Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 758/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 271/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 01.07.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.12.1996 an den Kläger.
Der am 1940 geborene und in Düsseldorf wohnhafte Kläger meldete sich am 27.12.1994 beim Arbeitsamt Düsseldorf arbeitslos und beantragte Alg. Er war zuletzt vom 01.10.1992 bis 31.12.1994 bei der B. Metallbau GmbH in Düsseldorf als Schlosser beschäftigt. Mit Bescheid vom 21.02.1995 wurde ihm Alg ab 02.01.1995 für 728 Tage bewilligt. Am 26.08.1996 stellte der Kläger Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach Vordruck E 303. Er gab an, er wolle sich zur Arbeitssuche nach Holland begeben und am 01.09.1996 abreisen. Ferner bestätigte er am 27.08.1996 unterschriftlich, das Merkblatt "Information E 303" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Am 11.09.1996 stellte die Beklagte die Bescheinigung nach Vordruck E 303 aus. Diese enthielt unter Ziffer 3 den Hinweis, dass der Kläger im Land der Arbeitssuche Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beziehen könne, wenn er sich bis zum 09.09.1996 bei der Arbeitsvermittlung dieses Landes melde. Unter Ziffer 4 heißt es, der Kläger habe Anspruch auf Leistungen für eine Höchstdauer von 78 Tagen, jedoch nicht länger als bis zum 30.11.1996. Den Beginn der Leistungen legte die Beklagte auf den 05.09.1996 fest, da der Kläger im Bundesgebiet bereits bis 04.09.1996 Alg bezogen hatte. Die Bescheinigung E 303 wurde dem Kläger am 19.09.1996 zugestellt. Am 26.11.1996 teilte der holländische Versicherungsträger mit, der Kläger habe sich erst am 21.10.1996 mit der Bescheinigung bei ihm gemeldet und sich erst am 11.11.1996 beim niederländischen Arbeitsamt als arbeitssuchend registrieren lassen. Das Arbeitsamt Düsseldorf gestattete dem holländischen Versicherungsträger trotzdem, dem Kläger rückwirkend ungekürzt Alg auszuzahlen. Am 26.02.1997 bewilligte der holländische Versicherungsträger dem Kläger für die Zeit vom 05.09.1996 bis 30.11.1996 (75 Tage) Alg.
Dieser beantragte am 19.03.1997 beim Arbeitsamt Düsseldorf unter seiner niederländischen Anschrift schriftlich, ihm für die Versäumung der Rückkehrfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und ihm ab 01.12.1996 Alg weiter zu zahlen. Persönlich sprach er am 27.05.1997 im Arbeitsamt Düsseldorf vor und bestätigte, dass er sich auch jetzt noch laufend in Holland aufhalte und dort wohne.
Mit Bescheid vom 30.05.1997 lehnte die Beklagte den Alg-Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus: Da sich der Kläger bis zum heutigen Tage in Holland aufhalte, könne ihm kein Alg gezahlt werden. Im Merkblatt "Information E 303" und in der Bescheinigung nach Vordruck E 303 sei er auf seine Rückkehrpflicht hingewiesen worden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe eine Belehrung für die Bescheiigung nach Vordruck E 303 nicht erhalten. Ihm sei auch nichts über eine 3-Monats-Frist noch sonst etwas mitgeteilt worden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.07.1997 zurück, weil der Kläger - der sich seit 01.09.1996 ununterbrochen in den Niederlanden aufhalte - das deutsche Arbeitsamt nicht täglich aufsuchen könne und er für dieses nicht erreichbar sei.
Dagegen hat der Kläger am 21.07.1997 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 01.09.1997 an das örtlich zuständige Sozialgericht Nürnberg (SG) verwies.
Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 30.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm rückwirkend ab dem 01.12.1996 Alg weiter zu zahlen. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe von der Rückkehrfrist erst im März 1997 erfahren, da der niederländische Versicherungsträger Alg erst am 03.03.1997 rückwirkend gezahlt habe. Bis dahin habe er keine Leistungen erhalten und daher nicht nach Deutschland zurückkehren können. Auch anschließend sei eine Rückkehr aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen, denn er habe Schulden begleichen müssen. Sobald ihm die Beklagte Leistungen gewähre oder ihn in Arbeit vermitteln könne, kehre er zurück. Übergangsweise könne er auch pendeln.
Mit Urteil vom 01.07.1998 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Alg-Anspruch, weil er sich beim Arbeitsamt nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe und er im Hinblick auf seinen Wohnsitz in den Niederlanden im Bundesgebiet nicht verfügbar sei. Er sei auch nicht Grenzgänger gewesen, so dass er keinen Leistungsanspruch als Grenzgänger erworben habe. Im Übrigen sei der Leistungsanspruch wegen Versäumung der Rückkehrfrist nach Art 67 EWG-VO Nr 1408/71 entfallen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, ihn über seine Pflichten nicht sorgfältig aufgeklärt zu haben. Dies ergebe sich aus den Schreiben der Beklagten vom 30.12.1996/24.01.1997. Von der Rückkehrpflicht habe er auch nicht anderweitig Kenntnis erlangt. Die Zahlungseinstellung zum 01.12.1996 habe er erst mit der Auszahlung des Alg durch die niederländische Behörde bemerkt. Seinem anschließend gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung hätte die Beklagte stattgeben müssen. Er sei stets bereit gewesen, sich persönlich zu melden und seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuverlegen. Auch sei er für das Arbeitsamt stets telefonisch und brieflich erreichbar und in der Lage gewesen, ohne unzumutbaren Aufwand das Arbeitsamt zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.12.1996 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1998 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend. Wegen Versäumung der Rückkehrfrist habe der Kläger den restlichen Alg-Anspruch verloren. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da der Kläger nicht ohne sein Verschulden daran gehindert worden sei, die Rückkehrfrist einzuhalten. Weil der Kläger nicht Grenzgänger gewesen sei, könne ein Leistungsanspruch auch nicht auf Art 71 EGW-VO 1408/71 gestützt werden. Der Kläger habe seit 01.09.1996 in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so dass das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht zur Anwendung komme.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird im Übrigen ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide vom 30.05.1997 und 07.07.1997 sowie das Urteil des SG vom 01.07.1998 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat ab 01.12.1996 gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Alg mehr.
Nach Art 69 Abs 2 EWG-VO 1408/71 hat ein Arbeitsloser, der einen Leistungsanspruch in einen anderen Mitgliedstaat mitgenommen hat (Art 69 Abs 1 EWG-VO 1408/71), weiterhin Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er vor Ablauf des Zeitraums, in dem er nach Abs 1 Buchst c Anspruch auf Leistungen hat, in den zuständigen Staat zurückkehrt; er verliert jedoch den Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er nicht vor Ablauf des Zeitraums dorthin zurückkehrt.
Im vorliegenden Fall hätte der Kläger nach dem Inhalt der Bescheinigung E 303 bis 30.11.1996 in das Bundesgebiet zurückkehren müssen. Dies hat er jedoch nicht getan. Er hat frühestens am 27.05.1997 beim Arbeitsamt Düsseldorf wieder persönlich vorgesprochen. Damit war die Rückkehrfrist versäumt, so dass er nach Art 69 Abs 2 Satz 1 2.Halbsatz EWG-VO 1408/71 jeden Anspruch auf Leistungen gegen die Beklagte verlor. Diese Bestimmung ist ein selbstständiger Erlöschenstatbestand, eine Sanktion für die Überschreitung der Höchstdauer der Abwesenheit (EuGHE 1980, 1979 = SozR 6050 Art 69 Nr 6). Sie verstößt nicht gegen Art 14 Grundgesetz -GG- (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4).
Nach Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 kann die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger bei Vorliegen eines Ausnahmefalls die Frist verlängern. Erst wenn ein Ausnahmefall vorliegt, ist die Behörde verpflichtet, bezüglich einer möglichen Fristverlängerung Ermessen auszuüben (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4 S 11).
Im Fall des Klägers fehlt es bereits am Vorliegen eines Ausnahmefalls. Ein Ausnahmefall liegt dann vor, wenn die rechtzeitige Rückkehr durch Umstände verhindert worden ist, die der Arbeitslose nicht zu vertreten hat. In Betracht kommen zB eine Reiseunfähigkeit bedingende Krankheit, Unfall, Arbeitskampf (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4 S 11 f; Kretschmer in Niesel Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung, SGB III, Art 69 EWG-VO 1407/71 Rdnr 24).
Vorliegend ist der Kläger nach seinen Angaben nicht rechtzeitig zurückgekehrt, weil er über die Frist des Art 69 Abs 2 EWG-VO 1408/71 nicht aufgeklärt worden sei und er für die Rückreise kein Geld gehabt habe (in den Niederlanden ist ihm Alg zu Lasten der Beklagten erst am 26.02.1997 bewilligt worden). Dieses Vorbringen zwingt nicht dazu, einen Ausnahmefall anzunehmen:
Über die Rückkehrfrist war der Kläger durch die "Information E 303" und die Bescheinigung nach Vordruck E 303 aufgeklärt worden. Die entsprechenden Hinweise in der Information unter Fall 2 letzter Absatz sind eindeutig. Sie enthalten zudem den Rat: "Kehren Sie so schnell wie möglich zurück, wenn Sie feststellen, dass Sie im anderen Mitgliedstaat keine Arbeit finden". Der Kläger hat in den Niederlanden Arbeit nicht gefunden. Auch kann er sich nicht darauf berufen, er habe das Informationsblatt nicht erhalten. Angesichts seiner unterschriftlichen Bestätigung vom 27.08.1996 über den Erhalt und Kenntnisnahme des Merkblatts obliegt ihm die Beweislast für die Behauptung, seine damalige Erklärung sei falsch gewesen. Über die bloße Behauptung hinaus hat der Kläger hierzu keine Beweisangebote unterbreitet.
Die Ursache für die späte Auszahlung der Leistungen in den Niederlanden lag primär beim Kläger. So hat er sich nach seiner Abreise aus Deutschland (01.09.1996) erst am 21.10.1996 beim niederländischen Versicherungsträger und erst am 11.11.1996 beim niederländischen Arbeitsamt gemeldet. Die Pflicht zur umgehenden Meldung war dem Kläger bekannt. Sie ergab sich unmittelbar aus der Bescheinigung E 303 selbst. Darüber hinaus verwies auch die "Information E 303", deren Empfang und Kenntnisnahme der Kläger am 27.08.1996 unterschriftlich bestätigt hat, auf die einschlägigen Eintragungen der Bescheinigung nach Vordruck E 303.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass dem Kläger die Meldefrist erst mit Aushändigung der Bescheinigung E 303 am 19.09.1996 bekannt geworden ist. Die "Information E 303" enthält zwar Hinweise zur Meldung beim ausländischen Versicherungsträger, aber nicht die Angabe der konkreten Frist. Ab 19.09.1996 war der Kläger jedoch auch insoweit ausreichend informiert. Dass er sich trotzdem erst am 21.10.1996 beim niederländischen Versicherungsträger gemeldet hat, ist ihm zuzurechnen. Im Übrigen hat die Beklagte der verspäteten Aushändigung der Bescheinigung E 303 an den Kläger dadurch Rechnung getragen, dass sie einer rückwirkenden Leistungsgewährung ab 05.09.1996 durch den niederländischen Versicherungsträger zustimmte. Der Kläger hat daher die späte Auszahlung der Leistungen überwiegend selbst zu vertreten.
Nicht überzeugend ist sein Vorbringen fehlender finanzieller Mittel auch im Hinblick darauf, dass er seit 01.09.1996 in Holland seinen Lebensunterhalt bis 03.03.1997 ohne deutsches Alg hat bestreiten können. So weist er in der Berufungsbegründung darauf hin, dass er trotz verspäteter Auszahlung der deutschen Leistungen in der Lage gewesen wäre, täglich das 70 km entfernte Arbeitsamt Düsseldorf aufzusuchen. Nach Überzeugung des Senats wäre somit dem Kläger eine rechtzeitige Rückkehr - wenn er diese gewollt hätte - möglich gewesen.
Da mithin ein Ausnahmefall nach Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 nicht vorliegt, kommt eine Verlängerung der Rückkehrfrist nicht in Betracht. Ob neben Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 § 27 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - anwendbar ist, kann vorliegend offen bleiben, da wegen des Verschuldens des Klägers an der Versäumung der Rückkehrfrist eine Wiedereinsetzung nach § 27 SGB X ohnehin nicht in Betracht käme.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Alg ist somit erloschen. Er hat damit gegen die Beklagte ab 01.12.1996 bereits aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Leistungen mehr, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob der Kläger trotz des seit 01.09.1996 ununterbrochen in den Niederlanden bestehenden Wohnsitzes dem deutschen Arbeitsamt für Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestanden hätte. Einen neuen Leistungsanspruch hatte er nach dem Erlöschen des ursprünglichen Anspruchs nicht erworben. Die Berufung des Klägers muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.12.1996 an den Kläger.
Der am 1940 geborene und in Düsseldorf wohnhafte Kläger meldete sich am 27.12.1994 beim Arbeitsamt Düsseldorf arbeitslos und beantragte Alg. Er war zuletzt vom 01.10.1992 bis 31.12.1994 bei der B. Metallbau GmbH in Düsseldorf als Schlosser beschäftigt. Mit Bescheid vom 21.02.1995 wurde ihm Alg ab 02.01.1995 für 728 Tage bewilligt. Am 26.08.1996 stellte der Kläger Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach Vordruck E 303. Er gab an, er wolle sich zur Arbeitssuche nach Holland begeben und am 01.09.1996 abreisen. Ferner bestätigte er am 27.08.1996 unterschriftlich, das Merkblatt "Information E 303" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Am 11.09.1996 stellte die Beklagte die Bescheinigung nach Vordruck E 303 aus. Diese enthielt unter Ziffer 3 den Hinweis, dass der Kläger im Land der Arbeitssuche Leistungen wegen Arbeitslosigkeit beziehen könne, wenn er sich bis zum 09.09.1996 bei der Arbeitsvermittlung dieses Landes melde. Unter Ziffer 4 heißt es, der Kläger habe Anspruch auf Leistungen für eine Höchstdauer von 78 Tagen, jedoch nicht länger als bis zum 30.11.1996. Den Beginn der Leistungen legte die Beklagte auf den 05.09.1996 fest, da der Kläger im Bundesgebiet bereits bis 04.09.1996 Alg bezogen hatte. Die Bescheinigung E 303 wurde dem Kläger am 19.09.1996 zugestellt. Am 26.11.1996 teilte der holländische Versicherungsträger mit, der Kläger habe sich erst am 21.10.1996 mit der Bescheinigung bei ihm gemeldet und sich erst am 11.11.1996 beim niederländischen Arbeitsamt als arbeitssuchend registrieren lassen. Das Arbeitsamt Düsseldorf gestattete dem holländischen Versicherungsträger trotzdem, dem Kläger rückwirkend ungekürzt Alg auszuzahlen. Am 26.02.1997 bewilligte der holländische Versicherungsträger dem Kläger für die Zeit vom 05.09.1996 bis 30.11.1996 (75 Tage) Alg.
Dieser beantragte am 19.03.1997 beim Arbeitsamt Düsseldorf unter seiner niederländischen Anschrift schriftlich, ihm für die Versäumung der Rückkehrfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und ihm ab 01.12.1996 Alg weiter zu zahlen. Persönlich sprach er am 27.05.1997 im Arbeitsamt Düsseldorf vor und bestätigte, dass er sich auch jetzt noch laufend in Holland aufhalte und dort wohne.
Mit Bescheid vom 30.05.1997 lehnte die Beklagte den Alg-Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus: Da sich der Kläger bis zum heutigen Tage in Holland aufhalte, könne ihm kein Alg gezahlt werden. Im Merkblatt "Information E 303" und in der Bescheinigung nach Vordruck E 303 sei er auf seine Rückkehrpflicht hingewiesen worden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, er habe eine Belehrung für die Bescheiigung nach Vordruck E 303 nicht erhalten. Ihm sei auch nichts über eine 3-Monats-Frist noch sonst etwas mitgeteilt worden. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 07.07.1997 zurück, weil der Kläger - der sich seit 01.09.1996 ununterbrochen in den Niederlanden aufhalte - das deutsche Arbeitsamt nicht täglich aufsuchen könne und er für dieses nicht erreichbar sei.
Dagegen hat der Kläger am 21.07.1997 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 01.09.1997 an das örtlich zuständige Sozialgericht Nürnberg (SG) verwies.
Der Kläger hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 30.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm rückwirkend ab dem 01.12.1996 Alg weiter zu zahlen. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe von der Rückkehrfrist erst im März 1997 erfahren, da der niederländische Versicherungsträger Alg erst am 03.03.1997 rückwirkend gezahlt habe. Bis dahin habe er keine Leistungen erhalten und daher nicht nach Deutschland zurückkehren können. Auch anschließend sei eine Rückkehr aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen, denn er habe Schulden begleichen müssen. Sobald ihm die Beklagte Leistungen gewähre oder ihn in Arbeit vermitteln könne, kehre er zurück. Übergangsweise könne er auch pendeln.
Mit Urteil vom 01.07.1998 hat das SG die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Alg-Anspruch, weil er sich beim Arbeitsamt nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe und er im Hinblick auf seinen Wohnsitz in den Niederlanden im Bundesgebiet nicht verfügbar sei. Er sei auch nicht Grenzgänger gewesen, so dass er keinen Leistungsanspruch als Grenzgänger erworben habe. Im Übrigen sei der Leistungsanspruch wegen Versäumung der Rückkehrfrist nach Art 67 EWG-VO Nr 1408/71 entfallen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen: Die Beklagte sei selbst davon ausgegangen, ihn über seine Pflichten nicht sorgfältig aufgeklärt zu haben. Dies ergebe sich aus den Schreiben der Beklagten vom 30.12.1996/24.01.1997. Von der Rückkehrpflicht habe er auch nicht anderweitig Kenntnis erlangt. Die Zahlungseinstellung zum 01.12.1996 habe er erst mit der Auszahlung des Alg durch die niederländische Behörde bemerkt. Seinem anschließend gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung hätte die Beklagte stattgeben müssen. Er sei stets bereit gewesen, sich persönlich zu melden und seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuverlegen. Auch sei er für das Arbeitsamt stets telefonisch und brieflich erreichbar und in der Lage gewesen, ohne unzumutbaren Aufwand das Arbeitsamt zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.05.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.12.1996 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 01.07.1998 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffend. Wegen Versäumung der Rückkehrfrist habe der Kläger den restlichen Alg-Anspruch verloren. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren, da der Kläger nicht ohne sein Verschulden daran gehindert worden sei, die Rückkehrfrist einzuhalten. Weil der Kläger nicht Grenzgänger gewesen sei, könne ein Leistungsanspruch auch nicht auf Art 71 EGW-VO 1408/71 gestützt werden. Der Kläger habe seit 01.09.1996 in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so dass das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht zur Anwendung komme.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird im Übrigen ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Bescheide vom 30.05.1997 und 07.07.1997 sowie das Urteil des SG vom 01.07.1998 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn der Kläger hat ab 01.12.1996 gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Alg mehr.
Nach Art 69 Abs 2 EWG-VO 1408/71 hat ein Arbeitsloser, der einen Leistungsanspruch in einen anderen Mitgliedstaat mitgenommen hat (Art 69 Abs 1 EWG-VO 1408/71), weiterhin Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er vor Ablauf des Zeitraums, in dem er nach Abs 1 Buchst c Anspruch auf Leistungen hat, in den zuständigen Staat zurückkehrt; er verliert jedoch den Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates, wenn er nicht vor Ablauf des Zeitraums dorthin zurückkehrt.
Im vorliegenden Fall hätte der Kläger nach dem Inhalt der Bescheinigung E 303 bis 30.11.1996 in das Bundesgebiet zurückkehren müssen. Dies hat er jedoch nicht getan. Er hat frühestens am 27.05.1997 beim Arbeitsamt Düsseldorf wieder persönlich vorgesprochen. Damit war die Rückkehrfrist versäumt, so dass er nach Art 69 Abs 2 Satz 1 2.Halbsatz EWG-VO 1408/71 jeden Anspruch auf Leistungen gegen die Beklagte verlor. Diese Bestimmung ist ein selbstständiger Erlöschenstatbestand, eine Sanktion für die Überschreitung der Höchstdauer der Abwesenheit (EuGHE 1980, 1979 = SozR 6050 Art 69 Nr 6). Sie verstößt nicht gegen Art 14 Grundgesetz -GG- (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4).
Nach Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 kann die zuständige Arbeitsverwaltung oder der zuständige Träger bei Vorliegen eines Ausnahmefalls die Frist verlängern. Erst wenn ein Ausnahmefall vorliegt, ist die Behörde verpflichtet, bezüglich einer möglichen Fristverlängerung Ermessen auszuüben (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4 S 11).
Im Fall des Klägers fehlt es bereits am Vorliegen eines Ausnahmefalls. Ein Ausnahmefall liegt dann vor, wenn die rechtzeitige Rückkehr durch Umstände verhindert worden ist, die der Arbeitslose nicht zu vertreten hat. In Betracht kommen zB eine Reiseunfähigkeit bedingende Krankheit, Unfall, Arbeitskampf (BSG SozR 6050 Art 69 Nr 4 S 11 f; Kretschmer in Niesel Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung, SGB III, Art 69 EWG-VO 1407/71 Rdnr 24).
Vorliegend ist der Kläger nach seinen Angaben nicht rechtzeitig zurückgekehrt, weil er über die Frist des Art 69 Abs 2 EWG-VO 1408/71 nicht aufgeklärt worden sei und er für die Rückreise kein Geld gehabt habe (in den Niederlanden ist ihm Alg zu Lasten der Beklagten erst am 26.02.1997 bewilligt worden). Dieses Vorbringen zwingt nicht dazu, einen Ausnahmefall anzunehmen:
Über die Rückkehrfrist war der Kläger durch die "Information E 303" und die Bescheinigung nach Vordruck E 303 aufgeklärt worden. Die entsprechenden Hinweise in der Information unter Fall 2 letzter Absatz sind eindeutig. Sie enthalten zudem den Rat: "Kehren Sie so schnell wie möglich zurück, wenn Sie feststellen, dass Sie im anderen Mitgliedstaat keine Arbeit finden". Der Kläger hat in den Niederlanden Arbeit nicht gefunden. Auch kann er sich nicht darauf berufen, er habe das Informationsblatt nicht erhalten. Angesichts seiner unterschriftlichen Bestätigung vom 27.08.1996 über den Erhalt und Kenntnisnahme des Merkblatts obliegt ihm die Beweislast für die Behauptung, seine damalige Erklärung sei falsch gewesen. Über die bloße Behauptung hinaus hat der Kläger hierzu keine Beweisangebote unterbreitet.
Die Ursache für die späte Auszahlung der Leistungen in den Niederlanden lag primär beim Kläger. So hat er sich nach seiner Abreise aus Deutschland (01.09.1996) erst am 21.10.1996 beim niederländischen Versicherungsträger und erst am 11.11.1996 beim niederländischen Arbeitsamt gemeldet. Die Pflicht zur umgehenden Meldung war dem Kläger bekannt. Sie ergab sich unmittelbar aus der Bescheinigung E 303 selbst. Darüber hinaus verwies auch die "Information E 303", deren Empfang und Kenntnisnahme der Kläger am 27.08.1996 unterschriftlich bestätigt hat, auf die einschlägigen Eintragungen der Bescheinigung nach Vordruck E 303.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass dem Kläger die Meldefrist erst mit Aushändigung der Bescheinigung E 303 am 19.09.1996 bekannt geworden ist. Die "Information E 303" enthält zwar Hinweise zur Meldung beim ausländischen Versicherungsträger, aber nicht die Angabe der konkreten Frist. Ab 19.09.1996 war der Kläger jedoch auch insoweit ausreichend informiert. Dass er sich trotzdem erst am 21.10.1996 beim niederländischen Versicherungsträger gemeldet hat, ist ihm zuzurechnen. Im Übrigen hat die Beklagte der verspäteten Aushändigung der Bescheinigung E 303 an den Kläger dadurch Rechnung getragen, dass sie einer rückwirkenden Leistungsgewährung ab 05.09.1996 durch den niederländischen Versicherungsträger zustimmte. Der Kläger hat daher die späte Auszahlung der Leistungen überwiegend selbst zu vertreten.
Nicht überzeugend ist sein Vorbringen fehlender finanzieller Mittel auch im Hinblick darauf, dass er seit 01.09.1996 in Holland seinen Lebensunterhalt bis 03.03.1997 ohne deutsches Alg hat bestreiten können. So weist er in der Berufungsbegründung darauf hin, dass er trotz verspäteter Auszahlung der deutschen Leistungen in der Lage gewesen wäre, täglich das 70 km entfernte Arbeitsamt Düsseldorf aufzusuchen. Nach Überzeugung des Senats wäre somit dem Kläger eine rechtzeitige Rückkehr - wenn er diese gewollt hätte - möglich gewesen.
Da mithin ein Ausnahmefall nach Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 nicht vorliegt, kommt eine Verlängerung der Rückkehrfrist nicht in Betracht. Ob neben Art 69 Abs 2 Satz 2 EWG-VO 1408/71 § 27 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - anwendbar ist, kann vorliegend offen bleiben, da wegen des Verschuldens des Klägers an der Versäumung der Rückkehrfrist eine Wiedereinsetzung nach § 27 SGB X ohnehin nicht in Betracht käme.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Alg ist somit erloschen. Er hat damit gegen die Beklagte ab 01.12.1996 bereits aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Leistungen mehr, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob der Kläger trotz des seit 01.09.1996 ununterbrochen in den Niederlanden bestehenden Wohnsitzes dem deutschen Arbeitsamt für Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestanden hätte. Einen neuen Leistungsanspruch hatte er nach dem Erlöschen des ursprünglichen Anspruchs nicht erworben. Die Berufung des Klägers muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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