Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 Al 672/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 14/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Arbeitslosenhilfe (Alhi) des Klägers für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 weiterhin nach einem wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.590,00 DM zu bemessen ist.
Der am 1941 geborene Kläger war vom 01.04.1980 bis 01.10.1986 bei der F. GmbH als Volljurist beschäftigt und nach Vergütungsgruppe I BAT besoldet worden. Seit dem Ausscheiden des zuletzt in Vergütungsgruppe V c BAT eingruppierten Versicherungssachbearbeiters war er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Urteil vom 12.07.1988 - Az: 4 Sa 91/96 -) zu etwa 70 vH seiner Arbeitszeit lediglich mit Versicherungsangelegenheiten befasst, die üblicherweise nicht einem akademisch vorgebildeten Mitarbeiter übertragen werden. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich zum 30.09.1986. Auf Klage stellte das Arbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 18.09.1986 fest, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.1986 aufgelöst worden sei. Hierauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Auch hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.
Am 02.10.1986 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 27.10.1986 bewilligte die Beklagte diese Leistung im Hinblick auf das noch laufende Kündigungsschutzverfahren zunächst nur vorläufig und legte bei der Bemessung des Alg das in den Monaten Juli bis September 1986 abgerechnete Arbeitsentgelt von 5.561,13 DM monatlich zugrunde. Nach Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung durch das Arbeitsgericht Nürnberg bewilligte die Beklagte Alg ab 01.01.1987 endgültig und führte in dem Bescheid vom 19.05.1988 aus, dies bedeute die endgültige Festsetzung des Leistungsbeginns und der Anspruchsdauer. Eine Neuberechnung des Alg sei nicht möglich, da für die Höhe der Leistung die beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.1986 abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume maßgebend seien. Die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, bei der Bemessung müsse das höhere Arbeitsentgelt der Monate Oktober bis Dezember 1986, das ihm der Arbeitgeber auf Grund der geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren nachzuzahlen habe, zugrunde gelegt werden, wies das Sozialgericht Würzburg (SG) mit rechtskräftigem Urteil vom 12.09.1989 ab (Az: S 10 Al 296/88). Ebenso wies es die mit gleicher Begründung auf Höherbemessung der ab 29.10.1988 bezogenen Alhi gerichtete Klage mit Urteil vom 28.02.1991 ab (Az: S 6 Al 402/89).
Mit Bescheid vom 19.10.1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 02.10.1989 (Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts) nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.290,00 DM. Sie führte aus, die Alhi sei, da seit dem Ende des Bemessungszeitraums mehr als drei Jahre vergangen seien, gem §§ 136 Abs 2 b, 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) neu zu bemessen. Es sei nunmehr das tarifliche Arbeitsentgelt des BAT II a in Höhe von monatlich 5.583,37 DM zugrunde zu legen. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.01.1990). Mit Klage machte der Kläger geltend, die Neufestsetzung dürfe erst zum 01.01.1990 vorgenommen und hierbei müsse die Vergütungsgruppe BAT-VKA I b, Stufe 11, zugrunde gelegt werden. Mit Urteil vom 28.02.1991 (Az: S 6 Al 58/90) wies das SG die Klage ab. Der maßgebliche Bemessungszeitraum habe mit der Antragstellung am 02.10.1986 begonnen; daran ändere die arbeitsgerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.1986 bestanden und der Arbeitgeber bis dahin auch das Arbeitsentgelt habe nachzahlen müssen, nichts. Das von der Beklagten zugrunde gelegte Bemessungsentgelt sei angemessen. Die hiergegen eingelegte Berufung verwarf das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) mit Urteil vom 28.04.1993 gem § 147 SGG a.F. - reiner Höhenstreit - als unzulässig (Az: L 8 AL 184/91).
Anschließend bezog der Kläger weiterhin Alhi, die zuletzt nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.590,00 DM bemessen wurde. Nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts bewilligte die Beklagte auf den Antrag vom 08.09.1995 Alhi ab 02.10.1995 nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von nur noch 1.170,00 DM (streitgegenständlicher Bescheid vom 11.10.1995). In einem Erläuterungsschreiben vom 12.10.1995 begründete die Beklagte die Neufestsetzung erneut mit der Regelung des § 136 Abs 2 b AFG. Danach sei die Alhi nach Ablauf von weiteren drei Jahren mit dem Ende des Bemessungszeitraums nach dem Arbeitsentgelt iS § 112 Abs 7 AFG zu bemessen. In Anwendung dieser Vorschriften sei der Bemessung jetzt ein tarifliches Arbeitsentgelt von monatlich 5.086,34 DM (wöchentlich gerundet 1.170,00 DM) für eine Tätigkeit als Widerspruchssachbearbeiter im öffentlichen Dienst, Vergütungsgruppe IV b BAT, gültig ab 01.05.1995, zugrunde zu legen.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, die Annahme einer Beschäftigung als Widerspruchssachbearbeiter sei unrealistisch, seiner prekären Situation habe man nicht ausreichend Rechnung getragen und im Übrigen sei eine Neubemessung frühestens zum 01.01.1996 möglich, wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme der Arbeitsvermittlung durch Widerspruchsbescheid vom 29.11.1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Mit rechtskräftigem Urteil vom 28.02.1991 habe das SG eine Neubemessung bereits zum 02.10.1989 als zutreffend festgestellt. Nach Ablauf von weiteren drei Jahren habe das Bemessungsentgelt gem § 136 Abs 2 b AFG neu festgesetzt werden müssen. Der Kläger könne im Hinblick auf sein Alter, der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der mittlerweile neunjährigen Arbeitslosigkeit das bisher angenommene Arbeitsentgelt nicht mehr erzielen. Nach lediglich 6 1/2-jähriger Beschäftigung als Volljurist könne eine Einstellung in den höheren Dienst nicht mehr realisiert werden. Eine Vermittelbarkeit sei daher höchstens im gehobenen Dienst (zB als Widerspruchssachbearbeiter) möglich.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.1995 dahingehend abzuändern, die bisherige Bemessung der Alhi beizubehalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe nicht plausibel darlegen können, warum eine Herabbemessung geboten sei. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten müssten sich weiterhin auf den Bereich seiner langjährigen Beschäftigung konzentrieren. Diesem sei ein Arbeitsentgelt in bisheriger Höhe zugrunde zu legen, denn selbst ein bestehendes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage berechtige die Beklagte nach der Rechtsprechung nicht zur Annahme, die Lage auf dem Arbeitsmarkt stehe einer Beschäftigung in diesem Beruf entgegen.
Mit Urteil vom 30.10.1997 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Bei der erstmaligen Neubemessung der Alhi habe nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Würzburg vom 28.02.1991 auf den 02.10.1989 abgestellt werden müssen. Die Beklagte habe die Alhi zutreffend unter Heranziehung der bis 30.06.1996 anzuwendenden Regelung des § 136 Abs 2 b AFG bemessen. § 136 Abs 2 b AFG n.F. sei gem § 242 v Abs 2 AFG erst mit Wirkung vom 01.07.1996 anzuwenden. Eine Rückwirkung sei nicht vorgesehen. Die von der Beklagten herangezogene Tätigkeit eines Widerspruchssachbearbeiters im öffentlichen Dienst sei dem Kläger angesichts neunjähriger Arbeitslosigkeit zumutbar. Auch sei eine Vermittlung in diesem Bereich durchaus realistisch. Käme aber keine der von der Beklagten angenommenen Tätigkeiten in Betracht, müsse der Kläger sogar auf Beschäftigungen mit geringerer Einstufung verwiesen werden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 23.12.1997 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Die Dreijahresfrist des § 136 Abs 2 b AFG berechne sich nach dem letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, somit Dezember 1986. Herabbemessungsgründe - wie zB eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit - lägen in seiner Person nicht vor. Er könne daher nicht auf eine Tätigkeit als Widerspruchssachbearbeiter - für die er keine speziellen Kenntnisse erworben habe und für die es auch wegen seines Alters keine realistischen Vermittlungschancen gebe - verwiesen werden. Im Übrigen habe die Beklagte geeignete Vermittlungsbemühungen unterlassen und ihm keine Gelegenheit zum Erwerb oder Vertiefung arbeitsmarktbezogener Spezialkenntnisse gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage des bis zum 01.10.1995 zugrunde gelegten wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelts von 1.590,00 DM zu gewähren. Hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat den Arbeitsvermittler W.L. als Zeugen gehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26.02.2002 wird insoweit verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten (Leistungsakte St-Nr: 817055), auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die Akten des SG Würzburg Az: S 10 Al 296/88, S 6 Al 402/89, S 6 Al 58/90 sowie auf die Archivakte des BayLSG Az: L 8 AL 184/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 keinen Anspruch auf Bemessung seiner Alhi auf der Grundlage des bis zum 01.10.1995 zugrunde gelegten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 1.590,00 DM.
Gem § 136 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 23.07.1979 (BGBl I S 1189) bemisst sich die Alhi grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat. Nach § 136 Abs 2 b Satz 1 1.HS.AFG in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.1985 (BGBl I S 2484) ist das für die Bemessung der Alhi maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraums nach § 112 Abs 7 AFG neu festzusetzen. Im Falle des Klägers endete der letzte Bemessungszeitraum am 01.10.1995. Insoweit hat bereits das SG mit rechtskräftigem Urteil vom 28.02.1991 festgestellt, der maßgebliche Bemessungszeitraum habe - unbeschadet der arbeitsgerichtlichen Feststellung über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis 31.12.1986 - am 02.10.1986 begonnen. Dieses nach § 141 Abs 1 SGG rechtskräftig gewordene Urteil hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Damit war nach Ablauf weiterer Dreijahresabschnitte das Arbeitsentgelt zum 02.10.1995 durch die Beklagte neu festzustellen.
Auf § 136 Abs 2 b AFG in der Fassung des Gesetzes vom 24.06.1996 (BGBl I 878) kann sich der Kläger nicht berufen. Die Neufassung sieht abweichend von der bisherigen im Dreijahresturnus vorzunehmenden individuellen Neubemessung jetzt eine rein rechnerisch-schematische Neubemessung im jährlichen Turnus vor. Allerdings ist nach der Übergangsregelung des § 242 v Abs 2 AFG die Neufassung des § 136 Abs 2 b AFG erst ab 01.07.1996 anzuwenden, so dass sie für die Neubemessung im vorliegenden Fall noch keine Bedeutung erlangt (Kärcher in Niesel, Arbeitsförderungsgesetz, 2.Aufl, § 136 RdNr 13).
Die Beklagte ist ab 02.10.1995 zu Recht nicht mehr von einer Vermittlungsmöglichkeit des Klägers als Volljurist im höheren Dienst ausgegangen. Es hat sich nämlich bereits ab 1988 gezeigt, dass Vermittlungsbemühungen für adäquate Tätigkeiten des Klägers in der freien Wirtschaft kaum Erfolgsaussichten hatten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Beklagten (ZAV) vom 26.01.1988/08.03.1988. Danach haben Industrieunternehmen in aller Regel nur den jüngeren Juristen (nicht älter als 35 Jahre), zB als Mitarbeiter in der Rechtsabteilung, nachgefragt. Bei qualifizierteren Industriepositionen - wie zB einer Tätigkeit als Syndikus bzw als Leiter einer Rechtsabteilung - wurde neben dem fachspezifischen Wissen grundsätzlich Industrieerfahrung (möglichst aus einem branchennahen Unternehmen) verlangt. Industrieerfahrung besitzt der Kläger aber nicht. Seine beruflichen Erfahrungen aus einem öffentlichen Dienstleistungsunternehmen entsprachen daher bereits damals nicht mehr diesen Anforderungsprofilen. Auch hatte der Kläger schon damals die nach den Erkenntnissen der ZAV hier relevante Altersgrenze von 45 Jahren überschritten. Hinzu kommt, dass nach den Äußerungen der ZAV diese Positionen quantitaviv kaum von Bedeutung waren. Außerdem kann der Kläger seine Tätigkeit bei der Flughafen GmbH weder von der Dauer noch vom Inhalt her durch ein qualifiziertes Zeugnis belegen.
Zwar ist nach der überzeugenden Aussage des vom Senat ergänzend als Zeugen gehörten Arbeitsvermittlers L. in den Jahren 1990 bis 1993 durch den Aufbau der neuen Bundesländer eine gewisse Entspannung bei der Vermittlung von Juristen eingetreten. Dieser Effekt war aber bereits 1995 wieder verpufft. Der Arbeitsmarkt für Juristen war 1995 im Gegenteil wieder sehr schwierig. Selbst berufserfahrene Juristen hatten nach den Erkenntnissen auch dieses Zeugen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt nur bis zu dem bereits genannten Alter von 45 Jahren. Der Kläger war damals aber bereits 54 Jahre. So konnte ihm lediglich 1992/1993 ein Stellenangebot für den höheren Verwaltungsdienst unterbreitet werden, bei dem eine Einstellung am Alter des Klägers jedoch scheiterte. Realistische Vermittlungschancen bestanden 1995 nur noch für nach BAT V b oder IV b bewertete Tätigkeiten. Entsprechende Stellen konnten ihm zwar angeboten werden. Eine Einstellung scheiterte jedoch, weil andere Bewerber vorgezogen wurden.
Es ergibt sich somit, dass die Beklagte die Alhi des Klägers für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 zu Recht nicht mehr nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.590,00 DM bemessen hat. Ein solches Bemessungsentgelt war für den Kläger nicht mehr realistisch. Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Arbeitslosenhilfe (Alhi) des Klägers für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 weiterhin nach einem wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.590,00 DM zu bemessen ist.
Der am 1941 geborene Kläger war vom 01.04.1980 bis 01.10.1986 bei der F. GmbH als Volljurist beschäftigt und nach Vergütungsgruppe I BAT besoldet worden. Seit dem Ausscheiden des zuletzt in Vergütungsgruppe V c BAT eingruppierten Versicherungssachbearbeiters war er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg (Urteil vom 12.07.1988 - Az: 4 Sa 91/96 -) zu etwa 70 vH seiner Arbeitszeit lediglich mit Versicherungsangelegenheiten befasst, die üblicherweise nicht einem akademisch vorgebildeten Mitarbeiter übertragen werden. Sein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich zum 30.09.1986. Auf Klage stellte das Arbeitsgericht Nürnberg mit Urteil vom 18.09.1986 fest, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.1986 aufgelöst worden sei. Hierauf kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Auch hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage.
Am 02.10.1986 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 27.10.1986 bewilligte die Beklagte diese Leistung im Hinblick auf das noch laufende Kündigungsschutzverfahren zunächst nur vorläufig und legte bei der Bemessung des Alg das in den Monaten Juli bis September 1986 abgerechnete Arbeitsentgelt von 5.561,13 DM monatlich zugrunde. Nach Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung durch das Arbeitsgericht Nürnberg bewilligte die Beklagte Alg ab 01.01.1987 endgültig und führte in dem Bescheid vom 19.05.1988 aus, dies bedeute die endgültige Festsetzung des Leistungsbeginns und der Anspruchsdauer. Eine Neuberechnung des Alg sei nicht möglich, da für die Höhe der Leistung die beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis zum 30.09.1986 abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume maßgebend seien. Die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger geltend machte, bei der Bemessung müsse das höhere Arbeitsentgelt der Monate Oktober bis Dezember 1986, das ihm der Arbeitgeber auf Grund der geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren nachzuzahlen habe, zugrunde gelegt werden, wies das Sozialgericht Würzburg (SG) mit rechtskräftigem Urteil vom 12.09.1989 ab (Az: S 10 Al 296/88). Ebenso wies es die mit gleicher Begründung auf Höherbemessung der ab 29.10.1988 bezogenen Alhi gerichtete Klage mit Urteil vom 28.02.1991 ab (Az: S 6 Al 402/89).
Mit Bescheid vom 19.10.1989 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alhi ab 02.10.1989 (Beginn des neuen Bewilligungsabschnitts) nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.290,00 DM. Sie führte aus, die Alhi sei, da seit dem Ende des Bemessungszeitraums mehr als drei Jahre vergangen seien, gem §§ 136 Abs 2 b, 112 Abs 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) neu zu bemessen. Es sei nunmehr das tarifliche Arbeitsentgelt des BAT II a in Höhe von monatlich 5.583,37 DM zugrunde zu legen. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.01.1990). Mit Klage machte der Kläger geltend, die Neufestsetzung dürfe erst zum 01.01.1990 vorgenommen und hierbei müsse die Vergütungsgruppe BAT-VKA I b, Stufe 11, zugrunde gelegt werden. Mit Urteil vom 28.02.1991 (Az: S 6 Al 58/90) wies das SG die Klage ab. Der maßgebliche Bemessungszeitraum habe mit der Antragstellung am 02.10.1986 begonnen; daran ändere die arbeitsgerichtliche Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.1986 bestanden und der Arbeitgeber bis dahin auch das Arbeitsentgelt habe nachzahlen müssen, nichts. Das von der Beklagten zugrunde gelegte Bemessungsentgelt sei angemessen. Die hiergegen eingelegte Berufung verwarf das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) mit Urteil vom 28.04.1993 gem § 147 SGG a.F. - reiner Höhenstreit - als unzulässig (Az: L 8 AL 184/91).
Anschließend bezog der Kläger weiterhin Alhi, die zuletzt nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.590,00 DM bemessen wurde. Nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts bewilligte die Beklagte auf den Antrag vom 08.09.1995 Alhi ab 02.10.1995 nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von nur noch 1.170,00 DM (streitgegenständlicher Bescheid vom 11.10.1995). In einem Erläuterungsschreiben vom 12.10.1995 begründete die Beklagte die Neufestsetzung erneut mit der Regelung des § 136 Abs 2 b AFG. Danach sei die Alhi nach Ablauf von weiteren drei Jahren mit dem Ende des Bemessungszeitraums nach dem Arbeitsentgelt iS § 112 Abs 7 AFG zu bemessen. In Anwendung dieser Vorschriften sei der Bemessung jetzt ein tarifliches Arbeitsentgelt von monatlich 5.086,34 DM (wöchentlich gerundet 1.170,00 DM) für eine Tätigkeit als Widerspruchssachbearbeiter im öffentlichen Dienst, Vergütungsgruppe IV b BAT, gültig ab 01.05.1995, zugrunde zu legen.
Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser geltend machte, die Annahme einer Beschäftigung als Widerspruchssachbearbeiter sei unrealistisch, seiner prekären Situation habe man nicht ausreichend Rechnung getragen und im Übrigen sei eine Neubemessung frühestens zum 01.01.1996 möglich, wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme der Arbeitsvermittlung durch Widerspruchsbescheid vom 29.11.1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Mit rechtskräftigem Urteil vom 28.02.1991 habe das SG eine Neubemessung bereits zum 02.10.1989 als zutreffend festgestellt. Nach Ablauf von weiteren drei Jahren habe das Bemessungsentgelt gem § 136 Abs 2 b AFG neu festgesetzt werden müssen. Der Kläger könne im Hinblick auf sein Alter, der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der mittlerweile neunjährigen Arbeitslosigkeit das bisher angenommene Arbeitsentgelt nicht mehr erzielen. Nach lediglich 6 1/2-jähriger Beschäftigung als Volljurist könne eine Einstellung in den höheren Dienst nicht mehr realisiert werden. Eine Vermittelbarkeit sei daher höchstens im gehobenen Dienst (zB als Widerspruchssachbearbeiter) möglich.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Würzburg erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.1995 dahingehend abzuändern, die bisherige Bemessung der Alhi beizubehalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe nicht plausibel darlegen können, warum eine Herabbemessung geboten sei. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten müssten sich weiterhin auf den Bereich seiner langjährigen Beschäftigung konzentrieren. Diesem sei ein Arbeitsentgelt in bisheriger Höhe zugrunde zu legen, denn selbst ein bestehendes Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage berechtige die Beklagte nach der Rechtsprechung nicht zur Annahme, die Lage auf dem Arbeitsmarkt stehe einer Beschäftigung in diesem Beruf entgegen.
Mit Urteil vom 30.10.1997 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Bei der erstmaligen Neubemessung der Alhi habe nach dem rechtskräftigen Urteil des SG Würzburg vom 28.02.1991 auf den 02.10.1989 abgestellt werden müssen. Die Beklagte habe die Alhi zutreffend unter Heranziehung der bis 30.06.1996 anzuwendenden Regelung des § 136 Abs 2 b AFG bemessen. § 136 Abs 2 b AFG n.F. sei gem § 242 v Abs 2 AFG erst mit Wirkung vom 01.07.1996 anzuwenden. Eine Rückwirkung sei nicht vorgesehen. Die von der Beklagten herangezogene Tätigkeit eines Widerspruchssachbearbeiters im öffentlichen Dienst sei dem Kläger angesichts neunjähriger Arbeitslosigkeit zumutbar. Auch sei eine Vermittlung in diesem Bereich durchaus realistisch. Käme aber keine der von der Beklagten angenommenen Tätigkeiten in Betracht, müsse der Kläger sogar auf Beschäftigungen mit geringerer Einstufung verwiesen werden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 23.12.1997 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Die Dreijahresfrist des § 136 Abs 2 b AFG berechne sich nach dem letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, somit Dezember 1986. Herabbemessungsgründe - wie zB eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit - lägen in seiner Person nicht vor. Er könne daher nicht auf eine Tätigkeit als Widerspruchssachbearbeiter - für die er keine speziellen Kenntnisse erworben habe und für die es auch wegen seines Alters keine realistischen Vermittlungschancen gebe - verwiesen werden. Im Übrigen habe die Beklagte geeignete Vermittlungsbemühungen unterlassen und ihm keine Gelegenheit zum Erwerb oder Vertiefung arbeitsmarktbezogener Spezialkenntnisse gegeben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 30.10.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 Arbeitslosenhilfe auf der Grundlage des bis zum 01.10.1995 zugrunde gelegten wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelts von 1.590,00 DM zu gewähren. Hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat den Arbeitsvermittler W.L. als Zeugen gehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26.02.2002 wird insoweit verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten (Leistungsakte St-Nr: 817055), auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die Akten des SG Würzburg Az: S 10 Al 296/88, S 6 Al 402/89, S 6 Al 58/90 sowie auf die Archivakte des BayLSG Az: L 8 AL 184/91 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 keinen Anspruch auf Bemessung seiner Alhi auf der Grundlage des bis zum 01.10.1995 zugrunde gelegten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 1.590,00 DM.
Gem § 136 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AFG in der Fassung des Gesetzes vom 23.07.1979 (BGBl I S 1189) bemisst sich die Alhi grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, nach dem sich zuletzt das Alg gerichtet hat. Nach § 136 Abs 2 b Satz 1 1.HS.AFG in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.1985 (BGBl I S 2484) ist das für die Bemessung der Alhi maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraums nach § 112 Abs 7 AFG neu festzusetzen. Im Falle des Klägers endete der letzte Bemessungszeitraum am 01.10.1995. Insoweit hat bereits das SG mit rechtskräftigem Urteil vom 28.02.1991 festgestellt, der maßgebliche Bemessungszeitraum habe - unbeschadet der arbeitsgerichtlichen Feststellung über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis 31.12.1986 - am 02.10.1986 begonnen. Dieses nach § 141 Abs 1 SGG rechtskräftig gewordene Urteil hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Damit war nach Ablauf weiterer Dreijahresabschnitte das Arbeitsentgelt zum 02.10.1995 durch die Beklagte neu festzustellen.
Auf § 136 Abs 2 b AFG in der Fassung des Gesetzes vom 24.06.1996 (BGBl I 878) kann sich der Kläger nicht berufen. Die Neufassung sieht abweichend von der bisherigen im Dreijahresturnus vorzunehmenden individuellen Neubemessung jetzt eine rein rechnerisch-schematische Neubemessung im jährlichen Turnus vor. Allerdings ist nach der Übergangsregelung des § 242 v Abs 2 AFG die Neufassung des § 136 Abs 2 b AFG erst ab 01.07.1996 anzuwenden, so dass sie für die Neubemessung im vorliegenden Fall noch keine Bedeutung erlangt (Kärcher in Niesel, Arbeitsförderungsgesetz, 2.Aufl, § 136 RdNr 13).
Die Beklagte ist ab 02.10.1995 zu Recht nicht mehr von einer Vermittlungsmöglichkeit des Klägers als Volljurist im höheren Dienst ausgegangen. Es hat sich nämlich bereits ab 1988 gezeigt, dass Vermittlungsbemühungen für adäquate Tätigkeiten des Klägers in der freien Wirtschaft kaum Erfolgsaussichten hatten. Dies ergibt sich aus den Ausführungen der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung der Beklagten (ZAV) vom 26.01.1988/08.03.1988. Danach haben Industrieunternehmen in aller Regel nur den jüngeren Juristen (nicht älter als 35 Jahre), zB als Mitarbeiter in der Rechtsabteilung, nachgefragt. Bei qualifizierteren Industriepositionen - wie zB einer Tätigkeit als Syndikus bzw als Leiter einer Rechtsabteilung - wurde neben dem fachspezifischen Wissen grundsätzlich Industrieerfahrung (möglichst aus einem branchennahen Unternehmen) verlangt. Industrieerfahrung besitzt der Kläger aber nicht. Seine beruflichen Erfahrungen aus einem öffentlichen Dienstleistungsunternehmen entsprachen daher bereits damals nicht mehr diesen Anforderungsprofilen. Auch hatte der Kläger schon damals die nach den Erkenntnissen der ZAV hier relevante Altersgrenze von 45 Jahren überschritten. Hinzu kommt, dass nach den Äußerungen der ZAV diese Positionen quantitaviv kaum von Bedeutung waren. Außerdem kann der Kläger seine Tätigkeit bei der Flughafen GmbH weder von der Dauer noch vom Inhalt her durch ein qualifiziertes Zeugnis belegen.
Zwar ist nach der überzeugenden Aussage des vom Senat ergänzend als Zeugen gehörten Arbeitsvermittlers L. in den Jahren 1990 bis 1993 durch den Aufbau der neuen Bundesländer eine gewisse Entspannung bei der Vermittlung von Juristen eingetreten. Dieser Effekt war aber bereits 1995 wieder verpufft. Der Arbeitsmarkt für Juristen war 1995 im Gegenteil wieder sehr schwierig. Selbst berufserfahrene Juristen hatten nach den Erkenntnissen auch dieses Zeugen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt nur bis zu dem bereits genannten Alter von 45 Jahren. Der Kläger war damals aber bereits 54 Jahre. So konnte ihm lediglich 1992/1993 ein Stellenangebot für den höheren Verwaltungsdienst unterbreitet werden, bei dem eine Einstellung am Alter des Klägers jedoch scheiterte. Realistische Vermittlungschancen bestanden 1995 nur noch für nach BAT V b oder IV b bewertete Tätigkeiten. Entsprechende Stellen konnten ihm zwar angeboten werden. Eine Einstellung scheiterte jedoch, weil andere Bewerber vorgezogen wurden.
Es ergibt sich somit, dass die Beklagte die Alhi des Klägers für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 zu Recht nicht mehr nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.590,00 DM bemessen hat. Ein solches Bemessungsentgelt war für den Kläger nicht mehr realistisch. Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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