L 9 AL 165/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 772/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 165/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld streitig.

Der am 1957 geborene Kläger war u.a. vom 25.03.1991 bis 01.01.1994 als Maurer im Betrieb seines Vaters beschäftigt. Vom 03.01. bis 12.03.1994 bezog er Arbeitslosengeld aufgrund eines Anspruchs von 312 Tagen. Danach war er bis 11.04.1994 wieder als Maurer beschäftigt und besuchte im Anschluss daran eine Meisterschule. Vom 01.07.1995 an arbeitete er als selbständiger Maurermeister. Nach einem Unfall am 01.06.1996 bezog der Kläger gemäß einer Bescheinigung der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bayern vom 04.06.1996 bis zum Ende des Anspruchs mit dem 01.12.1997 Krankengeld, dazwischen vom 20.11. bis 18.12.1996 Übergangsgeld von der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schwaben.

Am 12.02.1998 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab an, dass er seit Dezember 1997 wegen Krankheit kein Einkommen habe und legte die Entlassungsanzeige einer Rehabilitations(Reha)-Klinik nach einem stationären Aufenthalt vom 19.01. bis 09.02.1998 vor, wonach er bis auf weiteres arbeitsunfähig sei. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 28.04.1998 Arbeitslosenhilfe vom 12.02.1998 bis 10.02.1999.

Im Widerspruch machte der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Begründung geltend, dass zwischen dem Ende seiner letzten beitragspflichtigen Beschäftigung am 11.04.1994 und seiner Arbeitslosmeldung weniger als vier Jahre lägen. Außerdem verlängere sich die Rahmenfrist von drei auf fünf Jahre. Während des Bezugs des Übergangsgeldes vom 20.11.1996 bis 18.12. 1996 seien Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit entrichtet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück. Innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist vom 12.02.1995 bis 11.02.1998 könne der Kläger lediglich ein Pflichtversicherungsverhältnis von 29 Tagen (20.11. bis 18.12.1996) nachweisen; die übrigen Zeiten seines Kranken- geldbezuges seien mangels Abführung von Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit nicht gleichzustellen. Wegen Nichteinrechnung der Zeiten seiner selbständigen Tätigkeit sei die Rahmenfrist um ein Jahr (12.02.1994 bis 11.02.1995) zu verlängern. Auch einschließlich der damit zu berücksichtigenden versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 14.03. bis 11.04.1994 erreiche der Kläger jedoch nicht die erforderlichen zwölf Monate eines Versicherungspflichtverhältnisses. Wegen des Krankengeldbezuges in der einjährigen Vorfrist (12.02.1997 bis 11.02.1998) bestehe aber Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.

Die am 30.12.1998 erhobene Klage wies das Sozialgericht Augsburg mit Urteil vom 22.02.2001 ab, das den damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 15.03.2001 zugestellt wurde. In den Entscheidungsgründen schloss sich das Sozialgericht im Wesentlichen den Gründen des Widerspruchsbescheides an. Zusätzlich führte es aus, dass der Kläger wegen Ablaufs der Vierjahresfrist aus der am 03.01.1994 erworbenen Anwartschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld herleiten könne.

Mit der am 10.04.2001 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung machte der Kläger geltend, dass er mittlerweile von der Landesversicherungsanstalt Schwaben weitere Bescheide über Übergangsgeld und diese Leistung somit vom 01.10.1996 bis 29.06.1998 erhalten habe. Daher dürfte er auch in der vierjährigen Rahmenfrist die Anwartschaftszeit für Arbeitslosengeld erfüllt haben. Er legte in Ablichtung Bescheide der Landesversicherungsanstalt vor, aus denen sich folgende Bewilligungen ergeben: Bescheid vom 06.06.2000: Übergangsgeld 01.10. bis 19.11.1996; Bescheide vom 17.01.1997 und 06.06.2000: Übergangsgeld vom 20.11. bis 18.12.1996; Bescheide jeweils vom 06.06. 2000: Übergangsgeld vom 19.12.1996 bis 08.02.1998, 09.02.1998 bis 09.03.1998, 10.03.1998 bis 31.05.1998, 01. bis 29.06.1998. Erstmals im Berufungsverfahren trug der Kläger vor, anlässlich seiner Vorsprache im Arbeitsamt am 07.08.1997 habe ihm der Reha-Berater gesagt, eine Arbeitslosmeldung mache keinen Sinn, denn seine letzte Beschäftigung liege mehr als drei Jahre zurück. Auf einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld habe ihn der Bedienstete nicht aufmerksam gemacht. Doch wäre der Reha-Berater zur Überprüfung verpflichtet gewesen, ob er, der Kläger, noch Anspruch auf Arbeitslosengeld habe.

Wegen des Vortrags des Klägers im Einzelnen wird auf die von ihm eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.09.2002 sowie des Beweistermins vom 04.11.2002 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.02.2001 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 28.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 12.02.1998 Arbeitslosengeld abzüglich der gezahlten Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Da der Kläger unmittelbar vor Beginn der Zahlung des Krankengeldes im Juni 1996 als selbständiger Maurermeister tätig gewesen sei und mithin nicht in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden oder Lohnersatzleistungen nach dem AFG bezogen habe, könne die gesamte Zeit der Krankengeldzahlung nach den §§ 107 Nr.5a, 186 Abs.1 AFG nicht anwartschaftsbegründend berücksichtigt werden. Entsprechend dazu habe sich auch die Rechtslage nach dem SGB III nicht verändert, da nur Bezieher von Übergangsgeld wegen einer medizinischen Rehabilitation nach § 26 Abs.2 Nr.1 SGB III versicherungspflichtig seien, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig gewesen seien oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen hätten. Daher seien auch die Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld nicht als anwartschaftsbegründend zu bewerten. Sie habe dem Kläger mit Bescheid vom 02.10.2001 über den 10.02.1999 hinaus auch für die Zeit vom 11.02. bis 29.05.1999 Arbeitslosenhilfe gewährt, da diese Leistung wegen der Unterbrechung des Leistungsbezuges durch Übergangsgeld (10.03. bis 29.06.1998) insoweit nicht verbraucht gewesen sei. Der Bescheid vom 02.10.2001 sei Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden.

Aus einer Auskunft der LVA Schwaben vom 31.08.2001 in der vom Senat beigezogenen Leistungsakte der Beklagten ergibt sich, dass der Kläger im Zusammenhang mit medizinischer Rehabilitation bezogen hat: 01.10. bis 19.11.1996 vorgezogenes Übergangsgeld aus freiwilligen Beiträgen; 20.11. bis 18.12.1996 Übergangsgeld während des medizinischen Heilverfahrens aus freiwilligen Beiträgen; 19.12.1996 bis 08.02.1998 Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente; 09.02. bis 09.03.1998 Übergangsgeld während des medizinischen Heilverfahrens aus freiwilligen Beiträgen; 10.03. bis 31.05.1998 vorgezogenes Übergangsgeld aus dem Bezug der Arbeitslosenhilfe; 01.06. bis 29.06.1998 Übergangsgeld während der medizinischen Reha-Leistung, berechnet aus der Arbeitslosenhilfe, die seit 12.02.1998 bezogen wurde. Die LVA teilte ferner mit, dass zunächst für alle genannten Zeiträume Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit abgeführt worden seien; doch liege nach erneuter Überprüfung in der Zeit vom 01.10.1996 bis 09.03.1998 keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung vor, dagegen schon vom 10.03. bis 31.05.1998 und vom 01. bis 29.06.1998. Hinsichtlich der Zeiträume 10.03. bis 31.05.1998 und 01. bis 29.06.1998 hat die Beklagte die Leistungsbewilligung für Arbeitslosenhilfe aufgehoben und Erstattung von der Landesversicherungsanstalt Schwaben verlangt. Mit Wirkung vom 30.06.1998 erhielt der Kläger von der LVA Schwaben Rente wegen Berufsunfähigkeit (Höhe ab 30.06.1998 monatlich 546,06 DM, ab 01.07.1998 548,47 DM), seit 01.10.1999 EU-Rente.

Der Senat hat den Reha-Berater J. D. (D.) am 04.11.2002 mündlich als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift des Beweistermins Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Die Arbeitslosengeld- und Rehabilitationsakte der Beklagten, die Rehabilitations- und Übergangsgeldakten der LVA Schwaben sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge haben dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht haben Beklagte und Sozialgericht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld verneint.

1. Nach dem am 01.01.1998 in Kraft getretenen § 117 Abs.1 SGB III haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob der Kläger, der sich am 12.02.1998 arbeitslos gemeldet hat, auch im Sinne dieser Vorschrift arbeitslos war, insbesondere in allen streitigen Zeiträumen arbeitsfähig nach § 118 Abs.2, 3 SGB III ungeachtet des laufenden medizinischen Heilverfahrens der LVA. Denn jedenfalls hat er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.

Gemäß dem hier allein in Betracht kommenden §§ 123 Abs.1 Nr.1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 Abs.1 SGB III drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Danach beginnt hier die Rahmenfrist mit dem 11.02.1998, sofern am 12.02.1998 der Kläger alle weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt hat. Die Rahmenfrist dauert aber nicht nur drei Jahre, also bis 12.02.1995, sondern wegen § 124 Abs.3 SGB III mindestens bis 10.03.1994. Nach der Nr.3 dieser Regelung werden in die Rahmenfrist nämlich Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nicht eingerechnet. Der Kläger war vom 01.07.1995 an als Maurermeister selbständig, ab 04.06. 1996 war er arbeitsunfähig und hat Krankengeld bezogen. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 als Zeit der selbständigen Tätigkeit pauschal ein Jahr angesetzt. Es kann hier offen bleiben, ob und in welchem Umfang Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit als selbständige Tätigkeit berücksichtigt werden können, weil sich daraus in der vorliegenden Streitsache keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben. Werden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nämlich nicht berücksichtigt, so würden als selbständige Tätigkeit elf Monate und drei Tage nicht in die Rahmenfrist eingerechnet (01.07.1995 bis 03.06.1996), letztere also bis 10.03.1994 verlängert. Müssen dagegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als selbständige Tätigkeit berücksichtigt werden, so verlängert sich die Rahmenfrist zwar weiter, aber nicht über den 03.01.1994 hinaus, den Tag, von dem ab der Kläger bis 12.03.1994 Arbeitslosengeld bezogen hatte. Denn gemäß § 124 Abs.2 SGB III reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

In beiden Fällen ändert sich der Umfang der in die Rahmenfrist fallenden Versicherungspflichtverhältnisse also nicht. Berücksichtigt werden kann nämlich jeweils nur die frühestens am 13.03.1994 beginnende und bis 11.04.1994 dauernde Beschäftigung als Maurer (§§ 24 Abs.1, 25 Abs.1 SGB III), mit der die erforderlichen zwölf Monate bei weitem nicht erreicht werden.

Innerhalb der Rahmenfrist liegen keine weiteren Versicherungspflichtverhältnisse, die für die Begründung einer Anwartschaftszeit herangezogen werden könnten. Auch die Voraussetzungen des hier in Betracht kommenden § 26 Abs.2 Nr.1 SGB III liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind versicherungspflichtig Personen in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger unter anderem Krankengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor dem Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen haben. Mit dem von der AOK bestätigten Bezug des Krankengeldes vom 04.06.1996 bis 01.12.1997 und der von der LVA mitgeteilten Gewährung des Übergangsgeldes ab 01.10.1996 wurde ein Versicherungspflichtverhältnis schon deswegen nicht begründet, weil es an dem verlangten Voraustatbestand fehlt. Der Kläger war unmittelbar vor dem Leistungsbezug nicht nach dem SGB III versicherungspflichtig, weil er als Selbständiger tätig gewesen ist (§§ 24, 25 SGB III). Außerdem hat er direkt vor dem Bezug des Krankengeldes und des Übergangsgeldes keine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen. Die von der LVA mitgeteilte beitragspflichtige Bezugszeit beginnt erst am 10.03.1998, also außerhalb der Rahmenfrist.

Die Zeiten des Bezuges von Krankengeld und Übergangsgeld durch den Kläger vor In-Kraft-Treten des SGB III am 01.01.1998 können auch nicht wegen der Übergangsvorschrift des § 427 Abs.3 SGB III als Versicherungspflichtverhältnis berücksichtigt werden. Danach stehen in Bezug auf die Anwartschaftszeit solche Zeiten einem Versicherungspflichtverhältnis gleich, die (schon) nach dem AFG in der zuletzt geltenden Fassung einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung ohne Beitragsleistung gleich gestanden haben. Gemäß § 107 Satz 1 Nr.5 Buchst.a AFG war der Bezug des Krankengeldes oder Übergangsgeldes aber entsprechend dem späteren § 26 Abs.2 Nr.1 SGB III nur dann einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt, wenn Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen waren, das heißt nach § 186 Abs.1 AFG der Leistungsbezieher unmittelbar davor in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat oder eine laufende Lohnersatzleistung nach dem AFG bezogen hat. Wie schon ausgeführt, war dies aber im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit des Klägers vor dem Leistungsbezug nicht der Fall.

2. Schließlich ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 12.02.1998 aufgrund eines Rechts- anspruchs aus dem Jahre 1994 zu gewähren. Der Kläger hat zwar seinen damaligen Anspruch von 312 Tagen nicht ausgeschöpft. Doch kann der Restanspruch nach dem dem früheren § 125 Abs.2 AFG entsprechenden § 147 Abs.2 SGB III nicht mehr geltend gemacht werden. Bei der Arbeitslosmeldung und Antragstellung des Klägers am 12.02.1998 waren nach der Entstehung des Anspruchs am 03.01.1994 bereits vier Jahre verstrichen.

a) Der Kläger hat seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch nicht bereits am 07.08.1997 bei dem Beratungsgespräch über Rehabilitation "geltend gemacht". Als Geltendmachung im Sinne des § 147 Abs.2 SGB III könnten jeweils ein Antrag auf Arbeitslosengeld, eine Arbeitslosmeldung oder gegebenenfalls auch schlichte Mitteilungen über das Ende von nicht von vornherein begrenzten Ruhenstatbeständen angesehen werden (vgl. zusammenfassend zur Rechtsprechung Gagel, SGB III, § 147 SGB III Rdnr.22, 22 a). Nach den Angaben des Klägers insbesondere im Termin vom 24.09.2002 liegt jedoch keiner der drei genannten Tatbestände vor. Danach hat der Kläger die Arbeitslosmeldung am 07.08.1997 gerade unterlassen, weil nach seiner Darstellung der Zeuge D. mangels Anspruchs auf Arbeitslosengeld darin keinen Sinn sah. Dasselbe gilt für den Antrag auf Arbeitslosengeld. Es liegen deswegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger am 07.08.1997 seinen Anspruch auf Arbeitslo- sengeld bereits für die Zeit nach dem Ende des Bezuges von Krankengeld geltend gemacht hat.

Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann dem Klagebegehren nicht zum Erfolg verhelfen. Grundsätzlich ist es möglich, mit dieser Anspruchsgrundlage die Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu ersetzen (BSG SozR 4100 § 125 Nr.3 S.12 ff.). Liegen die Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs vor, kann bei einer Pflichtverletzung des Leistungsträgers der Versicherte verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne diese Pflichtwidrigkeit stünde (allgemein z.B. BSG SozR 4100 § 125 Nr.3 S.12).

Allerdings setzt der Herstellungsanspruch Kausalität voraus. Die Pflichtwidrigkeit des Leistungsträgers muss also für die Versäumung der Verfallsfrist des § 147 Abs.2 SGB III ursäch- lich gewesen sein (BSG SozR 4100 § 125 Nr.3 S.14). Eine Vor- aussetzung der Kausalität, nämlich dass die Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Frist überhaupt noch möglich war, könnte hier vorliegen. Die "Geltendmachung" verlangt, dass der Tag, für den Arbeitslosengeld beansprucht wird, und an dem die Leistungsvoraussetzungen erstmals vorliegen (können), noch innerhalb der Verfallsfrist liegt (BSG SozR 3-4100 § 125 Nr.1 S.7, 8 mwN; Gagel aaO § 147 Rdnr.22 b). Das trifft hier zu. Die Verfallsfrist des § 147 Abs.2 SGB III begann mit dem 03.01.1994 und endete mit Ablauf des 02.01.1998. Ein Zahlungsanspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld konnte wegen des Bezuges von Krankengeld erst wieder nach dessen Ende entstehen, da er bis dahin gemäß § 118 Abs.1 Nr.2 AFG/§ 142 Abs.1 Nr.2 SGB III ruhte; auch während des Ruhens des Anspruchs läuft die Verfallsfrist weiter (BSG SozR 4100 § 125 Nr.2; SozR 3-4100 § 125 Nr.1 S.8). Der tatsächliche Bezug des Krankengeldes mit der Folge des Ruhens endete mit dem 01.12.1997, so dass der Kläger in der Lage war, den Anspruch auf Arbeitslosengeld frühestens zum 02.12.1997 geltend zu machen. Dass dem Kläger mit Bescheiden der LVA vom 06.06.2000 auch Übergangsgeld nachträglich für die gesamte Zeit vom 01.10.1996 bis 29.06.1998 zuerkannt wurde, kann eine Geltendmachung des Arbeitslosengeldes zum 02.12.1997 im Rahmen des Herstellungs- anspruchs nicht ausschließen, weil der Kläger damals, also ab 02.12.1997, tatsächlich kein Übergangsgeld bezog und daher auch kein Ruhenstatbestand vorlag (vgl. BSG SozR 4100 § 118 Nr.10). Allerdings könnte die spätere Zuerkennung des Übergangsgeldes der Gewährung des Arbeitslosengeldes für den betreffenden Zeitraum entgegenstehen. Da der Kläger ab 02.12.1997 nach seinen Angaben im Antrag auf Arbeitslosengeld kein Einkommen hatte und er, auch wenn er in seiner letzten Tätigkeit als Maurermeister weiterhin arbeitsunfähig war, sich immerhin mit seiner möglicherweise verbliebenen Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen oder ein Fall des § 105 a AFG vorliegen konnte, ist es wahrscheinlich, dass der Kläger bei einem Hinweis der Beklagten auf seinen Rechtsanspruch schon ab spätestens 02.12.1997 seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht hätte.

Jedoch kann man nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten als Voraussetzung des Herstellungsanspruchs nicht feststellen. Insbesondere ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger, wie er vorgetragen hat, bei seiner Vorsprache im Arbeitsamt am 07.08.1997 falsch beraten wurde und daher seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Der Zeuge D., Reha-Berater im Arbeitsamt Memmingen, konnte sich an den Gesprächsablauf im Einzelnen nicht mehr konkret erinnern. Auch dem Beratungsvermerk vom 07.08.1997 sind keine genügenden Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu entnehmen. Der Zeuge hat nachvollziehbar ausgesagt (S.2 der Niederschrift), dass er als Reha-Berater allgemein keine konkreten Ratschläge zu Ansprüchen auf Arbeitslosengeld erteile und die Ratsuchenden an die Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes verweise, wenn das Gespräch auf Arbeitslosengeld komme. Tatsächlich standen dem Zeugen, wie er angegeben hat, auch keine Aktenunterlagen über das Arbeitslosengeld zur Verfügung, lediglich in der elektronischen Datenverarbeitung eine Leistungsübersicht. Es ist daher schlüssig, dass der Zeuge unmittelbare Auskünfte zu Arbeitslosengeld nicht gibt. Hinsichtlich des konkreten Gesprächsablaufs am 07.08.1997 kann man der Aussage des Zeugen nichts anderes entnehmen. Wegen der hohen Zahl der Beratungsgespräche von 900 bis 1000 jährlich ist es nachvollziehbar, wenn sich der Zeuge an das Gespräch nicht mehr in den Einzelheiten erinnert. Dass der Zeuge den Kläger unrichtig beraten habe, ist auch nicht indirekt aus seinen Auskünften zur Vorleistung der Bundesanstalt für Arbeit abzuleiten. Nach dem Beratungsvermerk vom 07.08.1997 hat der Zeuge den Kläger dahingehend informiert, dass eine Vorleistung der Beklagten nicht möglich sei und die Entscheidung der Berufsgenossenschaft oder LVA abgewartet werden müsse. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge angegeben (S.3 der Niederschrift), zum Anspruch auf Unterhaltsgeld gebe er Auskünfte. Wer einen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe, besitze auch einen Anspruch auf Unterhaltsgeld. Ferner sagte der Zeuge, er erinnere sich an das Gespräch mit dem Kläger nicht; es könne - bezogen auf Unterhaltsgeld - das Gespräch so abgelaufen sein, wie der Kläger es schildere (S.3 der Niederschrift Abs.1, 3). Ferner gab der Zeuge jedoch an, dass nach seinem Verständnis des Beratungsvermerks vom 07.08.1997 der Kläger selbständig bleiben wollte. Wenn jemand habe selbständig bleiben wollen, sei deswegen eine Förderung nicht in Betracht gekommen (Niederschrift S.4). Aus diesen unterschiedlichen Angaben und Vermutungen des Zeugen über mögliche Gründe für die Ablehnung einer Vorleistung lässt sich insoweit ein konkreter tatsächlicher Beratungsinhalt und daraus folgend ein pflichtwidriges Verhalten nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ableiten. Daher kann man auch nicht feststellen, dass der Kläger bestimmte Rückschlüsse auf sein gebotenes Verhalten in Bezug auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld ziehen durfte. Das gilt insbesondere für etwaige Äußerungen des Zeugen zum Unterhaltsgeld. Ein Missverständnis auf Seiten des Klägers lässt sich dabei nicht ausschließen. Zusätzlich ist hier zu berücksichtigen, dass der Kläger im Beweistermin (Protokoll S.5) angegeben hat, der Zeuge habe die Rehabilitations-Vorleistungen der Beklagten von der Arbeitslosmeldung abhängig gemacht, was der Zeuge in Abrede stellte.

Schließlich lässt sich ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten auch nicht feststellen, wenn der Zeuge, wie er angibt, keine Beratung zum Anspruch auf Arbeitslosengeld erteilt hat. Zwar besteht eine Verpflichtung des Leistungsträgers, über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, deren Wahrnehmung so zweckmäßig ist, dass sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen würde (z.B. BSG 05.04.2000, SozR 3-1200 § 14 SGB I Nr.29 S.96, 97; KassKomm-Seewald § 14 SGB I Rdnr.19 mwN). Doch ist hier nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht belegbar, dass eine derartige Gestaltungsmöglichkeit in Form der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld klar zu Tage lag. Der Zeuge D. konnte sich an den konkreten Gesprächsablauf nicht erinnern. Auch aus seinem Beratungsvermerk folgt nicht, dass der Rechtsanspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld und die ablaufende Verfallsfrist Gegenstand des Gesprächs waren. Diese Themen mussten auch nicht zwingend Gegenstand des Gesprächs sein. Im Hinblick auf Anlass und Zweck einer Reha-Beratung bestand nämlich keine Verpflichtung des Reha-Beraters, die Möglichkeiten eines anderweitigen Leistungsbezugs des Ratsuchenden außerhalb der eigentlichen Reha-Leistungen von sich aus zu erkunden, Ermittlungen gegebenenfalls anzustellen und entsprechende Ratschläge zu erteilen.

Der Kläger ist somit mit seinem Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld wegen Zeitablaufs nach § 147 Abs.2 SGB III ausgeschlossen (vgl. zur Ausschlusswirkung des § 125 Abs.2 AFG BSG SozR 4100 § 125 Nr.2 S.3, Nr.3 S.11). Er kann von der Beklagten kein Arbeitslosengeld beanspruchen. Gründe für eine Fehlerhaftigkeit der Arbeitslosenhilfe-Bewilligungen sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen worden. Die Berufung muss daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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