L 8 AL 220/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 Al 664/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 220/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Januar 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit ab 19.11.1993 und die Erstattung der bis 06.04.1994 erbrachten Leistungen in Höhe von 3.280,10 DM streitig.

Der 1962 geborene Kläger ist Franzose. Nach einer Beschäftigung als Reiseleiter bei der Firma K. Touristik GmbH in der Zeit vom 09.04. bis 15.11.1992 bezog er von der Beklagten ab 15.12.1992 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Nach einer weiteren Beschäftigung vom 26.03. bis 18.11.1993 bei seinem früheren Arbeitgeber meldete er sich am 08.11.1993 erneut arbeitslos und gab als Adresse wiederum die M.straße in W. an. Ab 19.11.1993 wurde ihm Alg bewilligt.

Nachdem der Kläger schriftlichen Meldeaufforderungen vom 19. und 25.01.1994 nicht nachgekommen war und bei einer Vorsprache am 08.03.1994 angegeben hatte, die beiden Schreiben nicht erhalten zu haben, sprach ein Sachbearbeiter der Beklagten am 18.04.1994 an der vom Kläger angegebenen Adresse vor. In einem Aktenvermerk hielt er fest, nach Aussage der Vermieterin Frau K. sei bis vor kurzem am Briefkasten noch der Name des Klägers, der seit April 1993 hier ein Zimmer habe, angebracht gewesen. Die Post sei an die Mutter des Klägers weitergeleitet bzw. von ihr abgeholt worden. Gegenwärtig lägen noch sieben Schreiben der Beklagten mit den Poststempeln 02., 17., 30.03.1994 sowie 07., 08. und 15.04.1994 zur Abholung bereit. Zuletzt sei die Post im Januar 1994 abgeholt worden.

In einem Schreiben vom 03.05.1994 berichtigte der Vermieter diese Angaben dahingehend, dass der Kläger bereits seit April 1992 dort eine Wohnung gehabt habe. Der Kläger meldete sich schließlich am 02.05.1994 aus dem Leistungsbezug ab und gab an, ab 26.04.1994 bei einem französischen Unternehmen eine Beschäftigung aufgenommen zu haben. Weiterhin gab er an, am 28.04.1994 nach Frankreich gezogen zu sein.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 21.04.1994 dazu angehört worden war, dass er seit Sommer 1993 die Leistungen zu Unrecht erhalten habe, weil er sich nicht unter der von ihm angegebenen Anschrift aufgehalten habe, hob die Beklagte mit Bescheid vom 15.07.1994 die Bewilligung des Alg ab 19.11.1993 auf und forderte die ab diesem Zeitpunkt bewilligten Leistungen in Höhe von 3.280,10 DM zurück.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Am 29.09.1994 sprach seine Mutter bei der Beklagten vor und erklärte schriftlich, die Anschrift M.straße in W. sei die Postadresse ihres Sohnes gewesen, da er für eine deutsche Firma tätig gewesen sei und eine deutsche Anschrift habe haben müssen. Während der Zeit der Arbeitslosigkeit habe er die meiste Zeit bei ihr in Frankreich gewohnt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.12.1994 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aus den Angaben der Mutter des Klägers ergebe sich, dass dieser unter der von ihm in dem Alg-Antrag genannten Anschrift nicht wohnhaft und somit nicht erreichbar gewesen sei.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Nürnberg (SG) Klage erhoben. In der mündlichen Verhandlung am 17.01.1996 hat die unter Vorlage einer Vollmacht erschienene Mutter des Klägers zu Protokoll erklärt, ihr Sohn habe nie in der M.straße in W. gewohnt. Er sei immer unterwegs gewesen.

Mit Urteil vom 17.01.1996 hat das SG die Klage abgewiesen: Nach den Ermittlungen der Arbeitsverwaltung und den Angaben der Mutter des Klägers sei dieser in der Zeit vom 19.11.1993 bis 06.04.1994 nicht verfügbar gewesen. Er habe zumindest grob fahrlässig hinsichtlich seines Wohnortes bei der Antragstellung fehlerhafte Angaben gemacht und auch aufgrund der durch Aushändigung des Merkblattes erfolgten Aufklärung die Rechtswidrigkeit der Bewilligung zumindest grob fahrlässig verkannt.

Mit seiner Berufung macht der Kläger unter anderem geltend, Ende Februar 1994 das deutsche Arbeitsamt davon verständigt zu haben, dass er im April 1994 wieder eine Arbeit antrete und jetzt bei seiner Mutter unter deren Adresse in Frankreich erreichbar sei. Man habe ihm mitgeteilt, dass er das Recht habe, sich dort aufzuhalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.01.1996 und den Bescheid vom 15.07.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger war für das Gericht unter der von ihm in der Berufungsschrift angegebenen Postfachadresse in Frankreich nicht erreichbar, ebensowenig unter der von der französischen Post angegebenen spanischen Adresse; Schreiben des Gerichts vom 18.04.2000 sowie 19.03. und 02.04.2001 kamen zurück mit dem postalischen Vermerk, der Kläger sei ohne Hinterlassung einer neuen Anschrift verzogen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Die Entscheidung des Senats konnte trotz des Ausbleibens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung ergehen, da der Kläger durch öffentliche Zustellung ordnungsgemäß von dem Termin benachrichtigt worden ist.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung des Alg ab 19.11.1993 ist § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 152 Abs.2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1993 (BGBl.I S.2353). Die Bewilligung des Alg ab 19.11.1993 ist ein von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Alg, da er gemäß §§ 100 Abs.1, 103 Abs.1 Nr.3 AFG der Arbeitsverwaltung nicht zur Verfügung stand, da er das Arbeitsamt nicht täglich aufsuchen konnte und für dieses nicht erreichbar war. Denn dies ist gemäß § 1 der Aufenthaltsanordnung vom 03.10.1979 (ANBA 1979 S.1388) nur dann der Fall, wenn das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen kann. Dies war hier nicht gegeben, da der Kläger sich nicht unter der von ihm in seinem Alg-Antrag und in einem späteren Wiederbewilligungsantrag vom 03.03.1994 angegebenen Adresse aufgehalten hat.

Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Angaben der Vermieter im Verwaltungsverfahren und insbesondere der Mutter des Klägers im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG. Danach hat sich der Kläger unter der von ihm angegebenen Adresse tatsächlich nicht aufgehalten und insbesondere auch die eingehende Post nicht persönlich in Empfang genommen. Vielmehr ist diese an die Mutter weitergeleitet bzw. von dieser abgeholt worden. Für die Erreichbarkeit in dem oben dargestellten Sinne genügt es aber nicht, wenn der Arbeitslose sicherstellt, dass ihn die unter der gemeldeten Anschrift eingehende Post, sei es durch einen Nachsendeantrag oder durch Übermittlung durch andere Personen, erreicht (vgl. BSG SozR 4100 § 103 Nr.47). Selbst wenn sich der Kläger an einzelnen Tagen unter der von ihm angegebenen Adresse aufgehalten haben sollte, so würde dies auch für diese Tage Verfügbarkeit nicht begründen, da eine wiederkehrende mehrtägige Ortsabwesenheit, mit nur gelegentlichen, unregelmäßigen Unterbrechungen der Abwesenheit die Verfügbarkeit durchgehend entfallen lässt (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr.9).

Dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung, er habe Ende Februar 1994 die Beklagte davon unterrichtet, unter der Adresse seiner Mutter in Frankreich erreichbar zu sein, kann nicht gefolgt werden. Dies steht bereits im Widerspruch zu der Tatsache, dass er in dem von ihm unterzeichneten Wiederbewilligungsantrag vom 03.03.1994 erneut die Adresse in Willstätt angegeben hat. Auch der Beratungsvermerk über diese Vorsprache enthält keinen Hinweis auf eine Adressänderung. Der Kläger hat auch am 08.03.1994 bei einer Vorsprache, bei der er Widerspruch gegen zuvor ergangene und später aufgehobene Säumniszeitbescheide eingelegt hat, angegeben, es sei ihm unerklärlich, weshalb die Post bei ihm nicht angekommen sei, da er jeden Tag zu Hause - in W. - gewesen sei und den Briefkasten geöffnet habe.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die unrichtige Angabe der Anschrift nicht vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X erfolgt ist. Über die Bedeutung der Angabe der Anschrift wurde der Kläger in dem ihm bei Arbeitslosmeldung ausgehändigten Merkblatt, dessen Erhalt er unterschriftlich bestätigt hat, aufgeklärt. In diesem Merkblatt wird auf S.7 unter anderem darauf hingewiesen, dass er einen Umzug während der Arbeitslosigkeit rechtzeitig melden müsse, und zwar auch dann, wenn er einen Nachsendeantrag bei der Post gestellt habe. Falls er einen Umzug erst nachträglich bekannt gebe oder sich bei dem neuen zuständigen Arbeitsamt nicht bis zum angegebenen Tag persönlich melde, werde unter Umständen das Alg oder die Alhi vom Umzugstag bis zum Eingang seiner Mitteilung über den Umzug bzw. bis zur Meldung beim neu zuständigen Arbeitsamt nicht gewährt werden dürfen.

Gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X hat der Kläger die ihm für die Zeit ab 19.11.1993 bewilligten Leistungen in Höhe von 3.280,10 DM zu erstatten.

Somit war die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 17.01.1996 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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