Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 490/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 194/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17. Januar 2000 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten, zur Feststellung der Winterbauumlagepflicht der Klägerin in deren Betriebsräumen Einsicht in Geschäftsunterlagen zu nehmen.
Die Klägerin betreibt nach ihren Angaben ein Unternehmen, das sich mit Arbeiten des Dachdecker-, Maler- und Lackiererhandwerks sowie mit der Abdichtung von Terrassen, Balkonen und Dächern gegen Feuchtigkeit mit Flüssigkunststoff befasst. Zeitlich verteilen sich die Arbeiten nach Einschätzung der Klägerin wie folgt: Anstricharbeiten ca 25 vH, Beschichtung von Balkon- und Terrassenböden ca 20 vH, Fußbodenbeschichtungen sowie Verlegen von Dekorbelägen ca 20 vH, Steingranulatbeschichtungen ca 10 vH, Beschichten von Eternit und ähnlichen Dächern ca 5 vH, Dachabdichtungen ca 20 vH.
Mit Schreiben vom 07.05.1998 kündigte die Beklagte der Klägerin den Besuch eines Mitarbeiters zur Feststellung der Förderungsfähigkeit und Umlagepflicht nach §§ 211 Abs 1, 216 Abs 2, 354 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) an. Die Klägerin wurde zu diesem Zweck gebeten, in ihren Betriebsräumen Arbeitszeitnachweise, Ausschreibungs- und Rechnungsbelege, Bauakten, Baustellentagebücher, Lohnkonten und Lohnjournale sowie Gewerbeanmeldung, Handwerkskarte, Gesellschafts- und Geschäftsführerverträge zur Einsicht bereit zu halten. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie sei an einem Gespräch nicht interessiert, da sie kein Baubetrieb sei.
Mit Schreiben vom 12.05.1998 kündigte die Beklagte daraufhin die Prüfung nunmehr für den 27.05.1998 ab 8.00 Uhr an. Sie wies darauf hin, dass es sich bei Abdichtarbeiten gegen Feuchtigkeit um Bauleistungen iS § 211 Abs 1 SGB III iVm § 1 Abs 2 Nr 1 Baubetriebeverordnung (BaubetrVO) handele. Dieses Schreiben enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass hiergegen Widerspruch zulässig sei.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, sie halte die geplante Prüfung für rechtswidrig, weil die Beklagte noch nicht festgestellt habe, ob eine Umlagepflicht überhaupt bestehe und die für die Einziehung der Umlage erheblichen Tatsachen noch nicht abgefragt worden seien. Sie unterfalle mit ihren Arbeiten nicht der BaubetrVO.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.07.1998 mit der Begründung zurück, eine Entscheidung über die Umlagepflicht sei angestrebt, aber noch nicht getroffen worden. Hierzu bedürfe es der Mitwirkung der Klägerin. Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers bestehe bereits dann, wenn die Zuordnung des Betriebes noch zu klären sei.
Am 10.08.1998 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und sinngemäß beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.07.1998 aufzuheben und festzustellen, dass sie keine Mitwirkungspflicht an einer Betriebsprüfung der Beklagten habe. Bereits mit der Widerspruchsbegründung sei sie ihrer Auskunftspflicht nachgekommen, so dass die Beklagte in der Lage gewesen sei, von ihr die Meldung der Löhne und Umlagebeiträge zu verlangen. Dies habe sie unterlassen und sofort Einsicht in die Geschäftsbücher verlangt. § 4 Abs 3 Winterbauumlageverordnung (WinterbauUmlVO) lasse das Betreten der Geschäftsräume aber nur zu, soweit dies für die Einziehung der Umlage - die Umlagepflicht müsse bereits feststehen - erforderlich sei. Die Beklagte könne jederzeit auf Grund der ihr vorliegenden Angaben eine Entscheidung über die Umlagepflicht treffen.
Mit Urteil vom 17.01.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Neben der Anfechtungsklage bestehe für eine Feststellungsklage kein berechtigtes Interesse. Die Anfechtungsklage sei aber begründet, weil die mit dem Bescheid vom 12.05.1998 getroffene Regelung mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsnorm den Schutzbereich des Art 13 Abs 1 Grundgesetz (GG) verletze. § 144 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei mit In-Kraft-Treten des § 319 SGB III zum 01.01.1998 ersetzt worden, so dass keine besondere gesetzliche Vorschrift mehr existiere, die die Einsicht in Geschäftsunterlagen erlaube. Auf § 98 Abs 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) könne angesichts der abschließenden Regelung in § 319 SGB III nicht zurückgegriffen werden. § 305 Abs 1 Satz 1 SGB III sei nicht einschlägig (Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs) und bei § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO handele es sich nicht um ein Gesetz im formellen Sinne.
Am 22.05.2000 hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Feststellung des Sozialgerichts, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Verordnungsnorm entbehre der gesetzlichen Ermächtigung sei unzutreffend, da § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO unmittelbar durch den Gesetzgeber in die Verordnung eingefügt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Gesetzgeber habe die WinterbauUmlVO nicht wirksam verändern können. Er hätte sich eines förmlichen und mit Vorrang versehenen Gesetzes bedienen müssen. Die Verordnung widerspreche Art 80 Abs 1 Satz 3 GG, da es eine Ermächtigung für § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO nicht gebe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist auch begründet, denn das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 124 Abs 2 SGG).
Das Schreiben der Beklagten vom 12.05.1998, mit dem eine Betriebsprüfung angekündigt wurde, ist als Verwaltungsakt zu werten (Niesel, AFG, 2.Aufl, § 144 RdNr 8), so dass die reine Anfechtungsklage die richtige Klageart war (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG).
Nach § 4 Abs 3 WinterbauUmlVO in der Fassung des Art 60 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I 594, in Kraft ab 01.01.1998) hat der Arbeitgeber der Beklagten über alle Tatsachen Auskunft zu geben, die für die Einziehung der Umlage erheblich sind (Satz 1). Die Beklagte ist berechtigt, Grundstücke und Geschäftsräume des Arbeitgebers während der Geschäftszeit zu betreten und dort Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäfts-, Lohn- oder vergleichbare Unterlagen zu nehmen, soweit dies für die Einziehung der Umlage erforderlich ist (Satz 2).
§ 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO regelt die Befugnis der Beklagten in Bezug auf die Umlage eigenständig. Diese Bestimmung bildet daher die Rechtsgrundlage für das von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 12.05.1998 geltend gemachte und in den Geschäftsräumen der Klägerin auszuübende Einsichtsrecht (Bieback in Gagel, Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung, § 356 RdNr 17; § 357 RdNr 10).
Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar umfasst der Begriff der "Wohnung" iS Art 13 GG auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume mit der Folge, dass Durchsuchungen solcher Räume grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden dürfen (Art 13 Abs 2 GG). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits im grundlegenden Urteil vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 - (BVerfGE 32, 54) entschieden, dass behördliche Betretungs- und Besichtigungsrechte keine Durchsuchungen im genannten Sinne darstellen. Unter Beachtung des Art 13 Abs 3 GG (jetzt Art 13 Abs 7 GG) hielt das Bundesverfassungsgericht "Eingriffe und Beschränkungen" die nicht Durchsuchungen sind - also das Betreten von Geschäftsräumen, um dort im Rahmen der Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Auskunftserteilung Geschäftsunterlagen und -akten zu prüfen - als ein vielfach unentbehrliches Kontrollinstrument der modernen Wirtschaftsaufsicht unter folgenden Voraussetzungen für zulässig: Eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen; das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigungen und Prüfungen müssen einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sein; das Gesetz muss den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen; das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung ist nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen (BVerfGE 32, 54, 76 f; BVerfG, Beschluss vom 11.11.1986, SozR 4100 § 132 a AFG).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO idF des AFRG vom 24.03.1997 diesen Anforderungen gerecht wird und das Betreten der Geschäfts- und Betriebsräume des Klägers durch Beauftragte der Beklagten nicht als Beeinträchtigung des Rechts der Unverletzlichkeit der Wohnung anzusehen ist.
§ 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO ermöglicht als besondere gesetzliche Vorschrift das Betreten der Geschäftsräume. Zu Recht hat bereits die Beklagte darauf hingewiesen, dass Satz 2 der genannten Bestimmung durch Art 60 AFRG vom 24.03.1997 - also durch eine formelles Gesetz - in den Abs 3 des § 4 WinterbauUmlVO eingefügt worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Gesetzgeber befugt, die WinterbauUmlVO insoweit zu ergänzen. Zwar kann der Gesetzgeber keine Rechtsverordnungen erlassen. Er kann aber Rechtsverordnungen durch Gesetz abändern. Diese Befugnis beruht darauf, dass der Gesetzgeber einen Sachgegenstand, dessen Regelungsbefugnis ihm obliegt, unter den grundgesetzlich festgelegten Voraussetzungen einem Verordnungsgeber übertragen, die Regelungsbefugnis diesem aber wieder entziehen und an sich ziehen sowie eine bereits ergangene Rechtsverordnung durch ein Gesetz ersetzen kann (Maunz-Dürig, Komm zum GG, 6.Aufl, Art 80 RdNr 23). Trotz der gesetzlichen Änderung durch das AFRG blieb jedoch der Verordnungsrang der WinterbauUmlVO erhalten (Art 80 AFRG; Bieback, aaO, § 357 RdNr 9).
Die Vorschrift des § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO dient dem berechtigten Interesse der Bauarbeiter aber auch der übrigen umlagepflichtigen Arbeitgeber an einer ordnungsgemäßen Heranziehung möglichst aller betroffenen Arbeitgeber zur Umlage. Zwar hat der Arbeitgeber bereits nach § 4 Abs 1, 2, 3 Satz 1 WinterbauUmlVO Melde- und Auskunftspflichten (Meldung des Beginns und des Endes der Umlagepflicht, der lohnsteuerpflichtigen Bruttoarbeitslöhne, Höhe der fälligen Umlagebeiträge, Auskunft über alle Tatsachen, die für die Einziehung der Umlage erheblich sind). § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO erlaubt aber zusätzlich die Prüfung des Betriebs durch die mit der Arbeitsaufsicht betrauten Behörde. Aus der Formulierung " ... für die Einziehung der Umlage erforderlich ..." kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht geschlossen werden, dass das Betretungs- und Einsichtsrecht erst dann ausgeübt werden kann, wenn die Umlagepflicht dem Grunde nach bereits feststeht. Die Formulierung des Gesetzgebers ist sinnvoll so auszulegen, dass vom Betretungs- und Einsichtsrecht auch dann Gebrauch gemacht werden darf, wenn die Zuordnung des Betriebes noch der Klärung bedarf.
Zum Erreichen des Zwecks - Feststellung der Umlagepflicht, Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe - sind Außenprüfungen durch die Beklagte erforderlich. § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO lässt den mit der Betriebsprüfung verfolgten Zweck sowie Gegenstand und Umfang der zugelassenen Prüfung erkennen (vgl Wortlaut: Einziehung der Umlage, Betretungsrecht, Einsicht in Geschäftsunterlagen, soweit für die Einziehung erforderlich). Schließlich regelt die Vorschrift auch ausdrücklich, dass vom Betretungs- und Einsichtsrecht nur während der Geschäftszeit Gebrauch gemacht werden darf, mithin lediglich zu solchen Zeiten, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche Nutzung zur Verfügung stehen. Etwas anderes hat die Beklagte auch nicht verlangt (Prüfung ab 8.00 Uhr).
Das Zitiergebot des Art 19 Abs 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt, weil es sich bei § 4 Abs 3 Satz 2 WinberbauUmlVO nicht um eine Beeinträchtigung des Rechts der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art 13 GG handelt.
Es ist ferner nicht ersichtlich, dass das Begehren der Beklagten unter anderen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet werden könnte.
Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Beklagten, zur Feststellung der Winterbauumlagepflicht der Klägerin in deren Betriebsräumen Einsicht in Geschäftsunterlagen zu nehmen.
Die Klägerin betreibt nach ihren Angaben ein Unternehmen, das sich mit Arbeiten des Dachdecker-, Maler- und Lackiererhandwerks sowie mit der Abdichtung von Terrassen, Balkonen und Dächern gegen Feuchtigkeit mit Flüssigkunststoff befasst. Zeitlich verteilen sich die Arbeiten nach Einschätzung der Klägerin wie folgt: Anstricharbeiten ca 25 vH, Beschichtung von Balkon- und Terrassenböden ca 20 vH, Fußbodenbeschichtungen sowie Verlegen von Dekorbelägen ca 20 vH, Steingranulatbeschichtungen ca 10 vH, Beschichten von Eternit und ähnlichen Dächern ca 5 vH, Dachabdichtungen ca 20 vH.
Mit Schreiben vom 07.05.1998 kündigte die Beklagte der Klägerin den Besuch eines Mitarbeiters zur Feststellung der Förderungsfähigkeit und Umlagepflicht nach §§ 211 Abs 1, 216 Abs 2, 354 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) an. Die Klägerin wurde zu diesem Zweck gebeten, in ihren Betriebsräumen Arbeitszeitnachweise, Ausschreibungs- und Rechnungsbelege, Bauakten, Baustellentagebücher, Lohnkonten und Lohnjournale sowie Gewerbeanmeldung, Handwerkskarte, Gesellschafts- und Geschäftsführerverträge zur Einsicht bereit zu halten. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie sei an einem Gespräch nicht interessiert, da sie kein Baubetrieb sei.
Mit Schreiben vom 12.05.1998 kündigte die Beklagte daraufhin die Prüfung nunmehr für den 27.05.1998 ab 8.00 Uhr an. Sie wies darauf hin, dass es sich bei Abdichtarbeiten gegen Feuchtigkeit um Bauleistungen iS § 211 Abs 1 SGB III iVm § 1 Abs 2 Nr 1 Baubetriebeverordnung (BaubetrVO) handele. Dieses Schreiben enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass hiergegen Widerspruch zulässig sei.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, sie halte die geplante Prüfung für rechtswidrig, weil die Beklagte noch nicht festgestellt habe, ob eine Umlagepflicht überhaupt bestehe und die für die Einziehung der Umlage erheblichen Tatsachen noch nicht abgefragt worden seien. Sie unterfalle mit ihren Arbeiten nicht der BaubetrVO.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13.07.1998 mit der Begründung zurück, eine Entscheidung über die Umlagepflicht sei angestrebt, aber noch nicht getroffen worden. Hierzu bedürfe es der Mitwirkung der Klägerin. Die Auskunftspflicht des Arbeitgebers bestehe bereits dann, wenn die Zuordnung des Betriebes noch zu klären sei.
Am 10.08.1998 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und sinngemäß beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.07.1998 aufzuheben und festzustellen, dass sie keine Mitwirkungspflicht an einer Betriebsprüfung der Beklagten habe. Bereits mit der Widerspruchsbegründung sei sie ihrer Auskunftspflicht nachgekommen, so dass die Beklagte in der Lage gewesen sei, von ihr die Meldung der Löhne und Umlagebeiträge zu verlangen. Dies habe sie unterlassen und sofort Einsicht in die Geschäftsbücher verlangt. § 4 Abs 3 Winterbauumlageverordnung (WinterbauUmlVO) lasse das Betreten der Geschäftsräume aber nur zu, soweit dies für die Einziehung der Umlage - die Umlagepflicht müsse bereits feststehen - erforderlich sei. Die Beklagte könne jederzeit auf Grund der ihr vorliegenden Angaben eine Entscheidung über die Umlagepflicht treffen.
Mit Urteil vom 17.01.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Neben der Anfechtungsklage bestehe für eine Feststellungsklage kein berechtigtes Interesse. Die Anfechtungsklage sei aber begründet, weil die mit dem Bescheid vom 12.05.1998 getroffene Regelung mangels einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsnorm den Schutzbereich des Art 13 Abs 1 Grundgesetz (GG) verletze. § 144 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei mit In-Kraft-Treten des § 319 SGB III zum 01.01.1998 ersetzt worden, so dass keine besondere gesetzliche Vorschrift mehr existiere, die die Einsicht in Geschäftsunterlagen erlaube. Auf § 98 Abs 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) könne angesichts der abschließenden Regelung in § 319 SGB III nicht zurückgegriffen werden. § 305 Abs 1 Satz 1 SGB III sei nicht einschlägig (Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs) und bei § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO handele es sich nicht um ein Gesetz im formellen Sinne.
Am 22.05.2000 hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Feststellung des Sozialgerichts, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Verordnungsnorm entbehre der gesetzlichen Ermächtigung sei unzutreffend, da § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO unmittelbar durch den Gesetzgeber in die Verordnung eingefügt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Gesetzgeber habe die WinterbauUmlVO nicht wirksam verändern können. Er hätte sich eines förmlichen und mit Vorrang versehenen Gesetzes bedienen müssen. Die Verordnung widerspreche Art 80 Abs 1 Satz 3 GG, da es eine Ermächtigung für § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO nicht gebe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 153 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Sie ist auch begründet, denn das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 124 Abs 2 SGG).
Das Schreiben der Beklagten vom 12.05.1998, mit dem eine Betriebsprüfung angekündigt wurde, ist als Verwaltungsakt zu werten (Niesel, AFG, 2.Aufl, § 144 RdNr 8), so dass die reine Anfechtungsklage die richtige Klageart war (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG).
Nach § 4 Abs 3 WinterbauUmlVO in der Fassung des Art 60 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I 594, in Kraft ab 01.01.1998) hat der Arbeitgeber der Beklagten über alle Tatsachen Auskunft zu geben, die für die Einziehung der Umlage erheblich sind (Satz 1). Die Beklagte ist berechtigt, Grundstücke und Geschäftsräume des Arbeitgebers während der Geschäftszeit zu betreten und dort Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäfts-, Lohn- oder vergleichbare Unterlagen zu nehmen, soweit dies für die Einziehung der Umlage erforderlich ist (Satz 2).
§ 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO regelt die Befugnis der Beklagten in Bezug auf die Umlage eigenständig. Diese Bestimmung bildet daher die Rechtsgrundlage für das von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 12.05.1998 geltend gemachte und in den Geschäftsräumen der Klägerin auszuübende Einsichtsrecht (Bieback in Gagel, Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung, § 356 RdNr 17; § 357 RdNr 10).
Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar umfasst der Begriff der "Wohnung" iS Art 13 GG auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume mit der Folge, dass Durchsuchungen solcher Räume grundsätzlich nur durch den Richter angeordnet werden dürfen (Art 13 Abs 2 GG). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht bereits im grundlegenden Urteil vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 - (BVerfGE 32, 54) entschieden, dass behördliche Betretungs- und Besichtigungsrechte keine Durchsuchungen im genannten Sinne darstellen. Unter Beachtung des Art 13 Abs 3 GG (jetzt Art 13 Abs 7 GG) hielt das Bundesverfassungsgericht "Eingriffe und Beschränkungen" die nicht Durchsuchungen sind - also das Betreten von Geschäftsräumen, um dort im Rahmen der Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Auskunftserteilung Geschäftsunterlagen und -akten zu prüfen - als ein vielfach unentbehrliches Kontrollinstrument der modernen Wirtschaftsaufsicht unter folgenden Voraussetzungen für zulässig: Eine besondere gesetzliche Vorschrift muss zum Betreten der Räume ermächtigen; das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigungen und Prüfungen müssen einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sein; das Gesetz muss den Zweck des Betretens, den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen; das Betreten der Räume und die Vornahme der Besichtigung und Prüfung ist nur in den Zeiten statthaft, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche oder betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen (BVerfGE 32, 54, 76 f; BVerfG, Beschluss vom 11.11.1986, SozR 4100 § 132 a AFG).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO idF des AFRG vom 24.03.1997 diesen Anforderungen gerecht wird und das Betreten der Geschäfts- und Betriebsräume des Klägers durch Beauftragte der Beklagten nicht als Beeinträchtigung des Rechts der Unverletzlichkeit der Wohnung anzusehen ist.
§ 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO ermöglicht als besondere gesetzliche Vorschrift das Betreten der Geschäftsräume. Zu Recht hat bereits die Beklagte darauf hingewiesen, dass Satz 2 der genannten Bestimmung durch Art 60 AFRG vom 24.03.1997 - also durch eine formelles Gesetz - in den Abs 3 des § 4 WinterbauUmlVO eingefügt worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Gesetzgeber befugt, die WinterbauUmlVO insoweit zu ergänzen. Zwar kann der Gesetzgeber keine Rechtsverordnungen erlassen. Er kann aber Rechtsverordnungen durch Gesetz abändern. Diese Befugnis beruht darauf, dass der Gesetzgeber einen Sachgegenstand, dessen Regelungsbefugnis ihm obliegt, unter den grundgesetzlich festgelegten Voraussetzungen einem Verordnungsgeber übertragen, die Regelungsbefugnis diesem aber wieder entziehen und an sich ziehen sowie eine bereits ergangene Rechtsverordnung durch ein Gesetz ersetzen kann (Maunz-Dürig, Komm zum GG, 6.Aufl, Art 80 RdNr 23). Trotz der gesetzlichen Änderung durch das AFRG blieb jedoch der Verordnungsrang der WinterbauUmlVO erhalten (Art 80 AFRG; Bieback, aaO, § 357 RdNr 9).
Die Vorschrift des § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO dient dem berechtigten Interesse der Bauarbeiter aber auch der übrigen umlagepflichtigen Arbeitgeber an einer ordnungsgemäßen Heranziehung möglichst aller betroffenen Arbeitgeber zur Umlage. Zwar hat der Arbeitgeber bereits nach § 4 Abs 1, 2, 3 Satz 1 WinterbauUmlVO Melde- und Auskunftspflichten (Meldung des Beginns und des Endes der Umlagepflicht, der lohnsteuerpflichtigen Bruttoarbeitslöhne, Höhe der fälligen Umlagebeiträge, Auskunft über alle Tatsachen, die für die Einziehung der Umlage erheblich sind). § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO erlaubt aber zusätzlich die Prüfung des Betriebs durch die mit der Arbeitsaufsicht betrauten Behörde. Aus der Formulierung " ... für die Einziehung der Umlage erforderlich ..." kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht geschlossen werden, dass das Betretungs- und Einsichtsrecht erst dann ausgeübt werden kann, wenn die Umlagepflicht dem Grunde nach bereits feststeht. Die Formulierung des Gesetzgebers ist sinnvoll so auszulegen, dass vom Betretungs- und Einsichtsrecht auch dann Gebrauch gemacht werden darf, wenn die Zuordnung des Betriebes noch der Klärung bedarf.
Zum Erreichen des Zwecks - Feststellung der Umlagepflicht, Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe - sind Außenprüfungen durch die Beklagte erforderlich. § 4 Abs 3 Satz 2 WinterbauUmlVO lässt den mit der Betriebsprüfung verfolgten Zweck sowie Gegenstand und Umfang der zugelassenen Prüfung erkennen (vgl Wortlaut: Einziehung der Umlage, Betretungsrecht, Einsicht in Geschäftsunterlagen, soweit für die Einziehung erforderlich). Schließlich regelt die Vorschrift auch ausdrücklich, dass vom Betretungs- und Einsichtsrecht nur während der Geschäftszeit Gebrauch gemacht werden darf, mithin lediglich zu solchen Zeiten, zu denen die Räume normalerweise für die jeweilige geschäftliche Nutzung zur Verfügung stehen. Etwas anderes hat die Beklagte auch nicht verlangt (Prüfung ab 8.00 Uhr).
Das Zitiergebot des Art 19 Abs 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt, weil es sich bei § 4 Abs 3 Satz 2 WinberbauUmlVO nicht um eine Beeinträchtigung des Rechts der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art 13 GG handelt.
Es ist ferner nicht ersichtlich, dass das Begehren der Beklagten unter anderen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beanstandet werden könnte.
Auf die Berufung der Beklagten ist daher das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.01.2000 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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