L 9 AL 265/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Al 652/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 265/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26. Juni 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des Rechtsstreits sind die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie die Erstattung der Leistung in Höhe von 5.557,80 DM.

Der am 1958 geborene Kläger war vom Oktober 1988 bis August 1991 als Produktionshelfer beschäftigt, bezog dann Arbeitslosengeld und Anschluss-Alhi und war vom Februar 1993 bis Juli 1993 als Gastwirt selbständig tätig.

Auf seinen Antrag vom 30.07.1993 bewilligte ihm die Beklagte wieder Alhi, auf seinen Fortzahlungsantrag vom 30.06./01.07. 1994 weiter Alhi ab 01.08.1994 in Höhe von 244,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 20.07.1994), ab 02.01.1995 in Höhe von 241,20 DM wöchentlich und nach einer Neubemessung ab 05./06.03. 1995 je Woche 208,80 DM. Die Alhi wurde bis 27.05.1995 gezahlt. Für die Zeit danach war wegen einer Maßnahme "Bildung und Beruf" die Leistung von Unterhaltsgeld vorgesehen. Hierzu kam es nicht, da der Kläger nicht an der Maßnahme teilnahm, nach seinen Angaben wegen Problemen an einem Fuß. Die Arbeitsvermittlung der Beklagten stellte Arbeitsunfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 24.05. bis 16.06.1995 fest und verneinte für die sich anschließende Zeit die Verfügbarkeit, da der Kläger nach seinen Angaben keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen könne.

In dem Fortzahlungsantrag vom 30.06./01.07.1994 hatte der Kläger, wie schon entsprechend in den früheren Anträgen, die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und einer Nebenbeschäftigung sowie den Bezug von Leistungen und Einnahmen verneint (Nr.4 a, 6, 7). Abschließend versicherte er, dass die vorstehend gemachten Angaben zuträfen. Ihm sei bekannt, dass er dem Arbeitsamt sofort alle Änderungen anzuzeigen habe, die gegenüber den in diesem Antrag angegebenen Verhältnissen einträten. Das Merkblatt für Arbeitslose (Ihre Rechte - Ihre Pflichten), in dem auf die Mitteilungspflichten im Einzelnen hingewiesen werde, habe er erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen.

Am 29.06.1995 ging beim Arbeitsamt Kempten ein Schreiben der Bayerischen Grenzpolizei vom 27.06.1995 ein. Darin wurde berichtet, dass der Kläger am 19.06.1995 als Fahrer eines Lastkraftwagens (LKW) mit dem Kennzeichen S. am Grenzübergang Pfronten ausgereist sei. Er habe angegeben, dass er für F. D. (D.) in Kempten Waren aus Italien holen solle. Er arbeite bei D. seit ca. drei Monaten und fahre ca. einmal pro Woche nach Italien, um dort Waren für den Laden von D. (Toscanische Spezialitäten) in Kempten zu holen. Die Tour schaue folgendermaßen aus: Abfahrt am Montag, 19.06.1995 um 16.00 Uhr in Kempten; 20.06.1995 8.00 Uhr in Verona, laden; danach nach Mailand und nach Novara zum Laden fahren. Dort sei er gegen 14.00 Uhr. Anschließend fahre er zurück nach Kempten. Die Rückkehr sei immer am übernächsten Tag; ihren genauen Zeitpunkt könne er nicht festlegen, da es manchmal mit dem Beladen nicht so gut klappe. D. bezahle ihn mit "Nudeln und Käse". Die Grenzpolizei merkte an, dass die Angabe des Klägers, er fahre erst seit drei Monaten für D., nicht richtig sein dürfte. Der Kläger sei nämlich bereits am 17.09.1994 von der Grenzpolizei wegen eines Verstoßes nach dem Fahrpersonalrecht angezeigt worden. Auch hier habe er Nudeln für D. von Italien nach Kempten transportiert. Beigefügt waren die Ablichtungen von zwei Diagrammen des Fahrtenschreibers aus dem Monat Juni 1995.

Der daraufhin von der Beklagten beauftragte Außendienst teilte in seinem Bericht vom 24.08.1995 mit, dass der Kläger nach Angaben von D. für diesen bzw. dessen Firma T.-Importe seit 15.11.1994 Lebensmitteltransporte von Oberitalien nach Kempten durchgeführt habe. D. habe nicht gewusst, dass der Kläger arbeitslos sei. Der Kläger habe angegeben, kein Bargeld und für jede Fahrt Waren im Wert von 60,00 bis 70,00 DM erhalten zu haben. Beigefügt war eine von D. unterzeichnete Erklärung vom 21.08.1995, wonach der Kläger seit 15.11.1994 fast einmal in der Woche nach Italien gefahren sei. Er fahre in den frühen Morgenstunden des Montag ab und kehre bei normalen Verhältnissen am Morgen des Dienstags wieder zurück. Abwesenheit ca. 24 bis 30 Stunden. Seit 15.11.1994 habe er, D., die Fahrt zehnmal selbst durchgeführt, fünfmal sei sie entfallen. Der Außendienst legte ferner vor die Ablichtungen von 31 auf den Namen des Klägers ausgestellten Tachoscheiben des LKW S. , der von D. leihweise benutzt worden war.

Die Beklagte wertete die vorliegenden Unterlagen einschließlich der Tachoscheiben aus und hörte den Kläger mit Schreiben vom 10.10.1995 an. Mit Bescheid vom 26.10.1995 hob sie die Alhi-Bewilligung ab 15.11.1994 ganz auf, weil der Kläger überkurzzeitig als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Sie verlangte von ihm die Erstattung der gezahlten Alhi vom 15.11.1994 bis 27.05.1995 in Höhe von 5.836,20 DM. Mit weiteren Bescheiden vom 26.10.1995 lehnte sie Anträge des Klägers auf Alhi vom 14.07. und 24.08.1995 ab, weil der Kläger erklärt habe, weiter arbeitsunfähig zu sein und daher nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe bzw. mehr als kurzzeitig tätig sei.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.10.1995 (Aufhebung) und den Bescheid vom 26.10.1995 betreffend den Antrag vom 24.08. 1995 erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend, er sei ca. in den letzten sieben Monaten bei D. ohne feste Arbeitszeiten beschäftigt gewesen, regelmäßig montags oder dienstags und sei immer die gleiche Tour gefahren. Er habe aus Freundschaft ausgeholfen und nie Geld, nur Lebensmittel erhalten. Bei den Vorstellungsterminen des Arbeitsamtes habe er sich immer vorgestellt, auch am Montag oder Dienstag.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.1995 änderte die Beklagte den angefochtenen Aufhebungsbescheid. Sie beschränkte die Aufhebung auf die Zeiträume

15.11.1994 bis 11.01.1995, 16.01. bis 05.04.1995, 10.04. bis 18.05.1995 und 22.05. bis 27.05.1995.

Die Kosten des Klägers übernahm sie bis zu fünf Hundertstel. Die reine Fahrzeit des Klägers habe nach den Tachoscheiben zum Teil 17 Stunden umfasst, dazu kämen Be- und Entladearbeiten, mit denen 18 Stunden erreicht und überschritten würden. Der Kläger habe am 12.01., 06.04. und 19.05.1995 beim Arbeitsamt vorgesprochen, was als Arbeitslosmeldung gewertet werden könne; damit lägen die Anspruchsvoraussetzungen für die Zeiträume 12. bis 14.01., 06. bis 08.04. und 19. bis 20.05.1995 vor. Der Erstattungsbetrag mindere sich daher um 278,40 DM auf 5.557,80 DM.

Mit Bescheid vom 16.08.1996 wurde dem Kläger Anschluss-Alhi vom 24.08.1995 bis 29.02.1996 nachbewilligt und der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 26.10.1995, betreffend den Antrag 24.08.1995, aufgehoben. Das Widerspruchsverfahren bezüglich dieses Bescheides wurde damit erledigt; Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.1995 (Antrag vom 14.07.1995) war nicht eingelegt worden. Mit Ausnahme eines Restbetrages von 57,42 DM wurde die nachbewilligte Alhi dem Sozialhilfeträger überwiesen. Am 01.03.1996 nahm der Kläger wieder eine Arbeit auf.

Am 27.12.1995 erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.12.1995. Er wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Mit Urteil vom 26.06.1997, als Einschreiben an den Kläger zur Post am 23.07.1997, wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden seien nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die am 01.08.1997 eingelegte Berufung des Klägers zum Bayer. Landessozialgericht. Der Kläger wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er habe für D. einen reinen Freundschaftsdienst erbracht und diesen sofort beendet, als ihm das Arbeitsamt mitgeteilt habe, "dass er einem Freund nicht helfen durfte". Sein beigeordneter anwaltlicher Bevollmächtigter machte zunächst geltend, mit Ausnahme geringfügigster Zuwendungen wie Essen, Trinken und einem völlig unerheblichen Trinkgeld habe der Kläger von D. keine weiteren Zuwendungen erhalten. Später machte er geltend, der Kläger habe von D. keinerlei Bezüge erhalten, vielmehr seien ihm von D. nur eine geringe Menge Teigwaren angeboten worden. Wegen finanzieller Schwierigkeiten sei D. nicht in der Lage gewesen, ihn zu entlohnen. Er habe der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Je Fahrt sei er "täglich maximal 15 Stunden" unterwegs gewesen. Die Teigwaren habe er nicht als Entgelt, sondern als Geschenk erhalten. Der derzeitige Aufenthalt von D. sei ihm nicht bekannt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 26.06.1997 und den Bescheid der Beklagten vom 26.10.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1995 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Ein Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren sei nicht durchgeführt worden. Bei den vom Kläger nahezu wöchentlich regelmäßig durchgeführten Fahrten nach Italien und zurück könne nicht mehr von einer Gefälligkeit gesprochen werden. Die Tätigkeit habe einer üblichen Arbeitnehmertätigkeit entsprochen, denn der Kläger sei an die Weisungen von D. gebunden gewesen und habe nicht frei handeln können. Er habe die Fahrten zu den vorgesehenen Zeiten und dem vorgegebenen Ziel mit dem Firmenwagen durchführen und entsprechend den Weisungen abzuholende Waren zu D. transportieren müssen. Dass der Kläger seine Vergütung in Form von Waren und Naturalien erhalten habe, ändere nichts am Ent- und Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. D. habe den Warenwert je Fahrt auf 60,00 bis 70,00 DM beziffert.

Hiergegen erwiderte der Kläger, es habe sich um reine Gefälligkeitsfahrten gehandelt. Er sei weder weisungs- noch termingebunden gewesen. Vielmehr habe es in seinem Ermessen gelegen, ob er die Fahrten durchführe oder nicht. Trotz der durchgeführten Fahrten habe er zum damaligen Zeitpunkt dem Arbeitsamt als Arbeitsuchender zur Verfügung gestanden. Sämtlichen Einbestellungen habe er Folge geleistet. Für ihn habe es sich um reine Spazierfahrten nach Italien gehandelt. Als italienischer Staatsangehöriger sei er somit kostenlos in sein Heimatland gefahren. Er sei lieber mit dem Kleintransporter unterwegs gewesen, als tatenlos in Kempten auf Arbeit zu warten.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung und die Erstattungsforderung der Beklagten kann nur § 48 SGB X sein. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Abs.1 Satz 1). Gemäß Abs.1 Satz 2 soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit (Nr.2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlilch oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Lagen die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X für die Aufhebung des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, war dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben (§ 152 Abs.3 AFG).

In der vorliegenden Streitsache ist in den für die Alhi-Bewilligung maßgeblichen Verhältnissen zum 15.11.1994 und den folgenden Aufhebungszeiträumen jeweils eine wesentliche Änderung eingetreten. Denn der Kläger war wegen des Beginns einer über-kurzzeitigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nicht mehr arbeitslos und hatte daher keinen Leistungsanspruch mehr (§ 134 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AFG in Verbindung mit §§ 101, 102 AFG). Insbesondere war die Tätigkeit des Klägers für D. nicht kurzzeitig, sondern erreichte nach der Natur der Sache die damals geltende Kurzzeitigkeitsgrenze von 18 Stunden oder überschritt diese (§ 102 Abs.1, Abs.2 Nr.1 AFG). Das ergibt sich aus den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren einschließlich des Widerspruchsverfahrens und den Auskünften des Auftraggebers D. in Verbindung mit den vorliegenden Tachoscheiben. Danach hat der Kläger bei der Grenzpolizei am 19.06.1995, also zeitnah, die damalige Fahrt beschrieben, die bei einer Abfahrt am Montag, den 19.06.1995 um 16.00 Uhr nach Verona und Mailand/Novara ging und voraussichtlich am 21.06. in Kempten enden sollte. Die Fahrtdauer von zwei Tagen (Rückkehr immer am übernächsten Tag) bezog der Kläger ausdrücklich auf alle Fahrten. Im Widerspruch gab der Kläger an, er habe seine festen Arbeitszeiten gehabt, sei (jedoch) regelmäßig montags oder dienstags bei D. beschäftigt gewesen. Bestätigt wurden diese Erklärungen des Klägers grundsätzlich von dem Auftraggeber D. beim Außendienst der Beklagten am 21.08.1995, wonach der Kläger im Normalfall 24 bis 30 Stunden unterwegs (gewesen) sei, nämlich von Montagmorgen bis Dienstagmorgen. Ferner werden diese Zeitangaben unterstützt durch die Auswertung der sogenannten Tachoscheiben (Diagramme) der Fahrtenschreiber. Beispielsweise hat die Fahrt am Montag, den 20.03.1995 gegen 10.00 Uhr begonnen und am Dienstag, den 21.03.1995 gegen 14.00 Uhr geendet mit einer reinen Fahrtzeit von etwa 17 Stunden. Der zeitliche Umfang der Fahrten erschließt sich aber auch aus den angefallenen Zielorten in Oberitalien, den dabei zurückzulegenden Entfernungen und der Geschwindigkeit eines Transportfahrzeugs. Die letzten Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 13.09.2000 ("täglich maximal 15 Stunden unterwegs") sind demgegenüber nach ihrem offenbar bezweckten Sinn (insgesamt nur 15 Stunden unterwegs) nicht glaubwürdig; wörtlich genommen sind sie ohnehin nicht zielführend und belegen eher das Gegenteil des Gewollten.

Da bei Kraftfahrern neben der reinen Lenkzeit auch die Be- und Entladearbeiten, Reparaturarbeiten, Vor- und Abschlussarbeiten (hierzu § 102 Abs.2 Nr.1 AFG), Arbeitsbereitschaft und sonstige Arbeiten zur Arbeitszeit zählen (vgl. § 2 des Bundes-Manteltarifvertrages für den Güter- und Möbelfernverkehr, TR 28-100 ab 66), muss im Rahmen der Gesamtdauer der Fahrten von etwa 24 bis 30 Stunden eine Arbeitszeit von 18 Stunden im Normalfall erreicht worden sein.

Aus den Angaben von D. gegenüber dem Arbeitsamt folgt auch, dass der Kläger die Fahrten eher regelmäßig unternommen hat ("seit ca. 15.11.1994 bis auf wenige Ausnahmen wöchentlich"; "vom 15.11.1994 bis heute (21.08.1995) ... ca. zehnmal von (D.), fünfmal wurde die Fahrt nicht durchgeführt".

Letztlich bestreitet der Kläger auch nicht, von D. geldwerte Vorteile für seine Fahrten erhalten zu haben. So hat der Kläger ursprünglich gegenüber dem Außendienst der Beklagten erklärt, je Fahrt Waren im Wert von 60,00 bis 70,00 DM bekommen zu haben (bei der Grenzpolizei: "Nudeln und Käse"). Später war von Lebensmitteln (Widerspruch, Schriftsatz vom 09.01.1996 an das Sozialgericht) und schließlich von einer "geringen Menge Teigwaren" (Schriftsatz vom 13.09.2000) die Rede. Da es auf die Form von geldwerten Vorteilen nicht ankommt, hat der Kläger entweder Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs.1 SGB IV oder eine Vergütung für selbständige Tätigkeit erhalten.

Im Hinblick auf den Umfang der erbrachten Dienste, ihre erhebliche Bedeutung für den Auftraggeber D. und die Tatsache ihrer Vergütung durch D. kann es sich auch nicht um bloße unverbindliche Gefälligkeitsleistungen unter Freunden gehandelt haben. Die vom Kläger gebrauchte Bezeichnung "Spazierfahrten" (Schriftsatz vom 21.12.2000) geht daher am Sachverhalt völlig vorbei. Es liegt danach eine eindeutige erwerbswirtschaftliche Zielsetzung vor (dazu Kasseler Kommentar-Seewald § 7 SGB IV Rdnr.33 mit weiteren Nachweisen), auch wenn gewisse Modifizierungen durch ein freundschaftliches Verhältnis vorgelegen haben mögen. Eine Beurteilung entsprechend der familienhaften Mithilfe (dazu Seewald a.a.O. Rdnr.101 ff.) scheidet daher aus; sie würde im Übrigen im Ergebnis nichts zugunsten des Klägers ändern, weil auch Tätigkeiten als mithelfende Familienangehörige gemäß § 101 Abs.1 Satz 2 Nr.1 AFG leistungsschädlich sein konnten. Eine leistungsunschädliche Betätigung im Rahmen kultureller, caritativer, sportlicher, sozialer oder gesundheitlicher Interessen, eine ehrenamtliche Tätigkeit oder Tätigkeiten im eigenen Haushalt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 103 Nr.4) liegen demnach ebenfalls nicht vor.

Nicht entscheidungserheblich ist schließlich, ob der Kläger von D. persönlich abhängig war, also dessen Weisungen in Bezug auf Art, Ort, Dauer und Ausführung der Arbeit unterstand und danach ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat oder ob dies nicht der Fall war. Denn auch als selbständiger Auftragnehmer mit einer mehr als kurzzeitigen Tätigkeit war er nicht mehr arbeitslos (§ 101 Abs.1 Satz 2 Nr.1 AFG). Nicht entscheidungserheblich ist ferner, ob die Tätigkeit des Klägers auf Dauer oder nur von Fall zu Fall vereinbart war und der Kläger jeweils frei entscheiden konnte, ob er die Fahrt durchführt, wie er im Schriftsatz vom 21.12.2000 geltend macht. Denn auch im letzteren Fall verrichtete er eine nicht kurzzeitige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit.

Der Kläger war somit durch die Tätigkeit bei jeder Fahrt nicht mehr arbeitslos, seine Arbeitslosmeldung war nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-4100 § 105 Nrn.2 und 4) verbraucht und ein neuer Anspruch auf Alhi konnte nur durch erneute persönliche Arbeitslosmeldung entstehen. Da der Kläger ausweislich der Beratungsvermerke der Arbeitsvermittlung in dem hier streitigen Zeitraum nur am 12.01., 06.04. und 19.05.1995 beim Arbeitsamt persönlich vorgesprochen hat, können allenfalls diese Vorsprachen als erneute persönliche Arbeitslosmeldung gewertet und ein Alhi-Anspruch bis zum nächsten Fahrtbeginn gegeben sein.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit vor. Der Kläger hat die Tätigkeit für D. nicht angegeben und deswegen seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I verletzt. Dabei hat der Kläger mindestens mit grober Fahrlässigkeit gehandelt. Die Verschuldensform der groben Fahrlässigkeit erfordert eine besonders schwere Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigt, weil schon ganz naheliegende und einfachste Überlegungen nicht angestellt wurden. Maßgeblich sind die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit sowie das Einsichtsvermögen des Betroffenen (z.B. BSG SozR 5870 § 13 BKGG Nrn.1, 2; SozR 4100 § 152 AFG Nrn.3, 10; SozR 3-1300 § 48 Nr.32). Wie das BSG ferner entschieden hat, ist das Außer-Acht-Lassen von gesetzlichen Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wurde, im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Vorschriften nicht verstanden hat oder keinen Anlass hatte, die Belehrungen im Merkblatt nochmals nachzulesen (SozR 5870 § 13 BKGG Nr.2; SozR 4100 § 152 AFG Nr.3). Diese Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit liegen hier unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Klägers vor. Der Kläger war in den von ihm unterzeichneten Antragsvordrucken in Verbindung mit dem Merkblatt für Arbeitslose darauf hingewiesen worden, dass eventuelle Veränderungen bei der Arbeitslosigkeit gemeldet werden müssten. Die Notwendigkeit, Beschäftigungen und Tätigkeiten dem Arbeitsamt anzuzeigen, muss jedem einleuchten und war wegen der genannten Hinweise und Belehrungen dem Kläger auch bei Anwendung nur geringer Sorgfalt zuzumuten. Überdies hat der Kläger bereits seit langem Alhi bezogen und musste deswegen um so mehr über die Anzeigepflicht informiert sein.

Die Pflicht zur Erstattung der überzahlten Alhi folgt aus § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen des § 160 Abs.1 Nr.1 und 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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