L 11 AL 168/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 755/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 168/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.03.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Feststellung einer Sperrzeit vom 07.10.1995 bis 29.12.1995 und die Erstattung von Arbeitslosengeld(Alg)-Leistungen in Höhe von 6.861,60 DM.

Der am 1950 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am 13.09.1995 bei der Beklagten arbeitslos und erhielt auf seinen Antrag vom gleichen Tag Alg (Bescheide vom 26.10.1995 und 11.07.1996).

Durch eine Mitteilung der LVA Unterfranken erfuhr die Beklagte, dass der Kläger vom 04.10.1995 bis 06.10.1995 eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hatte. Sie forderte ihn daraufhin mit Schreiben vom 23.07.1997 bzw 15.09.1997 zur Vorlage einer Arbeitsbescheinigung bzw einer Stellungnahme auf.

Nach der Arbeitsbescheinigung der R. K. GmbH in K. vom 18.11.1997 war der Kläger dort vom 04.10.1995 bis 06.10.1995 beschäftigt gewesen und hatte ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 386,40 DM. Das Arbeitsverhältnis sei auf Grund des vertragswidrigen Verhaltens des Klägers gekündigt worden, da dieser ohne jegliche Entschuldigung bzw Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung acht Tage am Arbeitsplatz gefehlt habe.

Mit Bescheid vom 04.08.1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 07.10.1995 bis 29.12.1995 fest und forderte den Kläger zur Erstattung des zu Unrecht erbrachten Alg in Höhe von 6.861,60 DM auf.

Auf den hiergegen am 08.09.1998 eingelegten Widerspruch ermittelte die Beklagte bei der K. GmbH, dass der Kläger dort am 04.10.1995 mündlich ein Dauerarbeitsverhältnis vereinbart habe mit einer ganztägigen Beschäftigung von wöchentlich 37 Stunden und daraufhin auch eine Anmeldung zur AOK Aschaffenburg erfolgt sei. Am zweiten Arbeitstag habe der Kläger eine Vorschusszahlung von 200,00 DM erhalten. Nachdem er nach dem 06.10.1995 nicht mehr zur Arbeit erschienen wäre, sei eine Arbeitgeberkündigung erfolgt. Zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt sei der Kläger dann nochmals im Betrieb erschienen, um sich den Restlohn abzuholen. Der ihm noch zustehende Restlohn von ca 90,00 DM hätte jedoch nicht abgerechnet werden können, da er die erforderliche Lohnsteuerkarte nicht vorgelegt habe. Als Zeuge wurde von der Firma Rechtsanwalt L. in A. benannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 08.12.1998 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 08.03.2000 als Zeuge vernommene Kfz-Mechanikermeister und Geschäftsführer der GmbH, Herr R. K. , hat erklärt, dass zwischen der GmbH und dem Kläger ein befristeter nicht schriftlich fixierter Arbeitsvertrag geschlossen worden sei. Der Kläger sei nach drei Tagen der Arbeit ferngeblieben. Bei Bewährung wäre vorgesehen gewesen, ihn zu einem Stundenlohn von 24,00 DM brutto zu übernehmen. Nach 10 Tagen hätte sich der Kläger gemeldet und erklärt, er habe dringend nach Griechenland gemusst, weil sein Bruder erkrankt oder gestorben war. Auf den Vorhalt, er hätte die Firma davon verständigen können, habe er erwidert, er hätte kein Geld dazu gehabt. Daraufhin sei ihm fristlos gekündigt worden. Es sei beabsichtigt gewesen, den Kläger dauerhaft zu beschäftigen, weshalb er noch am ersten Tag der Beschäftigung bei der Krankenversicherung angemeldet worden sei. Von der Arbeitslosigkeit des Klägers sei der GmbH nichts bekannt geworden. Für ihn sei im Anschluss Herr R. eingestellt worden.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe durch sein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, so dass die Feststellung einer Sperrzeit von 12 Wochen durch die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Angaben des Zeugen K. seien nachvollziehbar und glaubhaft. Wenn der Kläger vortrage, dass nur eine kurzfristige Beschäftigung beabsichtigt gewesen sei, so hätte er sich danach wieder beim Arbeitsamt arbeitslos melden müssen, was jedoch nicht erfolgt sei. Gem § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X iVm § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe der Kläger den Betrag von 6.861,60 DM zu erstatten, da ihm ohne weiteres hätte klar sein müssen, dass ihm während einer Sperrzeit kein Alg zustehe.

Gegen das ihm am 04.04.2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 04.05.2000 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Er hätte sich bei der K. GmbH um eine Nebentätigkeit beworben, dann jedoch dem Drängen des Herrn K. nachgegeben und zwei Tage durchgearbeitet. Die angegebenen 200,00 DM hätte er tatsächlich erhalten. In Griechenland sei er jedoch nicht gewesen und Herr K. habe ihm auch nicht gekündigt. Dieser hätte auch bei seiner Vernehmung vor dem SG nicht angeben können, wann diese Kündigung erfolgt sei. Bestätigt werden könne dieser Sachverhalt von dem Zeugen B ...

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Würzburg vom 08.03.2000 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 04.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Sperrzeitsachverhaltes sei es - anders als im Arbeitsrecht - nicht entscheidend, wann die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wurde. Maßgeblich sei lediglich das Vorliegen des die Sperrzeit auslösenden Tatbestandes, hier des unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz.

Der Zeuge B. hat auf telefonische Anfrage erklärt, dass er den Kläger zwar kenne, jedoch zu dessen Beschäftigung bei der K. GmbH im Jahre 1995 keinerlei Angaben machen könne.

Auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet.

Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm § 119 a Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung trat eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hatte, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Während der Sperrzeit ruht der Leistungsanspruch (§ 119 Abs 1 Satz 2 und 3 AFG).

Eine Sperrzeit nach Kündigung durch den Arbeitgeber - wie hier - (§ 119 Abs 1 Nr 1 2.Altern.AFG) setzt ein schwerwiegend vertragswidriges Verhalten voraus, dass - ggf zusammen mit anderen Umständen - geeignet ist, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, zu dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist (vgl Niesel, Komm zum AFG, 2.Aufl, Anm 32 zu § 119 und BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 3).

Der Senat geht vorliegend davon aus, dass zwischen der K. GmbH und dem Kläger ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart war, denn für eine Nebenbeschäftigung bzw stundenweise Aushilfe hätte es keiner Anmeldung des Klägers bei der zuständigen AOK durch die K. GmbH bedurft. Der Zeuge K. hat vor dem SG auch glaubhaft versichert, dass die dem Kläger ausgezahlten 200,00 DM eine Vorschusszahlung darstellten, nicht jedoch eine "Schwarzzahlung". Im Übrigen wird der Erhalt der 200,00 DM vom Kläger selbst nicht bestritten.

Durch das unentschuldigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz nach dem dritten Tage der Beschäftigung und somit das vertragswidrige Verhalten des Klägers erfolgte die Lösung seines Arbeitsverhältnisses zu Recht und war somit kausal für seine Arbeitslosigkeit (vgl Niesel aaO Anm 34). Der Kläger hat durch sein schwerwiegend arbeitsvertragswidriges Verhalten den Grund für die Lösung seines Arbeitsverhältnisses gesetzt. Da er seinerzeit keinen Anschlussarbeitsplatz in Aussicht hatte, konnte er zumindestens übersehen, dass sein Verhalten den Eintritt der Arbeitslosigkeit zur Folge haben würde.

Gründe für die Anwendung der Bestimmung des § 119 Abs 2 iVm § 119 a Nr 1 AFG, wonach die Sperrzeit sechs Wochen beträgt, weil eine Sperrzeit von 12 Wochen nach dem für den Eintritt maßgebenden Tatsachen für den Kläger eine besondere Härte bedeuten würde, sind für den Senat weder aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt ersichtlich, noch wurden sie im Verfahren vorgetragen. Finanzielle Auswirkungen sind hierbei nicht zu berücksichtigen, zumal der Kläger während der Sperrzeit Leistungen nach dem BSHG erhalten hat (vgl Niesel, Kommentar zum AFG, 2.Aufl, § 119, RdNr 92 mwN).

Die Beklagte hat auch den Beginn der Sperrzeit mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit (07.10.1995) zutreffend festgestellt.

Da während des Laufes der Sperrzeit der Anspruch des Klägers auf Alg ruhte (§ 119 Abs 1 Satz 2 und 3 AFG) hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht gem § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X iVm § 330 SGB III das dem Kläger für diesen Zeitraum gewährte Alg zurückgefordert. Danach kann ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt, wie die Alg-Bewilligungsbescheide vom 26.10.1995 und 11.07.1996, auch nachdem sie unanfechtbar geworden waren, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte (= der Kläger) die Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte bei deren Erlass kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auf Grund der eindeutigen Hinweise im Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" war dem Kläger jedoch bekannt, dass die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses ohne wichtigen Grund (vgl die Hinweise auf S 42 des Merkblattes idF von 1996) den Eintritt einer Sperrzeit und das Ruhen des Alg-Anspruches zur Folge hatte. Der Kläger wusste somit zumindestens grob fahrlässig, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Alg-Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen war (vgl BSGE 58, 104, 109; BSGE 66, 103; BSG vom 24.04.1997 - 11 RAr 89/69).

Nach der Bestimmung des § 330 Abs 2 SGB III hatte die Beklagte bei der Aufhebung der Alg-Bewilligung keinen Ermessensspielraum. Die Frist des § 45 Abs 4 SGB X wurde eingehalten.

Die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 08.03.2000 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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