L 4 B 389/02 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 159/02 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 389/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 22. Oktober 2002 in den Ziffern I., III. und IV. aufgehoben.
II. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten der Beschwerden und des Antragsverfahrens. IV. Der Streitwert wird auf 9.227,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin führte im Dezember 2001 bei der Antragstellerin, einem Geschäft für Schuh- und Sporteinzelhandel, eine Betriebsprüfung durch, die sich auf den Zeitraum vom 01.01.1997 bis 31.10.2001 erstreckte. Sie beanstandete in der Anhörung vom 12.02.2002, dass die im Prüfzeitraum gezahlten Arbeitsentgelte die im Entgelttarifvertrag des Einzelhandels vereinbarten Löhne bzw. Gehälter unterschreiten würden. Ferner seien die tarifvertraglich zustehenden Sonderzuwendungen nicht in der zutreffenden Höhe gezahlt worden.

Mit Bescheid vom 31.05.2002 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für sieben in der Anlage näher bezeichnete Arbeitnehmer Beiträge in Höhe von 29.180,99 EUR zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitsförderung für den genannten Prüfzeitraum. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung seien auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten. Ein Entgeltanspruch mindestens in Höhe des im für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag festgesetzten Lohnes könne von den Parteien des Arbeitsvertrages, die der Geltung des Tarifvertrages unterlägen, nicht rechtswirksam unterschritten werden. Die Höhe des Beitragsanspruchs richte sich grundsätzlich nach den tatsächlich erhaltenen Einnahmen, darüber hinaus aber auch nach den vom Arbeitgeber geschuldeten Leistungen. Der Betrieb der Antragstellerin falle mit seinen Beschäftigten in den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den bayerischen Einzelhandel, der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung für allgemein verbindlich erklärt worden sei. Die Antragsgegnerin habe in Publikationen mehrmals darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Versicherungspflicht und die Beitragsentrichtung nach dem Anspruchsprinzip in der Sozialversicherung auch im Rahmen einer Betriebsprüfung überprüft werden könne.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 07.06. und 26.06.2002 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die bisherigen Betriebsprüfungen seien ohne Beanstandungen geblieben und somit stehe ihr Vertrauensschutz zu. Maßgeblich für die Beitragsberechnung sei der gezahlte und nicht der geschuldete Lohn. Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 16.07. 2002 den Antrag auf Aussetzung zur Vollziehung ab. Mit Schreiben vom 25.07.2002 wies die Antragsgegnerin ein weiteres Mal auf das seit 1977 gesetzlich geregelte und bei der Beitragsberechnung anzuwendende Entstehungsprinzip (Fälligkeitsprinzip) hin. Die vom Arbeitsentgelt abhängigen Beitragsansprüche entstünden bereits mit dem Arbeitsentgeltanspruch; maßgebend sei der Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Arbeitsentgelt fällig geworden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Im Beitragsrecht der Sozialversicherung gelte seit dem In-Kraft-Treten des SGB IV am 01.07.1977 bei der Erhebung der Einnahmen das sog. Entstehungs- bzw. Anspruchs- oder auch Verdienstprinzip. Beiträge würden dann fällig, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden sei. Die Entstehung des Beitragsanspruchs sei nicht davon abhängig, dass das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt werde, das heißt dem Arbeitnehmer zugeflossen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien Beiträge auch für geschuldetes, bei Fälligkeit aber noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu zahlen. Auf Vertrauensschutz könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Frühere Betriebsprüfungen ergäben selbst dann keine Vertrauensgrundlage, wenn die Nichtabführung der Beiträge durch den Betriebsprüfer ausdrücklich, jedoch fälschlich für richtig befunden worden sei. Eine Entlastung des Beitragsschuldners innerhalb der Verjährungsgrenzen könne somit weder durch das frühere Verhalten des Betriebsprüfers noch durch den unterlassenen Beitragseinzug der Krankenkassen in zurückliegenden Zeiten erreicht werden.

Bereits am 12.07.2002 hat die Antragstellerin beim Sozialgerichts Regensburg (SG) beantragt, die aufschiebene Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid vom 31.05.2002 anzuordnen. Der Bescheid weiche von der bisherigen Verwaltungspraxis ab und verstoße damit gegen Treu und Glauben. In der Vergangenheit hätten die bis 31.12.1995 für die Betriebsprüfungen zuständigen Einzugsstellen bei der Ermittlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages lediglich die den Arbeitnehmern tatsächlich zugeflossenen Entgelte berücksichtigt. Die Antragsgegnerin hätte daher die Nachforderung zumindest auf eine Zeit beschränken müssen, zu der spätestens die geänderte Prüfpraxis der Antragstellerin hätte bekannt sein können. Zu Gunsten der Antragstellerin sei insbesondere die derzeit schlechte Konsumlage in der Sportartikelbranche und beim Schuhhandel zu berücksichtigen. Das SG hat mit Schreiben vom 17.09.2002 die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass eine bloße Umsatzeinbuße im Vergleich zum Jahr 2001 für die Annahme einer Existenzbedrohung nicht ausreiche.

Es hat mit Beschluss vom 22.10.2002 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 26.06.2002 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.05.2002 insoweit angeordnet, als er die Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.1997 erfasst und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Ferner hat es entschieden, dass die Antragstellerin 86 % und die Antragsgege- nerin 14 % der Kosten trägt und es hat den Streitwert mit 29.180,99 EUR festgesetzt. Maßgeblich für die Beurteilung der Versicherungspflicht und der sich hieraus ergebenden Beitragshöhe sei nicht ausschließlich das vom Arbeitgeber tatsächlich entrichtete Entgelt. Bei einer untertariflichen Entlohnung komme es auf den Betrag an, der sich bei Zugrundelegung des Anspruchs des Arbeitsnehmers etwa aufgrund eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages errechne. Im Falle der betroffenen Arbeitnehmerinnen weiche das von der Antragstellerin tatsächlich bezahlte Arbeitsentgelt von den Beträgen ab, die die Antragsstellerin ihren Arbeitnehmerinnen aufgrund der Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel in Bayern für die Jahre 1996, 1997 und 1998 sowie aufgrund der gleichfalls für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge über Sonderzahlungen vom 02.09.1996 in der Fassung vom 16.06.1997 zu zahlen gehabt hätte. Bei summarischer Überprüfung der Beitragsnachforderung sei festzustellen, dass die Antragsgegnerin bei allen Arbeitnehmerinnen, für die sie Beiträge nachfordere, von dem geringsten Betrag ausgehe, der sich in den jeweiligen Jahren nach dem jeweils geltenden Gehaltstarifvertrag als Stundenlohn errechne. Aufgrund der Prüfungsmitteilung anlässlich einer früheren Betriebsprüfung (Prüfzeitraum vom 01.12.1992 bis 31.05. 1997) durfte die Antragstellerin aber davon ausgehen, dass sie mit keiner entsprechenden Forderung für die Zeit vor dem 01.06. 1997 überzogen werde. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Vertrauensschutz reiche jedoch nicht über den 31.05.1997 hinaus. Die Tarifverträge bzw. deren Allgemeinverbindlicherklärungen seien im Bundesanzeiger veröffentlicht worden; an diesen Regelungen müsse sich die Antragstellerin wie jeder andere Bundesbürger an den im Bundesgesetzblatt verkündeten Rechtsvorschriften messen lassen. Die Antragsgegnerin habe jedoch ihr Recht auf Beitragsnachforderung für die Zeit vom 01.01. bis 31.05.1997 verwirkt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 28.11.2002. Das auch im Beitragsrecht der Sozialversicherung geltende Prinzip von Treu und Glauben fordere, dass der für die Beitragsabführung in Anspruch genommene Arbeitgeber nicht für eine zurückliegende Zeit mit einer Beitragsnachforderung konfrontiert werde, die im deutlichen Widerspruch stehe zu dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit er vertraut habe und auch vertrauen durfte. In der Vergangenheit hätten die für die Betriebsprüfungen zuständigen Einzugsstellen lediglich die dem Arbeitnehmer tatsächlich zu- geflossenen Entgelte berücksichtigt. Es sei auch vertretbar, das Entstehungsprinzip abzulehnen, zumal steuerrechtlich nach dem Zuflussprinzip verfahren werde. Die Antragsgegnerin hat am 15.11.2002 gleichfalls Beschwerde eingelegt. Eine etwaige Untätigkeit der Einzugsstellen bei der Einziehung der Beiträge führe zu keinem Vertrauensschutz vor Beitragsnachforderungen. Entgegen dem SG sei auch keine Verwirkung eingetreten. Ein Unterlassen reiche als Verwirkungshandeln nicht aus. Das SG hat den Beschwerden nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 22.10.2002 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.05.2002 anzuordnen, soweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 12.07. 2002 abgelehnt wurde.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 22.10.2002 hinsichtlich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.05.1997 aufzuheben.

Beigezogen wurden die Akten der Antragsgegnerin und des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegten Beschwerden, denen das SG nicht abgeholfen hat, sind zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet, die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1, Abs.3 SGG in der Fassung des 6. SGGÄndG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 86a Abs.3 SGG durch Beschluss die Aussetzung der Vollziehung anordnen. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG regelt in diesem Zusammenhang, dass die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umla- gepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der daraus entfallenden Nebenkosten entfällt. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs.1 Satz 2 SGG); der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt insoweit nicht in Frage. Die Aussetzung der Vollziehung soll nach § 86a Abs.3 Satz 2 SGG erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungs- akts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Es ist hier die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bzw. die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren sowie das Dringlichkeitsinteresse zu prüfen. Bei der Interessenabwägung ist das öffentliche Interesse an der Beitreibung der Beitragsschulden mit dem privaten Interesse der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abzuwägen, wobei gemäß § 86a Abs.3 SGG zu berücksichtigen ist, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen.

Der Senat hat nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Recht- mäßigkeit der Bescheide.

Die Antragsgegnerin ist als Trägerin der Rentenversicherung gemäß § 28p Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) befugt, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihre Meldepflicht oder ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach Abs.1 Satz 5 dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Die hierfür sonst bestehende Zuständigkeit der Einzugsstellen (§ 28h Abs.2 SGB IV) ist ab 1999 vollständig entfallen (Hauck/Haines, SGB IV, § 28p, Rz.19; Kasseler Kommentar-Seewald, § 28p SGB IV, Rdnr.2).

Streitig ist hier eine Beitragsnachforderung in Höhe von 29.180,99 EUR. Hiergegen wendet die Antragstellerin zu Unrecht ein, die Antragsgegnerin hätte bei der Betriebsprüfung des Arbeitsentgelts vom Zuflussprinzip ausgehen müssen, so dass es auf das zu gering gezahlte Arbeitsentgelt nicht ankomme. Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Recht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen.

Rechtsgrundlagen für die Beitragsnachforderungen sind in der gesetzlichen Krankenversicherung § 226 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V), in der Rentenversicherung § 162 Nr.1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung § 168 Abs.1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bzw. ab 01.01.1998 § 342 Sozialgesetzbuch III (SGB III) und in der Pflegeversicherung § 57 Abs.1 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) i.V.m. § 226 Abs.1 Nr.1 SGB V, jeweils in Verbindung mit § 28e SGB IV. Diesen Vorschriften ist gemeinsam, dass die Bemessungsgrundlage bei versicherungspflichtigen Beschäftigten das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist. Das von der Antragstellerin hier in Anspruch genommene Zuflussprinzip gilt im Sozialrecht nicht uneingeschränkt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in zwei Urteilen der jüngsten Zeit erneut festgestellt, dass die Entscheidung über den Beitragsanspruch nicht davon abhängt, ob das geschuldete Arbeitsentgelt gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Diese Auffassung hat schon das Reichsversicherungsamt in einer Entscheidung im Jahre 1931 vertreten, weil sich anderenfalls Arbeitgeber, die ihre vertraglichen Pflichten verletzen, Vorteile gegenüber den Arbeitgebern verschaffen könnten, die die Gehälter vertragsgemäß zahlen. Spätestens nach dem In-Kraft-Treten des SGB IV am 01.07.1977 ist nach der Rechtsprechung für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt hat. Nach § 22 Abs.1 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Geset- zes bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Höhe des Beitragsanspruchs richtet sich nicht nur danach, welche Einnahmen die Versicherten aus ihrer Beschäftigung tatsächlich erhalten, sondern darüber hinaus auch nach den Einnahmen, die sie zwar nicht erhalten, die ihnen aber vom Arbeitgeber geschuldet werden. In Abkehr vom Zuflussprinzip im Beitragsrecht ist für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche also nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch tatsächlich gezahlt hat. Hierfür ist insbesondere entscheidend, dass die Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit schon am Tage der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginnt, ferner, dass nach § 23 Abs.1 SGB IV Beiträge unabhängig von der Zahlung oder Fälligkeit des Arbeitsentgelts fällig werden (BSG vom 30.08.1994, BSGE 75, 61; BSG vom 21.05.1996, BSGE 78, 224). Das BSG hat mit Urteil vom 07.02.2002 ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung zum Entstehungsprinzip bekräftigt. Es hat lediglich für den Fall, dass der Arbeitnehmer ein höheres als das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt erhalten hat, hinsichtlich des Beitragsanspruchs auf den Zufluss des Arbeitsentgelts abgestellt, da es nach § 14 Abs.1 Satz 1 SGB IV nicht darauf ankommt, ob ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf das gezahlte Arbeitsentgelt bestanden hat.

Demgegenüber beruft sich die Antragstellerin zu Unrecht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB). Dass die Beitragsansprüche der Versicherungsträger entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§ 22 SGB IV), ist wegen des Grundsatzes der formellen Publizität von Gesetzen seit 1977 bekannt (SGB IV vom 23.12.1976, BGBl.I, S.3845). Ebenso ist die Allgemeinverbind- licherklärung eines Tarifvertrages ein "Gesetzesersatz"; sie ist ein staatlicher Normsetzungsakt eigener Art, mit der der Staat die Tarifnormen in seinen Willen aufnimmt (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 2000, § 207, Rdnr.17 ff.). Da die Allgemeinverbindlicherklärung öffentlich bekannt gegeben werden muss (§ 5 Abs.7 Tarifvertragsgesetz), folgt aus dem Grundsatz der formellen Publizität von Normen, dass sich die Antragstellerin auf eine fehlende Kenntnis der Allgemeinverbindlicherklärungen gleichfalls nicht berufen kann. Zu Unrecht geht sie auch davon aus, dass die Antragsgegnerin und früher die Einzugsstellen bei den Arbeitgeberprüfungen stets das Zuflussprinzip vertreten und damit entgegen den gesetzlichen Vorschriften eine entsprechende Verwaltungspraxis durchgesetzt hätten. Diese Annahme wird von der Antragsgegnerin bestritten und die Antragstellerin hat die von ihr behauptete Verwaltungspraxis nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 920 Abs.2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Insoweit kann auch von einer plötzlichen Änderung der Verwaltungspraxis nicht die Rede sein.

Abgesehen davon sind die von der Antragsgegnerin bzw. Einzugsstellen durchgeführten Betriebsprüfungen nicht geeignet, einen Vertrauensschutz insoweit zu begründen, dass die prüfende Stelle an ihrer rechtlichen Beurteilung auch in Zukunft festgehalten werden darf. Eine Nichtbeanstandung im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung führt bei einer späteren Prüfung nicht zu einer Verwirkung, die der prüfenden Stelle entgegen gehalten werden kann. Das bloße Nichtstun der Einzugsstelle reicht auch dann nicht als Verwirkungsverhalten aus, wenn Betriebsprüfungen erfolgt sind oder wenn ein Betriebsprüfer im Anschluss an die Betriebsprüfungen seine Auffassung zur Rechtslage bekannt gegeben hat (BSG vom 30.11.1978, BSGE 47, 194). Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nach § 6 Abs.1 BÜVO die Prüfung der Aufzeichnung (§§ 2, 3 BÜVO) einschließlich der Unterlagen im Sinne des § 2 Abs.2 BÜVO sowie der Beitragsnachweise auf Stichproben beschränkt werden kann. § 6 BÜVO ist nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift dem geprüften Arbeitgeber ein Recht verleiht, dass die prüfende Stelle an der beitragsrechtlichen Behandlung entsprechend den früheren Arbeitgeberprüfungen festhalten muss. Auch sind allgemeine Äußerungen einer Rechtsansicht durch einen Betriebsprüfer im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung kein bindender Verwaltungsakt bzw. verbindliche Zusage. Betriebsprüfungen haben nach der Rechtsprechung des BSG nur den Zweck, einerseits Beitragsausfälle zu verhindern und andererseits die Versicherungsträger von ungerechtfertigter Leistungsinanspruchsnahme infolge der Entgegennahme von Beiträgen zu bewahren. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt ihnen nicht zu; sie haben insbesondere nicht die Aufgabe, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm Entlastung zu erteilen (BSG vom 30.11.1978, a.a.O.). Wenn eine Krankenkasse - möglicherweise aus unrichtiger Beurteilung der Rechtslage - in früheren Jahren keine Beitragsforderungen gegen einen Arbeitgeber erhoben hat, so führt dies allein noch nicht zur Verwirkung der Forderung, zumal wenn ihr eine umstrittene Rechtsfrage zu Grunde liegt (BSG vom 10.09.1975 SozR 2400 § 2 Nr.3).

Entgegen dem SG begründet auch die Prüfmitteilung der Antragsgegnerin vom 08.07.1997 keinen Vertrauensschutz für die Antragstellerin. Hierin hat die Antragsgegnerin für den Prüfzeitraum vom 01.12.1992 bis 31.05.1997 allgemein mitgeteilt, dass die durchgeführte Prüfung keine Feststellungen ergeben habe. Diese Mitteilung enthält eine Information über die abgeschlossene Betriebsprüfung, stellt aber keinen Verwaltungsakt dar, da sie keinen Regelungscharakter hat (§ 31 Abs.1 SGB X). Eine Regelung liegt nur vor, wenn die Behörde eine potenziell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Mangels eines konkreten Inhalts lässt sich dem Schreiben vom 08.07.1997 der Prüfungsgegenstand nicht entnehmen.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass der Beitragseinzug für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hat. Für eine entsprechende Glaubhaftmachung reicht es nicht aus, auf die schlechte Konjunktur im Einzelhandel für Sportartikel und Schuhe hinzuweisen. Das SG hat bereits mit Schreiben vom 17.09.2002 die Antragstellerin darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Angabe von Umsatzeinbußen nicht geeignet ist, eine Existenzbedrohung nachzuweisen. Weitere Ausführungen hierzu hat die Antragstellerin weder im Antragsverfahren noch im Beschwerdeverfahren gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1, 2 Verwaltungsgerichtsordnung; danach trägt die Antragstellerin die Kosten des Rechtsmittels. Im Hinblick auf das vollständige Obsiegen der Antragsgegnerin ist auch die Kostenentscheidung des SG entsprechend zu korrigieren.

Bei der Höhe des Streitwertes wird von der streitigen Beitragsforderung, reduziert auf ein Drittel für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgegangen. Er beträgt 9.227,00 EUR (§ 197a Abs.1 SGG i.V.m. §§ 13 Abs.1, 20 Abs.3 Gerichtskostengesetz).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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