L 3 U 291/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 49/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 291/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziff.III des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Beklagte und die Klägerin einander keine Kosten zu erstatten haben und die Beklagte verpflichtet ist, dem Beigeladenen seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
II. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 zurückgewiesen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, welcher Versicherungsträger für Leistungen an den inzwischen verstorbenen Beigeladenen wegen einer nach dem Recht der ehemaligen DDR anerkannten Berufskrankheit zuständig ist.

Der am 1929 geborene Beigeladene erlitt am 23.02.1976 in der ehemaligen DDR anläßlich eines Nacht-Bereitschafts-Dienstes beim Rat der Stadt C. - nachfolgend Stadt - eine Vergiftung durch Stadtgas. Es war vermutet worden, dass ein Leck in der Gasversorgung bestanden hatte, durch welches Gas über das Erdreich in den Bereitschaftsraum der Kraftfahrer eintreten konnte. Der Beigeladene erhielt deswegen seit dem 23.03.1976 Leistungen wegen eines Körperschadens infolge einer Berufskrankheit der Nr. 15 zunächst in Höhe von 80 % bzw. zuletzt ab 19.04.1989 von 70 %.

Der Beigeladene war 1976 bei dem VEB Textilreinigung "C. Z." in C. - nachfolgend VEB - als Kraftfahrer beschäftigt. Für diesen Betrieb ist die Klägerin der fachlich zuständige Unfallversicherungsträger. Die Gasvergiftung ereignete sich während des Bereitschaftsdienstes, den der Beigeladene für die Stadt zu leisten hatte. Hierfür wurden Kraftfahrer aus Betrieben der Stadt herangezogen, wenn dieser Dienst nicht durch eigene Kraftfahrer sichergestellt werden konnte.

Am 24.11.1995 teilte die AOK Brandenburg der Maschinenbau Berufsgenossenschaft - BG - mit, der Beigeladene habe bei ihr einen Antrag auf Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit gestellt; es liege jedoch möglicherweise Pflegebedürftigkeit als Folge eines Arbeitsunfalls vor, weshalb sie um Überprüfung bitte. Die angegangene BG überwies den Vorgang an die Klägerin, welche sich für unzuständig hielt und am 11.10.1996 die Beklagte aufforderte, die Bearbeitung zu übernehmen. Die weiteren Ermittlungen der Beteiligten erbrachten, dass Listen, aus denen sich hätte ersehen lassen können, ob die Stadt oder der VEB dem Beigeladenen Entgelt für seine Kraftfahrerbereitschaft zu zahlen hatte, nicht mehr vorhanden waren. Das Personalamt der Stadtverwaltung C. teilte mit, der Beigeladene sei im Bedarfsfall von der Stadt bei seinem Arbeitgeber angefordert worden. Über den Lohnanspruch hierfür sei nichts bekannt. Zum Bereitschaftsdienst seien jeweils Kraftfahrer aus stadteigenen Betrieben herangezogen worden. Zwischen der Stadt und den betreffenden Firmen habe eine Vereinbarung bestanden, wonach Kraftfahrer im Bedarfsfall zum Bereitschaftsdienst abgestellt worden seien.

Die Beklagte leitete aus diesen Auskünften ab, der Bereitschaftsdienst sei im Rahmen der damals üblichen "sozialistischen Hilfemaßnahmen" erfolgt. Jeder Betrieb sei verpflichtet gewesen, auf Anforderung übergeordneter Organe der damaligen DDR solche Hilfsmaßnahmen zu erbringen. Der Beigeladene sei dabei weiterhin Mitarbeiter seines Betriebes, des VEB, geblieben. Letzterer sei auch für seine Entlohnung zuständig gewesen. Der Beigeladene habe selbst angegeben, er sei von der Sekretärin des VEB-Betriebsdirektors zum Bereitschaftsdienst der Stadt abgerufen worden. Zudem sei es der VEB gewesen, der die Unfallanzeige erstellt habe. Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, die Beklagte sei für den kommunalen Betrieb der Stadt zuständig. Sie selbst habe inzwischen als erstangegangener Versicherungsträger mit Bescheid vom 24.04.1998 an den Beigeladenen vorläufige Leistungen gem. § 23 SGB I und § 139 SGB VII erbracht. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - wegen der Folgen der Berufskrankheit sei mit 70 vH ab 01.11.1995 festgesetzt worden. Als Gesundheitsstörung sei ein Zustand nach Gasintoxikation mit massiven neurologischen und psychischen Symptomen anerkannt worden.

Da die Beklagte weiterhin ihre Zuständigkeit ablehnte, hat die Klägerin am 26.01.1999 Klage beim Sozialgericht - SG - Augsburg erhoben und beantragt festzustellen, dass die Beklagte der für die Entschädigung der Berufskrankheit des Beigeladenen zuständige Unfallversicherungsträger sei und die von ihr erbrachten vorläufigen Leistungen zu erstatten habe. Dass der VEB den Unfall gemeldet habe, sei ohne Bedeutung und beruhe lediglich auf den seinerzeitigen Strukturen der staatlichen Sozialversicherung in der ehemaligen DDR. Der Bereitschaftsdienst habe ausschließlich der Stadt gedient. Diese sei als Unternehmer anzusehen. Die besonderen Voraussetzungen des § 648 Reichsversicherungsordnung - RVO - wegen einer Entsendung in ein Fremdunternehmen seien nicht gegeben. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, der Bereitschaftsdienst des Beigeladenen sei ein Beitrag zur Erfüllung einer sozialistischen Verpflichtung gewesen und habe den Zusammenhang zu seinem eigentlichen Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis beim VEB nicht gelöst. Die Klage sei daher abzuweisen. Auf die Anfragen des SG teilten Rechtsanwalt Dr.B. als gerichtlich bestellter Vermögensverwalter der Nachfolgegesellschaft des VEB, über deren Vermögen am 01.08.1997 die Gesamtvollstreckung angeordnet worden war, und die D. GmbH, Archiv und Dokumentationszentrum, Landesdepot Berlin und Brandenburg mit, es seien keine Lohnunterlagen des VEB bzw. der Stadt aus 1976 mehr vorhanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 24.05.2000 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, die Beklagte sei der zuständige Unfallversicherungsträger für die Entschädigung der Berufskrankheit des Beigeladenen und die Beklagte habe die von der Klägerin erbrachten vorläufigen Leistungen dem Grunde nach zu erstatten. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Zur Begründung hat es angeführt, entgegen der Ansicht der Beklagten liege kein Fall des § 648 RVO vor. Es handle sich hierbei um eine Vorschrift, welche den Grundsatz durchbreche, dass die Entschädigungspflicht für einen Unfall i.d.R. dem Versicherungsträger zufalle, dem der über die Arbeitskraft des Verletzten im wesentlichen verfügende Arbeitgeber angehöre. Diesem Versicherungsträger würden auch die an den Verletzten gezahlten Löhne regelmäßig zur Berechnung der Beitragszahlung nachgewiesen. Die Vorschrift erhalte die Zuständigkeit der Stamm-BG. Der Sinn hierfür bestehe darin, die Fälle des Übertritts eines Versicherten in ein fremdes Unternehmen versicherungstechnisch möglichst gering zu halten. Die Voraussetzungen des § 648 RVO lägen nicht vor. Hierfür trage die Beklagte die Beweislast. Im vorliegenden Fall sei nach übereinstimmenden Angaben des Beigeladenen und der Stadtverwaltung - im Übrigen auch nach Meinung der Beklagten - von einer einseitigen Bestimmung in einem Über-/Unterordnungsverhältnis auszugehen, wie die Formulierungen "auf Anforderung des Rates der Stadt" bzw. "der Betrieb hatte die Auflage"zeigten. Die Stadt habe sich in eigener Verantwortung bei geeigneten Betrieben hinsichtlich des benötigten Personals bedient. Mangels Weigerungsmöglichkeiten hätten die Betriebe dem entsprochen. Ein positiver Auftragswille des untergeordneten Unternehmens sei jedoch nicht vorhanden gewesen. Die Mitarbeiter des VEB hätten gegenüber dem Beigeladenen nur eine Übermittlungsfunktion, nicht jedoch eine Veranlassungsfunktion gehabt. Von wem der Beigeladene entlohnt worden sei, habe nicht geklärt werden können. Hierzu lägen unterschiedliche Angaben der Mitarbeiter der Stadtverwaltung C. vor. Damit sei jedenfalls nicht bewiesen, dass der entsendende VEB zur Entgeltzahlung für den geleisteten Bereitschaftsdienst verpflichtet gewesen sei. Auch die Tatsache, dass der VEB den Unfall gemeldet habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn insoweit müßten die Verhältnisse in der früheren DDR herangezogen werden. Es könne davon ausgegangen werden, dass es dem VEB gleichgültig gewesen sei, ob einer seiner Fahrer auch für die Stadt tätig geworden sei. Die Klage sei daher abzuweisen gewesen. Die Kostenfolge sei aus § 193 SGG zu entnehmen.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung darauf verwiesen, es liege ein Fall des § 648 RVO vor. Gemäß der Entscheidung des Bundessozialgerichts - BSG - vom 24.01.1990 (2 RU 35/89) sei darauf abzustellen, dass im Verhältnis des VEB zu seinem Arbeitnehmer eine arbeitsrechtliche Weisung in Ausübung des Direktionsrechts erfolgt sei. Allein das in diesem Verhältnis wirksam werdende Moment der Weisung, respektive des Auftrags, sei entscheidend. Dieses Recht löse nicht die nach wie vor bestehende, nur kurzzeitig unterbrochene Verbindung zum Stammunternehmen. Unerheblich sei, ob eine Weigerungsmöglichkeit bestanden habe. Unzureichend sei auch gewürdigt worden, dass lediglich ein punktueller, aber kein vollständiger Übertritt in das andere Unternehmen, in dem eine gleichartige Tätigkeit auszuüben gewesen sei, stattgefunden habe. In diesem Zusammenhang sei auch die Tatsache zu sehen, dass das Stammunternehmen die Unfallanzeige erstattet habe. Hinsichtlich der Entgeltzahlungspflicht sei zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass der VEB und die Stadt entsprechend der sozialistischen Gesetzlichkeiten auf der Grundlage der Anordnung über die Entlohnung der Werktätigen und die Verrechnung der Lohnkosten bei Leistung sozialistischer Hilfe vom 29.05.1972 gehandelt hätten. Dass das Stammunternehmen (VEB) wegen des gezahlten Lohnes einen Ersatzanspruch gegen das andere Unternehmen, nämlich gegen die Stadt, hatte, hindere die Anwendung des § 648 RVO nicht. Die Klägerin und Berufungsbeklagte hat demgegenüber ihre im Sozialgerichtsverfahren vertretene Auffassung aufrechterhalten.

Der Senat hat von der Landesversicherungsanstalt - LVA - Brandenburg Unterlagen über Lohnzahlungen an den Beigeladenen beigezogen. Ferner hat er nochmals bei dem mit der Gesamtvollstreckung des VEB befassten Rechtsanwalt Dr.R. B. in Berlin angefragt, ob er über relevante Unterlagen verfüge, was dieser am 11.04.2002 verneint hat. Auf Veranlassung der Beklagten hat der Senat den ehemaligen Geschäftsführer des VEB, G. S. schriftlich befragt, und die Antwort erhalten, er könne keine sachdienlichen Angaben machen. Anfragen an ehemalige Kollegen des Beigeladenen beim VEB, M. H. und H. E. , blieben ergebnislos. Die Anschrift von H. konnte nicht ermittelt werden. H. E. hat angegeben, er sei nicht wie der Beigeladene bei der Stadt als Kraftfahrer im Bereitschaftsdienst eingesetzt worden. Auf Anregung der Beklagten hat der Senat die früheren Direktoren R. F. und H. G. , sowie die früheren Mitarbeiter des VEB, J. M. und C. M. befragt. Während H. G. , Betriebsdirektor des VEB von 1977 bis 1984 keine sachdienlichen Angaben machen konnte, hat R. F. , Leiter des vorgenannten VEB von 1970 bis 1977 erklärt, der Beigeladene sei regelmäßig, wie oft könne er nicht sagen, nach einem Fahrbereitschaftsplan eingesetzt gewesen; die Weisungen hierzu habe der Stadtrat für das Öffentliche Verkehrswesen erteilt; zu Entgeltzahlungen an den Beigeladenen könne er nichts beitragen; Unterlagen darüber besitze er nicht. J. M. hat mitgeteilt, er sei von 1976 bis 1994 beim VEB beschäftigt gewesen; wie der Beigeladene habe auch er etwa 3 bis 4 mal pro Monat Kraftfahrbereitschaftsdienst bei der Stadt geleistet; dies sei nicht während der Arbeitszeit beim VEB geschehen, sondern i.d.R. nachts; die Weisung hierzu habe der Betriebsleiter des VEB erteilt; weder er noch der Betrieb hätten sich weigern können, dem zu entsprechen; er habe für den Bereitschaftsdienst eine Extraentlohnung erhalten; diese sei ihm von der Stadtkasse ausgezahlt worden; Unterlagen hierüber habe er nicht. C. M. hat geschildert, sie sei von 1973 bis 1997 beim VEB beschäftigt gewesen, u.a. 1977 als Sekretärin; die Fahrbereitschaft sei regelmäßig etwa einmal im Monat angefallen; den Auftrag an den Beigeladenen habe der Direktor des Betriebes erteilt; über diesbezügliches Entgelt sei ihr nichts bekannt.

Der Beigeladene ist am 28.04.2002 verstorben.

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 24.05.2000 zurückzuweisen.

Für den Beigeladenen sind keine Anträge gestellt worden. Die Beteiligten haben sich nach der mündlichen Verhandlung am 21.03.2002 mit schriftlicher Entscheidung einverstanden erklärt.

Im übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der bei- gezogenen Akten der Beteiligten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 2, 151 SGG), aber nur insoweit begründet, als die Kostenentscheidung des Gerichtsbescheids zu Ziff. 3 abzuändern war. Im übrigen ist die Berufung unbegründet.Im Einverständnis mit den Beteiligten konnte der Senat gem. § 124 Abs. 2 SGG im schriftliche Verfahren entscheiden.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG bejaht. Der Senat tritt auch der weiteren Auffassung des Sozialgerichts bei, wonach die zum Unfall bzw. nach dem Recht der ehemaligen DDR zur Berufskrankheit führende Tätigkeit des verstorbenen Beigeladenen nicht dem bei der Klägerin versicherten VEB diente. Die Fahrbereitschaft diente unzweifelhaft dem Rat der Stadt C ... Dieser ist Unternehmer i. S. d. § 658 Abs. 2 RVO. Der für ihn zuständige Versicherungsträger ist die Beklagte. Grundsätzlich ist die unfallbringende Tätigkeit dem Betrieb zuzurechnen, dem sie ganz oder überwiegend dient (Lauterbach, Unfallversicherung, § 648 RVO Anm. 2 mit weiteren Nachweisen).

Bei dieser Zuständigkeit bleibt es, denn die Ausnahmevorschrift des § 648 RVO greift nicht ein. Der Senat nimmt gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug, soweit dieses die im Gesetz genannten und von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen zur Anwendung des § 548 RVO in den Entscheidungsgründen dargestellt hat. Hervorzuheben ist, dass das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung von dem Grundsatz beherrscht wird, dass dem Anspruchsberechtigten gegenüber immer nur ein einziger Versicherungsträger leistungspflichtig ist, selbst wenn mehrere Unternehmen den Nutzen aus dieser Tätigkeit haben. Denn eine gesamtschuldnerische Haftung, etwa i.S.d. §§ 421, 426 Bürgerliches Gesetzbuch gibt es nicht. § 648 RVO stellt zum einen auf diesen Grundsatz ab und versucht die Haftung des Stammunternehmens in den Fällen zu erhalten, bei denen ein Arbeitnehmer nur vorübergehend in ein anderes Unternehmen entsandt wird, für das ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist. Der Gesetzgeber hatte dabei nur Fälle der nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Auge, wie die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes - RVA - zeigt. Neben den gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich Tätigkeit für Rechnung eines fremden bei einem anderen Träger in Versicherung gehaltenen Unternehmens, Auftrag und Entgeltzahlung durch das Stammunternehmen, wurden dabei weitere Kriterien aufgestellt. Im Wesentliche zielen diese darauf ab, dass trotz der Tätigkeit im Fremdunternehemn noch eine enge Verbindung zum Stammunternehmen erhalten geblieben ist. Bei dieser Beurteilung kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an. So hat das RVA (EuM Bd. 10 S. 224; Bd. 17 S. 95) ausgeführt, die äußere Form der Entgeltzahlung sei nicht schlechthin aussschlaggebend; eine Lösung vom Stammunternehmen sei dann anzunehmen, wenn die Tätigkeit nach ihrer Art und Dauer die Beziehung der Versicherten zum Stammunternehmen derart lose erscheinen lasse, dass die Versicherten praktisch nicht mehr als dessen Arbeitnehmer angesehen werden könnten. Diese Voraussetzung sei insbesondere dann erfüllt, wenn die Versicherten auf einen allgemein gehaltenen Auftrag des Stammunternehmens für längere Zeit - etwa mehr als einen Monat - in dem Unternehmen des anderen Unternehmers nach dessen Weisung arbeiten und lediglich vom Stammunternehmen bezahlt würden, welchem dieser Lohn vom "Entleiher" erstattet würde. Die Berufsgenossenschaften haben in einem späteren Übereinkommen (vgl. Lauterbach a. a. O. § 848 RVO Anm. 10) festgelegt, bei einer solchen zeitweiligen Arbeitnehmerüberlassung komme es darauf an, welches Unternehmen die Lohnlisten für den ausgeliehenen Arbeitnehmer führe. Dieses Unternehmen und der für ihn zuständige Unfallversicherungsträger bleibe zuständig. Maßgebend sei allein die Führung der Lohnlisten und die Auszahlung des Lohnes.

Wendet man diese Grundsätze im hier zu entscheidenden Fall an, so bleibt nach dem Ergebnis der Befragung durch den Senat festzuhalten, dass Lohnlisten nicht mehr vorhanden sind. Nach Angaben des Beigeladenen auf die Anfrage der Beklagten vom 13.08.1997 sowie seines früheren Arbeitskollegen J. M. gegenüber dem Senat am 28.08.2002 hatten sie für den Bereitschaftsdienst neben dem Lohn für ihre Tätigkeit beim VEB gesondert und durch die Stadt eine Bezahlung erhalten. Der Nachweis, dass die Fahrbereitschaft als Tätigkeit in den Lohnlisten des VEB geführt wurde ist ebensowenig erbracht wie der Nachweis, der VEB habe die Auszahlung des Entgelts für diese Tätigkeit besorgt. Zutreffend hat das SG gefordert, die Beklagte sei hierfür beweispflichtig.

Dabei verkennt der Senat die Schwierigkeit nicht, die darin besteht, dass die Verhältnisse, wie sie in der früheren DDR bestanden haben, nicht ohne weiters auf die Verhältnisse zu übertragen sind, die der Gesetzgeber bei der Schaffung der Sondervorschrift des § 648 RVO im Auge hatte. Zielrichtung der Vorschrift ist, zu vermeiden, dass eine andere Berufsgenossenschaft in Anspruch genommen wird, wenn der Unternehmer nur vorübergehend seinen Arbeitnehmer für Tätigkeiten in einem anderen Unternehmen abstellt und weiter dessen Lohn bezahlt. Dies setzt voraus, dass der bisherige Unternehmer einen Auftrag hierfür erteilt und, weil er den Lohn weiter bezahlt, hieraus auch Beiträge zum Unfallversicherungsträger zu entrichten hat. Nur dann ist es sinnvoll, die Haftung für Schäden aus Versicherungsfällen des Arbeitnehmers auch bei der Stamm-BG zu belassen. Da es in der früheren DDR ein derart gegliedertes Unfallversicherungssystem nicht gab, ist eine klare Abgrenzung nach den vorgeschilderten Kriterien nicht möglich. Der Senat kann indess bei der gegebenen Sachlage dahinstehen lassen, ob § 648 RVO überhaupt auf Versicherungsfälle anwendbar ist, welche nach DDR-Recht entschädigt worden sind. Denn selbst wenn man einen Auftrag des VEB an den Beigeladenen, sich für den Fahrdienst bei der Stadt bereitzuhalten, unterstellen wollte, fehlt es am Nachweis, dass der VEB hierfür dem Beigeladenen Lohn bezahlt hat, was bereits dargestellt wurde. Lohnunterlagen waren nicht zu beschaffen. Der Senat hat diesbezüglich alle Möglichkeiten ausgeschöpft, ohne eine Aufklärung zu erreichen. Damit kann von einem Nachweis der fortdauernden Lohnzahlung nicht ausgegangen werden. Zutreffend hat das Sozialgericht bereits daraufhingewiesen, dass die Beklagte insoweit die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. Darüberhinaus sprechen auch andere Umstände gegen die Anwendung des § 648 RVO. Insoweit ist von Bedeutung, dass der Bereitschaftsdienst neben und außerhalb der dem VEB gegenüber geschuldeten Arbeitszeit zu erbringen war. Dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um ein zeitweises "Ausleihen" in ein anderes Unternehmen handelte. Auch kann der Senat keinen Auftragswillen des VEB erkennen. Vielmehr mußten eigene Arbeitnehmer für kommunale Aufgaben abgestellt werden, ohne dass ein wirtschaftliches Interesse des VEB vorhanden war, geschweige denn im Vordergrund gestanden hatte. Hierauf hat auch das Sozialgericht schon hingewiesen. Dies gilt auch dann, wenn man versucht, die Bestimmung nicht wörtlich, sondern ihrem Sinngehalt nach auf DDR-Zustände übertragen anzuwenden. Entscheidend ist insoweit, dass lediglich über die Struktur der Betriebe Arbeitskräfte für kommunale Arbeiten beschafft worden waren. Ein Auftrag des Stammunternehmens ist hingegen nicht erkennbar. Eher hat man davon auszugehen, dass, worauf das Sozialgericht bereits abgestellt hat, ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis bestanden hatte. Dies entspricht gerade nicht dem Sinngehalt des § 648 RVO. Legt man nämlich die Maßstäbe der RVO zugrunde, so hätte der VEB noch über die Arbeitskraft des Beigeladenen während dessen Einsatz bei der Fahrbereitschaft der Stadt verfügen können müssen. Hierzu haben aber alle vom Senat befragten Personen angegeben, der VEB habe keine Möglichkeit gehabt, sich zu weigern, der Anforderung der Stadt nachzukommen. Dies zeigt, dass eine enge Verbindung zum VEB während der hier streitigen Arbeitsleistung nicht bestanden hat. Nicht von Bedeutung ist insoweit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und dem VEB fortbestanden hat. Denn die vom Beigeladenen im Verhältnis zum VEB geschuldete Arbeit wurde durch den Bereitschaftsdienst weder ersetzt noch ansonsten tangiert. Ein Fall des § 648 RVO liegt damit nicht vor. Auf die Frage, ob die gesetzlichen Bestimmungen über eine Lohnverrechnung bei Maßnahmen sozialistischer Hilfe eingehalten worden waren, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

Aus diesem Grunde war die Berufung in der Hauptsache zurückzuweisen und der Gerichtsbescheid nur im Kostenpunkt zu korrigieren, weil insoweit § 193 Abs. 4 SGG gilt, wonach eine Erstattungspflicht zwischen Behörden bzw. Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht stattfindet. Danach war auszusprechen, dass die Klägerin und die Beklagte einander keine Kosten zu erstatten haben und die Beklagte lediglich verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu erstatten.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe i.S.d. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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