L 5 RJ 348/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 310/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 348/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Bewilligung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 01.01.1997. Der am 1957 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keinen Beruf erlernt und war zunächst als landwirtschaftlicher Arbeiter und nach einer elfjährigen Tätigkeit als Zeitsoldat vom 01.01.1989 bis 08.08.1993 als Omnibusfahrer bei einem privaten Busunternehmen beschäftigt. Der tarifungebundene Arbeitgeber verneinte eine Gleichstellung mit den in seinem Betrieb beschäftigten Facharbeitern und Berufskraftfahrern in Bezug auf Arbeitsqualität und Entlohnung. Die erste Rentenantragstellung des Klägers erfolgte am 21.01. 1994. Das Klageverfahren gegen den ablehnender Bescheid vom 31.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.07. 1994 endete am 31.07.1997 nach nervenärztlicher Begutachtung mit einem gerichtlichen Vergleich, wonach ab 1. Januar 1997 eine neue Entscheidung getroffen wird. Anlass hierfür war der von den behandelnden Ärzten geäußerte Verdacht auf eine Lipomatose. Nach Beiziehung von Unterlagen dieser Ärzte erstellte der Neurologe und Psychiater Dr.S. am 22.12.1997 nach ambulanter Untersuchung ein Gutachten. Er diagnostizierte eine abnorme seelische Entwicklung mit körperbezogener Ausgestaltung und hielt einfache, leicht überschaubare Arbeiten ohne Akkordbedingungen und ohne Schicht- bzw. Nachtdienst für vollschichtig zumutbar. Unter Verweisung auf die Tätigkeiten als Montierer, Sortierer und Verpacker lehnte die Beklagte den Rentenantrag am 14.01.1998 ab. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 01.04.1998 hat der Kläger am 06.05.1998 Klage erhoben und eine zu geringe Bewertung seiner psychischen Erkrankung und der schmerzhaften multiplen Lipome geltend gemacht. Das Sozialgericht hat zwei medizinische Gutachten nach ambulanter Untersuchung veranlasst. Das allgemeinmedizinische Gutachten Dr.W. vom 07.12.1998 ergab das Vorliegen multipler Lipome an den Extremitäten und dem Körperstamm. Diese verbieten nach Ansicht des Sachverständigen Druckbelastungen der von der Lipomatose betroffenen Körperteile, schränken im Übrigen aber die Leistungsfähigkeit nicht ein. Der Neurologe und Psychiater Dr.K. hat am 22.09.1999 eine akzentuierte Persönlichkeit mit im Vordergrund stehenden histrionischen Wesenszügen diagnostiziert. Seines Erachtens kann der Kläger als Busfahrer nicht mehr tätig sein und wegen Einschränkung der nervlichen Belastbarkeit nur einfache Arbeiten ohne Akkord und Schichtdienst, ohne Zeitdruck und ohne sonstige Anforderung an die allgemeine nervliche Belastbarkeit erbringen. Die Umstellungsfähigkeit sei jedoch erhalten. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage am 20.01.2000 abgewiesen. Gegen das am 16.05.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.06.2000 Berufung eingelegt und eine Leidensverschlimmerung auf psychiatrischem Fachgebiet behauptet. Der behandelnde Allgemeinarzt Dr.F. hat dem Kläger attestiert, er sei wegen Lipomatose, depressiven Syndroms und psychischer Dekompensation erwerbsunfähig. Im Auftrag des Senats hat der Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr.V. den Kläger ambulant untersucht. Laut Gutachten vom 22.02.2003 besteht seit 01.01.1997 durchgehend eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen und emotional instabilen Zügen. Leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien vollschichtig bzw. über sechs Stunden täglich zumutbar. Zu vermeiden seien Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit, Arbeiten am Fließband, an laufenden Maschinen, unter Zeitdruck, mit Nacht- oder Wechselschicht sowie mit häufigem Publikumsverkehr. Als Omnibusfahrer sei der Kläger nicht mehr einsatzfähig, wohl aber für Tätigkeiten z.B. als einfacher Pförtner oder Montierer/Sortierer von Kleinteilen.

Von seiten der Beklagte ist die Einsatzfähigkeit als Pförtner unter Berufung auf eine sozialmedizinische Stellungnahme verneint, die Umstellungsfähigkeit dagegen generell bejaht worden. Als Angelernter des oberen Bereichs sei der Kläger auf Tätigkeiten als Verpacker von Kleinteilen verweisbar. Der Klägerbevollmächtigte hat sich zu dem am 10.03.2003 übersandten Gutachten Dr.V. am 31.03.2003 dahingehend geäußert, es könne inhaltlich nicht nachvollzogen werden. Unter Vorlage eines Attestes des Allgemeinarztes Dr.H. betreffend die Verhandlungsunfähigkeit des Klägers aufgrund seiner physischen Konstitution hat der Klägerbevollmächtige am 28.05.2003 einen Antrag auf Terminabsetzung gestellt. Nach dessen Ablehnung durch den Vorsitzenden ist am 30.05.2003 der Antrag eingegangen, gemäß § 109 SGG Dr.H. zum Eintritt einer wesentlichen Leidensverschlimmerung zu hören. In der mündlichen Verhandlung am 03.06.2003 ist für den Kläger niemand erschienen. Der Klägerbevollmächtigte hat eine pannenbedingte Verspätung um ca. 45 Minuten fernmündlich mitgeteilt.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt sinngemäß: 1. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.01.2000 sowie der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 14.01. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04. 1998 werden aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab Antragstel lung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.01.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagte- akten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 20.01.2000 ist ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 14.01.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.04.1998. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er ist weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig bzw. erwerbsgemindert.

Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte der- jenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicher- ten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 43 SGB VI in der gemäß § 300 Abs.2 SGB VI maßgebenden Fassung bis 31.12.2000). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.). Zwar ist das Leistungsvermögen des Klägers soweit beeinträchtigt, dass er dem zuletzt ausgeübten Beruf als Busfahrer nicht mehr nachgehen kann. Sein Restleistungsvermögen ist jedoch dergestalt, dass er noch zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zuletzt und überwiegend war der Kläger als Omnibusfahrer versicherungspflichtig beschäftigt, so dass die Qualität dieser Tätigkeit zu prüfen ist. Um die Wertigkeit eines Berufs zu beurteilen, hat das Bundessozialgericht die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSGE in SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138 und 140). Ausschlaggebend für die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema ist die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Dem Versicherten ist die Vereisung auf die im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nächstniedrigere Gruppe zumutbar (ständige Rechtsprechung u.a. in SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).

Zwar hat die Beklagte in ihrer letzten Stellungnahme den Kläger ohne weitere Begründung als gehobenen Angelernten eingestuft. Dies kann jedoch nicht nachvollzogen werden. Der Kläger hat die für Berufskraftfahrer/Fachrichtung Personenverkehr geltende Regelausbildungszeit von zwei Jahren (vgl. § 2 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer vom 26.10.1973, Bundesgesetzblatt I, 1518) nicht durchlaufen. Zwar kann ein Versicherter gleichwohl als Facharbeiter bzw. gehobener Angelernter zu behandeln sein, wenn die von ihm verrichtete Kraftfahrertätigkeit in einer Facharbeiterlohngruppe des einschlägigen Tarifvertrags genannt wird und er entsprechend eingruppiert war (vgl. z.B. BSGE vom 27.02.1997 Az.: 13 RJ 15/96). Für den hier einschlägigen Bereich des privaten Omnibusgewerbes in Bayern ist dies jedoch nicht zutreffend. Nach dem Lohntarifvertrag Nr.16 vom 24.05.1993, gültig ab 01.04.1993, für alle gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Bayern sind zwar Berufskraftfahrer mit IHK-Prüfung ebenso wie Omnibusfahrer mit nachgewiesener zehnjähriger Fahrpraxis im Personenverkehr Handwerkern im ersten bis dritten Berufsjahr nach der Ausbildung gleichgestellt. Die nur Handwerkern vorbehaltene Höher- stufung innerhalb der Lohngruppe 3 macht jedoch deutlich, dass Qualitätsunterschiede bestehen. Der Busfahrer mit zweijähriger Ausbildung ist also im Bereich des privaten Omnibusgewerbes in Bayern als gehobener Angelernter zu betrachten.

Weder von der Qualifikation noch von der Tätigkeit her ist der Kläger diesem gleichzustellen. Der ehemalige Arbeitgeber hat auf ausdrückliches Befragen, ob der Kläger als Facharbeiter oder als angelernter Arbeiter mit einer Anlernzeit bis zu zwei Jahren geführt und entlohnt worden sei, dies verneint. Auch die Frage danach, ob der Kläger auf Grund seiner Fachkenntnisse einem Facharbeiter bzw. Berufskraftfahrer hinsichtlich der Arbeitsqualität und Entlohnung gleichgestanden habe, wurde verneint. Dies, obwohl das Unternehmen auch Berufskraftfahrer beschäftigt hat. Omnibusfahrern ohne zusätzliche Qualifikation bzw. Ausbildung ist jedoch nach dem einschlägigen Tarifvertrag lediglich die Lohngruppe 2 vorbehalten.

Dass der Kläger vom Arbeitgeber zutreffend entlohnt worden ist, macht der Blick auf die Ausbildungsinhalte eines Berufskraftfahrers deutlich, wonach dieser nicht nur über technische Kenntnisse eines Busses verfügt, sondern auch verschiedene Fahrzeugarten kennenlernt und diese warten kann (Gabi, Grundwerk Ausbildung und berufskundliche Informationen, herausge- geben von der Bundesanstalt für Arbeit, Kennziffer 714 a). Der Berufskraftfahrer im Fracht- und Personenverkehr besitzt schließlich auch Kenntnisse der Rechtsvorschriften über den Betrieb von Taxen, Mietwagen und Krankenfahrzeugen, über die der Kläger als Busfahrer im Linienverkehr nicht verfügen musste. Weder die tarifliche Einstufung noch das tatsächliche Betätigungsfeld bieten also Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Angelernter im oberen Bereich zu qualifizieren ist. Als Angelernter im unteren Bereich kann er jedoch auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden. Das beim Kläger vorhandene Restleistungsvermögen reicht auch aus, derartige Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das ausführliche und überzeugende Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.V. , der die zahlreich vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und seine Beurteilung schlüssig begründet hat. Auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Sachverständiger im Bereich der Bayer. Sozialgerichtsbarkeit verfügt er sowohl über die erforderlichen Kenntnisse als auch über die praktische Erfahrung, um sämtliche hier in Betracht kommenden gesundheitlichen Störungen medizinisch zutreffend einzuordnen und ihre Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit des Klägers im allgemeinen Erwerbsleben sachgerecht zu beurteilen. Mit seiner Würdigung befindet er sich in Übereinstimmung mit den Dres.K. und W. , die den Kläger im erstinstanzlichen Verfahren ebenfalls ambulant untersucht haben. Auch der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren zugezogene Facharzt Dr.S. hat ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Wenn demgegenüber Dr.F. als behandelnder Allgemeinarzt eine andere Ansicht vertritt, so mag dies angesichts der langjährigen Verbundenheit nachvollziehbar sein. Der Beurteilung fachkompetenter und unabhängiger Sachverständiger ist demgegenüber jedoch der Vorzug zu geben.

Der Kläger leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend histrionischen und emotional instabilen Zügen. Es handelt sich dabei um eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung, die seit dem 01.01.1997 unverändert und durch- gehend besteht. Sie äußert sich in einer deutlichen Unausge- glichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken, sowie in den Beziehungen zu Anderen. Erstmals sichtbar wurde diese Persönlichkeitsstörung im Jahre 1993, als Konflikte im beruflichen und im privaten Umfeld aufgetreten sind. Im weiteren Verlauf zeigte sich einerseits die Neigung zu depressiven Dekompensationen und andererseits die zu dysphorisch, latent oder offen zutage tretenden aggressiven Dekompensationen. Als Kontinuum entwickelte sich eine auf körperliche Mißempfindungen bezogene histrionische Ausgestaltung, die von fast allen Untersuchern beschrieben wurde. Hinzu kommt eine nicht zu übersehende demonstrative Komponente, die sich in Wechselwirkung zu subjektiv erlebtem Versagen noch steigerte. Dies erreichte zum Teil querulatorische Züge.

Es finden sich keinerlei Hinweise für die im Vorfeld diagnostizierte endogene Depression. Ebensowenig finden sich Hinweise für eine endogene oder exogene Psychose oder eine hirnorganisch begründete Störung. Die diagnostizierte Lipomatose erklärt die geschilderte Schmerzsymptomatik nicht und es finden sich auch keine sonstigen organneurologischen Erklärungen der geschilderten Schmerzen, muskulären Zuckungen und Krämpfe.

Durch die bestehende psychische Krankheit, die prinzipiell auch psychiatrisch behandlungsbedürftig ist, wird das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelgradig beeinträchtigt. Trotz der - unabhängig von bewußtseinsnaher Ausgestaltung des Krankheitsbildes -zweifellos vorhandenen Erkrankung ist der Kläger in der Lage, unter zumutbarer Willensanstrengung Arbeits- leistungen zu erbringen. Dabei kann es sich nur um leichte Arbeiten handeln, die keine besondere Anforderung an die nervliche Belastbarkeit stellen, nicht am Fließband, an laufenden Maschinen oder unter Zeitdruck zu erbringen und nicht mit Nacht- oder Wechselschicht oder mit häufigem Publikumsverkehr verbunden sind.

Im Positiven kann der Kläger noch leichte, einfache und ruhige Arbeiten ohne häufigen Publikumsverkehr vollschichtig verrichten. Wichtig ist, dass zusätzliche unübliche Pausen nicht erforderlich sind. Da auch das Gehvermögen nicht nennenswert eingeschränkt und die Funktionsfähigkeit der Arme sowie der Sinnesorgane in vollem Umfang erhalten ist, liegen keine Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Die multiplen Fettwucherungen an den Extremitäten und am Körperstamm bewirken allenfalls eine qualitative Leistungseinbuße dergestalt, dass keine Druckbelastungen mehr möglich sind, wie sie z.B. durch Aufstützen von schweren Gegenständen auf die Oberschenkel oder beim Schaufeln vorkommen. Schließlich verfügt der Kläger noch über das nötige Anpassungs- und Umstellungsvermögen, sich auf Tätigkeiten wie die eines Montierers oder Sortierers von Kleinteilen umzustellen. Bei den vorhandenen Leistungseinschränkungen kann davon ausgegangen werden, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es daher nicht.

Der Kläger, der keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil er eine zumutbare Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten kann, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung, weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs.2 SGB VI a.F. bzw. des Begriffs der Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI nicht erfüllt. Da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig (acht Stunden täglich) einsatzfähig ist, ist er nicht gehindert, sein Restleistungsvermögen wirtschaftlich zu verwerten und mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen.

Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz tatsächlich vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung getragen wird (vgl. u.a. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr.50).

Dem am 02.06.2003 gestellten Antrag auf Anhörung des Allgemeinarztes Dr.H. war nicht zu entsprechen. Spätestens mit der Terminsladung vier Wochen vor der Verhandlung war offensichtlich, dass keine weitere Beweisaufnahme von Amts wegen erfolgen würde. Der von einem Rechtsanwalt vertretene Kläger konnte bereits davor, nämlich zum Zeitpunkt der Übersendung des von Amts wegen eingeholten Gutachtens Mitte März 2003, erkennen, dass die Frist des § 109 SGG zu laufen begonnen hatte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Klägerbevollmächtigte auch nicht in Urlaub - diesen hat er erst am 11.04.2003 angetreten -, wie sein Schriftsatz vom 31.03.2003 beweist. Er hat es daher aus grober Nachlässigkeit versäumt, den Antrag innerhalb angemessener Frist zu stellen (§ 109 Abs.2 SGG). Der am 02.06.2003 gestellte Antrag zielte darauf, eine Vertagung zur Abklärung einer möglichen Leidensverschlimmerung zu erreichen. Das vorgelegte Attest Dr.H. war jedoch in keiner Weise geeignet, Zweifel am Ermittlungsergebnis zu begründen. Es bezog sich auf die Verhandlungsfähigkeit zum Sitzungstermin, machte hierfür in ungewöhnlich unspezifischer Form die "physische Konstitution" verantwortlich und ließ keinen Widerspruch zum Gutachten Dr.V. erkennen. Bereits dort war der Kläger mit zwei Krücken erschienen und hatte sich nur schleppend vorwärts bewegt. Die geltend gemachte Bewegungsunfähigkeit ist daher als Merkmal der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung zu betrachten, die bereits einer gutachterlichen Würdigung unterzogen worden ist. Dass weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter zum Termin erschienen sind, hinderte den Senat nicht an der Entscheidung. Nachdem der Senat nach der Ankündigung einer pannenbedingten Verspätung von bis zu 45 Minuten über eine Stunde ergebnislos zugewartet hatte, musste er davon ausgehen, dass der Bevollmächtigte von einer Terminswahrnehmung Abstand genommen hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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