L 20 RJ 612/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 830/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 612/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.09.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Die am 1960 geborene Klägerin hat nach dem erfolgreichen Abschluss einer zweijährigen Lehre als Lebensmittelverkäuferin von 1979 bis 1984 als kaufmännische Sachbearbeiterin in einem Außenlager der Fa. K. und von 1984 bis 31.05.1997 als Versandarbeiterin bei der Fa. "Q." versicherungspflichtig gearbeitet. Seit 02.06.1997 bezieht sie Leistungen der Arbeitsverwaltung.

Am 27.02.1998 beantragte die Klägerin wegen Beschwerden in der Halswirbelsäule, Lähmungserscheinungen und wegen dreier Gehörstürze Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte ließ die Klägerin nach Beinahme verschiedener ärztlicher Unterlagen durch den Sozialmediziner Dr.H. untersuchen, der bei Berücksichtigung aller erhobenen Befunde (leichte Fehlhaltung und umschriebener Verschleiß der Wirbelsäule mit Bewegungs- und Belastungsschmerzen und mäßiger Funktionseinschränkung, Erschöpfungssymptomatik mit depressiver Färbung, Schilddrüsenzyste und abgelaufender Hörsturz bei ausreichender Hörleistung) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus vollschichtig für zumutbar hielt. Im Hinblick darauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.1998 und Widerspruchsbescheid vom 12.08.1998 Rentenleistungen ab.

Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat Befundberichte der Allgemeinmedizinerin Dr.W. , des Orthopäden Dr.O. und des HNO-Arztes Dr.S. sowie die Rehabilitations- und Leistungsunterlagen des Arbeitsamtes Nürnberg beigezogen. Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.O. hat das Gutachten vom 26.04.1999 erstattet. Sie hat eine psychasthenische Schwäche und eine Neigung zu neurotischen Fehlverarbeitungsweisen diagnostiziert. Nach ihrer Auffassung könne diese psychovegetative Labilität zu einer vermehrten Allergiebereitschaft und Neigung zu Exanthemen und Hautunverträglichkeiten führen. Aus neurologischer Sicht seien die geklagten wiederkehrenden HWS-/LWS-Beschwerden nachvollziehbar, jedoch nicht in dem Ausmaß, dass sich hieraus eine quantitative Eingrenzung des Leistungsvermögens ergebe. Aus nervenärztlicher Sicht seien die glaubhaften Beschwerden letztlich aber nicht ausreichend, um eine quantitative Leistungseinschränkung zu begründen. Zumutbar seien leichte, im Wechselrhythmus durchzuführende Tätigkeiten in Vollschicht. Zur gleichen sozialmedizinischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ist auch der Orthopäde Dr.S. im Gutachten vom 09.07.1999 gelangt. Aus orthopädischer Sicht und unter Berücksichtigung der übrigen Gesundheitsstörungen seien unter Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen leichte Tätigkeiten vollschichtig im Wechselrhythmus möglich. Der auf Antrag der Klägerin gehörte Arzt für Arbeits- und Umweltmedizin Dr.E. hat im Gutachten vom 06.06.2000 die Auffassung vertreten, es sei für ihn nicht vorstellbar, dass die Klägerin ohne Behandlung durch psychiatrisch-psychotherapeutische Maßnahmen ihre psychiatrischen Beeinträchtigungen überwinden und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten erbringen könne. Die individuellen Persönlichkeitsanlagen in Form einer neurasthenischen Schwäche kombiniert mit neurotischen Verarbeitungsmechanismen hätten sich im Verlauf des Erwerbslebens zu einer Krankheit entwickelt, die Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit begründet habe.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 20.09.2000 abgewiesen. Im Anschluss an die Ausführungen von Dr.O. und Dr.S. ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass Erwerbsunfähigkeit (EU) bei der Klägerin nicht vorliegt. Die Klägerin sei vielmehr in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten bei Beachtung qualitativer Einsatzbeschränkungen zu verrichten. Der von Dr.E. vertretenen Auffassung habe sich das Gericht nicht anschließen können. Dieser habe sich - worauf er selbst hingewiesen habe - auf fachfremdem Gebiet geäußert und die rentenrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht zutreffend beachtet. Eine eindeutige psychische Diagnose, die seine Annahme einer aufgehobenen bzw wesentlich eingeschränkten Willensstruktur stütze, habe er nicht aufgeführt. Die Klägerin sei somit in der Lage, zB eine Tätigkeit als Botin oder einfache Pförtnerin zu verrichten.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen auf psychiatrisch-psychosomatischem Gebiet geltend. Die mannigfaltigen Krankheitsbilder und das daraus hervorgehende intensive Krankheitserleben mit manifesten Krankheitsbildern stellten eine extreme Leistungsbeeinträchtigung dar. Den Mittelpunkt dieser Störung stelle die fehlende Krankheitseinsicht und die fehlende Therapiebereitschaft der Klägerin dar. Diese hätten pathologischen Krankheitswert.

Der Senat hat nach Beinahme verschiedener ärztlicher Unterlagen (ua der Tagesklinik der Med. Klinik II des Klinikums N.-) nochmals Dr.O. zu diesen Unterlagen befragt, die in der Stellungnahme vom 11.02.2001 ihren bisherigen Standpunkt bekräftigte. Der Senat hat weiter den Neurologen und Psychiater Dr.W. gehört, der im Gutachten vom 31.03.2001 und in der Stellungnahme vom 24.05.2002 ebenfalls zu der Beurteilung gelangte, die Klägerin könne weiterhin vollschichtig zumindest leichte Arbeiten verrichten, welche überwiegend im Sitzen zu leisten seien, erforderlichenfalls auch im Wechselrhythmus. Die Klägerin habe sich den bestehenden psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht geöffnet. Diese Störung der Leistungsmotivation sei zeitlich begrenzt, solange die Arbeitsunfähigkeit unter geeigneter Therapie andauere. Demgegenüber gelangte der auf Antrag der Klägerin gehörte Arzt für Neurologie, Psychiatrie-Psychotherapie Dr.J. im Gutachten vom 08.03.2002 zu der Beurteilung, der Klägerin sei es aufgrund des bisherigen Verlaufs über mehrere Jahre hinweg auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht möglich, ihre Beschwerden im Hinblick auf eine Stabilisierung des Leistungsvermögens zu überwinden. Eine Umstellungsfähigkeit sei zu verneinen. Die Klägerin könne auch bei Beachtung bestimmter Funktionseinschränkungen selbst leichte Tätigkeiten nur noch weniger als drei Stunden täglich ausüben.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 20.09.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1998 zu verurteilen, ihr Rente wegen EU, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab Antragstellung zu gewähren und die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr.W ... Dem Gutachten von Dr.J. könne nicht gefolgt werden.

Dem Senat haben die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das SG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erhält die Versicherte, die die Wartezeit und die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und berufs- oder erwerbsunfähig iS des Gesetzes ist. Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf und den Feststellungen der Beklagten sind zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Rentenleistung gegeben. Bei der Klägerin liegt aber schon BU nach der bis zum 31.12.2000 geltenden und für Leistungsfälle vor dem 01.01.2001 weiter anzuwendenden Bestimmung des § 43 Abs 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vor. Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Diese Voraussetzungen einer Rente wegen BU erfüllt die Klägerin nicht, da die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht in einem Maße ausgeprägt sind, dass ihr zumindest leichte Tätigkeiten nicht noch vollschichtig möglich wären, zumal weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt und deshalb die Arbeitsmarktlage bei der Beurteilung der BU außer Betracht zu bleiben hat (vgl BSG -Großer Senat- SozR 3-2600 § 44 Nr 8).

Die eine Gewährung von Rente ablehnenden Entscheidungen der Beklagten und das angefochtene Urteil des SG vom 20.09.2000 sind hinsichtlich der das Leistungsvermögen der Klägerin bestimmenden Gesundheitsstörungen durch das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.W. vom 21.03.2001 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 24.05.2002 bestätigt worden. Danach schränken die bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen ihre Einsatzfähigkeit weder für sich allein noch in der Gesamtwürdigung in einem rentenrechtlich erheblichen Umfange ein. Neben den Gesundheitsstörungen auf dem orthopädischen Gebiet (degeneratives WS-Syndrom mit Schwerpunkt LWK 1/2), die noch leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus zulassen, stellen den Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen der Klägerin die auf dem psychisch-psychosomatischen Gebiet dar. Insoweit ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt durch eine psychogene gemischte Anpassungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Diesbezüglich folgt der Senat den in sich schlüssigen Ausführungen der vom SG gehörten Sachverständigen Dr.O. im Gutachten vom 26.04.1999 und des vom Senat gehörten Dr.W. im Gutachten vom 21.03.2001 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 24.05.2002. Bei dieser Entscheidung ist zunächst davon auszugehen, dass diese jetzt bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen bis zur Zeit des Klageverfahrens keine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Klägerin selbst hat derartige Leidenszustände bei der Rentenantragstellung am 27.02.1998 überhaupt nicht erwähnt. Die die Klägerin früher behandelnde Allgemeinärztin - Psychotherapie Dr.W. hat in ihrem dem SG gegenüber ausgestellten Befundbericht vom 03.12.1998 insoweit lediglich von einem psychosomatischen Erschöpfungssyndrom und einem chronischen Schmerzsyndrom im Wirbelsäulenbereich gesprochen. Zur Behandlung dieser Syndrome nahm die Klägerin auf medikamentöser Ebene besonders pflanzliche Medikamente (zB Johanniskraut) ein. Auch hat die geriatrische Tagesklinik der Med. Klinik II, Klinikum Nord der Stadt N. , in deren Behandlung die Klägerin sich vom 18.10. bis 24.11.2000 an 26 Tagen befand, lediglich ein depressives Syndrom feststellen können. Auch war die Klägerin, wie sich aus den anamnestischen Angaben im Gutachten von Dr.E. ergibt, bis dahin nicht in psychiatrischer/ psychologischer Behandlung. Eine pharmakologische Behandlung, die ihr ein Nervenarzt verschrieben habe, hat sie abgebrochen, da sie sich innerlich gegen diese Medikamente wehrte und sie einfach nicht einnehmen wollte.

Die Frage, ob der Klägerin Rentenleistungen wegen BU / EU zustehen, hängt davon ab, ob durch die bei ihr vorliegenden psychopathologischen Auffälligkeiten - neben der Beachtung der orthopädischerseits bedingten Funktionseinschränkungen - ihre Erwerbsfähigkeit in einem rentenerheblichen Maße eingeschränkt wird. Dies ist zu verneinen. Zur Überzeugung des Senats kann insoweit dem ärztlichen Sachverständigen Dr.E. im Gutachten vom 06.06.2000 nicht gefolgt werden, da es sich bei diesem um einen Arzt für Arbeits- und Umweltmedizin handelt, die Gesundheitsstörungen aber, die nach seiner Auffassung - auch nach der Auffassung von Dr.J. - die Erwerbsfähigkeit der Klägerin erheblich einschränken, solche des neurologischen bzw psychiatrischen Gebietes sind. Insoweit hat sich Dr.E. auf ein fremdes Fachgebiet begeben. Auch die Ausführungen von Dr.J. im Gutachten vom 08.03.2002 sind nicht überzeugend. Zwar führen die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen wie zur Zeit der Untersuchung durch Dr.W. zum Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, zu einem Dauerzustand, der den Leistungsfall der BU bzw EU bedingen würde, haben sie aber noch nicht geführt. Zwar ist in Übereinstimmung mit Dr.W. davon auszugehen, dass die psychoneurotische Verletzbarkeit der Klägerin, was die psychische künftige Belastbarkeit angeht, zu berücksichtigen ist. Insoweit hat Dr.W. auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin bisher ein positives Behandlungsergebnis mit einer kämpferischen Fehlhaltung verhindert hat, in die sie alle Energie steckte. Dies geschieht aber nur zu einem relativ geringen Anteil über dahinterstehende unbewusste Ängste, viel ausgeprägter über bewusstseinsnahe Hoffnungen auf eine legitimierte Schonhaltung durch Anerkennung des Klagezieles. Dabei lässt Dr.W. keinen Zweifel daran, dass die Willensstruktur der Klägerin in keiner Weise gestört ist. Insbesondere hat die bei der Klägerin eingeschränkte Therapiebereitschaft und Krankheitseinsicht noch nicht einen derart pathologischen Krankheitswert, dass dadurch schon jetzt eine dauerhafte zeitliche Leistungsminderung zu begründen wäre, auch wenn derzeit Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass - verständlicherweise - eine somatoforme Schmerzstörung in einem laufenden Rentenverfahren kaum erfolgreich zu behandeln ist. Denn nach aller medizinischer Erfahrung, worauf auch Dr.W. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.05.2002 hinweist, schlagen derartige Patienten den "leichteren Weg" ein, dh, sie verfolgen über das Rentenverfahren die Entpflichtung von der Arbeit, ohne hierfür aufzubringende therapeutische Mitarbeit bei subjektiv ohnehin nicht zugebilligten Erfolgsaussichten. Außerdem relativiert sich der Krankheitswert, wie er von Dr.J. angenommen wird mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen, der chronisch-neurotischen Fehlentwicklung und Neurasthenie erheblich, wenn sich Therapieziel und Antragsziel bzw Ziel des Rechtsstreits darüber zueinander diametral gegensätzlich verhalten.

Auch darf eine stark eingeschränkte Therapiebereitschaft nicht zu der nahezu kurzschlüssigen Folgerung führen, dass dann eben eine Entpflichtung von den Erfordernissen einer Erwerbstätigkeit vorzunehmen sei. Denn unter den strengen Kriterien, die hinsichtlich der Frage einer zumutbaren Willensanstrengung anzulegen sind, kann die Fähigkeit zur Erbringung einer eigenen Willensanstrengung bei der Klägerin psychiatrischerseits nicht verneint werden. Demzufolge kann auch die sozialmedizinische Schlussfolgerung, wonach auf nicht absehbare Zeit Arbeitsunfähigkeit für jede Tätigkeit bestehe (so Dr.E.), nicht nachvollzogen werden. Zwar kann bei der Klägerin wie zur Zeit der Untersuchung durch Dr.W. Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, doch unter Berücksichtigung der Art der vorliegenden psychoneurotischen Störung kann eine Einschränkung der quantitativen Leistungsfähigkeit nicht festgestellt werden. Die bei der Klägerin vorliegenden psychischen Hinderungsgründe sind nicht von einer solch krankheitswertigen Bedeutung, dass zum Erfolg führende Therapiemaßnahmen aus rein morbogenen Gründen unterbleiben, wie dies beispielsweise bei einer schwer verlaufenden schizophrenen Psychose angenommen werden kann. Der Senat folgt daher den insoweit in sich schlüssigen Ausführungen von Dr.O. und Dr.W. , wonach eine relevante Einschränkung der Willensfreiheit - und damit verbunden die Unfähigkeit zu einer zumutbaren Willensanspannung - bei der Klägerin nicht gegeben ist. Nicht ausgeschlossen werden kann nämlich, dass ein sekundärer Krankheitsgewinn - iS einer Einengung der Kognitionen auf Entpflichtung und Versorgung durch Rentenerhalt - die Entscheidungen der Klägerin beeinflusst. Gegen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allein aus gesundheitlichen Gründen, etwa wegen der neurasthenischen Schwäche und wegen der Folgen der psychosomatischen Symptombildung, spricht auch die Höhe der Abfindung (12.636,00 DM) bei Aufhebung des Arbeitsvertrages im Jahre 1997 in vergleichsweise jugendlichem Alter. Nicht unerwähnt kann in diesem Zusammenhang bleiben, dass die Klägerin, die nach Auflösung ihres letzten Arbeitsverhältnisses keinerlei eigene Aktivitäten zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben betrieben hat, eine Beufsförderungsmaßnahme der Arbeitsverwaltung nach nur einem Tag im Februar 1998 abgebrochen und sofort Rentenantrag gestellt hat. Hierbei schließt Dr.O. eine vordergründige Versagenshaltung nicht gänzlich aus. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass die frühere langfristige Entpflichtung der Klägerin durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und dann durch finanzielle Absicherung erst den gedanklichen Weg bereitet hat, auch anders als durch Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt beitragen zu können. Die von den ärztlichen Sachverständigen übereinstimmend vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen könnten sogar berufs- und lebensbegleitend durchgeführt werden, selbst bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 bis 38 Stunden. Auch die Klägerin könnte sich berufsbegleitend einer solchen psychotherapeutischen Maßnahme unterziehen, wenn eine tatsächliche Motivation zur Behandlung und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit überhaupt besteht.

Aus diesen Gründen ist auch der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die von den ärztlichen Sachverständigen erhobenen Befunde einschließlich der anamnestischen Angaben und deren sozialmedizinischer Bewertung nicht als krankheitsbedingt unüberwindlich bewiesen sind. Der Senat geht daher in Übereinstimmung mit Dr.O. und Dr.W. davon aus, dass die Klägerin in der Lage ist, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, erforderlichenfalls auch im Wechselrhythmus, vollschichtig zu verrichten. Die Klägerin ist damit in der Lage, bei Beachtung der von den ärztlichen Sachverständigen aufgezeigten Einsatzbeschränkungen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes regelmäßig und mit einer betriebsüblichen Arbeitszeit von sieben bis acht Stunden täglich auszuüben. Auf entsprechende Tätigkeiten muss sie sich zumutbar verweisen lassen. Sie genießt keinen Berufsschutz, weil sie nach ihrem beruflichen Werdegang als ungelernte, günstigenfalls als kurzfristig angelernte Arbeitnehmerin zu beurteilen und damit uneingeschränkt auf einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist. Da die Klägerin unter Einbeziehung aller bei ihr festgestellten Gesundheitsstörungen nicht an der Ausübung einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung gehindert ist, braucht vorliegend eine zustands- angemessene Tätigkeit weder nachgewiesen noch benannt zu werden. Denn solange eine Versicherte in der Lage ist, unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig und regelmäßig Erwerbsarbeit zu leisten, besteht keine Pflicht der Verwaltung und Gerichte, konkrete Arbeitsplätze und Verweisungstätigkeiten mit im Einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen zu benennen. Vielmehr ist in solchen Fällen von einer ausreichenden Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG SozR 2000 § 1246 Nr 90).

Bei der Klägerin liegen somit die Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen BU nicht vor. Daraus folgt zugleich, dass auch ein Anspruch auf Rente wegen EU, der an noch weitergehende Voraussetzungen geknüpft ist, nicht besteht.

Aufgrund ihres vollschichtigen Einsatzvermögens erfüllt die Klägerin auch nicht die Voraussetzungen des durch Art 1 Nr 19 des Rentenreformgesetzes 1999 neu gefassten und durch Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) geänderten, am 01.01.2001 in Kraft getretenen § 43 SGB VI. Nach dessen Absatz 2 hat bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller (der bisherigen EU entsprechender) Erwerbsminderung, wer (neben weiteren Leistungsvoraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, aber auch derjenige, dem bei einem mehr als drei bis unter sechs Stunden reichenden Einsatzvermögen der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (vgl § 43 Abs 3 2.Halbs SGB VI). Eine quantitative Einschränkung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich acht Stunden liegt jedoch - wie bereits ausgeführt wurde - bei der Klägerin nicht vor.

Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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