er, durch eine medizinisch notwendige Cortisontherapie habe sich bereits ein medikamentöses Cushing-Syndrom ausgebildet. Die Lungenschädigung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irreversibel.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Prof.Dr.K. kam im Gutachten vom 05.03.2001 zu der Auffassung, entscheidend seien die eingeatmete Konzentration von Ammoniak und die Zeitdauer der Einatmung. Konzentrationsmessungen seien nicht vorgenommen worden, so dass weder eine geringe noch eine hohe Konzentration gesichert sei. Es sei durchaus denkbar, dass der Kläger gewissen Konzentrationsspitzen ausgesetzt gewesen sei. Jedenfalls habe er schwer körperlich gearbeitet, somit einen erhöhten Sauerstoffbedarf mit erhöhter Atemfrequenz und dadurch erhöhter Ammoniakaufnahme gehabt. Die Leistungsfähigkeit des Klägers spreche gegen eine wesentliche Vorschädigung. Die häufigsten Ursachen einer bronchialen Überempfindlichkeit seien Zigarettenrauchen und Inhalationsallergene. Der Kläger sei immer Nichtraucher gewesen, und eine allergische Disposition sei nicht diagnostiziert. Nach der Aktenlage, der Anamnese und den Untersuchungsbefunden bestehe beim Kläger eine schwere Schädigung im Bereich des Respirationstraktes, insbesondere Luftröhre und Bronchien, aller Wahrscheinlichkeit nach bedingt durch die inhalative Ammoniakintoxikation mit der Folge einer schweren bronchialen Überempfindlichkeit mit ausgeprägten Hustenanfällen und Atemnot. Die MdE werde auf 80 v.H. geschätzt.

Mit Schreiben vom 17.04.2001 beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 80 v.H. zu zahlen.

Dr.P. attestierte dem Kläger am 15.05.2001 eine schwere chronische Tracheobronchitis nach inhalativ-toxischer Schädigung durch Ammoniak. Der Kläger habe zwei Wochen nach dem Unfall ein Körpergewicht von 95 kg gehabt, am 14.05.2001 als Folge der notwendigen Cortisonbehandlung 114 kg.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2001 führte Prof. Dr.K. aus, seit dem Unfall leide der Kläger an chronischem Reizhusten mit Luftknappheit, der Leitsymptom eines hyperreagiblen Bronchialsystems sei. Der Befund einer unspezifischen Provokation, durchgeführt am 15.11.1995 von Dr.R. , zeige eine erhebliche bronchiale Hyperreaktivität. Somit sei die Diagnose eines hyperreagiblen Bronchialsystems unstrittig. Die bronchiale Hyperreagibilität sei charakterisiert durch eine äußerst große Variabilität, sowohl in der klinischen Beschwerdesymptomatik als auch in den Ergebnissen der Lungenfunktion. Dies erkläre, dass bei Prof.Dr.R. weder eine Obstruktion noch eine Restriktion vorgelegen habe, im Gegensatz zu dem Lungenfunktionsergebnis, das Prof.Dr.K. festgestellt habe. Beim Kläger liege ein hoher Schweregrad einer bronchialen Überempfindlichkeit vor, verursacht wahrscheinlich durch die inhalativ-toxi- sche Schädigung durch Ammoniak. Gemäß Aktenlage sei seit Juli 1994 eindeutig eine Gewichtszunahme festzustellen. Dies resultiere zum einen aus der Tatsache, dass der Kläger Cortisonpräparate einnehmen müsse, zum anderen aus der durch den Hustenreiz und die Atemnot verstärkten körperlichen Inaktivität. Die MdE habe ab der 14. Woche nach dem Unfall 40 v.H., ab Begutachtungszeitpunkt (07.12.2001) 80 v.H. betragen in Anlehnung an die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 und die Begutachtungsempfehlungen des Reichenhaller Merkblattes 2000.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten erläuterte in den Schreiben vom 11.03.2002 und 14.03.2002, die Feuerwehr habe drei Hydroschilder errichtet. Der Kläger sei an der Unfallstelle erst angekommen, nachdem die Feuerwehr bereits tätig gewesen sei. Die Menge des ausgeströmten Ammoniaks sei vom Gewerbeaufsichtsamt A. auf maximal 5 kg geschätzt worden. Der Arbeitsmediziner Dr.H. führte in der Stellungnahme vom 15.03.2002 aus, der Nachweis einer ausreichend hohen Ammoniak- exposition sei neben dem Nachweis der chronischen Schädigung ein zentraler Punkt der Kausalkette. Für die Entwicklung des Krankheitsbildes wären höhere Konzentrationen erforderlich gewesen.

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.S. gab im Befundbericht vom 08.04.2002 an, er habe den Kläger zwischen 1990 und 1993 behandelt und die Diagnose gestellt: Akuter Tinnitus links bei Normalhörigkeit. Dr.P. äußerte im Befundbericht vom 18.04. 2002 1990 habe er den Kläger wegen einer akuten Sinubronchitis bei Verdacht auf Virusgrippe behandelt, 1991 wegen Reizhusten bei Bronchitis.

Der Kläger übersandte Rechnungen über das am 14.07.1994 gelieferte Material, nämlich 435 kg Computerpapier.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten erklärte in der Stellungnahme vom 29.05.2002, aus dem Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. "Abschätzungen der Punktkonzentrationen bei einer Ammoniakfreisetzung im Städt. Schlacht- und Viehhof in A. im Jahr 1994" ergäben sich bei Berücksichtigung eines Maximalwertes von 5 kg ausgetretenen Ammoniaks allenfalls Konzentrationen in Höhe von etwa 29,4 bis 58,7 ppm. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass beispielsweise die konzentrationsmindernde Wirkung der Wasserschleier bei dieser worst-case-Betrachtung keine Berücksichtigung finde. Weiter sei angenommen worden, dass die zugrunde gelegte Menge Ammoniak über eine Stunde ausgetreten sei. Tatsächlich sei das Ammoniak über einen Zeitraum von mehreren Stunden ausgetreten.

Hierzu hat Dr.H. in der Stellungnahme vom 03.06.2002 erklärt, auf der Grundlage der vorliegenden Berechnung sei selbst unter ungünstigen Voraussetzungen davon auszugehen, dass die Ammoniakkonzentration deutlich unterhalb 500 ppm, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sogar unter 100 ppm, gelegen habe. Unter diesen Voraussetzungen sei zwar eine akute Bronchialreizung möglich, nicht aber eine chronische Schädigung der Bronchialschleimhaut mit der Folge der ausgeprägten Hustensymptomatik mit Verschlimmerung über mehrere Jahre. Ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und Unfallereignis könne nicht angenommen werden.

Der Kläger bestritt im Schreiben vom 20.06.2002, dass nur 5 kg Ammoniak ausgetreten seien. Diese Annahme stelle eine reine Schätzung dar. Auch die Tatsache, dass die Feuerwehr über mehrere Stunden einen Wasserschleier installiert habe, weise darauf hin, dass die in Ansatz gebrachten 5 kg abwegig seien. Das Gutachten sei auch bezüglich der Windgeschwindigkeit spekulativ. Im Übrigen habe der Kläger erst nach dem Vorfall vom 14.07.1994 gesundheitliche Probleme gehabt. Sie seien auf die Ammoniakinhalation zurückzuführen. Der Kläger übersandte ein Attest des Dr.P. vom 13.06.2002, nach dem die Erkrankung zweifelsfrei auf den Unfall vom 14.07.1994 zurückzuführen sei.

Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 01.07.2002, dem Gutachten lägen die vom Deutschen Wetterdienst mitgeteilten Daten zugrunde. Das Schreiben des Deutschen Wetterdienstes wurde übersandt.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist, Arbeitsmediziner, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin Prof.Dr.F. führte im Gutachten vom 31.10.2001 zusammenfassend aus, nachgewiesen sei eine mäßige bis starke bronchiale Hyperreagibilität ohne objektive (auskultatorisch wahrnehmbare) Bronchitissymptomatik. Es liege eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Klagen und dem Ausmaß der tatsächlich nachgewiesenen Gesundheitsstörungen vor. Tatsache sei, dass der Kläger schon vor dem Unfall mehrmals im Bereich der Luftwege behandelt worden sei. Die Beteiligung von Nasennebenhöhlen spreche für eine chronische Bereitschaft zur Entzündung der oberen und tieferen Luftwege. Erst Jahre nach dem Unfallgeschehen habe sich eine wesentliche chronische Hustensymptomatik und somit ein Anhaltspunkt für eine chronische Bronchitis eingestellt. Der Unfallhergang und die zeitnahen Untersuchungsbefunde schlössen den Eintritt von Verätzungen und Narbenbildungen als Unfallfolge aus. Die vom Kläger stets erwähnte Symptomatik eines Brennens im Brustkorb sei verdächtig auf das Vorliegen eines gastro-ösophagealen Refluxsyndroms. Es gelte allgemein als eine oftmals verkannte Ursache für die Entstehung von Husten und asthmaähnlicher Atemnot. Schließlich müsse differenzialätiologisch auch eine wesentliche psychosomatische Fehlregulation diskutiert werden. Insbesondere die wiederholt erwähnte extreme Hustensymptomatik während ärztlicher Exploration und Untersuchung ließe in Anbetracht der mageren objektiven Befunde den begründeten Verdacht aufkommen, dass hier nicht unerhebliche psychogene Reaktionen im Spiel seien. Die wiederholt festgestellten Normalbefunde bei der Lungenauskultation sprächen eindeutig gegen eine chronische Bronchitis während der ersten Jahre nach dem Unfall. Erstmals Dr.R. stelle einen unsicher krankhaften Befund fest, nämlich ein verschärftes Atemgeräusch. In den ersten vier Jahren nach dem Unfall hätten also keine Brückensymptome zwischen diesem und der sich später entwickelnden chronischen Bronchitis festgestellt werden können. Bei der unfallbedingten bronchialen Hyperreagibilität und bronchialen Reizung habe es sich nur um eine vorübergehende Gesundheitsschädigung gehandelt, die völlig unwahrscheinlich mit der vier Jahre später nachgewiesenen und noch später chronisch gewordenen Bronchialerkrankung in ursächlichem Zusammenhang stehe. Keinesfalls könne dem Unfall hier eine wesentliche Mitverursachung zugesprochen werden. Es sei wahrscheinlich, dass der Unfall als Gelegenheitsursache die bronchiale Hyperreagibilität vorübergehend hervorgerufen oder verschlechtert habe. Der Verursachungsfaktor habe zeitlich abgrenzbar gewirkt. Prof.Dr.K. berücksichtige nicht genügend das Ausmaß und die aktenkundig nachgewiesenen Folgen des Unfallgeschehens einschließlich der damaligen ärztlichen Untersuchungsbefunde. Seine Diagnose stütze sich auf verhältnismäßig geringe selbst erhobene Befunde, die in erster Linie auf der Mitarbeit des Klägers beruhten und objektiv überwiegend auf die Fettleibigkeit zurückgeführt werden müssten. Diese sei aber schon Ende Juli 1994 in Höhe von 19 kg Übergewicht und am 08.11.1995 in Höhe von 20 bis 30 kg Übergewicht vorhanden gewesen. Eine erhebliche Leberzellverfettung sei schon im Dezember 1995 festgestellt worden, ebenso eine gelegentliche Blutdruckerhöhung schon im April 1998. Damals habe der Kläger Corticoide noch nicht systemisch zu sich genommen.

Die Tatsache, dass Dr.R. 1994 die festgestellte hoch- bis mäßiggradige bronchiale Hyperreagibilität zweifelsfrei auf die zwei Wochen früher eingetretene Schadstoffbelastung zurückgeführt habe, sei von Dr.R. irrtümlich als Grund dafür angesehen worden, auch noch 1998 das Unfallereignis als wesentliche Ursache der insgesamt geringgradigen objektiven Untersuchungsbefunde zu betrachten. Seine Schlussfolgerungen seien nicht aufrecht zu erhalten. Lediglich auf subjektive Symptome bei widersprechenden objektiven Untersuchungsbefunden stützte Dr.G. seine Einschätzung der MdE.

Der Kläger beantragte im Schreiben vom 02.01.2002, ein medizinisches Obergutachten einzuholen. Prof.Dr.F. sei bereits im Verfahren vor dem Landgericht A. als Gutachter durch die Beklagte vorgeschlagen worden, aber vom Kläger als Gutachter abgelehnt worden. Es sei nicht auszuschließen, dass Prof. Dr.F. bereits durch die Beklagtenseite informiert gewesen sei, so dass die Unparteilichkeit nicht gewahrt sei. Mit Schreiben vom 08.01.2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Benennung Prof.Dr.F. als Gutachter für die Stadt A. nicht zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit führe, weil der Sachverständige in diesem Verfahren kein Gutachten erstellt habe und weil keinerlei Anhaltspunkte für eine Informierung durch die Stadt A. und insbesondere nicht für eine Verwertung irgendwelcher Informationen im Berufungsverfahren gegeben seien.

Die Beklagte stellt den Antrag aus dem Berufungsschriftsatz, eingegangen am 13.03.2000.

Der Kläger stellt die Anträge aus den Schriftsätzen vom 12.04.2000 und 17.04.2001.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Klage- und Berufungsakten sowie auf die Kopien aus der Akte des Landgerichts A. und das Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. vom 28.05.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist, und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Abs.1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten versicherten Tätigkeiten erleidet. Der Begriff des Unfalls erfordert ein äußeres Ereignis, das heißt, ein von außen auf den Körper einwirkenden Vorgang, der rechtlich wesentlich den Körperschaden verursacht hat (vgl. BSGE 23, 139 ff.). Das äußere Ereignis muss mit der die Versicherteneigenschaft begründenden Tätigkeit rechtlich wesentlich zusammenhängen. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, das heißt, sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285 ff.). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney VSSR 1993, 81, 114).

Der Arbeitsunfall des Klägers vom 14.07.1994 hat über die 14. Woche nach dem Unfall hinaus keine bleibenden Gesundheitsstörungen zurückgelassen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Prof.Dr.F ... Am 14.07.1994 ist es lediglich zu einer zeitlich begrenzten bronchialen Reizung mit einer zeitlich begrenzten Verschlimmerung der leicht- bis mäßiggradigen bronchialen Hyperreagibilität gekommen. Eine MdE bestand nach der 14. Woche nach dem Unfall nicht mehr. Das von Prof.Dr.K. diagnostizierte Bronchialleiden hat sich ohne zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall aufgrund einer individuellen Krankheitsanlage entwickelt.

Geht man von den Angaben des Klägers aus, so hat er sich zwischen 15 Minuten und einer Stunde während der Entladetätigkeit im Bereich des Schlachthofs aufgehalten. Die Angabe bei der Notaufnahme in der Medizinischen Klinik A. am 14.07.1994, er habe sich ca. 45 Minuten dort aufgehalten, erscheint im Hinblick darauf, dass sie die zeitnächste Angabe ist, als glaubwürdig. Da der Kläger 50 Kartons Computerpapier à 12 kg zu entladen hatte, ist, wie Prof.Dr.F. erläutert, ein über den Ruhezustand hinausgehendes erheblich erhöhtes Atem-Minutenvolumen notwendig gewesen. Hinzu kam, dass der Kläger schon damals deutlich übergewichtig war. Hieraus resultiert ein vermehrter Kontakt mit der durch Ammoniak verunreinigten Atemluft im Vergleich zu Ruhebedingungen. Dies hat Prof.Dr.F. ausdrücklich bei der Beurteilung der Unfallfolgen berücksichtigt. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Feuerwehr - auch nach den Angaben des Klägers - bei seiner Ankunft bereits Wasserschleier eingesetzt hatte, außerdem wurden Druckentlüfter benutzt. Wasserschleier führen zu einer erheblichen Reduzierung der Ammoniakkonzentration infolge von Auswascheffekten, wie Prof.Dr.F. erklärt.

Die im Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt e.V. vom 28.05.2002 angenommenen ungünstigsten Bedingungen am Standort des Klägers hätten eine schwerwiegende Ammoniakkonzentration ergeben. Die Grundannahmen für eine derart hohe Schadstoffkonzentration sind aber unrealistisch. So hätte die freigesetzte Gesamtmenge 201 kg betragen müssen, während das Gewerbeaufsichtsamt A. im Schreiben vom 05.10.1994 nur von einer maximalen Menge von 5 kg ausgeht. Außerdem wird in diesem Fallbeispiel eine Lecköffnung von 3 bis 4 mm angenommen, wie sie tatsächlich nicht gegeben war. Außerdem wurde die ungünstigste, direkt auf den Standort des Klägers gerichtete Windrichtung berücksichtigt, aber nicht der Einsatz der Wasserschleier, der zu einer wesentlichen Verdünnung des Schadstoffs und einer geringeren Auf-Punktkonzentration geführt haben muss. Auch ist die Ammoniakmenge nicht, wie in diesem Beispiel angenommen, innerhalb einer Stunde ausgetreten, sondern tatsächlich über sechs Stunden und mehr. Auch die beiden anderen Fallbeispiele berücksichtigen wesentlich nachteiligere Bedingungen, als sie tatsächlich vorlagen. Im Fall 1) wird von der Freisetzung des Ammoniak über einen Zeitraum von einer Stunde ausgegangen, während tatsächlich der Austritt sich über einen größeren Zeitraum erstreckte und somit zu wesentlich geringerer Konzentration in der Atemluft während der Anwesenheit des Klägers führte und Fall 3) berücksichtigt nicht die Auswascheffekte der installierten Wasserschleier. Prof.Dr.F. erklärt, dass Ammoniakgas wegen seiner starken Wasseraffinität in erster Linie die obersten Luftwege, nämlich Rachen und Kehlkopf, angreift. Beim Einatmen höherer Ammoniakkonzentrationen kommt es in der Regel zu einem Stimmritzenkrampf, der das Vordringen des Schadstoffs in Bronchien und Lunge verhindert. Bei geringeren Konzentrationen können sich Reizwirkungen auf die Schleimhäute, in der Luftröhre und in den größeren Bronchien einstellen. Eine Entzündung des Lungenparenchyms ist nie zu erwarten, da, wie Prof.Dr.F. erläutert, die Einatmung dafür nötiger Schadstoffkonzentrationen in aller Regel durch einen reflektorischen Atemstillstand als Folge der Reizung in den oberen Luftwegen verhindert wird. Dies ist typisch für wasserlösliche Giftstoffe. Ammoniakgas reizt und schädigt die Schleimhautoberfläche. Daraus kann sich eine bronchiale Hyperreagibilität und auch ein Asthma bronchiale entwickeln. Nach allgemeinem Wissensstand, so Prof.Dr.F. , stellt sich jedoch in der Regel eine erfolgreiche Heilungstendenz im Bereich der lokal geschädigten Schleimhautareale ein, falls nicht sehr hohe Konzentrationen durch Schwellung der obersten Luftwege zum Tode geführt haben.

Obwohl der Kläger als Notfall in der Medizinischen Klinik A. stationär aufgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass er nur unter einer leichten Reizgasvergiftung litt. Prof.Dr.F. weist darauf hin, dass die ursprünglich von Dr.G. gestellte Diagnose einer mittelgradigen Reizgasintoxikation aufgrund der objektiven Untersuchungsbefunde entkräftet wurde. Objektiv fand sich nur eine gering verminderte Sauerstoffkonzentration. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits damals übergewichtig war und bei Adipösen unter Ruhebedingungen intrapulmonale Verteilungsstörungen auftreten, die eine Minderung des Sauerstoffgehalts im arteriellen Blut bewirken. Im Übrigen bestanden, so Prof.Dr.F. , keine objektiven Krankheitssymptome, nicht einmal eine erkennbare Beeinträchtigung der Rachenschleimhaut, was bei einer Reizgasinhalation als erstes Krankheitssymptom zu erwarten gewesen wäre und den Husten erklären könnte. Auskultatorisch hörte Dr.G. über den Lungen keinen krankhaften Befund, auch keinen Hinweis auf eine asthmatische Verengung der Bronchien. Somit ist eine bronchiale asthmatische Symptomatik durch die Befunde der erstbehandelnden Ärzte ausgeschlossen.

Auch die Diagnose "bronchiale Reizung" deutet darauf hin, dass man im Zentralklinikum A. nur von einer Schleimhautreizung, nicht einmal von einer Bronchialschleimhautschädigung ausging. Sowohl die dokumentierten ärztlichen Befunde und Angaben des Klägers, als auch der zeitnahe weitere Verlauf sprechen eindeutig, so Prof.Dr.F. , gegen ein Inhalationstrauma, bei dem Spätfolgen erwartet werden könnten. Auch von Dr.R. wurden krankhafte Befunde über den Lungen nicht festgestellt. Lediglich die subjektiven Angaben über Hustenreiz, Brustenge und Kopfschmerzen waren Grundlagen für die Diagnose. Die Annahme einer traumatischen Schleimhautschädigung mit nicht nur kurzfristigen Folgen kann damit aber nicht begründet werden. Erst durch die inhalative Provokation wurde knapp drei Wochen nach dem Unfall ein krankhafter Befund festgestellt, was, wie Prof.Dr.F. ausführt, darauf schließen lässt, dass die bronchiale Hyperreagibilität unmittelbar nach dem Unfall vorübergehend durch diesen verursacht oder wenigstens wesentlich verschlimmert worden ist.

Husten wird, wie Prof.Dr.F. erläutert, durch Reize in der Schleimhaut der Luftwege über zentral-nervöse Schaltstellen ausgelöst. Diese Hustenzentren können eine sehr unterschiedliche Empfindlichkeit aufweisen und stehen zusätzlich unter dem Einfluss des Großhirns, das heißt, gleiche objektive Reize führen je nach Empfindlichkeitszustand des Hustenzentrums und übergeordneter modulierender zentral-nervöser Einflüsse zu völlig unterschiedlichen Husteneffekten. Auslösemöglichkeiten für Hustenattacken sind- Prof.Dr.F. betont, durch psychosomatische Fehlregulationen verstärkt und unterhalten werden. Jedenfalls darf eine Hustensymptomatik, insbesondere ihr Ausmaß, nicht stets mit dem Vorhandensein eines organischen Krankheitsbefunden gleichgesetzt werden. Die angegebene Atemnot, insbesondere unter Belastung, wird mit Sicherheit, so Prof.Dr.F. , durch die erhebliche Adipositas des Klägers verstärkt. Auch das angegebene Gefühl eines Brennens über der Brust ist zumindest nach der 14. Woche nicht mehr durch den Unfall vom 14.07.1994 bedingt.

Objektiv nachgewiesen ist beim Kläger nur eine mäßige bis starke bronchiale Hyperreagibilität ohne objektive, nämlich auskultatorisch wahrnehmbare, Bronchitissymptomatik. Das Ergebnis der grob orientierenden Spiegelung des Bronchialsystems durch Dr.R. am 17.04.1998 ist nach dessen Angaben nicht sicher beurteilbar. Er stellte einen mäßiggradigen endobronchialen Reizzustand fest. Somit besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben des Klägers und dem Ausmaß der tatsächlich nachgewiesenen Gesundheitsstörungen. Der Kläger wurde schon vor dem Unfall mehrmals im Bereich der Luftwege behandelt, wobei über eine Beteiligung der Nasennebenhöhlen berichtet wurde. Eine überhäufige Neigung zu Bronchitiden kann man daraus nicht ableiten, jedoch spricht die Beteiligung der Nasennebenhöhlen dafür, dass eine chronische Bereitschaft zu Entzündungen der oberen und tieferen Luftwege bestand. Auffällig ist, wie Prof.Dr.F. ausführt, dass sich erst Jahre nach dem Unfall eine wesentliche chronische Hustensymptomatik und somit Anhaltspunkte für eine chronische Bronchitis einstellten. Der Unfallhergang und die zeitnahen Untersuchungsbefunde schließen den Eintritt von Verätzungen und Narbenbildungen als Unfallfolge aus, wie Prof.Dr.F. betont.

Das vom Kläger stets erwähnte Symptom eines Brennens im Brustkorb deutet auf das Vorliegen eines gastroösephagealen Reflux- syndroms hin. Dieses Syndrom ist eine, so Prof.Dr.F. , oftmals verkannte Ursache für die Entstehung von Husten und asthmaähnlicher Atemnot.

Der zeitliche Verlauf der Beschwerden und insbesondere die wiederholt erwähnte extreme Hustensymptomatik während ärztlicher Exploration und Untersuchung lassen, so Prof.Dr.F. , in Anbetracht der geringen objektiven Befunde den begründeten Verdacht aufkommen, dass nicht unerhebliche psychogene Reaktionen zu berücksichtigen sind.

Eine chronische Bronchitis ist zeitnah zum Unfall nicht gesichert. Hiergegen sprechen eindeutig die wiederholt festgestellten Normalbefunde bei der Lungenauskultation. Dr.R. hat am 02.08.1994 über der Lunge keinen pathologischen Befund festgestellt und bei der Untersuchung am 13.02.1995 erst nach inhalativer Provokation trockene Rasselgeräusche vermerkt. Prof. Dr.R. gibt am 08.11.1995 ein vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche, normale Atmung und sonoren Klopfschall an. Auch 1998 hat Dr.G. ein normales Vesikuläratmen über den Lungen konstatiert. Im Gutachten vom 01.04.1998 hat Dr.R. erstmals ein verschärftes Atemgeräusch über allen Partien festgestellt und damit einen unsicher krankhaften Befund.

In den ersten vier Jahren nach dem Unfall sind also keine Brückensymptome festgestellt worden, die einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der sich später entwickelnden chronischen Bronchitis begründen könnten. Daraus ergibt sich, dass es sich bei der unfallbedingten bronchialen Hyperreagibilität und bronchialen Reizung nur um eine vorübergehende Gesundheitsschädigung gehandelt hat, die mit der vier Jahre später nachgewiesenen und noch später chronisch gewordenen Bronchialerkrankung nicht in ursächlichem Zusammenhang steht. Auch kann, wie Prof. Dr.F. betont, dem Unfall eine wesentliche Mitverursachung der chronischen Bronchopneumopathie nicht zugesprochen werden. Sowohl die Art des Unfalls, als auch die zeitnahen ärztlichen Erhebungen und das Fehlen ausreichender Brückensymptome sprechen eindeutig gegen einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang.

Es ist nicht gesichert, dass die nach der Ammoniakinhalation festgestellte hochgradige bzw. später als mäßiggradig bezeichnete bronchiale Hyperreagibilität durch den Unfall verursacht worden ist. Denn zu berücksichtigen sind die aktenkundigen Vorerkrankungen und auch die Tatsache, dass etwa 15 % der Bevölkerung an einer solchen bronchialen Hyperreagibilität leiden. Es ist aber, so Prof.Dr.F. , wahrscheinlich, dass der Unfall als Gelegenheitsursache die Hyperreagibilität vorübergehend hervorgerufen oder verschlechtert hat. Dieser Verursachungsfaktor hat aber nur zeitlich abgrenzbar gewirkt. In aller Regel klingt eine derartige Unfallfolge nach vier bis sechs Wochen ab, wenn nicht objektiv nachweisbare Symptome für das Vorbestehen erkennbar sind, die aber hier, wie Prof.Dr.F. überzeugend erläutert, eindeutig fehlen.

Insofern können die Ausführungen von Prof.Dr.K. im Gutachten vom 05.03.2001 und der ergänzenden Stellungnahme vom 09.08.2001 nicht überzeugen. Prof.Dr.K. berücksichtigt nicht genügend das Ausmaß und die aktenkundig nachgewiesenen Folgen des Unfallgeschehens und stützt seine Diagnose in erster Linie auf Befunde, die auf der Mitarbeit des Klägers beruhen. Eine angenommene Bronchialschädigung durch den Unfall hätte als obstruktive und nicht als restriktive Ventilationsstörung und zwar in den großen Luftwegen manifest werden müssen, da Ammoniakdämpfe in erster Linie die oberen Luftwege angreifen. Im Hinblick darauf, dass bei dem Unfall nur eine verhältnismäßig geringe Ammoniakkonzentration in der Atemluft vorhanden war und zeitnah nur geringe objektive Befunde festzustellen waren, besteht keine ausreichende Wirkungsbeziehung zwischen dem Unfall und den später diagnostizierten Erkrankungen. Auch die Annahme einer durch das Unfallgeschehen induzierten fortlaufenden Verschlimmerung ist, wie Prof.Dr.F. ausführt, wegen des Fehlens einer auf objektive ärztliche Untersuchungsbefunde gestützten Brücken- symptomatik nicht begründbar.

Die Annahme einer Cushing-Symptomatik wird nicht durch klassische Einzelbefunde gestützt, sondern beruht nur auf der Feststellung der Adipositas, die aber schon Ende Juli 1994 gegeben war. Immerhin wurde eine erhebliche Leberzellverfettung bereits im Dezember 1995 festgestellt, ebenso war eine Blutdruckerhöhung schon im April 1998 aufgetreten, als der Kläger nach seinen damaligen Angaben Corticoide systemisch noch nicht eingenommen hat.

Nicht überzeugen kann auch das Gutachten des Dr.R. für das Landgericht A. , zumal er bei der Diagnose "toxisch-irritatives Asthma" davon ausgeht, der Kläger sei während ca. einer Stunde einer intensiven Ammoniakbelastung ausgesetzt gewesen, was, wie sich aus den Aktenunterlagen ergibt, nicht der Fall war. Außerdem hat Dr.R. die Tatsache, dass Dr.R. 1994 die hoch- bis mäßiggradige bronchiale Hyperreagibilität zweifelsfrei auf die Schadstoffbelastung zurückgeführt hat, als Grund dafür angesehen, auch 1998 den Unfall als wesentliche Ursache für die insgesamt geringgradigen objektiven Untersuchungsbefunde zu betrachten. Die Beurteilung durch Dr.R. galt aber nur der damaligen akuten Situation. Zu berücksichtigen ist auch, dass Dr.R. eine bodyplethysmographisch kombinierte moderate bis schwere Ventilationsstörung diagnostiziert, obwohl er keinen bodyplethysmographischen Befund angibt.

Auch die von Dr.G. geäußerte Auffassung, es bestehe eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und Entzündung des gesamten Bronchialsystems, ist aus den von ihm erhobenen Befunden nicht abzuleiten. Er hat die Diagnose von Dr.R. aus den Jahren 1994 und 1995 übernommen. Seine Schlussfolgerung, der belastungsabhängige Abfall des Sauerstoffpartialdrucks sei Ausdruck einer Bronchialobstruktion, kann nicht nachvollzogen werden, zumal er eine Bronchialobstruktion nicht gemessen hat. Wie Prof.Dr.F. zu Recht betont, stützt Dr.G. , bei widersprechenden objektiven Untersuchungsbefunden, seine MdE-Einschätzung lediglich auf subjektive Symptome. Insofern können seine Schlussfolgerungen nicht überzeugen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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