Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 5006/00 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 82/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Anmeldefrist des § 1546 RVO in der ab 01.01.1976 geltenden Fassung (Gesetz vom 11.12.1975, BGBl.I, 3315) setzt nicht voraus, dass die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt worden ist, weil die Beklagte keine Kenntnis von dem Unfall hatte. Die Feststellung der Entschädigung von Amts wegen kann nicht in der Entschädigung des Berichts des Durchgangsarzts gesehen werden. Des Weiteren ist eine Anmeldung des Anspruchs des Klägers weder im Durchgangsarztbericht noch in der Unfallanzeige der AOK zu sehen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.01.2001 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 01.07.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Beginn der Verletztenrente.
Der Kläger zog sich am 23.12.1977 bei einem Unfall, den die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.1999 als Arbeitsunfall anerkannte, eine Verletzung des linken Daumens zu. Unstreitig ist, dass die MdE hieraus seither 10 v.H. beträgt und dies wegen der Folgen eines anderen Arbeitsunfalles, jedenfalls seit 1994, zur Gewährung einer Stützrente ausreicht.
Der Kläger suchte erstmals am 05.01.1978 seinen behandelnden Arzt und dann am selben Tag den Durchgangsarzt Dr.P. auf. Dieser führte eine Röntgenuntersuchung durch und legte einen Verband an. Die Frage nach einer über drei Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit verneinte er, eine weitere Behandlung solle kassenärztlich erfolgen. Die Beklagte erstattete die entsprechenden Gebühren. Die für den Kläger zuständige AOK erstattete der LBG Schwaben eine Unfallanzeige nach § 1503 RVO, die dort am 23.01.1978 einging und an die Beklagte weitergeleitet wurde. In den Folgejahren finden sich keine weiteren Aktenvorgänge.
In einem Termin zur Verhandlung vor dem Bayer. Landessozialgericht am 24.06.1998 begehrte der Kläger gegenüber einem Prozessvertreter der Beklagten Leistungen aus Anlass des Unfalls vom 23.12.1977. Die Beklagte gewährte ihm mit dem bereits genannten Bescheid vom 01.07.1999 Rente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 01.01.1995. Leistungsansprüche vor diesem Zeitraum seien verjährt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er einen früheren Rentenbeginn begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2000 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Gewährung der Verletztenrente ab 01.01.1994 beantragt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.01.2001 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger ab 01.01.1994 Rente in Höhe von 10 v.H. der Vollrente wegen des Unfalls vom 23.12.1977 zu gewähren. Maßgeblich sei die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I, nicht die Vorschrift des § 1546 RVO, weil die Beklagte von dem Unfall mit dem Durchgangsarztbericht und der Erstattungsanzeige der AOK Kenntnis erhalten habe.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.01.2001 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 abzuweisen.
Anzuwenden sei die Vorschrift des § 1546 RVO, dessen Voraussetzungen auch erfüllt seien, weil es sich beim Durchgangsarztbericht und der Anzeige der AOK nicht um die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs handle und die Beklagte nach den Ausführungen im Durchgangsarztbericht keine Veranlassung gehabt habe, einen Entschädigungsanspruch von sich aus weiter zu verfolgen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten über die Arbeitsunfälle des Klägers sowie die sie betreffenden Verfahrensakten des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer. Landessozialgerichts, auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG in der zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltenden Fassung liegt nicht vor, weil die Klage eine Geldleistung von mehr als 1.000,00 DM umfasst hat.
Die Berufung ist auch begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente für das Jahr 1994 wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.12.1977 hat.
Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der Arbeitsunfall vor dem 01.01.1997 geschehen ist und über einen erstmaligen Rentenanspruch für einen davorliegenden Zeitraum zu entscheiden war. Dies gilt auch, wenn sowohl der erste Rentenantrag als auch die erste Entscheidung über die Rente nach dem 31.12.1996 liegen (§ 212 SGB VII; vgl. BSG Urteil vom 20.02. 2001, Az.: B 2 U 1/00 R).
Nach § 1546 Abs.1 Satz 1 RVO in der ab 01.01.1976 geltenden Fassung (Gesetz vom 11.12.1975, BGBl.I, 3315) war der Anspruch, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wird, spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden; wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen mit dem 1. des Antragsmonats, es sei denn, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Dass diese Anmeldefrist für Unfallentschädigungen - wie das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen ausführt - den Fall regle, dass die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt worden sei, weil die Beklagte keine Kenntnis von dem Unfall hatte, ist weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen, noch wird, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung und Literatur eine solche Ansicht vertreten.
Die Anwendung des § 1546 RVO setzt zunächst voraus, dass die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt worden ist. Unter einer Feststellung ist in diesem Zusammenhang vor allem die Beendigung des Rentenfeststellungsverfahrens durch Gewährung oder Ablehnung einer Entschädigung zu verstehen, die in der Regel durch einen Bescheid zu erfolgen hat. Eine Feststellung der Entschädigung liegt aber bereits vor, wenn der Unfallversicherungsträger dem Verletzten Krankenbehandlung gewährt bzw. - auch ohne förmlichen Bescheid - die Kosten des Unfallheilverfahrens übernommen hat (vgl. BSG NJW 1964, S.1741). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht getroffen. Die Entschädigung des Durchgangsarztberichtes kommt hierfür nicht in Betracht, denn mit ihr wurde lediglich die Tätigkeit des Durchgangsarztes entschädigt. Dies geschieht unabhängig davon, ob der Unfallversicherungsträger dem Versicherten als Folge eines Arbeitsunfalls eine Untersuchung bzw. Heilbehandlung schuldet und ob der Durchgangsarzt zur Gewährung einer entsprechenden Entschädigungsleistung tätig wird. Auch sonst ist kein Vorgang ersichtlich, der als Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch gewertet werden könnte.
Der Kläger hat auch nicht einen Anspruch auf Unfallentschädigung innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall beim Versicherungsträger angemeldet. Unstreitig ist eine solche Anmeldung durch den Kläger selbst erstmals am 24.06.1998 gegenüber einem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geschehen. Weder der Durchgangsarztbericht noch die Unfallanzeige der AOK können als eine Anmeldung eines Entschädigungsanspruches gewertet werden. Das SGB und die RVO als sein besonderer Teil muteten jedem in der gesetzlichen Unfallversicherung Anspruchsberechtigten zu, wenigstens so viel an Sorgfalt aufzuwenden, dass es ihm gelingt, seinen Entschädigungsanspruch oder den zunächst noch unspezifizierten allgemeinen Wunsch nach Unfallschadensausgleich zumindest rein vorsorglich noch innerhalb der Zweijahresfrist des § 1546 Abs.1 RVO bei dem zuständigen Träger der Unfallversicherung anzumelden und damit zur Überprüfung zu stellen. Dabei entspricht es dem Prinzip der sozialen Sicherheit, dass das SGB dem Anspruchsberechtigen eine breite Auswahl öffentlicher Stellen anbietet, die zur Hilfe mit Rat und Tat verpflichtet sind. Gemäß § 16 Abs.1 SGB I werden Anträge auf Sozialleistungen auch von allen anderen Sozialleistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegen genommen. Darüber hinaus ist der zuständige Leistungsträger nach § 14 SGB I verpflichtet, jeden über seine Rechte und Pflichten zu beraten und § 15 SGB I gibt den nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie allen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung auf, jedem über alle sozialen Angelegenheiten nach dem SGB Auskünfte zu erteilen. Damit stehen dem Versicherten eine Vielzahl von Stellen zur Verfügung, an die er sich wenden kann und mit deren Rat er erfolgreich Nachteile vermeiden kann, die zum Beispiel § 1546 Abs.1 RVO bewirkte (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1546 Nr.1).
Als Anspruchsanmeldung ist jede Äußerung zu verstehen, mit der dem Unfallversicherungsträger Tatbestände mitgeteilt werden, aus denen sich jetzige oder künftige Ansprüche ergeben können, ohne dass ein bestimmter Leistungsantrag erforderlich wäre oder sonst besondere Anforderungen erfüllt sein müssten. In jedem Fall ist der Tatbestand der Anspruchsanmeldung jedoch nur erfüllt, wenn es sich um eine vom Versicherten an den Unfallversicherungsträger wissentlich gerichtete Äußerung handelt, die wenigstens auf die Klärung eines bestimmten Anspruches tendiert (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar, Stand Januar 1993, § 1546 RVO Rdnr.4). Daraus ergibt sich, dass die bloße Kenntnis des Unfallversicherungsträgers jedenfalls dann die Anmeldung des Anspruchs nicht ersetzen kann, wenn, wie im vorliegenden Fall, Anhaltspunkte für einen Entschädigungsanspruch fehlen. Auch die Anzeige der AOK und die Abgabe des Durchgangsarztberichtes können in solchen Fällen die Anmeldung nicht ersetzen. Das Aufsuchen des Durchgangsarztes und die damit möglicherweise konkludent erfolgte Geltendmachung eines Arbeitsunfalles erfüllen nicht die Anforderungen an eine Anspruchsanmeldung. Die Durchgangsärzte gehörten nicht zu den oben genannten öffentlichen Stellen und gehörten darüber hinaus nicht in den Kreis der Stellen, die mit der Feststellung der Unfallentschädigung in besonders enger Beziehung standen. Ihre Funktion im Rahmen der mit den Unfallversicherungsträgern geschlossenen öffentlich-rechtlichen Verträge bestand vielmehr nach § 557 Abs.2 RVO in der Gewährleistung einer schnellen und sachgemäßen Heilbehandlung. Die Inanspruchnahme eines Durchgangsarztes war nicht gleichbedeutend mit der Geltendmachung einer Unfallentschädigung gegenüber dem Unfallversicherungsträger.
Anhaltspunkte dafür, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet war, die außerhalb des Willens des Klägers lagen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Eine mögliche Rechtsunkenntnis des Klägers würde hierfür nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht ausreichen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1546 Nr.1 RVO; BSG Urteil vom 2. Mai 2001, Az.: B 2 U 19/00 R).
Es besteht auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, aufgrund dessen der Kläger die Zahlung seiner Verletztenrente schon ab 01.01.1994 verlangen könnte. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine gesetzliche oder aus einem bestehenden Sozialrechtsverhältnis folgende Verpflichtung objektiv rechtswidrig verletzt hat, die ihm gerade gegenüber dem Betroffen oblag. Diese Pflichtverletzung muss als nicht hinwegdenkbare Bedingung - zumindest gleichwertig neben anderen Bedingungen - ursächlich einen Nachteil für den Betroffenen bewirkt haben. Die verletzte Pflicht muss gerade darauf gerichtet sein, den Betroffenen vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren. Die Nachteile müssen durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr.2). Insoweit könnte auch das Verhalten des Durchgangsarztes von Bedeutung sein (vgl. BSG SozR 3-5670 § 5 Nr.1). Letzteres kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Nach den Feststellungen des Durchgangsarztberichtes bestanden weder für den Durchgangsarzt noch für die Beklagte irgendwelche Hinweise auf mögliche Entschädigungspflichten wegen der Folgen des Arbeitsunfalls. Weder wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit über drei Tage hinaus attestiert noch ergab sich über die Erstversorgung hinaus die Notwendigkeit einer weiteren Heilbehandlung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls. Dies wurde bestätigt durch die Unfallanzeige der AOK, die ebenfalls keine Arbeitsunfähigkeit auswies.
Die Berufung ist demnach erfolgreich.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Beginn der Verletztenrente.
Der Kläger zog sich am 23.12.1977 bei einem Unfall, den die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.1999 als Arbeitsunfall anerkannte, eine Verletzung des linken Daumens zu. Unstreitig ist, dass die MdE hieraus seither 10 v.H. beträgt und dies wegen der Folgen eines anderen Arbeitsunfalles, jedenfalls seit 1994, zur Gewährung einer Stützrente ausreicht.
Der Kläger suchte erstmals am 05.01.1978 seinen behandelnden Arzt und dann am selben Tag den Durchgangsarzt Dr.P. auf. Dieser führte eine Röntgenuntersuchung durch und legte einen Verband an. Die Frage nach einer über drei Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit verneinte er, eine weitere Behandlung solle kassenärztlich erfolgen. Die Beklagte erstattete die entsprechenden Gebühren. Die für den Kläger zuständige AOK erstattete der LBG Schwaben eine Unfallanzeige nach § 1503 RVO, die dort am 23.01.1978 einging und an die Beklagte weitergeleitet wurde. In den Folgejahren finden sich keine weiteren Aktenvorgänge.
In einem Termin zur Verhandlung vor dem Bayer. Landessozialgericht am 24.06.1998 begehrte der Kläger gegenüber einem Prozessvertreter der Beklagten Leistungen aus Anlass des Unfalls vom 23.12.1977. Die Beklagte gewährte ihm mit dem bereits genannten Bescheid vom 01.07.1999 Rente nach einer MdE um 10 v.H. ab dem 01.01.1995. Leistungsansprüche vor diesem Zeitraum seien verjährt. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er einen früheren Rentenbeginn begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2000 als unbegründet zurück.
Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Gewährung der Verletztenrente ab 01.01.1994 beantragt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.01.2001 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger ab 01.01.1994 Rente in Höhe von 10 v.H. der Vollrente wegen des Unfalls vom 23.12.1977 zu gewähren. Maßgeblich sei die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I, nicht die Vorschrift des § 1546 RVO, weil die Beklagte von dem Unfall mit dem Durchgangsarztbericht und der Erstattungsanzeige der AOK Kenntnis erhalten habe.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.01.2001 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2000 abzuweisen.
Anzuwenden sei die Vorschrift des § 1546 RVO, dessen Voraussetzungen auch erfüllt seien, weil es sich beim Durchgangsarztbericht und der Anzeige der AOK nicht um die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs handle und die Beklagte nach den Ausführungen im Durchgangsarztbericht keine Veranlassung gehabt habe, einen Entschädigungsanspruch von sich aus weiter zu verfolgen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten über die Arbeitsunfälle des Klägers sowie die sie betreffenden Verfahrensakten des Sozialgerichts Augsburg und des Bayer. Landessozialgerichts, auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG in der zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung geltenden Fassung liegt nicht vor, weil die Klage eine Geldleistung von mehr als 1.000,00 DM umfasst hat.
Die Berufung ist auch begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente für das Jahr 1994 wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.12.1977 hat.
Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der Arbeitsunfall vor dem 01.01.1997 geschehen ist und über einen erstmaligen Rentenanspruch für einen davorliegenden Zeitraum zu entscheiden war. Dies gilt auch, wenn sowohl der erste Rentenantrag als auch die erste Entscheidung über die Rente nach dem 31.12.1996 liegen (§ 212 SGB VII; vgl. BSG Urteil vom 20.02. 2001, Az.: B 2 U 1/00 R).
Nach § 1546 Abs.1 Satz 1 RVO in der ab 01.01.1976 geltenden Fassung (Gesetz vom 11.12.1975, BGBl.I, 3315) war der Anspruch, wenn die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt wird, spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Versicherungsträger anzumelden; wird der Anspruch später angemeldet, so beginnen die Leistungen mit dem 1. des Antragsmonats, es sei denn, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen. Dass diese Anmeldefrist für Unfallentschädigungen - wie das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen ausführt - den Fall regle, dass die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt worden sei, weil die Beklagte keine Kenntnis von dem Unfall hatte, ist weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen, noch wird, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung und Literatur eine solche Ansicht vertreten.
Die Anwendung des § 1546 RVO setzt zunächst voraus, dass die Unfallentschädigung nicht von Amts wegen festgestellt worden ist. Unter einer Feststellung ist in diesem Zusammenhang vor allem die Beendigung des Rentenfeststellungsverfahrens durch Gewährung oder Ablehnung einer Entschädigung zu verstehen, die in der Regel durch einen Bescheid zu erfolgen hat. Eine Feststellung der Entschädigung liegt aber bereits vor, wenn der Unfallversicherungsträger dem Verletzten Krankenbehandlung gewährt bzw. - auch ohne förmlichen Bescheid - die Kosten des Unfallheilverfahrens übernommen hat (vgl. BSG NJW 1964, S.1741). Eine solche Entscheidung hat die Beklagte vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht getroffen. Die Entschädigung des Durchgangsarztberichtes kommt hierfür nicht in Betracht, denn mit ihr wurde lediglich die Tätigkeit des Durchgangsarztes entschädigt. Dies geschieht unabhängig davon, ob der Unfallversicherungsträger dem Versicherten als Folge eines Arbeitsunfalls eine Untersuchung bzw. Heilbehandlung schuldet und ob der Durchgangsarzt zur Gewährung einer entsprechenden Entschädigungsleistung tätig wird. Auch sonst ist kein Vorgang ersichtlich, der als Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch gewertet werden könnte.
Der Kläger hat auch nicht einen Anspruch auf Unfallentschädigung innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall beim Versicherungsträger angemeldet. Unstreitig ist eine solche Anmeldung durch den Kläger selbst erstmals am 24.06.1998 gegenüber einem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geschehen. Weder der Durchgangsarztbericht noch die Unfallanzeige der AOK können als eine Anmeldung eines Entschädigungsanspruches gewertet werden. Das SGB und die RVO als sein besonderer Teil muteten jedem in der gesetzlichen Unfallversicherung Anspruchsberechtigten zu, wenigstens so viel an Sorgfalt aufzuwenden, dass es ihm gelingt, seinen Entschädigungsanspruch oder den zunächst noch unspezifizierten allgemeinen Wunsch nach Unfallschadensausgleich zumindest rein vorsorglich noch innerhalb der Zweijahresfrist des § 1546 Abs.1 RVO bei dem zuständigen Träger der Unfallversicherung anzumelden und damit zur Überprüfung zu stellen. Dabei entspricht es dem Prinzip der sozialen Sicherheit, dass das SGB dem Anspruchsberechtigen eine breite Auswahl öffentlicher Stellen anbietet, die zur Hilfe mit Rat und Tat verpflichtet sind. Gemäß § 16 Abs.1 SGB I werden Anträge auf Sozialleistungen auch von allen anderen Sozialleistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegen genommen. Darüber hinaus ist der zuständige Leistungsträger nach § 14 SGB I verpflichtet, jeden über seine Rechte und Pflichten zu beraten und § 15 SGB I gibt den nach Landesrecht zuständigen Stellen sowie allen Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung auf, jedem über alle sozialen Angelegenheiten nach dem SGB Auskünfte zu erteilen. Damit stehen dem Versicherten eine Vielzahl von Stellen zur Verfügung, an die er sich wenden kann und mit deren Rat er erfolgreich Nachteile vermeiden kann, die zum Beispiel § 1546 Abs.1 RVO bewirkte (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1546 Nr.1).
Als Anspruchsanmeldung ist jede Äußerung zu verstehen, mit der dem Unfallversicherungsträger Tatbestände mitgeteilt werden, aus denen sich jetzige oder künftige Ansprüche ergeben können, ohne dass ein bestimmter Leistungsantrag erforderlich wäre oder sonst besondere Anforderungen erfüllt sein müssten. In jedem Fall ist der Tatbestand der Anspruchsanmeldung jedoch nur erfüllt, wenn es sich um eine vom Versicherten an den Unfallversicherungsträger wissentlich gerichtete Äußerung handelt, die wenigstens auf die Klärung eines bestimmten Anspruches tendiert (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar, Stand Januar 1993, § 1546 RVO Rdnr.4). Daraus ergibt sich, dass die bloße Kenntnis des Unfallversicherungsträgers jedenfalls dann die Anmeldung des Anspruchs nicht ersetzen kann, wenn, wie im vorliegenden Fall, Anhaltspunkte für einen Entschädigungsanspruch fehlen. Auch die Anzeige der AOK und die Abgabe des Durchgangsarztberichtes können in solchen Fällen die Anmeldung nicht ersetzen. Das Aufsuchen des Durchgangsarztes und die damit möglicherweise konkludent erfolgte Geltendmachung eines Arbeitsunfalles erfüllen nicht die Anforderungen an eine Anspruchsanmeldung. Die Durchgangsärzte gehörten nicht zu den oben genannten öffentlichen Stellen und gehörten darüber hinaus nicht in den Kreis der Stellen, die mit der Feststellung der Unfallentschädigung in besonders enger Beziehung standen. Ihre Funktion im Rahmen der mit den Unfallversicherungsträgern geschlossenen öffentlich-rechtlichen Verträge bestand vielmehr nach § 557 Abs.2 RVO in der Gewährleistung einer schnellen und sachgemäßen Heilbehandlung. Die Inanspruchnahme eines Durchgangsarztes war nicht gleichbedeutend mit der Geltendmachung einer Unfallentschädigung gegenüber dem Unfallversicherungsträger.
Anhaltspunkte dafür, dass die verspätete Anmeldung durch Verhältnisse begründet war, die außerhalb des Willens des Klägers lagen, bestehen im vorliegenden Fall nicht. Eine mögliche Rechtsunkenntnis des Klägers würde hierfür nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht ausreichen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1546 Nr.1 RVO; BSG Urteil vom 2. Mai 2001, Az.: B 2 U 19/00 R).
Es besteht auch kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, aufgrund dessen der Kläger die Zahlung seiner Verletztenrente schon ab 01.01.1994 verlangen könnte. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine gesetzliche oder aus einem bestehenden Sozialrechtsverhältnis folgende Verpflichtung objektiv rechtswidrig verletzt hat, die ihm gerade gegenüber dem Betroffen oblag. Diese Pflichtverletzung muss als nicht hinwegdenkbare Bedingung - zumindest gleichwertig neben anderen Bedingungen - ursächlich einen Nachteil für den Betroffenen bewirkt haben. Die verletzte Pflicht muss gerade darauf gerichtet sein, den Betroffenen vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren. Die Nachteile müssen durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr.2). Insoweit könnte auch das Verhalten des Durchgangsarztes von Bedeutung sein (vgl. BSG SozR 3-5670 § 5 Nr.1). Letzteres kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Nach den Feststellungen des Durchgangsarztberichtes bestanden weder für den Durchgangsarzt noch für die Beklagte irgendwelche Hinweise auf mögliche Entschädigungspflichten wegen der Folgen des Arbeitsunfalls. Weder wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit über drei Tage hinaus attestiert noch ergab sich über die Erstversorgung hinaus die Notwendigkeit einer weiteren Heilbehandlung wegen der Folgen des Arbeitsunfalls. Dies wurde bestätigt durch die Unfallanzeige der AOK, die ebenfalls keine Arbeitsunfähigkeit auswies.
Die Berufung ist demnach erfolgreich.
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Ergebnis nicht obsiegt hat.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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