L 3 KN 8/02 U

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KN 97/01 U
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KN 8/02 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass die Berufung am 24.09.2002 zurückgenommen und der Rechtstreit damit erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die vom Kläger im Termin am 24.09.2002 erklärte Berufungsrücknahme im Verfahren L 3 KN 3/02 U wirksam ist und den Rechtsstreit beendet hat.

In diesem Verfahren war streitig, ob die Beklagte dem Kläger, der zwischen 1952 und 1972 als Bergmann unter Tage beschäftigt war, Leistungen wegen einer als Berufskrankheit anerkannten Silikose zu gewähren hat. Mit Bescheid vom 06.12.1993 hatte die Beklagte zwar eine Berufskrankheit der Nr. 4101 (Silikose) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anerkannt, jedoch eine Rente abgelehnt, weil dadurch keine Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - in rentenberchtigendem Grade erreicht werde. Grundlage dieser Entscheidung war die Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes, Dr.S. , Arzt für Arbeitsmedizin und innere Medizin in B ... Dieser stellte fest, auf Grund der Ergebnisse einer vom behandelnden Arzt Dr.M. am 18.05.1993 durchgeführten Lungenfunktionsuntersuchung und der dabei gefertigten Röntgenbilder seien Quarzstaublungenveränderungen leichter Streuung, welche nach der internationalen Klasssifikation - ILO - mit qq 1/2 zu bezeichnen seien, zu erkennen. Eine Beeinträchtigung der Herz- und/oder Lungenfunktion liege nicht vor.

Anfang 1999 überprüfte die Beklagte ihre diesbezügliche Entscheidung. In einem an ihn gerichteten Fragebogen, gab der Kläger u.a. an, in den letzten Jahren seien keine Röntgenaufnahmen des Thorax erstellt worden. Die Beklagte beauftragte Dr.M. eine neuere Röntgenaufnahme zu fertigen und legte diese dem Internisten Dr.M. vor. Dieser wertete das Röntgenbild vom 11.05.1999 aus und kam zum Ergebnis, es handle sich um eine röntgenkonstante leichtgradige Silikose, welche nach ILO mit qq 1/2 zu bezeichnen sei. Mit Bescheid vom 07.07.1999 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger wegen der Folgen der als Berufskrankheit anerkannten Silikose Rente zu gewähren. Seine Erwerbsfähigkeit werde dadurch nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert. Diese Aussage könne an Hand des Röntgenbefundes gemacht werden; einer klinischen Untersuchung bedürfe es nicht. Der Widerspruch, in dem sich der Kläger auf einen Arztbrief des Pneumonologen Dr.W. , H. , vom 29.03.2000 stützte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 03.05.2001).

Die dagegen erhobene Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg. Mit Urteil vom 24.05.2002 wies das Sozialgericht die auf Entschädigung gerichtete Klage ab. Eine Silikose sei zwar eindeutig röntgenologisch nachzuweisen, jedoch habe diese noch keine Funktionseinbuße im Bereich der Herz-Kreislauf- oder Lungenfunktion hervorgerufen. Nach dem Röntgenbefund handle es sich um eine Silikose mit einem Streuungsgrad qq 1/2 nach der ILO-Klassifizierung. Das Gericht folge daher den Ausführungen von Dr.M. ; eine erneute Begutachtung halte es nicht für notwendig.

Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Er habe sich bei der Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24.05.2002 in keiner Weise rechtfertigen können. Ein ärztliches Gutachten vom 02.08.2001 sei unerwähnt geblieben. Die im Urteil angeführte Unglaubwürdigkeit seinerseits sei falsch und unwahr. Die Ärzte Dr.S. und Dr.M. , auf welche sich das Sozialgericht gestützt habe, seien ihm völlig unbekannt.

Die Beklagte teilte mit, sie habe inzwischen im weiteren Verfahren bezüglich der vom Kläger geltend gemachten Berufskrankheit nach der Nr. 4111 (chronische Bronchitis) ein Gutachten des Prof.Dr.W. , Klinikum F. , vom 02.08.2001 erhalten, das übersandt werde. Darin würden aktuelle Lungenfunktionsbefunde wiedergegeben und eine Silikose ohne Kreislauf- und/oder Lungenfunktionseinschränkung beschrieben. Der Kläger bezog sich ebenfalls auf das vorgenannte Gutachten und zudem auf den bereits im Widerspruchsverfahren angeführten Arztbrief des Dr.W. vom 29.03.2000. Der Senat zog die Röntgenaufnahme vom 11.05.1999 bei und beauftragte Dr.R. , Facharzt für innere Krankheiten mit der Erstattung eines Gutachtens. Am 15.08.2002 legte der Sachverständige dar, beim Kläger handle es sich um eine nur gering ausgeprägte Silikose, welche höchstens zu einer MdE um 10 v.H. führe; nach der eingehenden Lungenfunktionsprüfung, welche er dem Gutachten des Prof.Dr.W. entnehme, sei eine wesentliche Einschränkung der Herz-Kreislauf- und/oder Lungenfunktion auszuschließen. Allerdings sei eine Verschlimmerung in der Zukunft möglich, daher sei eine Nachuntersuchung in zwei bis drei Jahren zu empfehlen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.09.2002 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend mit den Beteiligten erörtert (Verhandlungsdauer 30 Min.); der Kläger nahm daraufhin - ausweislich der Niederschrift - seine Berufung zurück.

Im Schreiben vom 09.10.2002 hat er mitgeteilt, er nehme die Rücknahmeerklärung zurück; er habe sich vom Vorsitzenden des Senats zur Rücknahme überreden lassen. Am 11.12.2002 hat er erklärt, er werde zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen. Er habe bereits anläßlich der Verhandlung am 24.09.2002 feststellen müssen, dass er nicht die geringste Chance habe, den Prozess zu gewinnen. Das Gutachten von Prof.Dr.W. entspreche nicht der Wahrheit. Es sei von anderen Ärzten, die ihn nicht untersucht hätten, verwendet worden. Das Verfahren widerspreche der Rechtsordnung; er werde weiter klagen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 24.05.2002 und des Bescheids vom 07.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2001 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt festzustellen, dass die Berufung zum Verfahren L 3 KN 3/02 U am 24.09.2002 zurückgenommen und der Rechststreit damit erledigt wurde.

Im Übrigen wird gem. § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsverfahren L 3 KN 3/02 U ist durch die vom Kläger zu Protokoll erklärte Rücknahme am 24.09.2002 beendet worden. Gemäß § 156 Abs.2 SGG bewirkt die Zurücknahme den Verlust des Rechtsmittels. Eine Entscheidung in der Sache kann deshalb nicht mehr ergehen.

Die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.09.2002 erklärte Rücknahme der Berufung ist wirksam. Die Berufung kann schriftlich oder zur Niederschrift in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen werden (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 156 Anm.2). Die Rücknahmeerklärung wurde ordnungsgemäß protokolliert; in der Niederschrift ist festgehalten, dass sie vorge- lesen und genehmigt worden ist (§ 122 SGG i.V.m. §§ 160 Abs.3 Nr.8, 162 Abs.1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Dass dies so geschehen ist, bestreitet der Kläger auch nicht; er begehrt lediglich die Fortsetzung des Verfahrens mit dem Ziel, die Beklagte zur Rentenzahlung an ihn zu verurteilen. Diese Forderung macht die Rücknahme der Berufung nicht unwirksam, denn diese ist als Prozesshandlung nicht anfechtbar. In Betracht kommt allenfalls ein Widerruf, wenn die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme nach §§ 179, 180 SGG i.V.m. §§ 579, 580 ZPO (Meyer- Ladewig, a.a.O, § 102 Anm.7c) vorliegen. Hierfür fehlen im hier zu entscheidenden Fall jegliche Anhaltspunkte. Besetzungs- oder Vertretungsfehler, die eine Nichtigkeitsklage nach § 579 ZPO rechtfertigen könnten, sind nicht zu erkennen; Restitutionsgründe (falscher Parteieid, Urkundenfälschung, falsches Zeugnis oder falsches Gutachten, Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden eines früheren Urteils oder einer anderen Urkunde) führt auch der Kläger nicht an. Allein die Behauptung des Klägers, das Gutachten von Prof.Dr.W. , welches in das Verfahren sowohl von ihm als auch von der Beklagten eingeführt worden war, sei falsch, reicht insoweit nicht aus. Denn nach § 580 Nr.3 ZPO muss es sich um ein Gutachten handeln, bei dem sich der Sachverständige einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht i.S.d. Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat. Eine solche Straftat liegt sichtlich nicht vor und wird auch vom Kläger nicht näher substantiiert.

Somit war festzustellen, dass das Berufungsverfahren durch die vom Kläger am 24.09.2002 erklärte Rücknahme erledigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulasssung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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