Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 V 15/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 66/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hat ein Beschädigter infolge Deportation (hier: eines deutschstämmigen
Mädchens 1945 zurück nach Rußland) im schulpflichtigen Alter keinen
höherwertigen Schulabschluß erreicht, so ist das Durchschnittseinkommen für
den BSA nach § 7 BSchAV nicht nach einer höheren Besoldungsgruppe als A 6
anzusetzen, auch wenn die individuellen Voraussetzungen des § 7 BSchAV
(Veranlagungen, Fähigkeiten, Stellung der Eltern etc.) für einen vermutlich
höhergradigen Schulabschluß sprechen.
Mädchens 1945 zurück nach Rußland) im schulpflichtigen Alter keinen
höherwertigen Schulabschluß erreicht, so ist das Durchschnittseinkommen für
den BSA nach § 7 BSchAV nicht nach einer höheren Besoldungsgruppe als A 6
anzusetzen, auch wenn die individuellen Voraussetzungen des § 7 BSchAV
(Veranlagungen, Fähigkeiten, Stellung der Eltern etc.) für einen vermutlich
höhergradigen Schulabschluß sprechen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Mai 1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Höhe des Berufsschadensausgleichs (BSA) in Aufhebung einer Entscheidung (§ 44 Abs.1 SGB X), mit der Hausfrauen-BSA bzw. in Abänderung der angefochtenen Entscheidung BSA nach einem Durchschnittseinkommen der Gehaltsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt worden ist.
Die am ...1931 in der Ukraine geborene Klägerin erlitt gegen Ende des Jahres 1945 während ihrer Deportation nach Rußland nach vorangegangener Umsiedlung in den Warthegau bleibende Schäden an beiden Nieren. Ab Oktober 1979 (Übersiedlung der Klägerin in die Bundesrepublik) entschädigte der Beklagte die Gesundheitsschäden zunächst nach einer MdE von 70 und 100, später nach erfolgreicher Transplantation einer Niere, mit 80 v.H.
Die Klägerin, die am 10.10.1979 umfassend Beschädigtenversorgung beantragt hatte, gab als Beruf den der Hausfrau an und erhielt mit Bescheid vom 14.04.1980 den pauschalierten Einkommensverlust einer Frau, die einen gemeinsamen Haushalt mit Mann und Kind führt (§ 30 Abs.6 in der damaligen Fassung des Bundesversorgungsgesetzes vom 12.06.1976, BGBl I 1633). Dieser Bescheid erging unter dem ausdrücklichen Vorbehalt endgültiger Entscheidung über BSA nach weiteren Ermittlungen.
Mit Verwaltungsakt vom 24.08.1987 hielt der Beklagte an der bisherigen Regelung fest und brachte den Vorbehalt in Wegfall. Zur Begründung wurde das Vorliegen eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes damit verneint, daß die familiären Verpflichtungen in der kinderreichen Familie überwogen und die Klägerin, auch unabhängig von den Schädigungsfolgen, von einer weiteren Berufstätigkeit abgehalten hätten.
Am 13.10.1992 beantragte die Klägerin, ihr Berufsschadensausgleich durch Gegenüberstellung eines Einkommens aus früherer Tätigkeit mit ihrem Renteneinkommen zu gewähren (§ 30 Abs.3 BVG). Seit Dezember 1979 (Bescheid der LVA Schwaben vom 08.09. 1980) bezog die Klägerin nämlich Rente wegen eines Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter. Dazu trug die Klägerin vor, daß sie bereits als Kind verschleppt worden sei und selbst nicht sagen könne, welchen Berufsweg sie eingeschlagen hätte, aber ohne ihre Schädigungsfolgen auf jeden Fall in der UdSSR hätte arbeiten müssen. Auch nach dem Zuzug in die Bundesrepublik hätte sie ohne ihre Krankheit eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.
Mit Bescheid vom 11.08.1993 änderte der Beklagte den Bescheid vom 24.08.1987 dahingehend ab, daß nunmehr Berufsschadensausgleich in Anwendung des § 7 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) nach einem Endgrundgehalt der Bundesbesoldungsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt wurde. Denn die Klägerin hätte ihre Schädigung vor Abschluß der Schulausbildung erlitten und die Verwaltung bereits am 29.05.1980 von der Klägerin die Mitteilung erhalten, daß sie von Juni 1946 bis Mai 1950 in Rußland als Kindermädchen, Spülerin und Waschraumwärterin gearbeitet und ohne die Schädigung Malerin, Anstreicherin oder Putzfrau geworden wäre. Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, daß sie sich mit der Einstufung in die niedrigste Gruppe nach § 7 BSchAV nicht zufriedengeben könne, denn ihr Vater sei bereits vor dem Krieg Lehrer gewesen und hätte diese Berufsstellung in der Bundesrepublik später wiedererlangt (Besoldung nach A 12); ihre beiden Söhne hätten Bautechniker bzw. Diplomkaufmann studiert. Von ihrem Elternhaus her sei für sie eine angemessene Schul- und Berufsausbildung vorgesehen gewesen. Die Anmeldung zum Besuch einer höheren Schule sei sowohl in der Ukraine als auch in Brandenburg erfolgt. Nur Kriegsereignisse hätten den Eintritt verhindert. Die Versorgungsverwaltung wies den Rechtsbehelf mit Bescheid vom 25.01.1994 zurück, weil nicht die Schädigungsfolgen, sondern die damaligen politischen und persönlichen Verhältnisse für den wirtschaftlichen Schaden ursächlich gewesen seien.
Die am 21.02.1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 17.05.1995 abgewiesen. Das Gericht hat zur Begründung ausgeführt, daß der Abschluß einer Mittel- oder Oberschulausbildung nicht vermutet werden könne. Die Kenntnis der damaligen Lebensverhältnisse hätte nicht genügt, um von ausreichenden Feststellungen für die Einordnung nach den Kriterien der §§ 3 bis 5 bzw. 6 BSchAV auszugehen. Zu Recht hätte die Verwaltung eine Einstufung gemäß § 7 BSchAV nach A 5 bzw. A 6 der Bundesbesoldungsordnung vorgenommen. Die Ausbildungs- und Berufsentwicklung der Klägerin sei wesentlich durch das Schicksal der Verschleppung bestimmt gewesen, wohingegen die Schädigungsfolgen den Besuch einer weiterführenden Schule nicht verhindert hätten.
Mit der am 30.06.1995 eingelegten Berufung hat die Klägerin erneut vorgetragen, daß sie noch im Warthegau die 5. Klasse beendet und ab September 1945 in einer Kreisstadt in Brandenburg eine höhere Schule besucht hätte, wenn dieses Gebiet nicht unter russische Besatzung gekommen wäre.
Der Senat hat zur Sachermittlung die Aktenvorgänge der Versorgungsverwaltung und des Arbeiterrentenversicherungsträgers beigezogen. Dem Versicherungsverlauf lagen Ersatzzeiten wegen Vertreibung bzw. Freiheitsentziehung sowie Pflichtbeiträge nach dem Fremdrentengesetz (21.04.1947 bis 30.05.1950) zugrunde. In einem Fragebogen hat die Klägerin den Zeitraum vom 01.09.1939 bis 12.03.1944 als Volksschulbesuch und den 30.12.1949 als Datum ihrer Eheschließung angegeben; die Kinder seien am 27.03. 1950 und 08.05.1956 geboren.
Sinngemäß beantragt die Klägerin
Einstufung des Vergleichseinkommens nach A 12 des Bundesbesoldungsgesetzes und rückwirkende Leistung ab Oktober 1979 - auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Sozialherstellungsanspruchs ohne Einrede der Verjährung.
Sie ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17.05.1995 zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 543 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgemäß erhoben und auch sonst zulässig.
Das Gericht konnte nach entsprechendem Hinweis in der der Klägerin am 25.07.1997 zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden (§§ 153 Abs.1, 110 Abs.1 SGG).
Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Entscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Das Urteil des Sozialgerichts erging zu Recht.
Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein bindender nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er rechtswidrig ist. Eine daraus resultierende Gewährung von Sozialleistungen erstreckt sich allerdings längstens auf 4 Jahre zurück (§ 44 Abs.4 Satz 1 SGB X). Auch unter Berücksichtigung des Antrags der Klägerin vom 13.10.1992 konnten - wie von dem Beklagten zu Recht geregelt - Leistungen erst ab 01.01.1988 erfolgen (§ 44 Abs.4 Satz 2 SGB X). Eine weitergehende Rückwirkung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erfolgen, weil § 44 Abs.4 insoweit als lex specialis vorgeht (Schroeder-Printzen-Wiesner, Anm.20 zu § 44 SGB X). Damit erübrigt sich auch eine Besitzstandswahrung des Hausfrauen-BSA bis zum Jahre 1983. Denn nach der Änderung des BVG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 (12. Anpassungsgesetz KOV vom 23.12.1982, BGBl I,1905) war der Berechnung des Berufsschadensausgleichs bei Konkurrenz eines Hausfrauen-BSA mit einem BSA nach § 30 Abs.3 BVG nurmehr der höhere Einkommensverlust zugrunde zu legen (§ 30 Abs.7 in der Fassung des 12. Anpassungsgesetzes KOV). Die Wiederherstellung eines nicht der Gesetzeslage entsprechenden Rechtszustandes im Wege des § 44 Abs.1 SGB X ist nicht geboten (BSG SozR 1300 § 44 Nr.38), zumal das Bundesversorgungsgesetz unter dem Gesichtspunkt einer Besitzstandswahrung die kumulative Gewährung beider Arten des Berufsschadensausgleichs nicht vorgesehen hat.
Im übrigen lagen die Voraussetzungen einer Rücknahme gemäß § 44 Abs.1 SGB X vor. Die Klägerin hatte - entgegen der Annahme im Bescheid vom 24.08.1987 - bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung einen durch Schädigungsfolgen verursachten Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs.3 BVG. Zum einen war bereits zum Zeitpunkt der Einreise im April 1979 ihr Einkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit deshalb gemindert, weil ihr Unvermögen, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Erwerbsmarkt nachzugehen, durch die mit Bescheid vom 11.04.1980 anerkannten Schädigungsfolgen (MdE von 70 v.H.) verursacht war. Zum anderen war auch die mit Bescheid vom 08.09.1980 gewährte Rente der LVA als Einkommen aus früherer Tätigkeit schädigungsbedingt gemindert. Weil das Erwerbseinkommen der Klägerin in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, hatte sie Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v.H. des vollen Einkommensverlustes (§ 30 Abs.3 BVG) und nicht nur auf Renten-BSA (§ 30 Abs.4 Satz 3 BVG in der seit 01.01.1982 geltenden Fassung - 11.AnpG-KOV vom 20.11.1981 BGBl I, 1199). Die relativ geringe Versicherungszeit von 11,67 Jahren bei 32 Monaten Beitragszeiten infolge vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben und fehlender Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit ist wesentlich mitbedingt durch die Auswirkungen der gesundheitlichen Schäden und nicht durch die Familiensituation. Denn die Klägerin hat überzeugend dargetan, daß in der Sowjetunion im Regelfall auch Mütter mit mehreren Kindern berufstätig sein mußten. Zumindest wäre bei einem nicht durch die Schädigung beeinträchtigten Gesundheitszustand spätestens einige Jahre nach der Geburt des zweiten Kindes eine Rückkehr ins Berufsleben erfolgt. Aus diesen Gründen war daher der Bescheid vom 24.08.1987 unrichtig, weil er im Ergebnis einen Berufsschadensausgleich mit Entschädigung eines tatsächlichen Einkommensverlustes versagt hatte.
In der jetzt angefochtenen Regelung hat der Beklagte zu Recht den Berufsschadensausgleich in Einstufung nach einem Vergleichseinkommen der Bundesbesoldungsordnung A 6 vorgenommen. Die Bundesregierung hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch Rechtsverordnung bestimmt, wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist (§ 30 Abs.9b BVG in der Neufassung vom 22.01.1982 bzw. § 30 Abs.15 BVG in der Fassung vom 13.06. 1994). Die Klägerin hatte ihre Schulausbildung zur Zeit der Schädigung noch nicht beendet. Sie hat nur vom 01.09.1939 bis 12.03.1944 die Volksschule besucht; auch nach damaligen Verhältnissen war mit der 5. Klasse die Schulpflicht nicht erfüllt. Bei diesem Sachverhalt ist die pauschale Einstufung ausschließlich nach § 7 Abs.1 Satz 3 BSchAV vorzunehmen. Hat jemand vor Abschluß der Schulausbildung eine Schädigung erlitten, so ist das für einen Berufsschadensausgleich maßgebende Durchschnittseinkommen grundsätzlich nach § 7 BSchAV und nur in besonderen Ausnahmefällen nach den §§ 2 bis 5 zu bestimmen (BSG vom 18.11.1971, Az.: 9 RV 266/71 in Breithaupt 1972, 247).
Nach § 7 Abs.1 Satz 3 der BSchAV bemißt sich das Durchschnittseinkommen zumindest nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, vom vollendeten 45. Lebensjahr an nach A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes. Die begehrte Einstufung nach A 9/A 13 erfolgt nur bei vermutlichem Abschluß einer Mittelschule bzw. gleichwertigen Schulausbildung oder einer höheren bzw. gleichwertigen Schulausbildung entsprechend dem für Beamte des mittleren bzw. gehobenen Dienstes bestimmten Durchschnittseinkommen. Die Eingruppierung ist nach der Veranlagung des Geschädigten, seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und den sonstigen Lebensverhältnissen des Beschädigten vorzunehmen (§ 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV). Über Veranlagung und Fähigkeiten der Klägerin vor der Schädigung liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor; auch ihr weiterer Lebensweg läßt diesbezügliche Schlußfolgerungen, die die Vermutung des erfolgreichen Abschlusses einer weiterführenden Schule hinreichen zuverlässig begründen könnte, nicht zu. Die berufliche und soziale Stellung der Eltern zum Zeitpunkt der Schädigung war durch die Vertreibung aus der Ukraine, die Verschleppung der Mutter nach Rußland und den Kriegsdienst des Vaters gekennzeichnet. Das gleiche gilt für die sonstigen Lebensverhältnisse der Beschädigten im Jahre 1945. Unabhängig davon - das heißt auch bei Annahme einer zu einer höherwertigen Schulausbildung befähigenden Veranlagung oder einer der sonstigen Voraussetzungen nach § 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV - ist der Senat im übrigen mit dem Beklagten der Auffassung, daß bei der Bestimmung des Durchschnittseinkommens im Sinne von § 7 Abs.1 BSchAV nach Eintritt der Schädigung eingetretene Umstände, die per se - also ungeachtet der Schädigungsfolgen - eine qualifizierte Ausbildung verhindert haben, nicht unberücksichtigt bleiben können (vgl. hierzu BSG, 18.11.1971, 9 RV 266/71; Leitsätze in SozR -DVO zu § 30 BVG - § 7). Dies folgt aus dem für das gesamte Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsprinzip - hier konkretisiert in den der Verordnungsermächtigung inhaltlich vorgegebenen Maßstäben des § 30 Abs.5 Satz 1 BVG - und ist demzufolge auch im Rahmen des § 7 BSchAV neben individuellen "Ausgangsvoraussetzungen" des § 7 Abs.1 Satz 1 BSchAV bei Prüfung der Frage zu beachten, ob die Klägerin "vermutlich" eine höherwertige Schulausbildung abgeschlossen hätte.
Im Fall der Klägerin führt dies zu dem Ergebnis, daß der "vermutliche" Abschluß einer höherwertigen Schulausbildung nicht angenommen werden kann. Denn ungeachtet etwaiger persönlicher Ausgangsvoraussetzungen (§ 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV) wurde der Zugang zu und damit auch der Abschluß einer höherwertigen Schulausbildung in keiner Weise durch die 1945 erlittene Gesundheitsschädigung (nur diese und deren Folgen werden entschädigt, nicht aber die Folgen der Deportation/Internierung; vgl. BSG vom 23.07.1969, 10 RV 711/67 = BVBl.1970, 45), sondern allein durch die Deportation der Klägerin verhindert. Nur wegen der Lebensbedingungen als Deutschstämmige nach 1945 in der Sowjetunion (Asbest/Ural; ab 1964 Duschanbe/Tadschikistan) war - wie die Klägerin selbst vorträgt (Berufungsbegründung vom 11.10. 1995, Blatt 3) - eine höherwertige Schulausbildung mit entsprechendem Abschluß unmöglich; die Schädigung der Klägerin (Nierenerkrankung) war hierauf ohne Einfluß.
Für die von der Klägerin hilfsweise begehrte Einstufung nach Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit in der privaten Wirtschaft (§ 3 BSchAV) lagen die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls nicht vor. Denn dieses Vergleichseinkommen errechnet sich nach § 30 Abs.5 BVG aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Eine solche Prognose kann mit Wahrscheinlichkeit nicht gestellt werden. Zum Zeitpunkt der Schädigung hatte die Klägerin weder einen besonderen Arbeits- und Ausbildungswillen betätigt, noch berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt. Sie hatte bis dahin lediglich übergangsweise als Landwirtschaftshilfe gearbeitet. Während ihrer Tätigkeit als Babysitter von Juni 1946 bis Februar 1947 war ihre Berufsausübung bereits durch die um die Jahrswende 1945/46 erlittene Schädigung beeinträchtigt.
Die von der Klägerin selbst gestellte Prognose (Malerin, Putzfrau) ist diffus und würde auch zu keiner höheren als der gewährten Leistung führen. Die Klägerin mag sich vor Augen halten, daß bei einer Einstufung in eine unselbständige Tätigkeit in der privaten Wirtschaft weder ein Vertreibungsschaden (BSG, SozR 2000 § 30 Nr.58) noch ein Verschleppungsschaden (BSG vom 23.07.1969, BVBl 70, 45) Entschädigung findet. Mangels konkreter Anhaltspunkte für einen einzelnen Wirtschaftszweig hätte die Klägerin allenfalls als Arbeiterin in der Industrie nach den Leistungsgruppen 1, 2 oder 3 (Industrie ingesamt) eingestuft werden können (§ 3 Abs.1 Nr.1 BSchAV). Selbst mit einer Einstufung in der besten Gruppe (1) wäre sie gegenüber einem Durchschnittseinkommen der Gehaltsgruppe A 6 schlechter gestellt.
Die Entscheidung des Sozialgerichts war daher nicht zu beanstanden und die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision liegen keine Gründe vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Höhe des Berufsschadensausgleichs (BSA) in Aufhebung einer Entscheidung (§ 44 Abs.1 SGB X), mit der Hausfrauen-BSA bzw. in Abänderung der angefochtenen Entscheidung BSA nach einem Durchschnittseinkommen der Gehaltsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt worden ist.
Die am ...1931 in der Ukraine geborene Klägerin erlitt gegen Ende des Jahres 1945 während ihrer Deportation nach Rußland nach vorangegangener Umsiedlung in den Warthegau bleibende Schäden an beiden Nieren. Ab Oktober 1979 (Übersiedlung der Klägerin in die Bundesrepublik) entschädigte der Beklagte die Gesundheitsschäden zunächst nach einer MdE von 70 und 100, später nach erfolgreicher Transplantation einer Niere, mit 80 v.H.
Die Klägerin, die am 10.10.1979 umfassend Beschädigtenversorgung beantragt hatte, gab als Beruf den der Hausfrau an und erhielt mit Bescheid vom 14.04.1980 den pauschalierten Einkommensverlust einer Frau, die einen gemeinsamen Haushalt mit Mann und Kind führt (§ 30 Abs.6 in der damaligen Fassung des Bundesversorgungsgesetzes vom 12.06.1976, BGBl I 1633). Dieser Bescheid erging unter dem ausdrücklichen Vorbehalt endgültiger Entscheidung über BSA nach weiteren Ermittlungen.
Mit Verwaltungsakt vom 24.08.1987 hielt der Beklagte an der bisherigen Regelung fest und brachte den Vorbehalt in Wegfall. Zur Begründung wurde das Vorliegen eines schädigungsbedingten Einkommensverlustes damit verneint, daß die familiären Verpflichtungen in der kinderreichen Familie überwogen und die Klägerin, auch unabhängig von den Schädigungsfolgen, von einer weiteren Berufstätigkeit abgehalten hätten.
Am 13.10.1992 beantragte die Klägerin, ihr Berufsschadensausgleich durch Gegenüberstellung eines Einkommens aus früherer Tätigkeit mit ihrem Renteneinkommen zu gewähren (§ 30 Abs.3 BVG). Seit Dezember 1979 (Bescheid der LVA Schwaben vom 08.09. 1980) bezog die Klägerin nämlich Rente wegen eines Versicherungsfalls der Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter. Dazu trug die Klägerin vor, daß sie bereits als Kind verschleppt worden sei und selbst nicht sagen könne, welchen Berufsweg sie eingeschlagen hätte, aber ohne ihre Schädigungsfolgen auf jeden Fall in der UdSSR hätte arbeiten müssen. Auch nach dem Zuzug in die Bundesrepublik hätte sie ohne ihre Krankheit eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.
Mit Bescheid vom 11.08.1993 änderte der Beklagte den Bescheid vom 24.08.1987 dahingehend ab, daß nunmehr Berufsschadensausgleich in Anwendung des § 7 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) nach einem Endgrundgehalt der Bundesbesoldungsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt wurde. Denn die Klägerin hätte ihre Schädigung vor Abschluß der Schulausbildung erlitten und die Verwaltung bereits am 29.05.1980 von der Klägerin die Mitteilung erhalten, daß sie von Juni 1946 bis Mai 1950 in Rußland als Kindermädchen, Spülerin und Waschraumwärterin gearbeitet und ohne die Schädigung Malerin, Anstreicherin oder Putzfrau geworden wäre. Ihren Widerspruch begründete die Klägerin damit, daß sie sich mit der Einstufung in die niedrigste Gruppe nach § 7 BSchAV nicht zufriedengeben könne, denn ihr Vater sei bereits vor dem Krieg Lehrer gewesen und hätte diese Berufsstellung in der Bundesrepublik später wiedererlangt (Besoldung nach A 12); ihre beiden Söhne hätten Bautechniker bzw. Diplomkaufmann studiert. Von ihrem Elternhaus her sei für sie eine angemessene Schul- und Berufsausbildung vorgesehen gewesen. Die Anmeldung zum Besuch einer höheren Schule sei sowohl in der Ukraine als auch in Brandenburg erfolgt. Nur Kriegsereignisse hätten den Eintritt verhindert. Die Versorgungsverwaltung wies den Rechtsbehelf mit Bescheid vom 25.01.1994 zurück, weil nicht die Schädigungsfolgen, sondern die damaligen politischen und persönlichen Verhältnisse für den wirtschaftlichen Schaden ursächlich gewesen seien.
Die am 21.02.1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 17.05.1995 abgewiesen. Das Gericht hat zur Begründung ausgeführt, daß der Abschluß einer Mittel- oder Oberschulausbildung nicht vermutet werden könne. Die Kenntnis der damaligen Lebensverhältnisse hätte nicht genügt, um von ausreichenden Feststellungen für die Einordnung nach den Kriterien der §§ 3 bis 5 bzw. 6 BSchAV auszugehen. Zu Recht hätte die Verwaltung eine Einstufung gemäß § 7 BSchAV nach A 5 bzw. A 6 der Bundesbesoldungsordnung vorgenommen. Die Ausbildungs- und Berufsentwicklung der Klägerin sei wesentlich durch das Schicksal der Verschleppung bestimmt gewesen, wohingegen die Schädigungsfolgen den Besuch einer weiterführenden Schule nicht verhindert hätten.
Mit der am 30.06.1995 eingelegten Berufung hat die Klägerin erneut vorgetragen, daß sie noch im Warthegau die 5. Klasse beendet und ab September 1945 in einer Kreisstadt in Brandenburg eine höhere Schule besucht hätte, wenn dieses Gebiet nicht unter russische Besatzung gekommen wäre.
Der Senat hat zur Sachermittlung die Aktenvorgänge der Versorgungsverwaltung und des Arbeiterrentenversicherungsträgers beigezogen. Dem Versicherungsverlauf lagen Ersatzzeiten wegen Vertreibung bzw. Freiheitsentziehung sowie Pflichtbeiträge nach dem Fremdrentengesetz (21.04.1947 bis 30.05.1950) zugrunde. In einem Fragebogen hat die Klägerin den Zeitraum vom 01.09.1939 bis 12.03.1944 als Volksschulbesuch und den 30.12.1949 als Datum ihrer Eheschließung angegeben; die Kinder seien am 27.03. 1950 und 08.05.1956 geboren.
Sinngemäß beantragt die Klägerin
Einstufung des Vergleichseinkommens nach A 12 des Bundesbesoldungsgesetzes und rückwirkende Leistung ab Oktober 1979 - auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Sozialherstellungsanspruchs ohne Einrede der Verjährung.
Sie ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17.05.1995 zurückzuweisen.
Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gemäß § 202 SGG und § 543 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft, form- und fristgemäß erhoben und auch sonst zulässig.
Das Gericht konnte nach entsprechendem Hinweis in der der Klägerin am 25.07.1997 zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden (§§ 153 Abs.1, 110 Abs.1 SGG).
Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die Entscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Das Urteil des Sozialgerichts erging zu Recht.
Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein bindender nicht begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit er rechtswidrig ist. Eine daraus resultierende Gewährung von Sozialleistungen erstreckt sich allerdings längstens auf 4 Jahre zurück (§ 44 Abs.4 Satz 1 SGB X). Auch unter Berücksichtigung des Antrags der Klägerin vom 13.10.1992 konnten - wie von dem Beklagten zu Recht geregelt - Leistungen erst ab 01.01.1988 erfolgen (§ 44 Abs.4 Satz 2 SGB X). Eine weitergehende Rückwirkung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches erfolgen, weil § 44 Abs.4 insoweit als lex specialis vorgeht (Schroeder-Printzen-Wiesner, Anm.20 zu § 44 SGB X). Damit erübrigt sich auch eine Besitzstandswahrung des Hausfrauen-BSA bis zum Jahre 1983. Denn nach der Änderung des BVG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 (12. Anpassungsgesetz KOV vom 23.12.1982, BGBl I,1905) war der Berechnung des Berufsschadensausgleichs bei Konkurrenz eines Hausfrauen-BSA mit einem BSA nach § 30 Abs.3 BVG nurmehr der höhere Einkommensverlust zugrunde zu legen (§ 30 Abs.7 in der Fassung des 12. Anpassungsgesetzes KOV). Die Wiederherstellung eines nicht der Gesetzeslage entsprechenden Rechtszustandes im Wege des § 44 Abs.1 SGB X ist nicht geboten (BSG SozR 1300 § 44 Nr.38), zumal das Bundesversorgungsgesetz unter dem Gesichtspunkt einer Besitzstandswahrung die kumulative Gewährung beider Arten des Berufsschadensausgleichs nicht vorgesehen hat.
Im übrigen lagen die Voraussetzungen einer Rücknahme gemäß § 44 Abs.1 SGB X vor. Die Klägerin hatte - entgegen der Annahme im Bescheid vom 24.08.1987 - bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung einen durch Schädigungsfolgen verursachten Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs.3 BVG. Zum einen war bereits zum Zeitpunkt der Einreise im April 1979 ihr Einkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit deshalb gemindert, weil ihr Unvermögen, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Erwerbsmarkt nachzugehen, durch die mit Bescheid vom 11.04.1980 anerkannten Schädigungsfolgen (MdE von 70 v.H.) verursacht war. Zum anderen war auch die mit Bescheid vom 08.09.1980 gewährte Rente der LVA als Einkommen aus früherer Tätigkeit schädigungsbedingt gemindert. Weil das Erwerbseinkommen der Klägerin in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, hatte sie Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v.H. des vollen Einkommensverlustes (§ 30 Abs.3 BVG) und nicht nur auf Renten-BSA (§ 30 Abs.4 Satz 3 BVG in der seit 01.01.1982 geltenden Fassung - 11.AnpG-KOV vom 20.11.1981 BGBl I, 1199). Die relativ geringe Versicherungszeit von 11,67 Jahren bei 32 Monaten Beitragszeiten infolge vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben und fehlender Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit ist wesentlich mitbedingt durch die Auswirkungen der gesundheitlichen Schäden und nicht durch die Familiensituation. Denn die Klägerin hat überzeugend dargetan, daß in der Sowjetunion im Regelfall auch Mütter mit mehreren Kindern berufstätig sein mußten. Zumindest wäre bei einem nicht durch die Schädigung beeinträchtigten Gesundheitszustand spätestens einige Jahre nach der Geburt des zweiten Kindes eine Rückkehr ins Berufsleben erfolgt. Aus diesen Gründen war daher der Bescheid vom 24.08.1987 unrichtig, weil er im Ergebnis einen Berufsschadensausgleich mit Entschädigung eines tatsächlichen Einkommensverlustes versagt hatte.
In der jetzt angefochtenen Regelung hat der Beklagte zu Recht den Berufsschadensausgleich in Einstufung nach einem Vergleichseinkommen der Bundesbesoldungsordnung A 6 vorgenommen. Die Bundesregierung hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch Rechtsverordnung bestimmt, wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist (§ 30 Abs.9b BVG in der Neufassung vom 22.01.1982 bzw. § 30 Abs.15 BVG in der Fassung vom 13.06. 1994). Die Klägerin hatte ihre Schulausbildung zur Zeit der Schädigung noch nicht beendet. Sie hat nur vom 01.09.1939 bis 12.03.1944 die Volksschule besucht; auch nach damaligen Verhältnissen war mit der 5. Klasse die Schulpflicht nicht erfüllt. Bei diesem Sachverhalt ist die pauschale Einstufung ausschließlich nach § 7 Abs.1 Satz 3 BSchAV vorzunehmen. Hat jemand vor Abschluß der Schulausbildung eine Schädigung erlitten, so ist das für einen Berufsschadensausgleich maßgebende Durchschnittseinkommen grundsätzlich nach § 7 BSchAV und nur in besonderen Ausnahmefällen nach den §§ 2 bis 5 zu bestimmen (BSG vom 18.11.1971, Az.: 9 RV 266/71 in Breithaupt 1972, 247).
Nach § 7 Abs.1 Satz 3 der BSchAV bemißt sich das Durchschnittseinkommen zumindest nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, vom vollendeten 45. Lebensjahr an nach A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes. Die begehrte Einstufung nach A 9/A 13 erfolgt nur bei vermutlichem Abschluß einer Mittelschule bzw. gleichwertigen Schulausbildung oder einer höheren bzw. gleichwertigen Schulausbildung entsprechend dem für Beamte des mittleren bzw. gehobenen Dienstes bestimmten Durchschnittseinkommen. Die Eingruppierung ist nach der Veranlagung des Geschädigten, seinen Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung seiner Eltern und den sonstigen Lebensverhältnissen des Beschädigten vorzunehmen (§ 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV). Über Veranlagung und Fähigkeiten der Klägerin vor der Schädigung liegen keine ausreichenden Erkenntnisse vor; auch ihr weiterer Lebensweg läßt diesbezügliche Schlußfolgerungen, die die Vermutung des erfolgreichen Abschlusses einer weiterführenden Schule hinreichen zuverlässig begründen könnte, nicht zu. Die berufliche und soziale Stellung der Eltern zum Zeitpunkt der Schädigung war durch die Vertreibung aus der Ukraine, die Verschleppung der Mutter nach Rußland und den Kriegsdienst des Vaters gekennzeichnet. Das gleiche gilt für die sonstigen Lebensverhältnisse der Beschädigten im Jahre 1945. Unabhängig davon - das heißt auch bei Annahme einer zu einer höherwertigen Schulausbildung befähigenden Veranlagung oder einer der sonstigen Voraussetzungen nach § 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV - ist der Senat im übrigen mit dem Beklagten der Auffassung, daß bei der Bestimmung des Durchschnittseinkommens im Sinne von § 7 Abs.1 BSchAV nach Eintritt der Schädigung eingetretene Umstände, die per se - also ungeachtet der Schädigungsfolgen - eine qualifizierte Ausbildung verhindert haben, nicht unberücksichtigt bleiben können (vgl. hierzu BSG, 18.11.1971, 9 RV 266/71; Leitsätze in SozR -DVO zu § 30 BVG - § 7). Dies folgt aus dem für das gesamte Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsprinzip - hier konkretisiert in den der Verordnungsermächtigung inhaltlich vorgegebenen Maßstäben des § 30 Abs.5 Satz 1 BVG - und ist demzufolge auch im Rahmen des § 7 BSchAV neben individuellen "Ausgangsvoraussetzungen" des § 7 Abs.1 Satz 1 BSchAV bei Prüfung der Frage zu beachten, ob die Klägerin "vermutlich" eine höherwertige Schulausbildung abgeschlossen hätte.
Im Fall der Klägerin führt dies zu dem Ergebnis, daß der "vermutliche" Abschluß einer höherwertigen Schulausbildung nicht angenommen werden kann. Denn ungeachtet etwaiger persönlicher Ausgangsvoraussetzungen (§ 7 Abs.1 Satz 2 BSchAV) wurde der Zugang zu und damit auch der Abschluß einer höherwertigen Schulausbildung in keiner Weise durch die 1945 erlittene Gesundheitsschädigung (nur diese und deren Folgen werden entschädigt, nicht aber die Folgen der Deportation/Internierung; vgl. BSG vom 23.07.1969, 10 RV 711/67 = BVBl.1970, 45), sondern allein durch die Deportation der Klägerin verhindert. Nur wegen der Lebensbedingungen als Deutschstämmige nach 1945 in der Sowjetunion (Asbest/Ural; ab 1964 Duschanbe/Tadschikistan) war - wie die Klägerin selbst vorträgt (Berufungsbegründung vom 11.10. 1995, Blatt 3) - eine höherwertige Schulausbildung mit entsprechendem Abschluß unmöglich; die Schädigung der Klägerin (Nierenerkrankung) war hierauf ohne Einfluß.
Für die von der Klägerin hilfsweise begehrte Einstufung nach Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit in der privaten Wirtschaft (§ 3 BSchAV) lagen die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalls nicht vor. Denn dieses Vergleichseinkommen errechnet sich nach § 30 Abs.5 BVG aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Eine solche Prognose kann mit Wahrscheinlichkeit nicht gestellt werden. Zum Zeitpunkt der Schädigung hatte die Klägerin weder einen besonderen Arbeits- und Ausbildungswillen betätigt, noch berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt. Sie hatte bis dahin lediglich übergangsweise als Landwirtschaftshilfe gearbeitet. Während ihrer Tätigkeit als Babysitter von Juni 1946 bis Februar 1947 war ihre Berufsausübung bereits durch die um die Jahrswende 1945/46 erlittene Schädigung beeinträchtigt.
Die von der Klägerin selbst gestellte Prognose (Malerin, Putzfrau) ist diffus und würde auch zu keiner höheren als der gewährten Leistung führen. Die Klägerin mag sich vor Augen halten, daß bei einer Einstufung in eine unselbständige Tätigkeit in der privaten Wirtschaft weder ein Vertreibungsschaden (BSG, SozR 2000 § 30 Nr.58) noch ein Verschleppungsschaden (BSG vom 23.07.1969, BVBl 70, 45) Entschädigung findet. Mangels konkreter Anhaltspunkte für einen einzelnen Wirtschaftszweig hätte die Klägerin allenfalls als Arbeiterin in der Industrie nach den Leistungsgruppen 1, 2 oder 3 (Industrie ingesamt) eingestuft werden können (§ 3 Abs.1 Nr.1 BSchAV). Selbst mit einer Einstufung in der besten Gruppe (1) wäre sie gegenüber einem Durchschnittseinkommen der Gehaltsgruppe A 6 schlechter gestellt.
Die Entscheidung des Sozialgerichts war daher nicht zu beanstanden und die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision liegen keine Gründe vor.
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