L 10 AL 135/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 392/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 135/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.02.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Fahrtkostenbeihilfe nach § 53 Abs 2 Nr 3 a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) an den Kläger vom 17.08.1998 bis 16.02.1999.

Der am 1973 geborene Kläger war bis Juli 1998 bei der R. M. GmbH, Hart- und Software, beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete aufgrund des Vergleiches vor dem Arbeitsgericht Weiden vom 07.09.1998 (Az: 5 Ca 956/98) durch ordentliche, fristgerechte, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 30.06.1998 mit Ablauf des 31.07.1998. Im Juli 1998 bezog der Kläger ein monatliches Gesamt-Bruttogehalt in Höhe von 2.750,- DM.

Am 17.08.1998 nahm der Kläger eine Beschäftigung bei der R. EDV in N. auf. Nach dem Anstellungsvertrag vom 24.07.1998 erhielt er ein monatliches Festgehalt von 3.000,- DM brutto, zuzüglich einer monatlichen Provision von 1 % vom Rohertrag (Differenz zwischen Nettoeinkaufs- und Nettoverkaufspreis) aus dem Verkauf von Hardware und Software bei mindestens 80 %iger Zielerreichung. Daneben wurden eine Gratifikation und ein Urlaubsgeld vereinbart.

Am 03.08.1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Fahrtkostenbeihilfe für die Arbeitsaufnahme bei der R. EDV, da er die Fahrtkosten für die 128 km von seiner Wohnung in Nürnberg zur Arbeitsstelle in N. nicht selbst aufbringen könne.

Mit Bescheid vom 03.08.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aufgrund des bisherigen Berufsverlaufes des Klägers könne nicht erwartet werden, dass der Leistungszweck, seine dauerhafte berufliche Eingliederung, durch die Gewährung von Fahrtkostenbeihilfe erreicht werden könne.

Hiergegen erhob der Kläger am 03.09.1998 Widerspruch. Er verfüge zwar über ein Netto-Einkommen von ca 2.350,- DM. Ihm entstünden jedoch aufgrund seiner monatlichen Fahrtstrecken (ca 5.200 km) Fahrtkosten in Höhe von ca 350,- DM pro Monat. Der Verschleiß seines PKW sei mindestens mit 250,- bis 300,- DM anzusetzen, hinzu kämen noch anfallende Reparaturkosten. Neben anderen monatlichen Belastungen verblieben dem Kläger lediglich ca 1.500,- DM netto monatlich. Die Ablehnung der Fahrtkostenbeihilfe mit der Begründung, sein bisheriger Berufsweg spreche nicht für eine dauerhafte Beschäftigung, sei im Übrigen ermessensfehlerhaft.

Mit Bescheid vom 01.03.1999 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 03.08.1998 auf, lehnte jedoch den Antrag auf Gewährung von Fahrtkostenbeihilfe an den Kläger wiederum ab. Unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, insbesondere der Tatsache, dass er in den Jahren von 1993 an nur im Januar 1997 an einem Tag, im November 1997 einen Monat sowie im August 1998 an 16 Tagen arbeitslos gewesen sei, liege eine mangelnde Eigenleistungsfähigkeit des Klägers nicht vor. Im Übrigen bestehe nicht die Notwendigkeit einer auswärtigen Arbeitsaufnahme, da gleichartige Stellen im Raum Nürnberg vorhanden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.1999 wies die Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 21.04.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Von seinem monatlichen Netto-Einkommen müsse er ein Darlehnen in Höhe von 163,- DM tilgen, Miete in Höhe von 372,39 DM sowie Kosten für Strom und Wasser in Höhe von 103,- DM aufwenden. Hinzu kämen Telefonkosten sowie der Aufwand für Versicherungen in Höhe von 450,- DM und zusätzlich Werbungskosten in Höhe von ca 364,-DM, so dass ihm lediglich 847,61 DM zum Leben verblieben, was dem Sozialhilfesatz entspräche.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 03.02.2000 abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Ermessensvorschrift des § 53 Abs 2 Nr 3 SGB III lägen nicht vor. Der Arbeitsmarkt im Großraum Nürnberg sei für EDV-Fachleute derartig günstig, dass der Kläger eine wohnortnahe Beschäftigung in Nürnberg hätte aufnehmen können. Eine Arbeitsaufnahme wäre jedoch an seinen Gehaltsforderungen gescheitert. Darüber hinaus sei dem Kläger zumutbar gewesen, die erhöhten Fahrtkosten in den ersten 6 Monaten seiner Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber selbst aufzubringen. Die Mietverpflichtung und die Darlehensrate von 163,- DM seien nicht als derart außergewöhnlich einzustufen, dass eine stärkere Belastung gegenüber durchschnittlichen Arbeitnehmern vorliege. Den Verschleiß des für die Fahrt zur Arbeit benutzten PKW betreffe jeden Arbeitnehmer gleichermaßen. Seine monatliche Versicherungsrate in Höhe von 450,- DM erscheine angesichts der laufenden Einkünfte zweifelhaft. Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 53, 54 SGB III nicht vorlägen, sei die zutreffende Ermessensausübung durch die Beklagte nicht mehr entscheidungserheblich.

Gegen das ihm am 24.02.2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 22.03.2000 beim Bayer.Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung, die schriftlich nicht begründet wurde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 03.02.2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 03.08.1998 und 01.03.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über seinen Antrag auf Gewährung von Fahrtkostenbeihilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Kläger gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 03.02.2000 zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers im Jahre 1998 hat der Senat vergeblich aufzuklären versucht. Die mit Schreiben vom 20.02.2001, 16.10.2001 und 07.11.2001 angeforderten Einkommenssteuerbescheide, Miet-, Darlehens- und Versicherungsverträge hat der Kläger nicht vorgelegt.

Auf die Verwaltungsakten der Beklagten, des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 143 SGG).

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel jedoch als unbegründet, denn das SG hat mit Urteil vom 03.02.2000 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.03.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 24.03.1999 zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Fahrtkostenbeihilfe nach § 53 SGB III bzw auf pflichtgemäße Ermessenausübung hatte.

Nach § 53 Abs 1 SGB III können Arbeitslose, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, durch Mobilitätshilfen gefördert werden, soweit (1.) dies zur Aufnahme der Beschäftigung notwendig ist und (2.) sie die erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen können. Die Mobilitätshilfen bei Aufnahme einer Beschäftigung umfassen gemäß § 53 Abs 2 Nr 3 SGB III bei auswärtiger Arbeitsaufnahme ua die Übernahme der Kosten für tägliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle (Fahrtkostenbeihilfe). Gemäß § 54 Abs 3 SGB III können als Fahrtkostenbeihilfe für die ersten 6 Monate der Beschäftigung die berücksichtigungsfähigen Fahrtkosten übernommen werden.

Die Leistungen im Rahmen der Mobilitätshilfen sind dabei Kann-Leistungen, bei deren Gewährung der Beklagten ein Ermessen bei der Prüfung des Einzelfalles eingeräumt ist (vgl dazu auch Niesel-Menard SGB III § 53 RdNr 2). Eine Ermessensausübung kommt allerdings erst dann in Betracht, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Mobilitätshilfen gegeben sind.

Diese hat das SG im Falle des Klägers zu Recht verneint, da es dem Kläger wirtschaftlich möglich gewesen wäre, in den ersten 6 Monaten seiner Beschäftigung bei der R. EDV in N. die erforderlichen Mittel für die entstehenden Fahrtkosten selbst aufzubringen.

Die Höhe der monatlichen Netto-Einkünfte und laufenden Kosten des Klägers im fraglichen Zeitraum hat der Senat vergeblich zu ermitteln versucht. Der Kläger hat hierzu im Berufungsverfahren - trotz mehrmaliger Aufforderung - keine entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Unter Berücksichtigung seiner Angaben im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren bezog er vom 17.08.1998 bis 16.02.1999 ein Netto-Einkommen von 2.350,- DM. Die laufenden monatlichen Kosten des Klägers betrugen 1.188,39 DM (Darlehensrate in Höhe von 163,- DM, Monatsmiete 372,39 DM, Kosten für Strom und Wasser 103,- DM, für Versicherungen 450,- DM und Telefonkosten von ca 100,- DM). Ihm verblieb danach ein Betrag von 1.161,61 DM im Monat.

Die erforderlichen Mittel für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle iS des § 53 SGB III, die der Kläger selbst mit ca 350,- DM pro Monat beziffert hat, konnte er nach Auffassung des Senates aufgrund des ihm verbleibenden Betrages daher selbst aufbringen, ohne in wirtschaftliche Not zu geraten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass erforderlich im Rahmen der Mobilitätshilfe nach § 53 SGB III nur die Fahrtkosten sind, die dem Kläger im Förderungszeitraum tatsächlich entstehen. Dies sind jedoch lediglich die anfallenden Fahrtkosten, nicht jedoch Kosten für Verschleiß bzw Reparatur des benutzten Fahrzeuges, so dass letztere - entgegen der Auffassung des Klägers - bei der Ermittlung der erforderlichen Mittel für tägliche Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle außer Betracht bleiben müssen. Dass dem Kläger im streitigen Zeitraum Kosten für Reparatur oder Ersatzbeschaffung des von ihm für die Fahrten nach N. benutzten Fahrzeuges entstanden sind, hat er nicht vorgetragen. Zum anderen dürften auch im Rahmen des § 53 SGB III bei Benutzung nicht-öffentlicher Verkehrsmittel Fahrtkosten als Kilometergeldpauschale erstattungsfähig sein (vgl zum früheren Recht: §§ 7 Abs 2, 10 der Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme - AFdA, die eine Kilometergeldpauschale in Höhe von 0,25-DM je gefahrenen Kilometer vorsahen).

Da mithin bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 SGB III nicht vorlagen, kann es dahinstehen, ob die Beklagte von dem ihr im Rahmen dieser Vorschrift eingeräumten Ermessen zweckentsprechend Gebrauch gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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