L 2 U 250/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 859/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 250/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 140/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1957 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Lkw-Fahrer am 25.09.1989 eine drittgradig offene Unterschenkelfraktur rechts, wie der Durchgangsarzt Prof. Dr.S. feststellte.

Im Gutachten vom 27.01.1992 führte der Chirurg Prof.Dr.P. aus, als Unfallfolgen bestünden noch ein mit Falschgelenkbildung und in der seitlichen Ansicht geringer Fehlstellung knöchern nicht fest verheilter Unterschenkelbruch rechts, eingeschränkte Beweglichkeit des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes, ausgeprägte Muskel- und Kraftminderung am rechten Bein, Gang- und Standbehinderung, Narben sowie die Notwendigkeit, einen Stützapparat zu tragen. Die MdE schätzte er auf 40 v.H.

Mit Bescheid vom 21.08.1992 gewährte die Beklagte Rente nach einer MdE um 40 v.H. und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls an: Zustand nach drittgradig offenem operativ versorgtem Unterschenkelbruch rechts mit nachfolgender Knochenmarkeiterung, Verplumpung des oberen Sprunggelenkes und Abflachung des rechtsseitigen Fußgewölbes, eingeschränkte Beweglichkeit des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes, ausgeprägte Muskel- und Kraftminderung am rechten Bein, verminderte Fußsohlenbeschwielung gegenüber links, Gang- und Standbehinderung mit der Notwendigkeit einen Unterschenkel-Stützapparat rechts sowie orthopädisches Maßschuhwerk zu tragen, verminderter Kalksalzgehalt im Bruchbereich, subjektive Beschwerden.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des Prof.Dr.P. vom 11.03.1993 ein, in dem Prof. Dr.P. ausführte, der Kläger sei nach wie vor geh- und stehbehindert. Es bestehe aufgrund einer Falschgelenkbildung im rechten Unterschenkelschaftbereich die Notwendigkeit, einen Oberschenkel-Schienenhülsen-Apparat zu tragen. Einen weiteren Unfall vom 11.08.1992, bei dem der Kläger gestürzt war, bezeichnete Prof.Dr.P. als mittelbare Unfallfolge.

Der Chirurg Dr.H. führte im Gutachten vom 04.07.1994 aus, die vom Kläger angegebenen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule beruhten zum größten Teil auf ungünstigen statischen Verhältnissen im unteren Anteil. Bei ungenügendem Längenausgleich im Hinblick auf die Beinverkürzung hätten sich die anlagebedingten statischen Missverhältnisse aber schwerer ausgewirkt, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Die Behandlungsmaßnahmen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien vorwiegend unfallbedingt. Eine wesentliche funktionelle Einschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule sei jedoch nicht nachweisbar; die MdE betrage weiterhin 40 v.H.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.B. äußerte im Gutachten vom 05.08.1994, es bestünden eine verminderte Oberflächensensibilität im Gesäß- und Oberschenkelbereich, Sensibilitätsminderung im Bereich des Nervus suralis, schmerzhafte Missempfindungen bei Berührungen des Nerven im oberen Randbereich des großen Weichteildefektes an der Rückseite des Unterschenkels, Sensibilitätsminderung im Narbenbereich an der Vorderseite des Unterschenkels. Die MdE werde auf 10 v.H. geschätzt.

Dr.H. bewertete die Gesamt-MdE am 31.10.1994 mit 40 v.H.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im anschließenden Klageverfahren (S 24 U 280/95) kam der ärztliche Sachverständige, der Chirurg Dr.Dr.K. , im Gutachten vom 15.03.1996 zu dem Ergebnis, die unfallbedingte MdE sei weiterhin mit 40 v.H. anzusetzen. Bei Beachtung aller ungünstigen Wechselwirkungen sei diese Gleichstellung mit einem Unterschenkelamputierten sachgerecht. Eine noch höhere Bewertung sei nicht gerechtfertigt. Ergänzungsbedürftig sei der Text des Bescheides vom 21.08.1992. Der Kläger sei von Anfang an von einem Oberschenkel-Hülsen-Apparat abhängig gewesen, außerdem müsse auch die Beinverkürzung von 3 cm in den Bescheidtext aufgenommen werden. Auch sollte das gestörte Bewegungsspiel der Zehen als mittelbare Unfallfolge erfasst werden. Die verminderte Knochenkalksalzstörung beziehe sich nicht nur auf den Bruchbereich, sondern sei auch heute noch, wenn auch sehr diskret, bis in die Fußknochen hinein nachweisbar. Dies stelle aber kein Novum dar und sei in der MdE von 40 v.H. berücksichtigt.

Die Beteiligten schlossen einen Vergleich, in dessen Ausfüh- rung die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.1997 als Folgen des Arbeitsunfalles anerkannte: Auswirkungen nach drittgradig offener Tibiaschaft-Trümmerfraktur rechts und Fibulastückbruch rechts, mehrfach operiert, intermittierende Knochenmarkentzündung, verformtes und bewegungsgestörtes rechtes oberes und unteres Sprunggelenk, Fußwölbungsabflachung rechts, gestörtes Bewegungsspiel der Zehenreihe rechts, ausgeprägte Muskelver- schmächtigung des rechten Beines bis zum Gesäß mit entsprechender Kraftminderung, verminderte Sohlenbeschwielung rechts, Un- terschenkelverkürzung rechts von 3 cm, ausgedehnte Verletzungs- und Operationsnarben am rechten Unterschenkel und im Becken- kammbereich beidseits (Spongiosaentnahmen), Knochenkalksalzminderung der rechten unteren Gliedmaße durch chronische Minderbelastung infolge Gang- und Standbehinderung, Versorgung mit Oberschenkel-Stützapparat und Fußteil sowie mit Maßschuhen und Beinlängenausgleich rechts, Nervenempfindungsstörung im Wadenbereich rechts (Nervus suralis), Fibula-Pseudarthrose, Sehnenverkürzungen.

Im Bericht vom 24.10.1997 gab Prof.Dr.B. an, der Kläger klage über zunehmende Beschwerden im Bereich des Rückens. Weder klinisch noch röntgenologisch könne ein direkter Zusammenhang mit dem Unfallereignis hergestellt werden. Inwieweit bandscheibenbedingte Beschwerden als Ursache vorlägen, sei durch eine zusätzliche neurologische Untersuchung zu klären. Im Bereich des Unterschenkels habe sich jetzt ein vollständiger knöcherner Überbau der ehemaligen straffen Pseudarthrose eingestellt. Der Stützapparat sei daher entbehrlich. Insofern werde die MdE neu zu bewerten sein.

Vom 03.02.1998 bis 05.03.1998 befand sich der Kläger zur stationären physikalischen Behandlung in der Unfallklinik M ... Prof.Dr.B. erklärte im Abschlussbericht vom 05.03.1998, eine computertomographische Untersuchung habe eine vollständige knöcherne Durchbauung im Bereich der ehemaligen Fraktur gezeigt. Das Abtrainieren des Oberschenkel-Stützapparates habe sich schwierig gestaltet. Begleitend sei eine intensive physikalische Behandlung zum Muskelaufbau und Behandlung der Rückenbeschwerden durchgeführt worden. Neurologische Ausfälle hätten nicht bestanden. Ein Kernspintomogramm der Lendenwirbelsäule habe degenerative Bandscheibenveränderungen in mehreren Segmenten von LW3/4 bis LW5/SW1 mit ausgeprägter medialer Protrusion LW3/4 bis LW5/SW1 gezeigt. Eine Einengung des Spinalkanales bestehe nicht. Die degenerativen Veränderungen stünden in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Im Gutachten vom 26.05.1998 führte der Chirurg Dr.G. aus, gegenüber dem maßgeblichen Vorgutachten lasse sich insofern eine wesentliche Besserung nachweisen, als zwischenzeitlich die Pseudarthrose nicht mehr vorhanden sei. Es bestehe eine knöcherne Überbrückung von Schien- und Wadenbein, so dass auch das Tragen eines Stützapparates nicht mehr erforderlich sei. Die MdE betrage ab 01.11.1997 daher nur noch 30 v.H.

Nach Anhörung des Klägers änderte die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.1998 die MdE auf 30 v.H. unter Hinweis auf die Feststellungen von Dr.G ...

Mit Widerspruch vom 20.07.1998 wandte der Kläger ein, eine wesentliche Besserung sei nicht eingetreten. Zwar sei ihm der Stützapparat genommen worden, er könne seiner beruflichen Tätigkeit jedoch nur unter größten Schmerzen und mit Hilfe der Einnahme von starken Schmerzmitteln nachgehen. Die Osteoporose sei erheblich ausgedehnt, wenn nicht sogar noch schlimmer als zur letzten Begutachtung. Die Beinverkürzung führe zu extrem starken Rückenbeschwerden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.1998 zurück. Die 1994 noch vorliegende Pseudarthrose sei vollständig ausgeheilt, so dass das Tragen des Oberschenkel-Stützapparates nicht mehr erforderlich sei. Die geklagten Rückenbeschwerden hätten ihre Ursache nicht in der unfallbedingten Beinverkürzung, sondern seien auf die kernspintomographisch nachgewiesenen degenerativen Bandscheibenschäden in den beiden untersten Lendenwirbelsäulensegmenten zurückzuführen. Sie stünden in keinem Zusammenhang mit dem Unfallereignis.

Hiergegen hat sich die Klage zum Sozialgericht München gerichtet, mit der der Kläger geltend gemacht hat, im Gutachten vom 27.01.1992 seien eine gerade aufgebaute Wirbelsäule, regelrecht gestaltete Wirbelsäulenkrümmungen, mittelkräftig ausgebildete Muskulatur sowie regelrechte Beweglichkeit festgestellt worden. Dagegen habe Dr.H. im Gutachten vom 04.07.1994 ausgeführt, die Rückenschmerzen beruhten auf anlagebedingt ungünstigen statischen Verhältnissen im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule. Dies habe auch Dr.G. im Gutachten vom 26.05.1998 übernommen. Durch die erheblich erweiterte Anerkennung von Unfallfolgen im Bescheid vom 05.02.1997, insbesondere die Unterschenkelver- kürzung rechts um 3 cm, sei die Grundlage für die Anerkennung der Rückenbeschwerden als mittelbare Unfallfolge geschaffen worden. Es werde bezweifelt, ob das Wegfallen der Pseudarthrose und die knöchern stabile Ausheilung des Unterschenkelbruches allein geeignet seien, die MdE auf 30 v.H. herabzusetzen. Dagegen spreche die chronische Osteomyelitis, die für sich allein betrachtet schon eine MdE von bis zu 40 v.H. begründe.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.Dr.K. hat im Gutachten vom 21.01.2000 zusammenfassend ausgeführt, eine fixierte unfallbedingte Seitausbiegung der Wirbelsäule bestehe trotz der Beinverkürzung nicht, da sich die Dornfortsatzreihe im Sitzen begradige. Das seitengleiche Wirbelsäulenseitbiegen spreche ebenfalls gegen eine sekundäre posttraumatische Unfallfolge an der Lendenwirbelsäule. Der adäquate Schuhhöhenausgleich führe zum Becken-/Wirbelsäulengradstand, so dass es zu keiner Fehlstatik und damit zu keinen mittelbaren Unfallspätfolgen an der Lendenwirbelsäule gekommen sei. Es bestehe kein gravierender Unterschied seitlicher Verschleißanbauten an den Lendenwirbeln. Die Bandscheibenteilverlagerung in L4/5 und L5/S1 sei eine schicksalhafte Veränderung wie bei vielen über 40-Jährigen. Nach den klinischen und insbesondere den röntgenologischen Verlaufsparametern sei gegenüber den Verhältnissen von Januar 1992 von einer wesentlichen anhaltenden Besserung auszugehen. Immerhin habe der Kläger im Januar 1992 keinen Schritt ohne Hülsenapparat gehen können, während er jetzt ausreichend sicher ohne Stockstützen, ohne Oberschenkelhülsenapparat und ohne orthopädisches Schuhwerk gehen könne. Selbst wenn die Muskelmasse des rechten Beines noch nicht entscheidend verbessert sei, so zeige sich doch auch im Verlauf der Röntgenbilder nicht nur die tragfähige Durchbauung der früheren Schienbeinpseudarthrose, sondern auch die deutliche Rückläufigkeit der Knochenkalksalzminderung im Unterschenkel-Fußbereich rechts gegenüber früheren Jahren. Eine solche Verbesserung der Knochendichte sei aber nur erreichbar durch ein verbessertes Belastungsmuster über Monate und Jahre hinweg. Die CT-Aufnahmen zeigten noch zwei kleine knöcherne Einschmelzungsherde mit winzigem Sequester; es ergebe sich aber weder anamnestisch noch nach dem klinischen Befund ein Hinweis auf eine derzeit akute Osteomyelitis. Der erhöhte Knochenstoffwechsel im Knochenszintigramm vom Mai 1998 sei eher Ausdruck einer voranschreitenden Knochenkonsolidierung als Anzeichen einer Osteitis.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.W. hat im Gutachten vom 13.10.2000 erklärt, gegenüber dem Vorgutachten von 1992 habe sich durch den klinisch und auch radiologisch nachgewiesenen knöchernen Überbau der Pseudarthrose funktionell eine deutliche Verbesserung ergeben. Festgehalten werden müsse allerdings, dass weiterhin erhebliche Umfangsminderungen der Oberschenkel- und Unterschenkelmuskulatur gemessen worden seien. Es zeige sich aber ein deutlicher Beckenschiefstand nach rechts; durch Unterlage eines Verkürzungsausgleichs komme es zu einem fast vollständigen Ausgleich. Die Wirbelsäule falle ohne Verkürzungsausgleich leicht nach rechts, mit Verkürzungsausgleich 1 cm nach links aus der Senkrechten. Insgesamt bestehe aber keine wesentlich über das Altersmaß hinausgehende Einschränkung der Vor- oder Rückneigung. Die Entfaltbarkeit sei ebenfalls altersentsprechend unauffällig. Im Übergangsbereich der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein werde ein deutlicher Druckschmerz angegeben, ebenso im Bereich der Brustwirbelsäule sowie angedeutet im Bereich der Längsbänder mit Ausstrahlung in die linke Nervenwurzel L5. Zu bestätigen seien auch die Protrusionen im Bereich L5 und verstärkt L5/S1. Wirbelsäulenveränderungen seien im Vorgutachten von 1992 überhaupt nicht beschrieben. Entscheidend sei die Betrachtung der mit und ohne Verkürzungsausgleich angefertigten Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule. Entgegen dem klinischen Eindruck komme es nicht zu einem wesentlichen Aufrichten der Wirbelsäule durch den Verkürzungsausgleich, so dass hier doch schon eine fixierte Skoliose bestehe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger zumindest in den ersten Jahren keinen konsequenten Verkürzungsausgleich getragen habe, sei die fixierte Skoliose mittelbar auf die Beinverkürzung zurückzuführen. Keine Unfallfolge sei der Bandscheibenvorfall, der einem normalen degenerativen Geschehen zugeordnet werden müsse. Unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenveränderungen und der von Dr.B. festgestellten neurologischen Unfallfolgen sei insgesamt von einer MdE von 40 v.H. auszugehen.

Hierzu hat Dr.Dr.K. in der Stellungnahme vom 11.04.2001 ausgeführt, es ergäbe sich keine Befundkonstellation, die mit Wahrscheinlichkeit eine weitere mittelbare Unfallfolge annehmen ließe. Sowohl im März 1996 als auch im Januar 2000 habe der Kläger den Rumpf, also auch die Lendenwirbelsäule, nach links und nach rechts krümmen können. Das Rumpf-Seitneigen habe auch bei Dr.Wolf nach beiden Seiten durchgeführt werden können. Dies widerspreche der Vermutung einer fixierten mittelbar posttraumatischen Lumbalskoliose. Im Röntgenbefund von 1993 habe sich eine leichte linksgerichtete Torsionsskoliose gezeigt, daneben ein Baastrup-Abrieb und angedeutete seitliche Wirbelrandzuschärfungen. Knapp vier Jahre später im Januar 2000 hätte sich keine nennenswerte Zunahme bezüglich der Fehlkrümmung und der Wirbelkörperformen, insbesondere keine bogeninnenseitige Seitspangenbildung gefunden. Dies wäre aber eine Conditio sine qua non für ein mittelbares LWS-Schadensanerkenntnis. Der auch von Dr.W. festgestellte Schultergradstand sei eher ein Argument gegen die Annahme einer mittelbaren Unfallfolge. Die Röntgenuntersuchung mit und ohne Brettchenausgleich ersetze nicht die Wirbelsäulenfunktionsaufnahmen mit Rumpf-Seitneigen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.05.2001 zurückgewiesen und sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr.Dr.K. gestützt.

Zur Begründung der Berufung führte der Kläger aus, es sei keine wesentliche Besserung eingetreten, die eine Herabsetzung der MdE auf 30 v.H. rechtfertigen würde. Durch die unfallbedingte Beinlängenverkürzung rechts um 3 cm sei es zu einer fixierten Skoliose als mittelbare Unfallfolge gekommen, die zusammen mit den neurologischen Ausfallerscheinungen und den bereits anerkannten Unfallfolgen weiterhin eine Gesamt-MdE von 40 v.H. rechtfertige. Die von Dr.W. angefertigten Röntgenbilder des Klägers seien nicht mehr auffindbar und hätten daher von Dr.Dr.K. nicht berücksichtigt werden können.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. kam im Gutachten vom 13.05.2002 zusammenfassend zu dem Ergebnis, im Sitzen zeige ein eindeutiger Lendenwulst links, dass eine seitliche Verbiegung der Lendenwirbelsäule zur Gegenseite des verkürzten Beines bestehe. Die Richtung nach links beweise, dass sie mit einer Verkürzung des rechten Beines nicht in kausalen Zusammenhang zu bringen sei. Beim Erwachsenen ließen sich statische Verbiegungen der Lendenwirbelsäule von anlagebedingten echten Skoliosen dadurch unterscheiden, dass diese mit einer Verdrehung der Lendenwirbelkörper verbunden seien, rein statische Seitverbiegungen hingegen eine solche Torsion nicht aufwiesen. Beim Kläger müsse die seitliche Verbiegung vor Abschluss des Wachstumsalters entstanden sein, da die Lendenwirbelkörper eine ausgeprägte Verdrehung aufwiesen. Der Unterschenkelbruch am Schienbein sei knöchern fest geworden, die Pseudarthrose des Wadenbeines wirke sich auf die Belastbarkeit der unteren Extremitäten funktionell nicht aus. Es bestehe kein Zweifel, dass in den Unfallfolgen eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Die 1992 angesetzte MdE von 40 v.H. entspreche der Amputation des rechten Unterschenkels. Damit verglichen sei der Kläger natürlich weitaus weniger behindert. Eine höhere MdE als 30 v.H. lasse sich aufgrund der jetzt noch festzustellenden Unfallfolgen nicht begründen.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. führte im Gutachten vom 08.10.2002 aus, durch den Unfall sei es nicht zu einer Schädigung motorischer, wohl aber sensibler Nervenfasern gekommen, die zum Teil das Versorgungsgebiet des Nervus suralis, zum Teil auch des Nervus peronaeus superficialis erfassten. Funktionell bedeutsame Ausfälle lägen nicht vor. Von neurologischer Seite sei die MdE nach wie vor auf maximal 10 v.H. zu beziffern. Eine Erhöhung der Gesamt-MdE von 30 v.H. ergebe sich hieraus nicht.

Der Kläger erklärte in den Stellungnahmen zu den Gutachten, Dr.W. sei zu den Ausführungen von Dr.F. zu hören und zu befragen, welche Bedeutung die ihm bekannten Röntgenbilder hätten, wie die Tatsache zu bewerten sei, dass Dr.F. eine Seitausbiegung der Wirbelsäule nach links festgestellt habe, während Dr.W. eine Seitausbiegung nach rechts diagnostiziert habe und inwiefern die neurologischen Ausfallerscheinungen ins Gewicht fielen. Zu berücksichtigen sei, dass die neurologische MdE 1994 lediglich aufgrund der ursprünglichen Einstufung auf 40 v.H., die einer Unterschenkelamputation entspreche, nicht berücksichtigt worden sei. Unter Berücksichtigung der unfallbedingten Skoliose und der neurologischen MdE von 10 v.H. sei weiterhin von einer Gesamt-MdE von 40 v.H. auszugehen.

Der Kläger stellt den Antrag

aus dem Schriftsatz vom 10.02.2002 und wiederholt hilfsweise den Antrag aus den Schriftsätzen vom 10.07.2002 und 28.11.2002, Dr.W. ergänzend zu den dort genannten Fragen zu hören.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr.F. und Dr.K. das bisherige Beweisergebnis bestätigt haben. Insbesondere hat Dr.F. überzeugend darauf hingewiesen, dass sich statische Verbiegungen der Lendenwirbelsäule von anlagebedingten Skoliosen dadurch unterscheiden lassen, dass diese mit einer Verdrehung der Lendenwirbelkörper verbunden sind, während rein statische Seitverbiegungen eine solche Torsion nicht aufweisen. Da beim Kläger eine ausgeprägte Verdrehung der Lendenwirbelkörper festzustellen ist, muss die Torsion also, wie Dr.F. betont, vor Abschluss des Wachstumsalters entstanden sein. Mit dieser Erläuterung befindet sich Dr.F. in Übereinstimmung nicht nur mit Dr.Dr.K., sondern auch mit der herrschenden medizinischen Fachliteratur (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6.Aufl.1998, S.506 f.). Im Übrigen hat Dr.F. erläutert, dass eine Fehlstatik, wenn sie durch keine Schuhabsatzerhöhung ausgeglichen wird, nur durch eine rechtsgerichtete Verbiegung der Lendenwirbelsäule ausgleichbar wäre, während beim Kläger eine linksgerichtete seitliche Verbiegung besteht. Der im Sitzen festzustellende eindeutige Lendenwulst links zeigt, so Dr.F. , dass eine seitliche Verbiegung der Lendenwirbelsäule zur Gegenseite des ehemals verletzten und verkürzten Beines hin besteht. Diese Richtung der seitlichen Verbiegung nach links beweist, dass sie mit der Verkürzung des rechten Beines nicht in kausalen Zusammenhang zu bringen ist. Die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen stehen gleichfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehrmeinung, nach der eine Verbiegung der Wirbelsäule überwiegend zur amputierten Seite hin eintritt ( Schönberger-Mehrtens-Valentin a.a.O., S.708 ff.). Zudem zeigen sich Einengungen fast sämtlicher Bandscheiben, die sich schon rein theoretisch durch eine Fehlstatik nicht erklären, aber die vom Kläger angegebenen Rückenbeschwerden glaubhaft erscheinen lassen, wie Dr.F. erläutert. In Übereinstimmung mit Dr.Dr.K. weist Dr.F. darauf hin, dass eine Fixierung der Skoliose unabhängig von der Ursächlichkeit nicht besteht, da der Rumpf nach rechts und links um 30° geneigt werden kann, wie auch Dr.W. feststellte. Dr.Dr.K. hat zu Recht auf das Fehlen degenerativer Erscheinungen an Bandscheiben und Wirbeln, vor allem an der Bogeninnenseite, hingewiesen (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., S.710), das gegen einen Kausalzusammenhang spricht.

Im Hinblick darauf, dass, wie Dr.K. erläutert hat, die funktionelle Bedeutung der angegebenen Sensibilitätsstörungen eher gering ist, zumal eine spezifische neuralgieforme Schmerzsymptomatik nie im Vordergrund stand und keine motorischen Ausfälle vorliegen, die unfallbedingte MdE auf neurologischem Fachgebiet mit 10 v.H. zu bewerten ist, wobei sich eine Erhöhung der Gesamt-MdE hieraus nicht ergibt und im Hinblick auf die auch von Dr.W. bestätigte wesentliche Besserung der Unfallfolgen am Unterschenkel sowie darauf, dass weitere mittelbare Unfallfolgen nicht festzustellen sind, ist eine höhere Gesamt-MdE als 30 v.H. ab 01.08.1998 nicht gegeben.

Im Hinblick auf die vorliegenden umfangreichen ärztlichen Unterlagen und Stellungnahmen waren weitere Ermittlungen nicht geboten. Insbesondere bestand kein Anlass, den Sachverständigen Dr.W. gemäß § 109 SGG nochmals zu befragen. Zum einen ist das Antragsrecht des Klägers gemäß § 109 SGG durch die Einholung des Gutachtens von Dr.W. im Klageverfahren verbraucht; zum anderen sind die vom Kläger gestellten Fragen zur Überzeugung des Senats nicht entscheidungserheblich. Dass Dr.W. die Röntgenaufnahmen für bedeutsam hielt, hat er im Gutachten bereits erläutert; eine Seitausbiegung nach links hat er, wie Dr.F. , beim Kläger im Sitzen festgestellt. Wesentliche neurologische Ausfallerscheinungen hat Dr.W. nicht erwähnt; sie fallen im Übrigen in das neurologische Fachgebiet. Hierzu haben Dr.B. und Dr.K. Stellung genommen.

Die Kostentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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