L 2 U 174/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 86/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 174/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 59/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 19.04.2002 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Wegen eines Arbeitsunfalls vom 06.06.1997, bei welchem sich der Kläger eine LWK-2-Fraktur, Steißbeinfraktur und Kahnbeinfraktur der linken Hand zugezogen hatte, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.08.1998 ab 15.12.1997 bis auf Weiteres eine vorläufige Verletztenrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente.

Vor Feststellung der Dauerrente holte die Beklagte Gutachten des Chirurgen Dr.B. vom 18.10.1999 und 12.04.2000 ein, in welchen der Gutachter die MdE jeweils mit 30 v.H. bemaß.

Mit Bescheid vom 25.05.2000 stellte die Beklagte Rente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente ab 01.06.2000 auf unbestimmte Zeit fest.

Am 28.05.2001 stellte der Kläger Antrag auf Rentenerhöhung wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen.

Mit Schreiben vom 15.06.2001 wählte er Prof.Dr.N. als Gutachter.

Mit Schreiben vom 05.07.2001 erteilte die Beklagte Prof.Dr. N. den Gutachtensauftrag.

Prof.Dr.N. bestellte den Klägers zum 07.08.2001 mit Schreiben vom 30.07.2001 zur Untersuchung ein.

Mit Schreiben vom 18.09.2001 und 20.09.2001 übersandte die Beklagte dem Sachverständigen inzwischen eingegangene Befundberichte.

Mit Erinnerungsschreiben vom 11.09.2001 und 12.10.2001 mahnte die Beklagte das Gutachten an.

Mit Schreiben vom 12.10.2001 teilte der Kläger mit, nunmehr umgehend eine Verbescheidung des Verschlimmerungsantrages zu erwarten. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 17.10.2001 mit, sie habe mit Schreiben vom 11.09.2001 und 12.10.2001 den Gutachter an die Erstattung des Gutachtens erinnert. Der Antrag könne erst nach Erhalt des angeforderten Gutachtens beschieden werden.

Mit Schreiben vom 29.10.2001 setzte der Kläger bis 30.11.2001 Frist und teilte mit, falls bis dahin kein Gutachten vorliege, werde er Untätigkeitsklage erheben. Mit telefonischer Mahnung vom 07.11. und 09.11.2001 erinnerte die Beklagte den Gutachter an die Erstattung des Gutachtens. Sie erhielt am 16.11.2001 telefonisch die Auskunft, das Gutachten sei diktiert worden und liege Prof.Dr.N. zur Unterschrift vor.

Mit Schreiben vom 16.11.2001 bat die Beklagte erneut den Sachverständigen um Erfüllung des Gutachtensauftrags. Sie wies darauf hin, das Gutachten schon mehrfach angemahnt zu haben. Dieses Anschreiben übersandte sie den Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 16.11.2001 zur Kenntnis.

Am 27.11.2001 ging bei der Beklagten das Gutachten des Prof.Dr. N. vom 16.11.2001 ein. Der Gutachter stellte im Vergleich zum Vorgutachten vom April 2000 eine Verschlimmerung fest, schätzte aber gleichwohl die MdE weiterhin mit 30 v.H., wenn auch mit "mindestens" 30 v.H., ein.

Dieses Gutachten übersandte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 29.11.2001 und wies darauf hin, dass sie eine ergänzende Stellungnahme des Prof.Dr.N. einholen müsse, da dieser zwar in seinem Gutachten eine Verschlimmerung beschreibe, die MdE jedoch weiterhin mit 30 v.H. einschätze.

Mit Schreiben vom 03.12.2001 bat sie Prof.Dr.N. , sein Gutachten entsprechend zu ergänzen und erinnerte ihn unter "Eilt" an die Erledigung mit Schreiben vom 15.01.2002.

Mit Schreiben vom 02.01.2002 teilte Prof.Dr.N. mit, die MdE sei mit 35 v.H. einzuschätzen.

Die Beklagte bat daraufhin den Chirurg Dr.S. mit Schreiben vom 08.02.2002, um abschließende Stellungnahme zur unfallbedingten MdE. Am 03.04.2002 erstattete Dr. S. ein sogenanntes "Kurzgutachten".

Am 08.03.2002 erhob der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Regensburg mit den Anträgen, die Beklagte zu verurteilen, den Antrag auf Neufeststellung der MdE vom 28.05.2001 förmlich zu verbescheiden und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Er machte geltend, mit Schreiben vom 29.10.2001 die Verbescheidung angemahnt und Frist bis zum 30.11.2001 gesetzt zu haben. Die Beklagte habe lediglich mit Schreiben vom 03.12.2001 eine ergänzende Stellungnahme bei Dr.N. angefordert. Nunmehr seien wieder mehr als drei Monate vergangen, ohne dass eine Zwischennachricht oder eine Entscheidung ergangen wäre. Es könne somit nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass die Untätigkeitsklage begründet sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.04.2002, den Beteiligten zugestellt am 24.04.2002, wies das Sozialgericht Regensburg die Klage ab und führte aus, es treffe nicht zu, dass die Beklagte den Antrag des Klägers ohne sachlichen Grund in angemessener Zeit nicht verbeschieden habe. Zudem sei mehrmals im Verlauf des Verfahrens eine Unterrichtung des Klägers erfolgt.

Mit Bescheid vom 25.04.2002 lehnte die Beklagte die Rentenerhöhung ab.

Mit Schriftsatz vom 21.05.2002 legte der Kläger Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 19.04.2002 ein und erklärte gleichzeitig den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt. Er beantragte, der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 14.10.2002 hat der Senat dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass die mit Schriftsatz vom 17.05.2002 erfolgte Erledigterklärung den Rechtsstreit in der Hauptsache abgeschlossen habe und dass es deshalb nur noch um die Verfahrenskosten gehe. Der Senat werde prüfen müssen, ob die Berufung zulässig sei, da gemäß § 144 Abs.4 SGG die Berufung ausgeschlossen sei, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handele.

Daraufhin hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 21.10.2002 die Auffassung vertreten, bei Abschluss der ersten Instanz habe noch keine Erledigung vorgelegen, so dass auch das Rechtsmittel der Berufung zulässig sei und die Rechtsmittelbelehrung zutreffend gewesen sei. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass nach Zustellung des Gerichtsbescheides, aber vor Berufungseinlegung Erledigung eingetreten sei. § 144 Abs.4 SGG betreffe den Fall, dass eine Kostenentscheidung im Urteil oder Gerichtsbescheid isoliert angefochten werde.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2001 beantragt der Kläger: 1. Der Gerichtsbescheid vom 19.04.2002 wird aufgehoben. 2. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. 3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 25.07.2002, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts beigezogen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unzulässig. Zwar findet grundsätzlich gemäß § 143 SGG gegen die Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, doch ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 144 Abs.4 SGG ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Die Berufung darf nicht auf die Kostenentscheidung beschränkt werden. Da der durch die Untätigkeitsklage begehrte Verwaltungsakt auch nach dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsschrift vor Einlegung der Berufung erteilt und zugestellt war, war der Kläger im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung nur noch bezüglich des Kostenausspruches im angefochtenen Urteil beschwert. Mit Recht hat er deshalb die Hauptsache für erledigt erklärt, hätte diese Erklärung zutreffenderweise aber gegenüber dem Sozialgericht Regensburg abgeben müssen, nicht jedoch in Verbindung mit einer Anfechtung des Urteils. Die Erledigterklärung im Sozialgerichtsverfahren, auch die einseitige, erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. Die Erledigterklärung ist wie die Klagerücknahme Ausfluss der Dispositionsmaxime. Die Beteiligten haben, wenn der Rechtsstreit einmal begonnen hat, auch weiterhin Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand. (vgl. Meyer-Ladewig, § 102 Anm.1 a und 3). Es ist nicht erforderlich, dass auch der Beklagte die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Rechtslage ist anders als in den anderen Verfahrensordnungen, weil das SGG dem Kläger auch die Möglichkeit gibt, seine Klage einseitig zurückzunehmen (§ 102 SGG) mit der Folge, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (vgl. Meyer-Ladewig, § 88, Anm.11). Dies bedeutet, dass der Kläger sofern ein Urteil erster Instanz noch nicht rechtskräftig geworden ist, die Hauptsache auch nach Erlass des Urteils für erledigt erklären oder die Klage zurücknehmen kann. Wenn nach Erlass des noch nicht rechtskräftigen Urteils die Hauptsache insgesamt für erledigt erklärt wird, werden die vorangegangenen Entscheidungen unwirksam. Dies ergibt sich aus § 269 Abs.3 Satz 1 ZPO, wonach, sofern die Klage zurückgenommen wird, der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist und ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos wird, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf (vergleiche Meyer-Ladewig, vor § 143 Anm.2 e). Das Sozialgericht entscheidet dann gemäß § 193 Abs.1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Beschluss über die Kosten des gesamten Verfahrens. Ausgeschlossen ist dagegen die Anfechtung der Kostenentscheidung des Sozialgerichts durch Berufung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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