L 10 AL 237/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 538/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 237/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.06.1998 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Dauer des Anspruchs auf Konkursausfallgeld (Kaug).

Der Kläger war bei der Firma J. H. , Bauunternehmung (P.), beschäftigt. Die dem Betriebszweck dienende Tätigkeit des Arbeitgebers endete nach dessen Angaben vom 20.12.1996 am 12.11.1996. Der Kläger, der seit 01.09.1996 keinen Lohn mehr erhalten hatte, beantragte am 20.11.1996 bei der Beklagten Kaug. Sein Arbeitsverhältnis kündigte er mit Schreiben vom 21.11.1996 zum 30.11.1996. Der frühere Arbeitgeber bestätigte ausgefallenen Lohn für die Zeit vom 01.09.1996 bis 11.11.1996 in Höhe von 6.895,31 DM netto. Er begründete die Nichtzahlung des Arbeitsentgelts mit Zahlungsunfähigkeit.

Mit Bescheid vom 16.01.1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.09.1996 bis 11.11.1996 Kaug in Höhe von 6.895,31 DM. Im anschließenden Widerspruchsverfahren verlangte der Kläger zusätzlich Kaug für die Zeit vom 12.11.1996 bis 30.11.1996. Er trug vor, erst mit Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 06.02.1997 sei das Konkursverfahren über das Vermögen seines Arbeitgebers eröffnet worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, Kaug-Zeitraum sei die Zeit vom 12.08.1996 bis 11.11.1996, da die Betriebstätigkeit am 12.11.1996 beendet worden sei (Widerspruchsbescheid vom 11.07.1997).

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 16.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für ausgefallenes Arbeitsentgelt in der Zeit vom 01.09.1996 bis 30.11.1996 Kaug unter Anrechnung des bezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen: § 141 b Abs 3 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei nicht anwendbar, da am 11.11.1996 die Betriebstätigkeit noch nicht vollständig beendet gewesen, ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt und durch Beschluss vom 06.02.1997 mangels Masse abgewiesen worden sei. Kaug müsse daher bis 30.11.1996 bezahlt werden.

Mit Urteil vom 24.06.1998 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheides verurteilt, dem Kläger für ausgefallenes Arbeitsentgelt in der Zeit vom 01.09.1996 bis 30.11.1996 Kaug unter Anrechnung des für die Zeit vom 11.11.1996 bis 30.11.1996 gewährten Alg zu zahlen. Zwar sei es bereits am 12.11.1996 zu einer vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Masselosigkeit jedoch noch nicht offensichtlich gewesen, andernfalls nicht erst am 20.11.1996 ein Antrag auf Konkurseröffnung gestellt worden wäre, welchem mit Beschluss vom 06.02.1997 dann auch stattgegeben worden sei. Außerdem habe der bei einem Pfändungsversuch am 18.12.1996 erschienene Arbeitgeber erklärt, in seinem Besitz seien noch diverse Grundstücke. Die Beklagte sei somit zu Unrecht von einem Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit ausgegangen. Vielmehr hätte der Kaug-Zeitraum unter Heranziehung des Konkurseröffnungsbeschlusses festgelegt werden müssen (01.09.1996 bis 30.11.1996).

Gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil vom 24.06.1998 hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, der das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 27.06.2000 - L 10 AL 261/98 NZB - stattgegeben und das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt hat. Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte ausgeführt: Zum Zeitpunkt der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit sei ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht gestellt gewesen. Für das Entstehen des Kaug-Anspruchs sei aber das zeitlich zuerst eingetretene Insolvenzereignis entscheidend. Dieses bleibe auch dann maßgebend, wenn - wie hier - später noch ein Konkursantrag gestellt und dieser mangels Masse abgewiesen werde. Masseunzulänglichkeit habe am 12.11.1996 offensichtlich vorgelegen. Dies sei aus dem Pfändungsversuch vom 18.12.1996 und aus den Mitteilungen des Konkursverwalters vom 27.01.1997/13.02.1997/ 20.07.1998 zu schließen. Insolvenztag und Kaug-Zeitraum seien somit zutreffend festgelegt worden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.06.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.06.1998 zurückzuweisen.

Zum Vorbringen der Beklagten hat der Kläger keine Stellungnahme abgegeben.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Kaug-Akten und die Alg-Akten des Klägers sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist statthaft, da sie gegen das angefochtene Urteil, gegen das die Berufung gem § 144 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschränkt ist, durch Beschluss des Senats vom 27.06.2000 - L 10 AL 261/98 NZB - zugelassen wurde (§§ 144 Abs 2, 145 SGG). Das Beschwerdeverfahren wird gem § 145 Abs 5 Satz 1 SGG als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Berufung ist auch begründet, denn das SG hat die Beklagte für die Zeit vom 12.11.1996 bis 30.11.1996 zu Unrecht zur Leistung von Kaug an den Kläger verurteilt.

Nach § 141 b AFG (idF des Gesetzes vom 21.12.1993 - BGBl I S.2353 -, gültig ab 01.01.1994 bis 31.12.1998) hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat (Abs 1 Satz 1). Diesem Insolvenzfall stellt § 141 b Abs 3 AFG die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse (Nr 1) oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Nr 2). Die drei Insolvenzfälle dienen gleichrangig zur Abgrenzung der drei Monate für die § 141 b Abs 1 Satz 1 AFG den Ersatz des Nettoarbeitsentgelts durch Kaug vorsieht, wobei das Insolvenzereignis, das erstmals die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hervortreten lässt, maßgebend ist und somit eine sogenannte Sperrwirkung auslöst (BSG SozR 4100 § 141 b Nr 1; BSG SozR 4100 - § 141 b Nr 19; BSG SozR 3-4100 § 141 b Nr 3; BSG Urteil vom 08.02.2001, DBlR 4681, AFG/§ 141 b).

Vorliegend war maßgebend die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit, denn die dem Betriebszweck dienende Tätigkeit endete nach Angaben des früheren Arbeitgebers vom 20.12.1996 am 12.11.1996 (Insolvenztag). Dieser ist gem §§ 187, 188 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei der rückwirkend zu berechnenden Dreimonatsfrist (§ 141 b Abs 1 Satz 1 AFG) nicht mitzuzählen, so dass sich der Kaug-Zeitraum vom 12.08.1996 bis 11.11.1996 erstreckt. Bis zum Insolvenztag war ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens nicht gestellt worden; auch ist bis zum 12.11.1996 ein Konkursverfahren mangels Masse offensichtlich nicht in Betracht gekommen. Zur Annahme der Offensichtlichkeit reicht es aus, wenn für einen unvoreingenommenen Betrachter alle äußeren Tatsachen den Eindruck der Masseunzulänglichkeit vermitteln (BSG SozR 4100 § 141 b Nr 21; BSG SozR 4100 § 141 b Nr 30; BSG DBlR 4524, AFG/§ 141 e = USK 9908). Vorliegend hat der Arbeitgeber die Lohnzahlung unter Hinweis auf seine Zahlungsunfähigkeit eingestellt; ein am 18.12.1996 durchgeführter Pfändungsversuch blieb erfolglos. Die spätere Konkurseröffnung (Beschluss vom 06.02.1997) spricht schon deshalb nicht für das Vorliegen einer verwertbaren Masse zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung, weil das Konkursverfahren nur auf Betreiben von Gläubigerbanken betrieben wurde, die den hierfür notwendigen Kostenvorschuss aufbrachten. Auch bestätigte der Konkursverwalter Dr.G. am 27.01.1997/13.02.1997/20.07.1998, dass keine für die Durchführung des Konkursverfahrens notwendige Masse vorhanden war.

Die Insolvenz war also am 12.11.1996 hinreichend konkretisiert, so dass die Beklagte nach Wertung der vorhandenen Tatsachen zu Recht zu dem Schluss kommen durfte, ein Konkursverfahren komme mangels Masse nicht in Betracht. Damit war die Beklagte zur Leistung verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des BSG muss diese nämlich bereits dann Kaug gewähren, wenn nach dem Eindruck eines unvoreingenommenen Betrachters alle äußeren Tatsachen - der Anschein - für Masseunzulänglichkeit sprechen. Die Tatsachen müssen noch keinen zwingenden Schluss auf Masseunzulänglichkeit ergeben (BSG SozR 4100 § 141 b Nr 21).

Damit ist die Beklagte am 12.11.1996 zu Recht vom Vorliegen eines Insolvenzereignisses nach § 141 b Abs 2 Nr 2 AFG ausgegangen, das trotz späterer Konkurseröffnung weiterhin maßgebend blieb.

Die Beklagte hat daher zutreffend den Zeitraum 12.08.1996 bis 11.11.1996 als Kaug-Zeitraum angenommen und dem Kläger das in dieser Zeit ausgefallene Arbeitsentgelt, nämlich vom 01.09.1996 bis 11.11.1996 gezahlt. Das Urteil des SG Nürnberg vom 24.06.1998 war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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