Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 Al 41/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 228/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. März 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Überbrückungsgeld (Übbg) streitig.
Der 1954 geborene Kläger, der im September 1982 das Fachhochschulstudium als Diplom-Sozialarbeiter abgeschlossen hat, hatte seit 1989 seinen Wohnsitz in Frankreich. Zuletzt war er vom 01.04.1990 bis 30.06.1992 als Referent bei dem Institut für Beruf und Bildung ... (IBB) in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Vom 01.07.1992 bis 18.06.1993 bezog er von der Beklagten während einer Fortbildungsmaßnahme zum Lernsystem-Lektor Unterhaltsgeld (Uhg). Vom 19.06.1993 bis 30.06.1994 erhielt er vom französischen Versicherungsträger Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und war gleichzeitig beim Arbeitsamt Saarbrücken arbeitssuchend gemeldet.
Am 04.07.1994 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Übbg und gab an, am 27.06.1994 eine selbständige Tätigkeit als Bildungsreferent/EDV-Dozent beim IBB aufzunehmen. Er legte einen mit diesem Institut geschlossenen "Auftrag für freie Mitarbeiter" vor, wonach er zunächst bis 30.09.1994 und anschließend vom 01.10. bis 30.12.1994 aufgrund eines weiteren Auftrages die ordnungsgemäße Betreuung der ihm anvertrauten Seminarteilnehmer zu gewährleisten habe und darüber hinaus bereit sein müsse, im Bedarfsfall als Referent tätig zu werden. Bei der Ausgestaltung seiner Tätigkeit sei er im Wesentlichen frei und an Weisungen des IBB nicht gebunden, nach dessen Erfahrungen seien "jedoch 38,5 Wochenstunden erforderlich." Weiterhin legte er einen mit dem Hospital St.W ... geschlossenen Honorarvertrag über die Betreuung einer Privatperson als freier Mitarbeiter in der Zeit ab 15.01.1995 vor; festgesetzt wurde ein Honorar von 50,00 DM/Std. mit dem Zusatz, dass ein Anspruch auf Honorar nur bestehe, wenn die übertragene Tätigkeit ausgeübt werde. Unter "Sonstiges" ist vermerkt "10 Std./Woche".
Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Übbg mit Bescheid vom 23.08.1995 mit der Begründung ab, der Kläger habe weder Arbeitslosengeld (Alg) noch Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, der auf Art.71 EWGV 1408/71 beruhende Leistungsbezug in Frankreich dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 als unbegründet zurück. Die Antragstellung sei verspätet, weil das vorgeschriebene Formblatt erst am 12.06.1995 zurückgegeben worden sei. Auch fehle es an der Stellungahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Der diesbezügliche Einwand des Klägers, für seinen Tätigkeitsbereich gebe es keine zuständige Kammer oder keinen zuständigen Fachverband, sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen, da eine solche Stellungnahme auch von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater abgegeben werden könne. Im Wesentlichen scheitere die Leistungsbewilligung jedoch am fehlenden Vorbezug von Alg und Alhi; ausländische Leistungen könnten diesen Vorbezug nicht ersetzen.
Zur Begründung seiner zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach der Antragstellung vom 07.04.1994 seinen Antrag in mehreren Schreiben weiterverfolgt zu haben. Auch dürfe die Ablehnung nicht auf das Fehlen der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle gestützt werden, da die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht besser nachgewiesen werde als mit der Darstellung der konkreten Auftragslage. Bei einem Gespräch am 06.06.1994 (richtig wohl 1995) sei ausdrücklich auf die Vorlage eines solchen Gutachtens verzichtet worden, da durch die Nichtbearbeitung seines Antrages bereits mehr als ein Jahr vergangen gewesen sei.
Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung vom 13.02.1996 weiterhin unter anderem das Fehlen der fachkundigen Stellungnahme als Grund für die Ablehnung angeführt.
Das SG hat mit Urteil vom 12.03.1997 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bei der Antragstellung im Juli 1994 weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB I gehabt. Als Grenzgänger habe er Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem er gewohnt habe. Selbst wenn er im Sinne des Urteils des EuGH als Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist, anzusehen wäre, so sei er angesichts der Tatsache, dass er im Juni 1994 Leistungen der französischen Arbeitsverwaltung erhalten habe, nicht berechtigt, bezüglich weiterer Ansprüche zur bundesdeutschen Arbeitsverwaltung zu wechseln.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Grundsätze des sogenannten "Miethe-Urteils" des EuGH seien hier anzuwenden. Da er nicht ausreichend Französisch spreche, hätte er die selbständige Tätigkeit, für die er Übbg beantrage, in Frankreich nicht ausüben können. Auch könne nach einem Beschluss des BVerfG vom 30.12.1999 das Wohnsitzprinzip nicht erstmals gegen die Einlösung des durch Beiträge erworbenen Versicherungsschutzes ins Feld geführt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.03.1997 und des Bescheides der Beklagten vom 23.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1995 zu verurteilen, ihm ab 27.06.1994 Überbrückungsgeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beschluss des BVerfG vom 30.12.1999 sei auf den Fall des fehlenden Vorbezugs deutscher Leistungen nicht zu übertragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrenskakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von Übbg hat.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs.2 SGG).
Gemäß § 55a Abs.1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kann die Bundesanstalt Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden für längstens 26 Wochen Übbg gewähren, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist Voraussetzung für die Gewährung von Übbg die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Es kann dahinstehen, ob durch den Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der französischen Arbeitsverwaltung der in § 55a Abs.1 Satz 1 AFG geforderte Vorbezug von Alg oder Alhi gegeben ist. Denn ein Anspruch des Klägers scheitert bereits daran, dass er die in § 55a Abs.1 Satz 2 AFG geforderte Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht vorgelegt hat. Die Vorlage einer solchen Stellungnahme ist aber unabdingbare Anspruchsvoraussetzung. Die Pflicht zur Vorlage einer solchen Stellungnahme ist mehr als eine bloße Mitwirkungspflicht im Sinne des § 60 SGB I; eine Verpflichtung der Beklagten, eine solche einzuholen, besteht nämlich nicht. Insoweit gilt nicht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 20 SGB X, weshalb bei Nichtvorlage dieser Stellungnahme Übbg nicht bewilligt werden darf (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Rdnr.19 zu § 55a; Winkler in Gagel, AFG, Rdnr.12 zu § 55a).
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es keine für seine Dozententätigkeit zuständige Industrie- und Handelskammer gebe. Denn als fachkundigen Stellen kommen neben Kreditinstituten auch fachkundige Einzelpersonen wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen in Betracht (Hennig/Kühl/Heuer/Henke a.a.O.). Dafür, dass die Beklagte bei einer Vorsprache am 06.06.1995 auf die Vorlage einer solchen Stellungnahme verzichtet haben soll, ergeben sich keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht aus dem Beratungsvermerk über diese Vorsprache vom 06.06.1995 (Bl.29 FdA-Akte), in dem es heißt, der Kläger wünsche bezüglich seiner Anfrage nach Übbg einen Bescheid, ihm sei ein Antrag nachträglich ausgehändigt worden; der Kläger sei seit Juli 1996 selbständig im Bereich der Erziehungshilfe und EDV-Schulung tätig. Zudem hat die Beklagte anschließend sowohl im Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 als auch in der Klageerwiderung vom 13.02.1996 auf das Erfordernis der Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle hingewiesen.
Unabhängig davon, dass die Vorlage einer solchen Stellungnahme nach § 55a Abs.1 Satz 2 AFG unabdingbare Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Übbg ist, könnte hierauf gerade im vorliegenden Fall nicht verzichtet werden, da zweifelhaft ist, ob der Kläger ab 27.06.1994 eine tragfähige Existenz gegründet hat. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die von ihm zunächst ausgeübte Referententätigkeit von vornherein auf ein halbes Jahr befristet war, während dem Sinn der Übbg-Gewährung entsprechend eine Existenzgründung nur gefördert werden soll, wenn sie auf nicht absehbare Zeit die Gewähr bietet, dass der Leistungsempfänger mit dem aus der selbständigen Tätigkeit zu erwartenden Gewinn seinen Lebensunterhalt bestreiten kann; nicht ausreichend wäre jedenfalls eine selbständige Tätigkeit, die lediglich auf die Zeit der Übbg-Bewilligung - 26 Wochen - begrenzt ist. Die vom Kläger ab 15.01.1995 durchgeführte Betreuung einer Privatperson war ebenfalls "längstens für die Zeit der Kostenzusage" befristet; auch spricht der Zusatz "10 Std./Woche" dafür, dass es sich hierbei nicht um eine in § 55a Abs.1 Satz 1 AFG geforderte Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden gehandelt hat.
Bezüglich der bis 31.12.1994 ausgeübten Tätigkeit ist zudem fraglich, ob es sich tatsächlich um eine selbständige Tätigkeit und nicht um eine Arbeitnehmerbeschäftigung gehandelt hat. Jedenfalls hat der Kläger bereits zuvor vom 01.04.1990 bis 30.06.1992 eine Tätigkeit als Referent bei dem IBB im Angestelltenverhältnis ausgeübt. Es wäre zu klären gewesen, ob er die Tätigkeit ab 27.06.1994 unter anderen Voraussetzungen und Bedingungen absolviert hat und nicht in der für Arbeitnehmer typischen Weise in den Betrieb des IBB eingegliedert und nicht dem Weisungsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung unterworfen war (BSGE 13, 196, 201 ff.; 38, 53, 57). Denn maßgeblich ist nicht, welche rechtliche Wertung die Parteien ihren Vertragsbeziehungen angedeihen lassen bzw. wie sie ihre Beziehungen - bewusst oder unbewusst - bezeichnet haben; abzustellen ist vielmehr darauf, wie diese Beziehungen nach der tatsächlichen Gestaltung und bei objektiver Wertung einzuordnen sind (BSG SozR 4100 § 13 Nr.6). Gerade die Bezugnahme auf eine zu erwartende Stundenzahl von 38,5 pro Woche spricht dafür, dass der Kläger die Teilnehmer dieses Bildungsinstituts nach einem vorgegebenen Stundenplan zu betreuen hatte. Jedoch können diese Gesichtspunkte letztlich dahinstehen, da, wie dargestellt, der Anspruch bereits daran scheitert, dass der Kläger keine fachkundige Stellungnahme vorgelegt hat, die unter Darstellung der betriebswirtschaftlichen Daten nachvollziehbar erläutert, ob davon ausgegangen werden konnte, dass der Kläger eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, die voraussichtlich auf Dauer seine Existenz sichert.
Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.03.1997 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Überbrückungsgeld (Übbg) streitig.
Der 1954 geborene Kläger, der im September 1982 das Fachhochschulstudium als Diplom-Sozialarbeiter abgeschlossen hat, hatte seit 1989 seinen Wohnsitz in Frankreich. Zuletzt war er vom 01.04.1990 bis 30.06.1992 als Referent bei dem Institut für Beruf und Bildung ... (IBB) in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Vom 01.07.1992 bis 18.06.1993 bezog er von der Beklagten während einer Fortbildungsmaßnahme zum Lernsystem-Lektor Unterhaltsgeld (Uhg). Vom 19.06.1993 bis 30.06.1994 erhielt er vom französischen Versicherungsträger Leistungen wegen Arbeitslosigkeit und war gleichzeitig beim Arbeitsamt Saarbrücken arbeitssuchend gemeldet.
Am 04.07.1994 beantragte er bei der Beklagten die Bewilligung von Übbg und gab an, am 27.06.1994 eine selbständige Tätigkeit als Bildungsreferent/EDV-Dozent beim IBB aufzunehmen. Er legte einen mit diesem Institut geschlossenen "Auftrag für freie Mitarbeiter" vor, wonach er zunächst bis 30.09.1994 und anschließend vom 01.10. bis 30.12.1994 aufgrund eines weiteren Auftrages die ordnungsgemäße Betreuung der ihm anvertrauten Seminarteilnehmer zu gewährleisten habe und darüber hinaus bereit sein müsse, im Bedarfsfall als Referent tätig zu werden. Bei der Ausgestaltung seiner Tätigkeit sei er im Wesentlichen frei und an Weisungen des IBB nicht gebunden, nach dessen Erfahrungen seien "jedoch 38,5 Wochenstunden erforderlich." Weiterhin legte er einen mit dem Hospital St.W ... geschlossenen Honorarvertrag über die Betreuung einer Privatperson als freier Mitarbeiter in der Zeit ab 15.01.1995 vor; festgesetzt wurde ein Honorar von 50,00 DM/Std. mit dem Zusatz, dass ein Anspruch auf Honorar nur bestehe, wenn die übertragene Tätigkeit ausgeübt werde. Unter "Sonstiges" ist vermerkt "10 Std./Woche".
Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Übbg mit Bescheid vom 23.08.1995 mit der Begründung ab, der Kläger habe weder Arbeitslosengeld (Alg) noch Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, der auf Art.71 EWGV 1408/71 beruhende Leistungsbezug in Frankreich dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 als unbegründet zurück. Die Antragstellung sei verspätet, weil das vorgeschriebene Formblatt erst am 12.06.1995 zurückgegeben worden sei. Auch fehle es an der Stellungahme einer fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Der diesbezügliche Einwand des Klägers, für seinen Tätigkeitsbereich gebe es keine zuständige Kammer oder keinen zuständigen Fachverband, sei nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen, da eine solche Stellungnahme auch von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater abgegeben werden könne. Im Wesentlichen scheitere die Leistungsbewilligung jedoch am fehlenden Vorbezug von Alg und Alhi; ausländische Leistungen könnten diesen Vorbezug nicht ersetzen.
Zur Begründung seiner zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach der Antragstellung vom 07.04.1994 seinen Antrag in mehreren Schreiben weiterverfolgt zu haben. Auch dürfe die Ablehnung nicht auf das Fehlen der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle gestützt werden, da die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht besser nachgewiesen werde als mit der Darstellung der konkreten Auftragslage. Bei einem Gespräch am 06.06.1994 (richtig wohl 1995) sei ausdrücklich auf die Vorlage eines solchen Gutachtens verzichtet worden, da durch die Nichtbearbeitung seines Antrages bereits mehr als ein Jahr vergangen gewesen sei.
Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung vom 13.02.1996 weiterhin unter anderem das Fehlen der fachkundigen Stellungnahme als Grund für die Ablehnung angeführt.
Das SG hat mit Urteil vom 12.03.1997 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe bei der Antragstellung im Juli 1994 weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB I gehabt. Als Grenzgänger habe er Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem er gewohnt habe. Selbst wenn er im Sinne des Urteils des EuGH als Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist, anzusehen wäre, so sei er angesichts der Tatsache, dass er im Juni 1994 Leistungen der französischen Arbeitsverwaltung erhalten habe, nicht berechtigt, bezüglich weiterer Ansprüche zur bundesdeutschen Arbeitsverwaltung zu wechseln.
Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die Grundsätze des sogenannten "Miethe-Urteils" des EuGH seien hier anzuwenden. Da er nicht ausreichend Französisch spreche, hätte er die selbständige Tätigkeit, für die er Übbg beantrage, in Frankreich nicht ausüben können. Auch könne nach einem Beschluss des BVerfG vom 30.12.1999 das Wohnsitzprinzip nicht erstmals gegen die Einlösung des durch Beiträge erworbenen Versicherungsschutzes ins Feld geführt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.03.1997 und des Bescheides der Beklagten vom 23.08.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1995 zu verurteilen, ihm ab 27.06.1994 Überbrückungsgeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beschluss des BVerfG vom 30.12.1999 sei auf den Fall des fehlenden Vorbezugs deutscher Leistungen nicht zu übertragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrenskakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Bewilligung von Übbg hat.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs.2 SGG).
Gemäß § 55a Abs.1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) kann die Bundesanstalt Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden für längstens 26 Wochen Übbg gewähren, wenn der Arbeitslose bis zur Aufnahme dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen Alg oder Alhi bezogen hat. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist Voraussetzung für die Gewährung von Übbg die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung.
Es kann dahinstehen, ob durch den Bezug von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit von der französischen Arbeitsverwaltung der in § 55a Abs.1 Satz 1 AFG geforderte Vorbezug von Alg oder Alhi gegeben ist. Denn ein Anspruch des Klägers scheitert bereits daran, dass er die in § 55a Abs.1 Satz 2 AFG geforderte Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung nicht vorgelegt hat. Die Vorlage einer solchen Stellungnahme ist aber unabdingbare Anspruchsvoraussetzung. Die Pflicht zur Vorlage einer solchen Stellungnahme ist mehr als eine bloße Mitwirkungspflicht im Sinne des § 60 SGB I; eine Verpflichtung der Beklagten, eine solche einzuholen, besteht nämlich nicht. Insoweit gilt nicht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 20 SGB X, weshalb bei Nichtvorlage dieser Stellungnahme Übbg nicht bewilligt werden darf (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Rdnr.19 zu § 55a; Winkler in Gagel, AFG, Rdnr.12 zu § 55a).
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass es keine für seine Dozententätigkeit zuständige Industrie- und Handelskammer gebe. Denn als fachkundigen Stellen kommen neben Kreditinstituten auch fachkundige Einzelpersonen wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen in Betracht (Hennig/Kühl/Heuer/Henke a.a.O.). Dafür, dass die Beklagte bei einer Vorsprache am 06.06.1995 auf die Vorlage einer solchen Stellungnahme verzichtet haben soll, ergeben sich keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht aus dem Beratungsvermerk über diese Vorsprache vom 06.06.1995 (Bl.29 FdA-Akte), in dem es heißt, der Kläger wünsche bezüglich seiner Anfrage nach Übbg einen Bescheid, ihm sei ein Antrag nachträglich ausgehändigt worden; der Kläger sei seit Juli 1996 selbständig im Bereich der Erziehungshilfe und EDV-Schulung tätig. Zudem hat die Beklagte anschließend sowohl im Widerspruchsbescheid vom 26.10.1995 als auch in der Klageerwiderung vom 13.02.1996 auf das Erfordernis der Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle hingewiesen.
Unabhängig davon, dass die Vorlage einer solchen Stellungnahme nach § 55a Abs.1 Satz 2 AFG unabdingbare Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Übbg ist, könnte hierauf gerade im vorliegenden Fall nicht verzichtet werden, da zweifelhaft ist, ob der Kläger ab 27.06.1994 eine tragfähige Existenz gegründet hat. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die von ihm zunächst ausgeübte Referententätigkeit von vornherein auf ein halbes Jahr befristet war, während dem Sinn der Übbg-Gewährung entsprechend eine Existenzgründung nur gefördert werden soll, wenn sie auf nicht absehbare Zeit die Gewähr bietet, dass der Leistungsempfänger mit dem aus der selbständigen Tätigkeit zu erwartenden Gewinn seinen Lebensunterhalt bestreiten kann; nicht ausreichend wäre jedenfalls eine selbständige Tätigkeit, die lediglich auf die Zeit der Übbg-Bewilligung - 26 Wochen - begrenzt ist. Die vom Kläger ab 15.01.1995 durchgeführte Betreuung einer Privatperson war ebenfalls "längstens für die Zeit der Kostenzusage" befristet; auch spricht der Zusatz "10 Std./Woche" dafür, dass es sich hierbei nicht um eine in § 55a Abs.1 Satz 1 AFG geforderte Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden gehandelt hat.
Bezüglich der bis 31.12.1994 ausgeübten Tätigkeit ist zudem fraglich, ob es sich tatsächlich um eine selbständige Tätigkeit und nicht um eine Arbeitnehmerbeschäftigung gehandelt hat. Jedenfalls hat der Kläger bereits zuvor vom 01.04.1990 bis 30.06.1992 eine Tätigkeit als Referent bei dem IBB im Angestelltenverhältnis ausgeübt. Es wäre zu klären gewesen, ob er die Tätigkeit ab 27.06.1994 unter anderen Voraussetzungen und Bedingungen absolviert hat und nicht in der für Arbeitnehmer typischen Weise in den Betrieb des IBB eingegliedert und nicht dem Weisungsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung unterworfen war (BSGE 13, 196, 201 ff.; 38, 53, 57). Denn maßgeblich ist nicht, welche rechtliche Wertung die Parteien ihren Vertragsbeziehungen angedeihen lassen bzw. wie sie ihre Beziehungen - bewusst oder unbewusst - bezeichnet haben; abzustellen ist vielmehr darauf, wie diese Beziehungen nach der tatsächlichen Gestaltung und bei objektiver Wertung einzuordnen sind (BSG SozR 4100 § 13 Nr.6). Gerade die Bezugnahme auf eine zu erwartende Stundenzahl von 38,5 pro Woche spricht dafür, dass der Kläger die Teilnehmer dieses Bildungsinstituts nach einem vorgegebenen Stundenplan zu betreuen hatte. Jedoch können diese Gesichtspunkte letztlich dahinstehen, da, wie dargestellt, der Anspruch bereits daran scheitert, dass der Kläger keine fachkundige Stellungnahme vorgelegt hat, die unter Darstellung der betriebswirtschaftlichen Daten nachvollziehbar erläutert, ob davon ausgegangen werden konnte, dass der Kläger eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, die voraussichtlich auf Dauer seine Existenz sichert.
Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.03.1997 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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