L 9 AL 254/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 Al 1061/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 254/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. März 1997 wird zurückgewiesen.
II. Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ein Anhörungsschreiben.

Die Klägerin, zu diesem Zeitpunkt in Arbeitslosenhilfe(Alhi)-Bezug, lehnte am 05.03.1992 zwei Bildungsangebote ("qualifizierte Bürokraft-Didact", "Computerführerschein bzw. Computerkenntnisse WORD 5,0") ab.

Mit Bescheid vom 22.05.1992 stellte das Arbeitsamt fest, dass eine Sperrzeit von acht Wochen ab 06.03.992 wegen der Ablehnung einer Bildungsmaßnahme ohne wichtigen Grund eintrete und damit, da es sich um eine Folgesperrzeit handle, der Anspruch auf Alhi ab 06.03.1992 erlösche. Es hob die Bewilligung der Leistung ab 06.03.1992 auf und forderte die für den Zeitraum vom 06.03.1992 bis 09.04.1992 bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 1.230,00 DM zurück.

Die Klägerin erhob dagegen mit Schreiben vom 02.06.1992 Widerspruch.

Es folgte ein Schreiben des Arbeitsamtes vom 24.06.1992 betreffs "Überzahlung von Leistungen. Anhörung gemäß § 24 Abs.1 SGB X und gemäß § 55 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten".

"Nach meinen Unterlagen habe ich bei Ihrem Leistungsbezug (Alhi) eine Überzahlung vom 06.03.1992 bis 09.04.1992 in Höhe von 1.230,00 DM festgestellt. Der Anspruch auf Leistungen ist für den oben genannten Zeitraum weggefallen, weil Sie sich am 05.03.1992 geweigert haben, an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten teilzunehmen. Ich beabsichtige daher, die Bewilligung insoweit aufzuheben und den überzahlten Betrag zurückzufordern. Wenn Sie mit der Rückforderung nicht einverstanden sind, sollten Sie zur Vermeidung von Nachteilen die Gründe hierfür mitteilen. Falls Sie den Betrag nicht in einer Summe zurückzahlen können, bitte ich, Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen und vorzuschlagen, in welchen Monatsraten Sie den Betrag zurückzahlen wollen. Bitte leisten Sie aufgrund dieser Anhörung noch keine Zahlungen. Sie erhalten ggf. noch eine Zahlungsaufforderung, wenn über die Rückzahlung entschieden ist ...".

Die Klägerin erhob auch gegen dieses Schreiben vom 24.06.1992 mit Schreiben vom 08.07.1992 Widerspruch.

Das Arbeitsamt half nach verwaltungsinterner Überprüfung dem Widerspruch der Klägerin vom 02.06.1992 gegen den Sperrzeitbescheid vom 22.05. 1992 ab.

Mit Bescheid vom 28.07.1992 hob es den Bescheid vom 22.05.1992 auf.

In Konsequenz dessen löschte die Einzugsstelle am 03.8.1992 die Rückforderung von 1.230,00 DM über die vom 06.03.1992 bis 09.04.1992 bereits erbrachte Arbeitslosenhilfe. Zugleich überwies das Arbeitsamt der Klägerin für den Zeitraum vom 10.04. 1992 bis 14.07.1992 - ab 15.07.1992 hatte die Klägerin eine Arbeit aufgenommen - eine Nachzahlung von 2.062,81 DM. Es errechnete einen Anspruch von 3.362,00 DM für insgesamt 82 Leistungstage, wovon es 1.299,19 DM an das Sozialamt wegen von diesem erbrachter Vorleistungen vom 01.06.1992 bis 31.07.1992 abzweigte. Eine Leistungsklage der Klägerin vor dem SG München unter dem Az.: S 35 Al 653/92, mit der die Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.1992 bis 14.07.1992 weitere 1.003,31 DM zuzüglich Zinsen forderte, wies das SG mit Urteil vom 25.11.1994 als unbegründet zurück, die Berufung hiergegen blieb erfolglos (Urteil des Bayer. LSG vom 12.12.1996 L 8 Al 28/95).

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 wies das Arbeitsamt den Widerspruch der Klägerin vom 08.07.1992 gegen das Anhörungsschreiben vom 24.06.1992 als unzulässig zurück, da es sich bei diesem Schreiben um keinen Verwaltungsakt gehandelt habe.

Die Klägerin erhob hiergegen Klage zum Sozialgericht (SG) München.

Sie ist der Auffassung, dass es sich bei dem Anhörungsschreiben vom 24.06.1992 um einen Verwaltungsakt handelt. Insbesondere bezieht sie sich dabei auf den Passus: "Der Anspruch auf Leistungen ist für den oben genannten Zeitraum weggefallen, weil Sie sich am 05.03.1992 geweigert haben, an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten teilzunehmen".

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.03.1997 als unzulässig abgewiesen, da es sich bei dem Anhörungsschreiben vom 24.06. 1992 nicht um einen Verwaltungsakt handle und auch ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich sei.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:

1. Das Urteil des SG vom 21.03.1997 aufzuheben.
2. Die Beklagte zu verpflichten, ihr den für das Jahr 1992 noch offenstehenden Leistungsbetrag in Höhe von 1.003,31 DM zuzüglich Zinsen zu überweisen.
3. Die Beklagte zu verpflichten, weitere Versuche zu unterlassen, sie, die Klägerin, durch z.B. grundlose Zahlungsmitteilungen oder grundlose Erstattungsbescheide zu übervorteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hat den Klageänderungen ausdrücklich nicht zugestimmt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Die Beklagte hat ihrerseits den Widerspruch der Klägerin vom 08.07.1992 gegen das Schreiben des Arbeitsamts vom 24.06.1992 mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Das der sozialgerichtlichen Anfechtungs- oder Versagungsgegenklage vorgeschaltete Vorverfahren nach § 78 ff. SGG beginnt nach § 83 SGG mit der Erhebung des Widerspruchs. Der Rechtsbehelf des Widerspruchs setzt die vorangegangene Beschwer durch einen Verwaltungsakt voraus (Meyer-Ladewig SGG Rdz.3 zu § 83 SGG). Verwaltungsakt ist nach § 31 Satz 1 SGB X jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Danach handelt es sich bei dem Schreiben vom 24.06.1992 um ein (hier im Rahmen des Widerspruchsverfahrens) nachgeholtes Anhörungsschreiben nach § 24 SGB X, nicht aber um einen Verwaltungsakt. Dem Schreiben vom 24.06.1992 fehlt es nämlich am Regelungscharakter. Zwar wird dort "festgestellt", dass der Anspruch der Klägerin auf Leistungen für den Zeitraum vom 06.03.1992 bis 09.04.1992 weggefallen und daher eine Überzahlung von 1.230,00 DM eingetreten sei. Das Schreiben bezeichnet sich aber ausdrücklich als Anhörung und spricht ausdrücklich davon, dass beabsichtigt sei, die Bewilligung aufzuheben und den überzahlten Betrag zurückzufordern, wobei der Klägerin noch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Das Anhörungsschreiben selbst trifft damit keine Regelung, auch nicht in dem Sinne, dass es irgendeine spezifische Konsequenz für den Fall vorsieht, dass die Klägerin der Aufforderung zur Stellungnahme nicht nachkommt.

Unabhängig davon hatte die Klägerin auch schon deswegen kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Rechtsbehelf gegen das nachgeholte Anhörungsschreiben, da sie bereits Widerspruch gegen den Sperrzeitbescheid vom 22.05.1992 erhoben hatte und weiteres Vorbringen im Rahmen des dadurch bereits laufenden Widerspruchsverfahrens vortragen konnte. Das nachgeholte Anhörungsschreiben vom 24.06.1992 war lediglich Teil dieses bereits laufenden Widerspruchsverfahrens.

Der mit Klage angefochtene Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 hat aber nicht nur zu Recht den Widerspruch der Klägerin gegen das Anhörungsschreiben vom 24.06.1992 als unzulässig zurückgewiesen, so dass eine Klage hiergegen keinen Erfolg haben konnte, es ermangelte der Klägerin darüber hinaus an jeglichem Rechtsschutzbedürfnis zur Erhebung einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993, nachdem dem inhaltlichen Begehren der Klägerin mit Bescheiden vom 28.07.1992 und 03.08.1992 bereits voll abgeholfen worden war. Das SG hat die Klage daher zu Recht als unzulässig abgewiesen, die Berufung gegen das Urteil des SG vom 21.03.1997 war zurückzuweisen.

Bei den Klageerweiterungen unter Ziffer 2) und Ziffer 3) des Antrags der Klägerin stellt es sich um Klageänderungen im Sinne von § 99 Abs.1 SGG dar. Diese Klageänderungen sind nicht zulässig. Die Beklagte hat nicht zugestimmt. Die Klageerweiterungen sind auch nicht sachdienlich. Über den Antrag zu Ziffer 2) auf Zahlung von weiteren 1.003,31 DM für das Jahr 1992 wurde bereits im Verfahren S 35 Al 653/92 entschieden. Die Berufung hiergegen hatte keinen Erfolg (L 8 Al 28/95). Die vorbeugende Unterlassungsklage zu Ziffer 3) ist zu wenig spezifisch, um als Grundlage für eine mögliche gerichtliche Entscheidung zu dienen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil des Senats weicht nicht ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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