L 14 RJ 402/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 838/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 402/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbs- fähigkeit und in diesem Zusammenhang eine Beitragserstattung.

Der 1944 geborene Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, war in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1968 und 1984 versicherungspflichtig beschäftigt. Anlässlich der Rückkehr in die Heimat wurden auf seinen Antrag vom 04.05.1984 die in dieser Zeit entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung gemäß § 1303 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Bescheid der LVA Rheinprovinz vom 09.11.1984 in Höhe von DM 10.633,11 erstattet. Die Auszahlung erfolgte auf Grund einer Abtretung an die D. Volksbank eG (Wirtschaftsbank). Auf Grund zusätzlich nachgewiesener Versicherungszeiten wurden im Januar 1986 und im August 1989 weitere Beiträge in Höhe von DM 155,44 und 114,23 erstattet (Bescheide der LVA Rheinprovinz vom 11.10.1985 und 22.08.1989, letzterer in Ausführung eines im Klageverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Essen L 2 J 3/88 ergangenen gerichtlichen Vergleichs) und an den Kläger bzw. seinen damaligen Bevollmächtigten ausbezahlt.

Einen ersten Rentenantrag des Klägers wegen verminderter Erwerbsfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.05.1995 unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung bindend ab.

Auf den erneuten Rentenantrag vom 16.11.1999 legte die Beklagte mit Schreiben vom 19.11.1999 ausführlich dar, dass die in der Zeit vom 09.10.1969 bis 24.02.1984 entrichteten Beiträge mit Bescheiden vom 09.11.1984, 11.10.1985 und 22.08.1989 erstattet worden seien, wodurch das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei; im damaligen Erstattungsantragsformular wie auch im Beitragserstattungsbescheid sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestünden. Nach dem 24.02.1984 seien keine Beiträge mehr entrichtet worden, damit bestehe ein Leistungsanspruch gegenüber der deutschen Rentenversicherung nicht mehr.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger sinngemäß geltend, es habe sich seinerzeit nicht um eine Beitragserstattung, sondern um "Abfindungsgeld" gehandelt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2000 als unzulässig verworfen, weil die Mitteilung vom 19.11.1999 keinen Verwaltungsakt darstelle. Der Erlass eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides wurde angekündigt und erging am 01.03.2000. Zuvor im Januar und Februar 2000 gegen den Widerspruchsbescheid erhobene Klagen zum Sozialgericht (SG) Essen, zuständigkeitshalber abgegeben an das SG Augsburg - S 13 RJ 75/00 -, und zum SG Düsseldorf - S 15 RJ 28/00 - wurden vom Kläger auf richterlichen Hinweis zurückgenommen.

Die Beklagte sah ein am 11.05.2000 im letzten Verfahren bei Gericht eingegangenes Schreiben des Klägers vom 05.05.2000 als erneuten Rentenantrag an. Dieser wurde mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12.09.2000 abgelehnt, der Widerspruch dagegen nach Beiziehung des Aktenvorgangs der LVA Rheinprovinz mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.12.2000 Klage zum SG Augsburg und brachte in der Sache vor, die Ablehnung sei "ohne weiteren Grund" erfolgt, es habe sich seinerzeit um eine Abfindung gehandelt. Er behauptete, Rentenbeiträge seien in der Zeit um 1984 nicht ausbezahlt worden, vielmehr habe "die deutsche Behörde ein Abfindungsgeld versprochen für unsere Rückkehr". Er drängte wiederholt auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, in der seine Anhörung erforderlich sei, da er sich "selbst verteidigen" wolle, und begehrte dafür Reisekostenersatz und Verdienstausfall.

Das SG wies den Kläger mit Schreiben vom 10.01.2001 vergeblich auf die Rechtslage und auf die Aussichtslosigkeit des Klageverfahrens hin. Nach der Ladung zum Termin am 28.06.2002 und dem ausdrücklichen Hinweis, dass das persönliche Erscheinen nicht angeordnet werde und er im Falle seines Erscheinens seine Reisekosten selber tragen müsse, übersandte der Kläger per Fax am 26.06.2002 eine ärztliche Bescheinigung gleichen Datums in französischer Sprache über die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung mit Arbeitsunterbrechung vom 26.06.2002 bis 25.07.2002 "wegen humanitärer Probleme" und begehrte die Verschiebung des Verhandlungstermins wegen Krankheit.

Das SG verlegte die Verhandlung nicht, sondern wies die Klage mit Urteil vom 28.06.2002 ab. Es legte dar, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 43 Abs.1 Nr.2 und 3, 44 Abs.1 Nr.2 und 3 SGB VI in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung sowie des § 43 Abs.1 Nr. 2 und 3 und Abs.2 Nr.2 und 3 SGB VI in der ab 01.01.2001 gültigen Fassung mangels anrechenbarer Versicherungszeiten in Deutschland nicht erfülle. Die früheren Versicherungszeiten von 1969 bis 1984 könnten nach der anteilsmäßigen Erstattung der Beiträge gemäß der damaligen Vorschrift des § 1303 RVO nicht berücksichtigt werden, da gemäß § 1303 Abs.7 RVO die Rentenansprüche aus den bis dahin zurückgelegten Zeiten ausgeschlossen worden seien. Das Versicherungsverhältnis sei insoweit vollständig aufgelöst worden. Der Kläger sei auf diese Wirkung der Beitragserstattung sowohl im Antragsformular aus dem Jahre 1984 als auch in den einzelnen Erstattungsbescheiden ausdrücklich hingewiesen worden. Für die Annahme eines Beratungsfehlers durch die damals zuständige LVA Rheinprovinz und damit für die Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergäben sich keine Anhaltspunkte. Der Einwand des Klägers, er habe nicht gewusst, dass es sich um eine Beitragserstattung gehandelt habe, sei nach allem unglaubwürdig. Er selbst habe unter Einschaltung eines Rechtsanwalts alle rechtlichen und prozessualen Mittel ausgeschöpft, um seine Ansprüche auf Beitragserstattung vollständig durchzusetzen. Auch habe er in seiner persönlichen Korrespondenz mit der LVA Rheinprovinz in mehreren Schreiben stets ausdrücklich nur von Beitragsrückerstattung bzw. auch von einer möglichen Rückgängigmachung der Beitragsrückerstattung gesprochen, nicht aber von einer Abfindung. Im Übrigen legte das SG dar, dass die Verlegung des Verhandlungstermins nicht im Sinne von § 202 SGG i.V.m. § 227 ZPO im Hinblick auf einen Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör geboten gewesen sei. Seine Anhörung in der mündlichen Verhandlung sei angesichts des durch umfangreiche Ermittlungen im Verwaltungsverfahren hinreichend geklärten Sachverhalts und durch die Aufklärung des Klägers zur Rechtslage durch das Gericht nicht geboten gewesen. Dem Kläger sei Gelegenheit gegeben worden, sich dazu zu äußern. Neue entscheidungserhebliche Gesichtspunkte hätten sich nicht ergeben, der Kläger habe auch nicht dargelegt, warum seine Anwesenheit aus seiner Sicht erforderlich sei. Allein die Erkrankung stelle noch keinen erheblichen Grund für die Terminsverlegung dar.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung wendet sich der Kläger gegen die in seiner Abwesenheit getroffene Entscheidung und bringt erneut vor, die Ablehnung seines Rentenantrags sei "ohne weiteren Grund" erfolgt. Er wiederholt die Forderung nach einer mündlichen Verhandlung mit seiner persönlichen Anhörung.

Mit Schreiben vom 30.09.2002 wurde er vom Senat darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe. Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 24.10.2002 begehrte der Kläger mit Fax vom 08.10.2002 die Verlegung des Termins, da er noch mindestens zwei Wochen für die Beantragung eines Visums brauche. Mit Schreiben vom 11.10.2002 wurde ihm mitgeteilt, dass der Termin nicht verlegt werde. Sein persönliches Erscheinen in der mündlichen Verhandlung sei vom Senat nicht für erforderlich gehalten worden. Der Sachverhalt sei geklärt, der Kläger habe hinreichend Gelegenheit gehabt, sich zur Sache zu äußern. Neue Tatsachen seien im Berufungsverfahren weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 28.06.2002 sowie des Bescheides der Beklagten vom 12.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2000 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Akten der Beklagten sowie der LVA Rheinprovinz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz ((SGG)) ist zulässig, aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat infolge der zwischen 1984 und 1989 nach der damals einschlägigen Bestimmung des § 1303 RVO erfolgten Beitragserstattungen keine Ansprüche mehr gegen die deutsche Rentenversicherung. Nach § 1303 Abs.7 RVO sind alle Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten Versicherungszeiten ausgeschlossen. Weitere Zeiten in der deutschen Rentenversicherung hat der Kläger nicht zurückgelegt. Das Erstgericht hat dies im Einzelnen ausführlich dargelegt und dabei alle in Betracht kommenden Aspekte gewürdigt. In der Berufungsinstanz haben sich keinerlei neue Gesichtspunkte ergeben. Der Kläger hat auch nicht andeutungsweise vorgetragen, auf welches neue Vorbringen er sich im Falle seiner persönlichen Anwesenheit in einer mündlichen Verhandlung noch stützen wolle. Der Senat nimmt daher auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG ab.

Das SG konnte auch ohne Terminsverlegung in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger unter Hinweis auf Krankheit eine Terminsverlegung beantragt hatte. Eine Verlegung war nicht geboten, erhebliche Gründe im Sinne von §§ 202 SGG, 227 Zivilprozessordnung (ZPO) lagen nicht vor. Zwar gilt der Grundsatz, dass den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftsätzlichen Äußerung und Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden muss, ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darzulegen; die mündliche Verhandlung stellt insoweit die umfassendste Gewährung des rechtlichen Gehörs dar. Dennoch lag hier kein erheblicher Grund für die Verlegung eines Verhandlungstermins im Sinne von § 227 ZPO vor. Zum einen erscheint die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung angesichts der besonderen Vorgeschichte des Prozessverlaufs und auch ihrem Wortlaut nach nicht besonders glaubwürdig; eine Reiseunfähigkeit des Klägers belegt sie jedenfalls nicht ausdrücklich. Zum anderen waren vorliegend auch bei Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht entwi- ckelten Grundsätze zur Tragweite des Grundrechts auf wirkungsvollen Rechtschutz und des Prozessrechts auf ein faires Verfahren, die u.a. Rücksicht auf die Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation sowie die Abwägung des allgemeinen Interesses an Rechtsicherheit und Verfahrensbeschleunigung einerseits mit dem subjektiven Interesse des Rechtssuchenden an einem möglichst uneingeschränkten Rechtsschutz andererseits verlangen (vgl. BSG u.a. Urteil vom 22.09.1999 - B 5 RJ 22/98 R), konkrete Belange des Klägers nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Es geht vorliegend um einen tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten, festgelegten Sachverhalt. Die Tatsache der mit großem Aufwand von Seiten des Klägers betriebenen Beitragserstattungen ist so eindeutig und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen so klar, dass dagegen kaum ein rechtlich relevantes Vorbringen denkbar ist, auch nicht das bisher einzige wesentliche Vorbringen des Klägers, er habe an eine Abfindung für die Rückkehr in die Heimat ohne Rechtsfolgen für die spätere Rentenversicherung geglaubt. Dieses Vorbringen ist nicht nur - wie vom SG dargelegt - nach dem umfangreichen früheren Schriftverkehr nicht glaubwürdig. Es ist auch nicht relevant, da der Kläger, der von sich sagt, er spräche gut deutsch und brauche keinen Dolmetscher, mit Unterschreiben des Erstattungsantrags die Verantwortung für den Inhalt des Antrags und der ausdrücklich darin aufgeführten Rechtsfolgen übernommen hat. Ein erheblicher Grund für die Terminsverlegung liegt bei der gebotenen Abwägung der Interessen nach alledem nicht vor. Die Ablehnung der Ver- tagung durch das Erstgericht ist vielmehr nachvollziehbar und vertretbar. Keinesfalls lässt sich feststellen, seine ablehnende Entscheidung in der Sache beruhe auf der Ablehnung der Terminsverlegung und einem daraus folgenden Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs.

Aus den gleichen Gründen konnte der Senat in der Sache entscheiden, ohne dem erneuten Vertagungsantrag des Klägers nachzukommen.

Die Berufung war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzu- weisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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