L 15 V 25/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 V 12/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 25/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Es wird festgestellt, dass die Berufung in dem Verfahren L 15 V 45/99 gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 01.09.1999 am 22.05.2001 zurückgenommen und der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt wurde.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Bei dem am 1924 geborenen Kläger sind mit Bescheid vom 19.12.1980 als Schädigungsfolgen mit einer MdE um 50 v.H. anerkannt: "Verlust des linken Auges. Brustfellschwarte rechts mit Lungenfunktionsstörung. Narbe am linken Knie." Wiederholt versuchte der Kläger durch zwei Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit, die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung als weitere Schädigungsfolge sowie die Erhöhung der rentenberechtigenden MdE zu erstreiten. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 05.01.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 02.04.1993 wurde zuletzt jedoch vom Sozialgericht Augsburg durch Urteil vom 30.05.1996 (Az.: S 11 V 42/93) bestätigt. Aufgrund eines vor dem Landessozialgericht am 17.09.1997 (Az.: L 15 V 59/96) geschlossenen Überprüfungsvergleichs wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 19.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.03.1998 die Anerkennung eines "Zustands nach ausgedehnter, vorwiegend rechtsseitiger Lungentuberkulose mit Pleuraschwarte ohne Anhalt auf Reaktivierung" nochmals abgelehnt. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (Az.: S 11 V 12/98) endete am 01.09.1999 nach Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage von dem Internisten Dr.R. mit einem die Klage abweisenden Gerichtsbescheid. Die nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Kläger benannten Ärzte Dres. A. und W. hatten mitgeteilt, dass nach Aktenlage keine Änderung in der Bewertung der Schädigungsfolgen zu erkennen sei. Dr.R. hatte die langjährige toxische Einwirkung von Tabakteer als schädigungsfremden Grund für die Entstehung der Bronchitits des Klägers gesehen.

Im Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (L 15 V 45/99) hat der Kläger an seiner Auffassung festgehal- schädigungsbedingten Pleuraschwarte zu sehen sei. Mit Schriftsatz vom 17.04.2001 hat er vorgetragen, verschiedene Schriftstücke in seiner BVG-Akte seien verfälscht, und Kopien der angeblich microverfilmten Unterlagen verlangt. Im Erörterungstermin am 22.05.2001 ist dem Kläger zusammen mit seinem Prozessbevollmächtigten Gelegenheit gegeben worden, die von ihm angezweifelten Aktenblätter einzusehen und sich zu überzeugen, dass kein Grund zur Annahme von Fälschungen besteht. Nach seinen Angaben geht es dem Kläger um den Nachweis, schädigungsbedingt nicht nur eine Pleuritis sondern eine Lungen-Tbc durchgemacht zu haben.

Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt A. , die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 01.09.1999 zurückgenommen. Wie sich aus der Niederschrift ergibt, ist diese Erklärung von der Protokollführerin aufgenommen, vorgelesen und genehmigt worden.

Am 05.06.2001 hat der Kläger zur Niederschrift beim Amtsgericht Landsberg erklärt, er widerspreche der Erklärung seines Anwalts nach § 13 Abs.4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X); er habe nicht mitbekommen, dass die Rücknahme im Termin vorgelesen worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass die Berufung im Verfahren L 15 V 45/99 nicht wirksam zurückgenommen wurde, sowie den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 06.09.1999 sowie des Bescheids des Beklagten vom 19.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.03.1998 zu verurteilen, als weitere Schädigungsfolge einen Zustand nach ausgedehnter, vorwiegend rechtsseitiger Lungentuberkulose mit Pleuraschwarte ohne Anhalt auf Reaktivierung anzuerkennen und ihm Beschädigtenversorgung nach einer MdE von mehr als 50 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

festzustellen, dass die Berufung gegen des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 01.09.1999 (L 15 V 45/99) am 22.05.2001 wirksam zurückgenommen und der Rechtsstreit damit in der Hauptsache erledigt worden ist.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Berufungsakte des vorangegangenen Verfahrens (L 15 V 45/99) sowie den Inhalt der streitgegenständlichen Akte des Bayer. Landessozialge- richts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger eingelegte Berufung war zwar gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, der Rechtsstreit L 15 V 45/99 ist jedoch durch die im Erörterungstermin am 22.05.2001 erfolgte Berufungsrücknahme in der Hauptsache erledigt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 01.09.1999 ist somit rechtskräftig.

Die Zurücknahme der Berufung bewirkt, wenn sie - wie hier - ordnungsmäßig protokolliert wurde (§§ 156 Abs.1, 153 Abs.1, 122 SGG iVm §§ 159, 160 - insbesondere 160 Abs.3 Nr.8 -, 162 Abs.1, 163, 165 Zivilprozessordnung - ZPO -), den endgültigen Verlust des Rechtsmittels der Berufung (§ 156 Abs.2 Satz 1 SGG; BSGE 19, 120). Danach ist ein Antrag auf eine Sachentscheidung nicht mehr zulässig (BSGE 14, 138; BSG, 25.04.1980, 9 RV 16/79).

Als bedingungsfeindliche Prozesshandlung im Sinne des § 102 SGG kann eine Berufungsrücknahme nicht wegen Willensmängeln nach §§ 119 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angefochten werden (vgl. Meyer-Ladewig aaO Rdnr.7 c zu § 102).

Auch eine Wiederaufnahme des rechtskräftig beendeten Berufungsverfahrens nach §§ 179, 180 SGG iVm §§ 578 ff. ZPO ist im vorliegenden Fall nicht möglich, da weder Nichtigkeits- noch Restitutionsgründe vorliegen; sie wurden auch vom Kläger nicht geltend gemacht. Nur unter diesen Voraussetzungen wäre jedoch ein Widerruf einer Klage- oder Berufungsrücknahme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 1500 § 102 Nr.2) ausnahmsweise zulässig (vgl. auch Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage Rdnr.12 vor § 60).

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der den Kläger bereits in der ersten Instanz vertreten hat und kraft wirksamer, bei den Akten befindlicher schriftlicher Prozessvollmacht gemäß § 73 Abs.4 SGG iVm §§ 81, 84 ZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt war, hat in der nichtöffentlichen Sitzung des Bayer. Landessozialgerichts ausweislich der Niederschrift am 22.05.2001 (vgl. § 122 SGG iVm § 160 Abs.3 Nr.8 ZPO) erklärt, dass die Berufung zurückgenommen wird. Nach § 202 SGG iVm § 269 Abs.2 ZPO wurde damit das Rechtsmittel wirksam zurückgenommen und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Satz 2 SGG). Diese eindeutige Erklärung wurde laut offensichtlich vollständiger Niederschrift auch vorgelesen und genehmigt (§ 122 SGG iVm § 162 Abs.1 Satz 3 ZPO).

Nach § 122 SGG iVm § 165 ZPO werden die für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis einer Fälschung zulässig. Somit kann der Kläger mit seiner Behauptung, die Berufungsrücknahme sei nicht vorgelesen worden, nicht durchdringen. Den Nachweis einer Fälschung des Protokolls hinsichtlich des Vermerks "vorgelesen und genehmigt" hat der Kläger nicht erbracht.

Der Kläger kann auch nicht nach § 13 Abs.4 Satz 2 SGB X der Rücknahmeerkärung seines Prozessbevollmächtigten widersprechen. Rechtsanwalt A. war der Prozessbevollmächtigte des Klägers und nicht nur Beistand im Sinne des § 13 Abs.4 SGB X bzw. § 73 Abs.5 SGG, der grundsätzlich nicht für, sondern nur neben dem Kläger auftritt. Ein Widerspruchsrecht des Klägers ist im vorliegenden Fall daher nicht gegeben; im Übrigen hätte der Kläger nicht unverzüglich, d.h. bis zum Schluss des Erörterungstermins widersprochen.

Somit ist lediglich festzustellen, dass die Berufung im Verfahren L 15 V 45/99 wirksam zurückgenommen worden ist. Einer Entscheidung in der Sache selbst bedarf es nicht, da der Rechtsstreit in der Hauptsache bereits erledigt ist (§ 156 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 SGG liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 193, 183 SGG.
Rechtskraft
Aus
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