L 2 U 398/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 235/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 398/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
I. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1955 geborene Kläger hatte am 15.07.1999 gegen 18.45 Uhr einen Verkehrsunfall, als ein anderer PKW auf sein stehendes Fahrzeug auffuhr.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.M. , stellte am gleichen Tag gegen 22.00 Uhr HWS-Bewegungsschmerz und muskuläre Verspannung fest. Er diagnostizierte ein HWS-Schleudertrauma. Die Internistin L. bestätigte Arbeitsunfähigkeit bis 30.07.1999. Der Arzt für Allgemein- und Betriebsmedizin Dr.H. attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit bis 05.09.1999. Der beratende Arzt der Beklagten Dr.H. führte in der Stellungnahme vom 17.11.1999 aus, dem Bericht des Dr.M. seien keine Angaben zu entnehmen, die eine höhergradige Einschätzung der Unfallfolgen als nach Erdmann I zuließen. Nach allgemeiner medizinischer Erfahrung sei von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsdauer von drei, maximal vier Wochen auszugehen.

Mit Bescheid vom 07.12.1999 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis einschließlich 16.08.1999 bestanden.

Der Kläger wandte mit Widerspruch vom 21.12.1999 ein, es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die zunächst gestellte Diagnose unzutreffend gewesen sei. An der Halswirbelsäule bestünden Vorschädigungen, die den Heilungsverlauf verzögern könnten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2000 zurück. Anhaltspunkte für aufgetretene Komplikationen oder Auffälligkeiten im Heilverlauf seien nicht ersichtlich.

Mit der Klage vom 23.03.2000 hat der Kläger weiterhin geltend gemacht, er habe einen schwerwiegenden Unfall mit erheblichem Sachschaden am Fahrzeug erlitten, so dass Verletzungen möglich seien, deren Heilung über den 16.08.1999 hinaus angedauert habe und sich bis zum 05.09.1999 habe erstrecken können.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 13.09.2000 ausgeführt, radiologisch seien an der Halswirbelsäule deutliche degenerative Veränderungen zu sehen, die größtenteils schon 1994 bestanden hätten. Insbesondere sei die Bandscheibe zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper stärker verschmälert mit zunehmender Tendenz. Gering eingeengt sei auch die Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Halswirbelkörper. Im Bericht des Dr.M. seien keine Symptome beschrieben, die mit einer Distorsion vom Schweregrad II zu vereinbaren wären, weder ein steifer Hals, noch primäre Parästhesien, Schmerzen zwischen den Schulterblättern, positive Verletzungsmerkmale im Röntgenbild, Schluckschmerz, Schmerzen im Mundbodenbereich. Man könne also vom Schweregrad I ausgehen, insbesondere auch im Hinblick auf das vom Kläger angegebene beschwerdefreie Intervall von einer bis eineinhalb Stunden. Die Protrahierung des Heilverlaufs durch die vorbestehenden degenerativen Veränderungen sei bei der Annahme einer Arbeitsunfähigkeit bis 16.08.1999 bereits berücksichtigt, da bei Schweregrad I von einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von 1 bis 3 Wochen (also längstens bis 05.08.) auszugehen sei; selbst bei Schweregrad II sei Arbeitsunfähigkeit nur für 2 bis 4 Wochen (also längstens bis 12.08.) anerkennungsfähig.

Der Kläger hat dagegen geltend gemacht, Dr.F. habe die Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass bei der Erstuntersuchung eine unzutreffende Diagnose gestellt worden sei. Er habe sich auf die Diagnose seiner Ärzte verlassen dürfen und deshalb die Arbeitsaufnahme, um Gesundheitsschäden zu vermeiden, unterlassen.

Mit Urteil vom 04.12.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.F. gestützt.

Im Berufungsverfahren machte der Kläger weiterhin geltend, die Feststellungen des Dr.M. könnten fehlerhaft sein, außerdem sei ein unfallanalytisches Gutachten zur Feststellung der auf den Körper einwirkenden schädigenden Kräfte beim Unfall erforderlich, Dr.F. habe die erst 2001 durch Kernspintomographie festgestellten degenerativen Bandscheibenschäden der Halswirbelsäule nicht berücksichtigt.

Nach Einholung eines Befundberichtes des Orthopäden Dr.B. vom 19.02.2002, der den Kläger nach einem weiteren Unfall vom 19.11.2001 untersucht hatte, führte der ärztliche Sachverständige Dr.F. in der ergänzenden Stellungnahme vom 16.03.2002 aus, die degenerativen Veränderungen der Bandscheiben der Halswirbelsäule hätten in typischer Weise im Vergleich zu den Röntgenaufnahmen vom 03.12.2001 etwas zugenommen. Eine plötzliche massive Zunahme, die auf eine verletzungsbedingte Strukturveränderung schließen lassen könnte, sei nicht festzustellen. Die Auswertung der kernspintomographischen Aufnahmen vom 07.12.2001 beschreibe geringe Osteochondrosen zwischen dem 4. bis 6. Halswirbelkörper, eine Protrusion der Bandscheibe zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper und schließe ausdrücklich eine Dornfortsatzfraktur aus. Die außerdem von Dr.B. festgestellten Myogelosen und segmentalen Bewegungsstörungen stellten keinen auf eine Verletzung hinweisenden Befund dar, sondern allgemeine Veränderungen, die durch die Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule ohne Weiteres zu erklären seien.

Der Kläger äußerte im Schreiben vom 25.04.2002, es sei ein Gutachten von einem zur Beurteilung von Kernspintomogrammen befähigten Gutachter darüber einzuholen, ob die degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule eine Verzögerung des Heilungsverlaufs verursachen könnten. Diese Frage habe Dr.F. nicht beantwortet.

Mit Schreiben vom 02.05.2002 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen nicht beabsichtigt seien. Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG zur Frage, ob degenerative Erkrankungen der Halswirbelsäule zur Verzögerung des Heilungsverlaufs führen könnten, wurde abgelehnt, denn diese Tatsache sei schon bewiesen. Dr.F. gehe von einer Protrahierung des Heilverlaufs durch Vorschaden aus.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.12.2001 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.12.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2000 zu verurteilen, ihm Verletztengeld über den 16.08.1999 hinaus bis zum 05.09.1999 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen des Klägers zu keiner anderen Beurteilung der Streitfragen führen konnten. Der ärztliche Sachverständige Dr.F. hat in der ergänzenden Stellungnahme vom 16.03.2002 überzeugend ausgeführt, dass zwar die degenerativen Veränderungen der Bandscheiben der Halswirbelsäule bei Vergleich der Röntgenaufnahmen vom 14.12.1994, 15.07.1999 und 03.12.2001 etwas zugenommen haben, dass es sich dabei aber um einen typischen Verlauf handelt. Eine plötzliche massive Zunahme der degenerativen Veränderungen, die auf eine vorausgegangene verletzungsbedingte Strukturveränderung schließen lassen könnte, ist dagegen nicht zu verifizieren.

Auch im kernspintomographischen Befund ist eine derartige Änderung nicht beschrieben. Die Auswertung des Kernspintomogramms vom 07.12.2001, die Dr.B. im Befundbericht vom 19.02.2002 übermittelte, beschreibt geringgradige Osteochondrosen HWK 4/5 und HWK 5/6, eine mediale Bandscheibenprotrusion HWK 5/6, ausdrücklich keinen Bandscheibenvorfall, eine harmlose Normvariante in Form einer Kalzifikation im Weichteilgewebe und schließt eine Dornfortsatzfraktur aus. Wie Dr.F. betont, lassen sich weder dem Kernspintomogramm, noch den vorgelegten Röntgenaufnahmen und den Ausführungen des Dr.B. im Befundbericht Feststellungen entnehmen, die auf eine höhergradige Verletzung der Halswirbelsäule als maximal des Grades I durch den Unfall vom 15.07.1999 schließen lassen könnten. Insbesondere das beschwerdefreie Intervall, das der Kläger selbst mit einer bis eineinhalb Stunden angegeben hat, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass er erst drei Stunden nach dem Unfall Dr.M. aufsuchte, spricht gegen schwerere Unfallfolgen, die auch von Dr.M. , der Internistin L. , dem Allgemeinmediziner Dr.H. , Dr.B. und Dr.F. nicht diagnostiziert wurden. Unter Berücksichtigung der degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule, die Dr.F. im Übrigen bereits im Gutachten vom 13.09.2000 vorgenommen hat, ist eine längere Arbeitsunfähigkeit als bis zum 16.08.1999 nicht begründbar. Zu Recht weist Dr.F. darauf hin, dass selbst bei einer HWS-Distorsion des Grades II nur von einer bis zu vierwöchigen Heilungsdauer - also bis zum 12.08. - auszugehen wäre. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lag über den 16.08.1999 hinaus jedenfalls nicht vor.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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