L 9 AL 109/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 446/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 109/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 01.03.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Ausstellen einer Arbeitsbescheinigung.

Der 1947 geborene Kläger, rumänischer Staatsangehöriger, befindet sich seit 26.03.1991 in deutscher Strafhaft, seit 16.10. 1991 in der JVA Straubing.

Er leistete von Februar 1992 bis 29.10.1997 Gefangenenarbeit nach den §§ 37, 41 Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

Am 10.11.1997 beantragte er unter Hinweis auf § 133 Abs.1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über seine in diesem Zeitraum geleistete Gefangenenarbeit. Der Antrag wurde seitens der JVA mit schriftlicher Verfügung vom 10.11.1997 abgelehnt, was dem Kläger am 12.11. 1997 eröffnet wurde.

Am 14.11.1997 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Regensburg und beantragte, den Freistaat Bayern zu verpflichten, ihm eine Arbeitsbescheinigung für die Zeit von Februar 1992 bis 29.10.1997 auszustellen.

Das SG Regensburg hat sich mit Beschluss vom 25.11.1997 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Landshut verwiesen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen. Nach § 133 Abs.4 AFG sei die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über Zeiten der Gefangenenarbeit von Strafgefangenen erst nach Beendigung der Strafverbüßung vorgesehen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2000 abgewiesen.

Zwar sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten zu bejahen. Es fehle aber am Bedürfnis für die Erteilung einer Arbeitsbescheinigung. Eine Arbeitsbescheinigung diene als Grundlage für die Bewilligung von Leistungen bei Eintritt der Arbeitslosigkeit. Dieser Fall könne aber frühestens bei Beendigung der Strafhaft des Klägers eintreten, die derzeit nicht abzusehen sei. Dies sei auch der Sinn der §§ 133 Abs.4 AFG bzw. 312 Abs.4 SGB III, die dem Strafgefangenen einen Anspruch auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über die Zeiten der Gefangenenarbeit erst nach Strafverbüßung einräumten. Im Hinblick darauf sei die Klage jedenfalls unbegründet.

Mit der Berufung trägt der Kläger vor, dass § 133 Abs.4 AFG nicht einschlägig sei; ihm sei als "Zwischenbescheinigung" eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs.1 AFG auszustellen. Mit der Beendigung seiner Gefangenenarbeit am 29.10.1997 sei nämlich ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne vom § 133 Abs.1 AFG beendet worden. Auch müsse geprüft werden, ob die JVA seine Tätigkeit bei den Einzugsstellen angemeldet habe.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 01.03.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine Arbeitsbescheinigung für die Zeit von Februar 1992 bis 29.10.1997 auszustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Ausstellen einer Arbeitsbescheinigung für Strafgefangene habe in § 133 Abs.4 AFG bzw. § 312 Abs.4 SGB III eine spezielle Regelung gefunden.

Der Senat hat die Gerichtsakten erster Instanz beigezogen.

Die JVA hat dem Senat mitgeteilt, dass der zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Kläger nicht den Status eines Freigängers besitze und keine Lockerungen des Vollzugs gemäß § 11 StVollzG genieße und für Derartiges auch nicht vorgesehen sei.

Des Weiteren hat die JVA dem Senat einen Beschluss der zweiten auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 16.02.1998 (Az.: StVK 72/94 (9) übersandt. Darin verpflichtet die Strafkammer die JVA Straubing, dem Kläger Bestätigungen für Zeiten der Überstellung zu Zeugenterminen im Zeitraum vom 08.10.1997 bis 29.10.1997 zwecks Berechnung einer eventuellen Verdienstausfallentschädigung zu erteilen. Die entgegenstehenden Weigerungen der JVA vom 07.11. 1997 und 12.11.1997 würden aufgehoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt.

Das SG hat die Klage auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über die vom Kläger von Februar 1992 bis 29.10.1997 geleistete Gefangenenarbeit im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Sozialgerichten ist im Rechtsmittelzug nicht mehr zu prüfen, nachdem das SG in den Gründen des Urteils vorab hierüber entschieden hat (§ 17a Abs.5 Gerichtsverfassungsgesetz, Kissel Rdz.18 zu § 17 GVG).

Der Senat ist durch den Beschluss der zweiten Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg vom 16.02.1998 nicht an einer Entscheidung über die Klage gehindert. Die zweite auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg hat im Urteil vom 16.02.1998 ausdrücklich festgestellt, dass, soweit die JVA den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Arbeitsbescheinigung im Sinne von § 133 Abs.1 AFG abgelehnt habe, dieser keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die Strafkammer gestellt habe und dies auch nicht Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gewesen sei (S.3 und 5 des Beschlusses).

Der Klage mangelt es auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn ein Leistungsverfahren bei der Arbeitsverwaltung liefe (vgl. BAG Nr.21 zu § 2 ArbGG 1979, BSG SozR 3-4100 § 133 Nr.1).

Innerhalb des eingeschlagenen Rechtsweges handelt es sich um eine echte Leistungsklage entsprechend § 54 Abs.5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein Verwaltungsakt hatte auf den Antrag des Klägers vom 10.11.1997 auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über die von ihm geleistete Gefangenenarbeit nicht zu ergehen. Die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung, gleich ob nach § 133 Abs.1 Satz 4 AFG (§ 312 Abs.1 Satz 3 SGB III) oder nach § 133 Abs.4 AFG (§ 312 Abs.4 SGB III) oder auch deren Verweigerung ist keine Maßnahme nach § 109 Abs.1 StVollzG. Die JVA trifft insoweit keine Regelung auf dem Gebiet des Strafvollzuges. Vielmehr handelt sie als Arbeitgeber (OLG Koblenz vom 14.12.1983 NStZ 1984, 288).

Die zulässige Klage ist aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung über die von ihm vom Februar 1992 bis 29.10. 1997 geleistete Gefangenenarbeit.

Zweifelsfrei ergibt sich ein solcher nicht aus § 133 Abs.4 AFG (§ 312 Abs.4 SGB III). Diese Vorschrift gibt einen Anspruch auf eine Bescheinigung über die Zeiten der beitragspflichtigen Gefangenenarbeit eines Strafgefangenen nämlich erst nach Beendi- gung des Strafvollzuges.

In Erkenntnis dessen stützt der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Ausstellen einer Arbeitsbescheinigung als eine "Zwischenbescheinigung" auf § 133 Abs.1 AFG (§ 312 Abs.1 SGB III). Ein Anspruch des Strafgefangenen auf Ausstellen einer derartigen "Zwischenbescheinigung" nach § 133 Abs.1 AFG (§ 312 Abs.1 SGB III) ist nicht von vornherein durch § 133 Abs.4 AFG (§ 312 Abs.4 SGB III) als Spezialregelung ausgeschlossen. Dies folgt daraus, dass der Strafgefangene auch noch während der Strafhaft als Freigänger Arbeitslosengeld beziehen kann und zwar auch bereits vor der Aufnahme einer erstmaligen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG vom 16.10.1990 SozR 3-4100 § 103 Nr.2, zur Möglichkeit einer abstrakten Zulassung zum Freigang s. Berliner Kammergericht vom 17.09.1992 NStZ 1993, 100). Um noch während der Strafhaft als Freigänger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen zu können, benötigt der Stragefangene wie auch ein anderer Arbeitsloser eine Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs.1 AFG (§ 312 Abs.1 SGB III).

Eine solche Möglichkeit der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld aufgrund der durch die bisherige Gefangenenarbeit erworbenen Anwartschaft besteht für den Strafgefangenen aber erst bzw. nur dann, wenn er den Freigängerstatus erlangt. Nur für diesen Fall, nämlich unter der Voraussetzung des Status eines Freigängers, lässt sich der Strafgefangene dem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitslosen gleichstellen und kann er einen Anspruch auf Ausstellen einer Arbeitsbescheinigung nach § 133 Abs.1 AFG (§ 312 ABs.1 SGB III) haben. Da diese Voraussetzung beim Kläger nicht gegeben ist, hat er auch keinen Anspruch auf Ausstellung einer "Zwischenbescheinigung" nach § 133 Abs.1 AFG (§ 312 Abs.1 SGB III).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen. Es erscheint sinnvoll, die höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Frage der Anwendbarkeit des § 133 Abs.1 Satz 5 AFG (§ 312 Abs.1 Satz 3 SGB III) auf Strafgefangene zu befassen, nachdem, wie ausgeführt, der 11. Senat des BSG im Urteil vom 16.10.1990 (SozR 3-4100 § 103 Nr.2) dem Strafgefangenen mit Freigängerstatus einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zuerkennt und außerdem der 7. Senat im Urteil vom 29.04.1998 (SozR 3-4100 § 101 Nr.8) zeitlich in etwa zusammenhängende Zeiten einer Gefangenenarbeit als ein (Arbeitslosigkeit ausschließendes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Arbeitsförderungsrechts ansieht (s. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 15.10.1998, Az.: L 9 AL 385/96).
Rechtskraft
Aus
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