L 10 AL 176/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 578/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 176/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 5. April 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) an den Kläger vom 30.04.1995 bis 27.02.1997.

Die Beklagte gewährte dem im ... 1944 geborenen Kläger ab dem 10.01.1995 Alhi auf Grund eines wöchentlich zu berücksichtigenden Arbeitsentgeltes von 710,00 DM. Am 19.01.1995 informierte er die Beklagte telefonisch von der Stellung eines Antrages auf Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Beklagte meldete mit Schreiben vom gleichen Tag einen Erstattungsanspruch bei der LVA für Oberfranken und Mittelfranken an. Am 28.04.1995 teilte der Kläger mit, dass er sein Haus für 167.000,00 DM verkauft habe. Er wurde über die leistungsrechtlichen Konsequenzen aufgeklärt.

Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung von Alhi an den Kläger zum 30.04.1995 ein.

Bei einem Beratungsgespräch am 19.07.1995 erklärte der Kläger, dass er Alhi nicht wieder beantragen wolle, da er finanziell "zu gut gepolstert" sei.

In Zusammenhang mit seinem Antrag auf Wiederbewilligung von Alhi vom 25.02.1997 gab der Kläger an, dass er von dem Reinerlös aus dem Verkauf seines Hauses in Höhe von 150.000,00 DM bis dahin gelebt habe und nur noch ca 9.250,00 DM besitze.

Am 19.03.1999 beantragte er bei der Beklagten die Nachzahlung von Alhi für den Zeitraum vom 30.04.1995 bis 27.02.1997, da sein Rentenantrag abgelehnt worden sei.

Mit Bescheid vom 22.03.1999 lehnte die Beklagte dies ab, da beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 02.05.1995 das Recht nicht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe. Der aus dem Verkauf des Hauses erzielte Erlös sei in Höhe von 159.000,00 DM nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen gewesen, so dass der Kläger ab dem 30.04.1995 für die Dauer von 223 Wochen keinen Anspruch auf Alhi gehabt habe.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 04.06.1999).

Dagegen hat der Kläger am 24.06.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen, er habe den aus dem Hausverkauf erzielten Erlös überwiegend zur Tilgung von Schulden verwendet. Von den ihm verbliebenen 9.250,00 DM habe er seinen Lebensunterhalt bestritten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.04.2000 abgewiesen und ausgeführt, die Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab dem 01.05.1995 sei rechtmäßig gewesen, da in den für die Bewilligung von Alhi maßgeblichen Verhältnissen des Klägers durch den Hausverkauf eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Das Vorbringen des Klägers, den Verkaufserlös bereits im Jahr 1995 verbraucht zu haben, sei nicht glaubhaft, da er während seiner Vorsprachen bei der Beklagten im Jahre 1995 mehrmals erklärt habe, dass er auf Grund seiner guten finanziellen Situation Alhi nicht beantragen wolle, sondern dies erst am 21.02.1997 getan habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass er in der Zeit vom 01.05.1995 bis 20.02.1997 seinen Lebensunterhalt aus dem vorhandenen Vermögen bestritten habe.

Gegen das ihm am 17.04.2000 zugestellte Urteil des SG wendet sich der Kläger mit der am 20.04.2000 eingelegten Berufung. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen. Zusätzlich trägt er vor, in den Jahren 1995 und 1996 habe er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes private Darlehen in Höhe von insgesamt 10.000,00 DM von einem Bekannten aufnehmen müssen. Einen Antrag auf Alhi habe er in dieser Zeit nicht gestellt, da er davon ausgegangen sei, neben der beantragten Erwerbsunfähigkeitsrente keine Alhi beziehen zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 05.04.2000 und die Bescheide der Beklagten vom 22.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Alhi vom 30.04.1995 bis 27.02.1997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 05.04.2000 zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet. Das SG hat im Urteil vom 05.04.2000 die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 22.03.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.06.1999 zu Recht abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi vom 30.04.1995 bis 27.02.1997 in einem Zugunstenverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat.

Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, wie es die Einstellung der Leistung von Alhi durch die Beklagte ab 02.05.1995 darstellt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Gem § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kann einem Arbeitslosen Alhi nur dann gewährt werden, wenn er bedürftig ist. Nach § 137 Abs 2 AFG liegt Bedürftigkeit nicht vor, solange mit Rücksicht auf das Vermögen des Arbeitslosen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.

Der vom Kläger durch den Verkauf seines Hauses erlöste Betrag in Höhe von 167.000,00 DM stellt nach Abzug des Freibetrages in Höhe von 8.000,00 DM (§ 6 Abs 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung = AlhiVO) Vermögen iSd § 137 Abs 2 AFG dar, mit der Fiktion, dass der Arbeitslose (der Kläger) hiervon bis zu einem bestimmten Zeitpunkt seinen Unterhalt sicher stellen kann und erst danach bedürftig ist. Der Kläger hat zur Überzeugung des Senates von April 1995 bis Februar 1997 seinen Lebensunterhalt aus dem Verkaufserlös seines Hauses bestritten, denn er besaß nach seinen Angaben im Wiederbewilligungsantrag vom 25.02.1997, die er auf Rückfrage der Beklagten vom 08.04.1997 nochmals ausdrücklich bestätigt hat, zu diesem Zeitpunkt noch ca 9.250,00 DM. Sein Vorbringen, er habe in dem Jahr 1995 und 1996 private Darlehen von einem Bekannten zur Deckung seines Lebensunterhaltes aufnehmen müssen, ist deshalb nicht glaubhaft. Da der Kläger im Jahr 1997 immer noch über einen Restbetrag aus dem Verkauf des Hauses verfügte, waren diese Darlehen jedenfalls nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlich. Mangels Entscheidungserheblichkeit hat der Senat daher von weiteren diesbezüglichen Beweiserhebungen abgesehen.

Der Kläger war nach der Verwertung seines Immobilienvermögens somit gem §§ 134, 137 AFG für die Dauer von insgesamt 223 Monaten nicht bedürftig (159.000 DM: 710 DM = 223,9).

Zwar sind bei der Prüfung der Bedürftigkeit Beträge, die zur Tilgung von Schulden verbraucht wurden, nicht als Vermögen zu berücksichtigen (vgl BSG in SozR 4100 § 138 AFG Nr 3). Welche Schulden der Kläger vom Verkaufserlös seines Hauses getilgt hat, wurde von ihm aber weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt. Auch hat er deren Höhe nicht näher beziffert und keine konkrete Angaben über deren Tilgung gemacht. Nach seinen Angaben vom 08.04.1997 ist ihm von dem Verkaufserlös im April 1995 ein "Reinerlös" von ca 150.000,00 DM verblieben. Nach Tilgung einer Schuldensumme von 17.000,00 DM waren somit 142.000,00 DM als Vermögen bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Klägers im Rahmen des § 137 Abs 2 AFG berücksichtigungsfähig (150.000,00 DM abzgl. Freibetrag von 8.000,00 DM). Im Hinblick auf das bei der Gewährung von Alhi zugrundegelegte wöchentliche Arbeitentgelt von 710,00 DM, ist der Kläger damit immer noch für 200 Wochen nicht bedürftig gewesen, so dass ihm für den Zeitraum vom 30.04.1995 bis 27.02.1997 keine Alhi zugestanden hat.

Ein Alhi-Anspruch des Klägers im Zeitraum vom 30.04.1995 bis 27.02.1997 ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (§§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil = SGB I analog). Die Beklagte hat ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten insoweit nicht verletzt. Das Vorbringen des Klägers, er habe einen Antrag auf Wiederbewilligung von Alhi im streitigen Zeitraum nicht gestellt, weil er der Meinung war, er könne neben der beantragten Erwebsunfähigkeitsrente keine Alhi beziehen, beruht nach dem vorliegenden Akteninhalt und den Ausführungen der Beteiligten nicht auf einen Beratungsfehler der Beklagten. Vielmehr hat der Kläger selbst gegenüber der Beklagten am 19.07.1995 erklärt, dass er Alhi nicht beantragen wolle, "weil er finanziell zu gut gepolstert" sei.

Im Zeitraum vom 30.04.1995 bis 27.02.1997 war der Kläger nicht bedürftig iSd §§ 137 Abs 1 Nr 3, 137 Abs 2 AFG und hatte somit keinen Anspruch auf Alhi.

Die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 05.04.2000 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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