L 9 AL 309/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 AL 459/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 309/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im 2.Rechtszug.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Umlagepflicht zur produktiven Winterbauförderung.

Der Kläger betrieb seit Januar 1990 ein Spezialbohrunternehmen, zunächst in Form einer GmbH, seit Januar 1995 als Einzelunternehmer. Im Oktober 2000 hat er die Firma aufgegeben.

Gegenstand des Unternehmens war laut Handelsregister und Gewerbeanmeldung: "Die Ausführung von Bohrarbeiten, insbesondere Aufschlussbohrungen für geotechnische Erkundungen sowie Schneid- und Bohrarbeiten in Asphalt und Beton".

Mit Schreiben vom 28.02.1994 teilte der Kläger der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes Näheres über den Gegenstand des Betriebes mit: Die Firma befasse sich mit Aufschlussbohrungen für bodenmechanische Institute und chemische Labors im Rahmen von Baugrunduntersuchungen, Altlastenerkundungen und hydrologischen Untersuchungen. Zu etwa 2 % der Gesamtarbeitszeit würden Asphalt- und Betonbohrungen zur Entnahme von Prüfkernen für Materialprüfungsanstalten ausgeführt.

Entsprechende Angaben machte der Kläger am 15.07.1994 gegenüber den Prüfern der Beklagten, wobei er den Anteil von Asphalt- und Betonbohrungen zur Entnahme von Prüfkernen für Materialprüfanstalten auf 1 % taxierte.

Mit Bescheid vom 25.11.1994 verlangte die Beklagte auf der Basis einer geschätzten Bruttolohnsumme der im Betrieb des Klägers beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer für die Jahre 1990 bis einschließlich 1993 die Entrichtung von Winterbau-Umlage nach § 186a AFG in Höhe von insgesamt 12.240,00 DM zuzüglich Mahngebühr von 60,50 DM.

Der Kläger erhob Widerspruch: Die Firma führe weder bautypische noch bauähnliche Arbeiten durch.

In einem weiteren Schreiben an die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes vom 10.02.1995 spezifizierte der Kläger den anteiligen Zeitaufwand für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Firma:

"1. Bohrungen im Rahmen von Baugrunduntersuchungen ca. 48 %. 2. und 3. Bohrungen im Rahmen von Altlastenerkundungen und hydrologischen Untersuchungen ca. 51 %. 4. Asphaltbohrungen zur Entnahme von Prüfkernen ca. 1 %."

Unter den Begriff der "Bohrungen für Baugrunduntersuchungen" fielen auch Altlasten- und hydrologische Untersuchungen, diese Anteile seien in den Punkten 2 und 3 zusammengefasst worden. Zusammengefasst deshalb, da hydrologische Untersuchungen und Altlastenerkundungen häufig zusammenfielen. Zu Punkt 4 sei zu bemerken, dass die Firma seit längerer Zeit keine Betonbohrungen mehr ausführe, vielmehr nur mehr Asphaltbohrungen zur Entnahme von Prüfkernen, die den Straßenbauämtern und Materialprüfungsinstituten zur Verfügung gestellt würden. Dies ermögliche die Überprüfung der Straßenbeläge.

Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes teilte der Beklagten mit Schreiben vom 12.06.1995 mit, dass die Firma des Klägers nicht zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft herangezogen werde.

Am 24.05.1996 erließ die Beklagte einen Grundlagenbescheid. Die Firma des Klägers habe ab Januar 1990 für die Zeiträume, in denen sie Arbeiter beschäftige, Winterbau-Umlage nach § 186a Abs.1 Satz 2 AFG zu entrichten. Diese betrage bis 31.12.1995 2 %, ab 01.01.1996 1,7 % der lohnsteuerpflichtigen Bruttoarbeitsentgelte aller beschäftigten Arbeiter und sei jeweils am 15. des Monats fällig, der dem Monat folge, für den der Lohn zu zahlen sei. Um die Angabe der maßgeblichen Bruttolohnsummen werde gebeten. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.

Am 15.08.1996 erließ die Beklagte einen Leistungsbescheid für die Zeit vom 01.01.1990 bis einschließlich Juli 1996 auf der Grundlage ihr mittlerweile mitgeteilter Bruttolohnsummen. Die Firma des Klägers habe für diesen Zeitraum insgesamt 19.729,43 DM Winterbau-Umlage zu entrichten. Dies ergebe einschließlich einer Pauschale für Verwaltungsmehraufwand, Säumniszuschlägen und Mahngebühren eine Forderung von insgesamt 22.160,38 DM. Der Bescheid sei Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg erhoben.

Während des Klageverfahrens erging am 01.06.1999 ein weiterer Leistungsbescheid für die Zeit von August 1996 bis einschließlich Dezember 1998. Die Beklagte ordnete für diesen Zeitraum die Entrichtung von insgesamt 6.616,64 DM an. Der Bescheid sei Gegenstand des laufenden Klageverfahrens.

Das SG hat die Bescheide vom 25.11.1994, 24.05.1996 und 15.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.09.1997 sowie den Bescheid vom 01.06.1999 mit Urteil vom 15.06.1999 aufgehoben. Die Baubetriebe-Verordnung sei nach Maßgabe des § 75 Abs.1 Nr.2 AFG gesetzeskonform dahingehend auszulegen, dass Bohrbetriebe, die überwiegend geophysikalische Erkundungsbohrungen durchführten, nicht erfasst würden und somit nicht winterbau-umlagepflichtig seien.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie trägt vor: Zwar enthalte § 75 AFG eine gesetzliche Definition der förderungsfähigen und umlagepflichtigen Betriebe des Baugewerbes. In § 76 Abs.2 Satz 1 AFG habe der Gesetzgeber jedoch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern sei. Dabei habe der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber bei der Festlegung der zu fördernden Zweige des Baugewerbes einen weiten Spielraum eingeräumt. Der Verordnungsgeber solle nach § 76 Abs.2 Satz 4 AFG nach Möglichkeit den fachlichen Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigen.

Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) habe in der seit 01.01.1976 geltenden Fassung in § 1 Nr.2 zwar Bohrarbeiten grundsätzlich in den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages aufgenommen, hiervon jedoch u.a. Bohrarbeiten, die sich weder mit der Herstellung von Bauten noch der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen befassten, ausdrücklich ausgenommen. Im VTV vom 28.12.1979 hätten die Tarifvertragsparteien insoweit eine Änderung vorgenommen. In der exemplarischen Aufzählung der vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfassten Tätigkeiten würden im Abschnitt V unter Nr.5 "Bohrarbeiten" ohne einschränkenden Zusatz aufgeführt, wie dies jedoch u.a. in Nr.28 bei den dort aufgeführten Stahlbiege- und Flechtarbeiten sowie in Nr.37 bei dem dort aufgeführten Verlegen von Bodenbelägen der Fall sei. Diese Tätigkeiten unterstelle der VTV in der jetzigen Fassung ausdrücklich nur dann dem fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, soweit sie zur Erbringung anderer baulicher Leistungen des Betriebes ausgeführt würden. Daraus müsse man im Umkehrschluss den Schluss ziehen, dass die in § 1 Abschnitt V Nr.5 aufgeführten "Bohrarbeiten" sämtlich unter den fachlichen Geltungsbereich des VTV fielen, unabhängig davon, ob sie der allgemeinen Definition von Bauleistungen entsprächen. Insoweit sei auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.1995 Az.: 10 AZR 363/94 hinzuweisen, wonach nach der geänderten Fassung des VTV auch Aufschlussbohrungen für Baugrunduntersuchungen unter den fachlichen Geltungsbereich des VTV fielen.

Die Baubetriebeverordnung sei der Änderung des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe angepasst worden. Auch in der Fassung der Baubetriebeverordnung vom 19.07.1972 seien in § 1 Nr.1 Buchst.e u.a. "Bohrarbeiten" ausgeführt gewesen. Hiervon seien jedoch ausdrücklich Spezialbetriebe für Bohrarbeiten, die nicht gewerblich Bauleistungen erbrächten, ausgenommen gewesen. In der Baubetriebeverordnung vom 28.10. 1980 seien in § 1 Abs.2 Nr.5 "Bohrarbeiten" nunmehr ohne jeglichen Zusatz aufgeführt, wohingegen u.a. in Nr.28 Stahlbiege- und Flechtarbeiten sowie in Nr.37 das Verlegen von Bodenbelägen nur unter dem Vorbehalt in den Geltungsbereich der Baubetriebeverordnung aufgenommen worden seien, dass bzw. soweit sie zur Erbringung anderer baulicher Leistungen ausgeführt würden. Auch bei Anwendung der Baubetriebeverordnung müsse man daraus den Umkehrschluss ziehen, dass der Verordnungsgeber "Bohrarbeiten" ausnahmslos in den fachlichen Geltungsbereich der Baubetriebeverordnung einbeziehen wolle. Dies halte sich im Rahmen der Ermächtigung des § 76 AFG.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 15. Juni 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Verordnungsgeber könne in der Baubetriebeverordnung Betriebe in die Winterbauförderung bzw. Umlagepflicht nur in den Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung des § 75 AFG einbeziehen. Nach der Legaldefinition in § 75 Abs.1 Nr.2 AFG seien "Betriebe des Baugewerbes" solche Betriebe oder Betriebsabteilungen "die überwiegend Bauleistungen erbringen", nach Nr.3 "Bauleistungen alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen". Dies bedeute, dass durch den Tatbestand der "Bohrarbeiten" in § 1 Abs.2 Nr.5 der Baubetriebeverordnung nur Betriebe erfasst werden könnten, die überwiegend im Rahmen von Bauvorhaben Bohrungen durchführten, also Bohrungen, die in einem Zusammenhang mit der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken stünden. Dieser Tatbestand werde aber durch die vom Kläger durchgeführten Baugrunduntersuchungen, Altlastenerkundungen und hydrologischen Untersuchungen, nicht erfüllt.

Der Kläger hat seine bisherigen Angaben zur Tätigkeit seiner Firma im Berufungsverfahren noch im Einzelnen erläutert.

Zu den Baugrunduntersuchungen: Hierbei seien Bodenproben entnommen worden, die zur Beurteilung der für Boden und Fels notwendigen ingenieurgeologischen, hydrologischen, geophysikalischen, bodenmechanischen und felsmechanischen Arbeiten durch Baugrundsachverständige notwendig seien. Auftraggeber seien überwiegend Ingenieurbüros, Architekten, öffentliche Auftraggeber und auch Privatpersonen gewesen. Zum Teil seien die Bohrarbeiten direkt von den Sachverständigen für Geotechnik, den Entwurfsverfassern oder Bauherren in Auftrag gegeben worden. Die geotechnische Untersuchung der entnommenen Proben diene der Beschreibung aller maßgebenden Baugrundeigenschaften und Ermittlung von Bodenkenngrößen, um aufgrund dieser Ergebnisse prüfen zu können, inwieweit ein Grund für eine Bebauung geeignet sei. Die angestellten Untersuchungen sollten das Baugrundrisiko verringern, Bauschäden vorbeugen und jeweils möglichst wirtschaftliche Lösungen ermöglichen.

Zum engeren Bereich der Altlastenerkundungen und hydrologischen Untersuchungen: Insoweit würden überwiegend Bodenproben und Wasserproben zur Untersuchung auf eine eventuelle Kontamination des Untergrundes und des Grundwassers entnommen. In etwa 10 % der Fälle dieses Tätigkeitsbereichs dienten die Bohrungen zur Errichtung von Grundwasser-Messstellen. Hierbei würden Rohre aus Kunststoff in die Bohrlöcher eingebracht, um über einen längeren Zeitraum bis zu mehreren Jahren Proben entnehmen zu können. Die Bohrungen für Altlasten- und hydrologische Untersuchungen stünden nur zu einem geringen Anteil im Zusammenhang mit einer späteren Bebauung der untersuchten Flächen. Sie bezögen sich meist auf wilde Deponien, Altdeponien, Untersuchungen von Standorten auf Eignung für eine Deponie und auf Verdachtsflächen bei Rüstungs- und Industriestandorten. Auftraggeber seien überwiegend Umweltlabors, Ingenieurbüros für Umweltschutz, Wasserwirtschaftsämter und andere öffentliche Auftraggeber. Aus den auf den entnommenen Proben fußenden Gutachten gingen Maßnahmen für notwendige Sanierungen oder Entsorgungskonzepte hervor.

Zu den Asphaltbohrungen: Diese dienten der Prüfung von Asphalt. Dabei würden Bohrkerne aus fertig gestellten Asphaltschichten (Straßen, Gehwege, Parkplätze etc.) entnommen. Sie ermöglichten, die Kontrolle der ausgeführten Arbeiten in Form offizieller Kontrollprüfungen durch unabhängige Prüfstellen zwecks Nachweis der Einhaltung der vorgeschriebenen Zusammensetzung und Verarbeitung des Materials. Auftraggeber seien die zuständigen Straßenbaulastträger oder deren Beauftragte, zum Teil auch die mit den Asphaltarbeiten beauftragten Baufirmen. Anhand der Bohrkerne werde von den Prüfinstituten festgestellt, ob die ausgeführten Asphaltarbeiten den vertragsgemäßen Vorgaben und den einschlägigen Vorschriften und Richtlinien des Straßenbaus entsprächen. Dies habe bei Unter- oder Überschreitung der Anforderungen unmittelbar Auswirkungen auf die Abrechnung bzw. sich ggf. ergebende Abzüge.

In einem Teilvergleich vom 23.10.2002 beschränkten die Beteiligten den Streitgegenstand auf die Bescheide der Beklagten, über die das Sozialgericht entschieden hat.

Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts und der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat die angefochtenen Bescheide zu Recht aufgehoben. Der Betrieb des Klägers unterlag nicht der Umlagepflicht für den Winterbau.

Maßgebliche gesetzliche Grundlage ist bis zum 31.12.1997 das AFG, ab 01.01.1998 das SGB III. Maßgebliche Verordnungsgrundlage auch über den 31.12.1997 hinaus ist die Baubetriebe-Verordnung vom 28.10.1980.

Nach § 186 a Abs.1 AFG (§ 354 SGB III) wird die Winterbauumlage von den Arbeitgebern des Baugewerbes aufgebracht, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist.

Anspruch auf Leistungen der Winterbauförderung haben Arbeiter (Arbeitnehmer), die in "Betrieben des Baugewerbes auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz beschäftigt sind" (§ 76 AFG, § 210 SGB III).

Betriebe des Baugewerbes sind Betriebe, die "gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Markt anbieten" (auf dem Baumarkt erbringen), § 75 Abs.1 Nr.1 AFG, § 211 Abs.1 Satz 1 SGB III.

Bauleistungen sind nach nahezu gleichlautendem Wortlaut in § 75 Abs.1 Nr.2, § 211 Abs.1 Satz 2 SGB III "alle Bauarbeiten (Leistungen), die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen".

Nach §§ 76 Abs.2 Satz 1 AFG, 216 Abs.1 Satz 1 SGB III ist das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist. Nach §§ 76 Abs.2 Satz 4 AFG, 216 Abs.2 Satz 3 SGB III soll es dabei nach Möglichkeit den fachlichen Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigen.

Die unter Geltung des SGB III fortgeltende Baubetriebe-Verordnung vom 28.10.1980 führt in § 1 Abs.2 als Betriebe, in denen die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft durch Leistungen der Winterbauförderung zu fördern ist, in Nr.5 solche auf, in denen "Bohrarbeiten" verrichtet werden.

In der Baubetriebe-Verordnung vom 19.07.1972, § 1 Abs.1 Nr.1 e, wurden hiervon ausdrücklich ausgenommen Spezialbetriebe für Bohrarbeiten, "die nicht gewerblich Bauleistungen erbringen". Auch enthält die Baubetriebe-Verordnung vom 19.07.1972 in § 1 Abs.2 eine generelle Einschränkung. Die ganzjährige Beschäftigung sei in Betrieben des Abs.1 nur zu fördern, wenn diese nach ihrer Zweckbestimmung und betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauleistungen im Sinne des § 75 Abs.1 Nr.3 des AFG (nach dem 2.Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes im Bereich des Baugewerbes vom 15.12.1995, BGBl I S.1809: Nr.2) erbrächten.

Die Baubetriebe-Verordnung vom 28.10.1980 enthält keine solche, den im Einzelnen aufgeführten förderungsfähigen Betriebszweigen des Baugewerbes hinzugefügte generelle Einschränkung. Hingegen heißt es in der Baubetriebe-VO vom 28.10.1980 vorneweg in § 1 Abs.1, dass die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft durch die Leistungen der Winterbauförderung in Betrieben zu fördern sei, "die gewerblich überwiegend Bauleistungen (§ 75 Abs.1 AFG) erbringen". Dies seien nach Abs.2 solche, in denen "insbesondere" die nachfolgend in Nr.1 bis Nr.41 aufgeführten Arbeiten verrichtet würden. In Nr.5 sind solche Betriebe in den Katalog der förderungsfähigen Betriebe aufgenommen, die "Bohrarbeiten" verrichten. Ein einschränkender Zusatz, der bestimmte Arten von Bohrbetrieben, insbesondere solche, die keine Bauleistungen erbringen, ausnimmt, findet sich nicht. Hingegen werden in Nr.37 das Verlegen von Bodenbelägen nur "in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen" und in Nr.38 das Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal nur dann, "wenn die Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt werden" und, in Nr.28 i.d.F. der Baubetriebe-VO vom 13.12.1996 Stahlbiege- und -Flechtarbeiten nur, "soweit sie zur Erbringung anderer baulicher Leistungen des Betriebes oder auf Baustellen ausgeführt werden", in die Winterbauförderung einbezogen.

Die Beklagte zieht hieraus den Schluss, dass Betriebe, die Aufschlussbohrungen für geophysikalische Untersuchungen durchführen, in die Winterbauförderung und damit auch in die Umlagepflicht einbezogen sein sollen, unabhängig davon, ob und ggf. in welcher Weise solche Aufschlussbohrungen in Verbindung mit dem Erbringen von Bauleistungen stehen. Sie weist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BAG vom 08.02.1995, Az.: 10 AZR 363/94 hin. Streitig war dort die Zugehörigkeit eines Betriebes, der Aufschlussbohrungen für die straßenbautechnische Bodenerkundung sowie für Baugrunduntersuchungen durchführte, zum Geltungsbereich des Tarifvertrages für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). In § 1 Nr.2 Abschnitt I bis III der Neufassung dieses Tarifvertrages wird zunächst eine allgemeine Definition des "Betriebes des Baugewerbes" gegeben, u.a. dahingehend, dass Betriebe des Baugewerbes solche sind, die nach ihrer Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Unter den in Abschnitt IV und V im Einzelnen aufgeführten zugehörigen Betriebszweigen finden sich in Abschnitt V Nr.5 "Bohrarbeiten", ohne dass dies von einer Verbindung mit der Erbringung "baulicher Leistungen" bzw. "anderer baulicher Leistungen" abhängig gemacht wird wie in Nr.37 beim Verlegen von Bodenverlägen, in Nr.38 beim Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal sowie ab 01.01.1990 in Nr.28 für Stahlbiege- und -Flechtarbeiten. Das BAG zieht daraus den Schluss, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch Bohrbetriebe, die Aufschlussbohrungen für straßenbautechnische oder Baugrunduntersuchungen durchführten, in den fachlichen Geltungsbereich des VTV einbezogen sein sollten, ohne dass es darauf ankomme, ob die Tätigkeit solcher Betriebe den in den Abschnitten I bis III des § 1 Abs.2 VTV niedergelegten allgemeinen Merkmalen der Tätigkeit eines Betriebes des Baugewerbes genüge.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich dies nicht auf die Einbeziehung von Betrieben in die Winterbauförderung und die entsprechende Umlagepflicht übertragen. Diesbezüglich besteht eine Normenhierarchie zwischen dem Gesetz, das das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in den §§ 76 Abs.2 AFG, 216 Abs.1 SGB III zur Festlegung der förderungsfähigen Betriebszweige des Baugewerbes ermächtigt, und der darauf gegründeten Verordnung. Wenn die Baubetriebe-VO vom 28.10.1980 in § 1 Abs.1 bestimmt, dass die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft durch Leistungen der Winterbauförderung in solchen Betrieben zu fördern sei, "die gewerblich überwiegend Bauleistungen (§ 75 Abs.1 des AFG) erbringen", so kann der durch die Legaldefinition in den §§ 75 Abs.1 AFG, 211 Abs.1 SGB III vorgegebene Bereich zugehöriger Betriebe durch die in § 1 Abs.2 der Baubetriebe-VO nachfolgende Aufzählung einzelner Betriebszweige nicht eingeschränkt oder erweitert werden. Vielmehr ist umgekehrt der Katalog der in § 1 Abs.2 der Baubetriebe-VO aufgeführten Betriebszweige - unabhängig vom Tarifvertragsrecht - nach Maßgabe der Legaldefinition in den §§ 75 Abs.1 AFG, 211 Abs.1 SGB III ggf. einschränkend oder erweiternd auszulegen (BSG vom 01.06.1978 SozR 4100 § 186 a Nr.4, vom 08.10.1998 Az.: B 10 AL 6/97 R S.4, vom 24.06.1999, Az. B 11/10 AL, 7/98 R/ S 5).

Die Umlagepflicht der ehemaligen Firma des Klägers richtet sich also danach, ob es sich um einen Betrieb des Baugewerbes im Sinne der Legaldefinition der §§ 75 Abs.1 AFG, 211 Abs.1 SGB III gehandelt hat.

Ein Betrieb des Baugewerbes ist danach ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Markt anbietet (auf dem Baumarkt erbringt).

"Bauleistungen" sind nach der nahezu wortgleichen Definition im AFG und im SGB III" alle Bauarbeiten (Leistungen), die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen".

Arbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung etc. von Bauwerken dienen, können nur solche Arbeiten sein, die im Zusammenhang mit "Bauwerken" stehen.

Bauwerke sind nur "erdverbundene" Anlagen (so die ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 19.03.1974 (SozR 4670 § 2 Nr.2). Es kann sich um "erdverbundene Bauten aller Art" handeln (BSG vom 23.02.1988 SozR 4100 § 186 a Nr.23 S.64), auch solche, die lediglich auf Fundamente und Sockel gestellt und an diesen nur durch Schrauben oder ähnliches befestigt sind (BSG vom 22.03.1979 SozR 4100 § 75 Nr.7 S.7). Das BAG hat den Begriff der Bauwerke im Urteil vom 21.01.1976 (AP Nr.27 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) definiert. Bauwerke sind danach irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen.

Nicht jede Arbeit, die der Herstellung, Instandsetzung etc. von "Bauwerken" in irgendeiner Weise "dient", ist eine Bauleistung. Vielmehr zählen dazu nach der Rechtsprechung nur Arbeiten "am" erdverbundenen Bau (auch dies ist seit dem Urteil des BSG vom 19.03.1974 SozR 4670 § 2 Nr.2 ständige Rechtsprechung, s.a. BSG vom 30.01.1996 SozR 3-4100 § 186 a Nr.6 S.19).

Dazu zählen einmal Arbeiten, die unmittelbar "an" einem erdverbundenen Bauwerk durchgeführt werden, sei es als dessen Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung. Darunter zählt des Weiteren die Herstellung, Instandhaltung etc. von Anlagen, die Teile eines erdverbundenen Bauwerkes sind, sofern der damit befasste Betrieb solche Anlagen selbst einbaut, wartet, repariert (diesbezüglich siehe zu Blitzschutzanlagen BSG vom 15.11.1979 SozR 4100 § 75 Nr.8, zu Fernmeldeanlagen i.V.m. den dazugehörenden Kabeln, BSG vom 22.08.1990 SozR 3-4100 § 186 a Nr.3). Des Weiteren Hilfsarbeiten, die die Herstellung oder auch den Abbruch von Bauwerken erst ermöglichen (zur Aufstellung von Baugerüsten s. BSG vom 23.02.1988 SozR 4100 § 186 a Nr.23, zum Ausheben von Baugruben s. BSG vom 15.02.2000 SozR 3-4100 § 75 Nr.3 S.8).

Gemeinsam ist diesen Arbeiten, dass sie sämtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bauausführung stehen oder am ausgeführten Bauwerk verrichtet werden. Die Arbeiten müssen jedoch, auch wenn sie der Ausführung eines Bauwerks dienen, von dem damit befassten Unternehmen selbst "am" Bau durchgeführt werden. So ist die Herstellung und Lieferung von Transportbeton keine Bauleistung im Sinne des Gesetzes, wenn der damit befasste Betrieb den Beton nicht selbst verarbeitet. Ein solcher Betrieb schaffe lediglich die Voraussetzungen für bauliche Leistungen, erbringe jedoch selbst keine Bauleistungen (BSG vom 19.03.1974 SozR 4670 § 2 Nr.2, im Folgenden ebenso BSG vom 04.03.1999 SozR 3-4100 § 75 Nr.2, vom 15.02.2000 SozR 3-4100 § 75 Nr.3).

Legt man die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde, so hat der Betrieb des Klägers nicht "überwiegend" Bauleistungen angeboten bzw. erbracht.

Bei den Asphaltbohrungen zur Entnahme von Prüfkernen für Straßenbaulastträger und Materialprüfungsanstalten handelte es sich weder um die Herstellung, Instandsetzung etc. von Bauwerken, noch weisen derartige Bohrungen irgendeinen Zusammenhang mit der Herstellung, Instandsetzung etc. von erdverbundenen Bauwerken auf. Der Zeitanteil dieser Tätigkeit betrug nach den Angaben des Klägers allerdings nur 1 Prozent.

Die Altlastenerkundungen und hydrologischen Untersuchungen hat der Kläger aus den Baugrunduntersuchungen ausgegliedert und einer gesonderten Darstellung unterzogen. In diesem Tätigkeitsbereich hat der Betrieb des Klägers nicht lediglich Boden- oder Wasserproben entnommen und die Bohrlöcher wieder verfüllt, sondern auch Grundwassermessstellen in Gestalt von Kunststoffrohren in die Bohrlöcher eingebracht. Dies über einen längeren Zeitraum, um bis zu mehreren Jahren Proben entnehmen zu können. Insofern hat der Betrieb des Klägers selbst Bauwerke errichtet. Zwar nicht bei dem Anbringen von bloßen Bohrlöchern, die nach der Entnahme von Proben wieder verfüllt werden, aber bei der Errichtung von Brunnenrohren handelt es sich um die Errichtung von erdverbundenen Bauwerken (BGH vom 16.09.1971 NJW 71, 2219). Der Zeitanteil für die Errichtung von Grundwassermessstellen hat aber nach den Angaben des Klägers nur 10 v.H. des Tätigkeitsbereichs der Altlastenerkundung und hydrologischen Untersuchungen betragen, der seinerseits nur wenig mehr als die Hälfte (51 %) der Gesamtarbeitszeit des Betriebes in Anspruch nahm.

Zur Zweckbestimmung der Bohrungen für Altlasten- und hydrologische Untersuchungen hat der Kläger angegeben, dass diese sich meist auf wilde Deponien, Alt-Deponien, Untersuchungen von Standorten auf Eignung für eine Deponie und auf Verdachtsflächen bei Rüstungs- und Industriestandorten bezogen hätten und nur zu einem geringen Anteil im Zusammenhang mit einer späteren Bebauung gestanden hätten.

Dem brauchte im Einzelnen nicht weiter nachgegangen werden. Auch soweit die vom Betrieb des Klägers vorgenommenen Bohrungen für Altlastenerkundungen und hydrologische Untersuchungen im Zusammenhang mit - eventuellen - späteren Bebauungen der untersuchten Flächen gestanden haben sollten, gilt insoweit dasselbe wie für die Bohrungen im Rahmen sonstiger Baugrunduntersuchungen, die vom Kläger auf einen Zeitanteil von 48 % taxiert worden sind. Die insoweit durchgeführten Bohrungen und Entnahmen von Boden- und Wasserproben sind nicht "am" erdverbundenen Bau durchgeführt worden. Sie standen in keinem Zusammenhang mit der Ausführung von Bauvorhaben bzw. mit Arbeiten an bereits errichteten erdverbundenen Bauwerken. Vielmehr dienten die aus den Boden- und Wasserproben entnommenen Daten lediglich der - eventuellen - Planung von Bauvorhaben, schufen also allenfalls die planerischen Voraussetzungen für die Errichtung von Bauwerken. Dies erfüllt zweifelsfrei nicht die Maßgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Arbeiten "am" erdverbundenen Bau.

Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG bestand nicht. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu und das Urteil weicht nicht ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht auf dieser Abweichung.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landessozialgericht Niedersachsen im Urteil vom 25.07.1995 (L 7 Ar 101/93) im Fall eines Spezialbohrunternehmens, das es von der Winterbauförderung ausgenommen wissen wollte, die Revision zum BSG zugelassen hat (10 RAr 5/95). Der vom LSG Niedersachsen entschiedene Fall ist mit dem Fall des Klägers nicht vergleichbar. Der Schwerpunkt der dortigen Betriebstätigkeit lag auf Brunnenbohrarbeiten einschließlich der Anbringung von Rohren, wenn auch das reine Bohren als solches 80 v.H. der Tätigkeit des Betriebes ausgemacht hat (Urteil des LSG Niedersachsen S.4 und 15). Ob eine solche Trennung von der Legaldefinition eines Betriebes des Baugewerbes her entgegen der Baubetriebeverordnung geboten ist, mag als höchstrichterlich klärungsbedürftig erscheinen, ist aber mit dem vom Senat zu entscheidenden Fall nicht vergleichbar.
Rechtskraft
Aus
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