L 9 AL 279/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 1303/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 279/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 09. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit anläßlich einer Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 02.01.1997 beim Arbeitsamt München. Die Klägerin hatte ihre Stelle als Vertriebsmitarbeiterin für biochemische Produkte bei der in Heidelberg situierten Firma A. zum 31.12.1996 gekündigt, um Herrn Dr.S. L. , mit dem sie davor in Amerbuch bei Tübingen eine Wohnung unterhalten hatte, nach München nachzuziehen.

Zur Vorgeschichte hat die Klägerin angegeben: Sie habe bis Juli 1987 im Elternhaus in Feucht bei Nürnberg gewohnt. Im Herbst 1987 habe sie ein Biologie-Studium in Erlangen aufgenommen und dort eine Wohnung genommen.

Der - wie sie - 1965 geborene Dr.L. stamme aus Nürnberg und sei bis Februar 1990 im Elternhaus in Nürnberg gemeldet gewesen. Er habe aber bereits seit 1986 Beziehungen zu ihr unterhalten und habe nach Aufnahme eines Physikstudiums in Erlangen seit 1988 im Wesentlichen mit ihr in ihrer Wohnung gelebt.

Sie sei dann im Juli 1990 wegen einer Promotionsstelle nach Münster gezogen. Von März 1991 bis Mai 1994 habe sie ihre Promotion auf einer Stelle in München fortgesetzt, wo sie anschließend arbeitslos gewesen sei.

Dies erhellt auch aus den Akten des Arbeitsamts München: Danach bezog die Klägerin vom 01.06.1994 bis 30.05.1995 Arbeitslosengeld und blieb auch weiterhin arbeitssuchend gemeldet.

Dr.L. , so die Klägerin, habe bis September 1994 weiterhin in Erlangen bzw. bei Erlangen gelebt und dort Studium und Promotion abgeschlossen. An den Wochenenden seien aber sie und Dr.L. entweder in Münster bzw. nachmals München oder in Erlangen zusammengewesen. Wegen eines Forschungsauftrages habe sich Dr.L. dann vom September 1994 bis Mai 1995 in den USA aufgehalten.

Im Juni 1995 habe er eine Stelle in Tübingen gefunden.

Wie den Akten des Arbeitsamtes zu entnehmen ist, hat die Klägerin ihrerseits ab September 1995 eine Beschäftigung als Vertriebsbeauftragte im Außendienst für Deutschland-Südwest bei der Firma A. in Heidelberg gefunden.

Dies, so die Klägerin, habe ihr ermöglicht, ab 01.09.1995 gemeinsam mit Dr.L. eine Wohnung in Amerbuch bei Tübingen zu beziehen.

Allerdings hätten sich die damit verbundenen Hoffnungen auf ein kontinuierliches Zusammenleben nicht erfüllt.

Dr.L. sei bei einem EDV-Systemhaus angestellt gewesen. Ursprünglich habe er die B. in Reutlingen betreuen sollen. Statt dessen habe seine Arbeitgeberin kurzfristig einen Großauftrag von B. in München erhalten. Dr.L. sei der neu zu gründenden Geschäftsstelle der Firma in München zugeteilt worden. Ab Anfang Oktober 1995 habe er in der Woche zunächst 3 bis 4 Tage in München verbracht, ab Anfang 1996 vier bis fünf Tage. Im März 1996 sei die Geschäftsleitung an ihn herangetreten und habe ihn darum ersucht, seinen ständigen Wohnsitz möglichst umgehend nach München zu verlegen. Man habe sich kompromissweise dahingehend geeinigt, dass der Umzug des Dr.L. nach München bis Ende September 1996 zu erfolgen habe. Dies habe ihr genügend Zeit geben sollen, ihrerseits eine neue Beschäftigung im Raum München zu finden.

Eine innerbetriebliche Umsetzung in den Raum Bayern sei nicht möglich gewesen.

Auch ihre Stellensuche im Raum München sei erfolglos gewesen. Zunächst habe sie auf Inserate hin geantwortet, ab Ende September 1996 dann ihrerseits begonnen, Initiativ-Bewerbungen an etwa ein Dutzend Unternehmen aus ihrer Branche zu senden. Am 11.10.1996 habe sie sich beim Arbeitsamt in München arbeitssuchend gemeldet.

Dies wird durch die Akten des Arbeitsamts bestätigt.

Nachdem, so die Klägerin, dies nichts gebracht habe, habe sie sich entschlossen, ihr Arbeitsverhältnis zum Ende des Jahres 1996 aufzulösen, um zu ihrem Lebenspartner nach München zu ziehen. Im Herbst 1996 hätten sie und Dr.L. bereits seit etwa einem Jahr wiederum in einer "Wochenendbeziehung" gelebt. Dies sei für sie als Dauerzustand unzumutbar gewesen. Nachdem Dr.L. sich ab Ende September 1996 eine eigene Wohnung in München genommen habe, sei auch die finanzielle Belastung einer doppelten Haushaltsführung unzumutbar gewesen. Auch hätten für sie, ohnehin als Außendienstmitarbeiterin zu einer umfangreichen Reisetätigkeit gezwungen, die häufigen Fahrten nach München eine erhebliche Strapaze bedeutet.

Diesem anläßlich der Arbeitslosmeldung vom 02.01.1997 dargelegten Vorbringen der Klägerin war ein Kündigungsschreiben der Klägerin vom 29.10.1996 an die Firma A. an deren Hauptsitz in Frankreich beigelegt, das nach einem handschriftlichen Vermerk am 30.10.1996 per Einschreiben abgesandt worden war. Darin erklärt die Klägerin die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses "aus privaten Gründen" zum 31.12.1996.

In der nachgereichten Arbeitsbescheinigung vom 20.01.1997 ist als Kündigungszeitpunkt der 15.11.1996 vermerkt.

Beigelegt seitens der Klägerin war auch eine Bescheinigung der Arbeitgeberin des Dr.L. vom 27.01.1997, wonach Dr.L. ab 01.10.1995 zunächst vorläufig und ab 01.10.1996 endgültig aus betrieblichen Gründen zum ständigen Aufenthalt nach München versetzt worden sei.

Das Arbeitsamt bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 24.02. 1997 ab 26.03.1997 Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 10.03.1997 versagte das Arbeitsamt der Klägerin die Gewährung von Arbeitslosengeld vom 01.01.1997 bis 25.03.1997 und stellte eine Verkürzung der Anspruchsdauer um 72 Tage fest. Es sei eine Sperrzeit von 12 Wochen eingetreten, die die Zeit vom 01.01.1997 bis 25.03.1997 umfasse. In diesem Zeitraum ruhe der Anspruch der Klägerin. Diese habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei A. selbst gelöst. Die von ihr hierzu gemachten Angaben könnten bei Abwägung ihrer Interessen gegen diejenigen der Versichertengemeinschaft nicht als wichtiger Grund anerkannt werden. Sie habe voraussehen müssen, dass sie durch ihr Verhalten arbeitslos werden würde.

Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie sei davon ausgegangen, aufgrund ihrer Berufserfahrung im Bereich Vertrieb/Außendienst ohne Schwierigkeit eine neue Anstellung zu finden, da im Raum München wegen der bekanntermaßen hohen Fluktuation meist entsprechende Positionen zu besetzen seien. Tatsächlich sei ihr nach einem Vorstellungsgespräch bei der Firma M. GmbH am 26.11.1996 eine Außendienststelle für das Vertriebsgebiet Bayern in Aussicht gestellt worden. Die Besetzung dieser Stelle, die ursprünglich zum 01.01.1997 vorgesehen gewesen sei, sei jedoch kurzfristig verschoben worden.

Im Übrigen habe sie einen wichtigen Grund für ihr Verhalten gehabt. Das Arbeitsamt habe offensichtlich unberücksichtigt gelassen, dass sie mit ihrem langjährigen Partner Dr.L. in einem einer Ehe entsprechenden Verhältnis lebe. Vermutlich würde ja auch, sollte sie Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehmen müssen, ihr Partner finanziell herangezogen werden.

Das Arbeitsamt half dem Widerspruch der Klägerin im Widerspruchsbescheid vom 25.07.1997 teilweise ab. Es erkannte eine besondere Härte an und reduzierte die Sperrzeit auf sechs Wochen vom 01.01.1997 bis nurmehr 11.02.1997. Eine volle Sperrzeit bedeute im Fall der Klägerin eine besondere Härte, da diese ihr Arbeitsverhältnis in Heidelberg gekündigt habe, um die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem langjährigen Partner fortzusetzen. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 119 AFG für die Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses, der den Eintritt einer Sperrzeit gänzlich entfallen lasse, liege aber nicht vor. Ein solcher werde von der Rechtsprechung nur beim Zuzug zum Ehegatten anerkannt. Die Klägerin habe im Übrigen nicht widerlegt, dass die Arbeitslosigkeit für sie voraussehbar gewesen sei. Das von ihr mitgeteilte Vorstellungsgespräch vom 26.11. 1996 habe erst nach dem Zeitpunkt ihrer Kündigung stattgefunden und habe auch keine verbindliche Zusage für eine Arbeitsstelle beinhaltet.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben.

Während des Klageverfahrens war sie noch bis Ende August 1997 arbeitssuchend gemeldet, machte sich dann vorübergehend selbständig und nahm im Juli 1998 eine Angestelltentätigkeit auf.

Am 16.12.1997 haben die Klägerin und Dr.L. sich verehelicht.

Die Klägerin trug vor: Zwar habe das Vorstellungsgespräch bei der Firma M. erst am 26.11.1996 stattgefunden. Jedoch sei sie, wie bei derartigen Positionen üblich, bereits vor dem 15.11.1996 vom zuständigen Personalmitarbeiter angerufen worden. In diesem Gespräch sei nicht nur ein Termin für ein Vorstellungsgespräch vereinbart, sondern auch über die zu besetzende Stelle und ihre Qualifikation gesprochen worden. Die Firma M. sei im Übrigen im Oktober 1997 nochmals von sich aus an sie, die Klägerin, herangetreten.

Die Klägerin legte noch etliche von ihr verfasste Bewerbungsschreiben und Rückantworten von Firmen aus dem Zeitraum Oktober/November 1996 vor.

Desweiteren wies die Klägerin auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 29.04.1998 (SozR 3-4100 § 119 Nr.15) hin. Darin werde ein Umzug zum Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft als wichtiger Grund für die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses angesehen, sofern eine ernsthafte, auf Dauer angelegte Beziehung bestehe und der bzw. die Arbeitslose sich intensiv um einen neuen Arbeitsplatz bemüht habe. Diese Voraussetzungen seien in ihrem Fall gegeben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.07.1999 unter Berufung auf das Urteil des 11. Senats des BSG vom 05.11.1998 (SozR 3- 4100 § 119 Nr.16) als unbegründet abgewiesen.

Im Berufungsverfahren wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.07.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24.02.1997 und 10.03.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.1997 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 01.01.1997 bis 11.02.1997 zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie trägt nunmehr vor, dass es im Fall der Klägerin gar nicht darauf ankomme, welche Konsequenzen man aus dem Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu ziehen habe. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis bei A. in Heidelberg nämlich nicht gelöst, um eine bereits langjährig bestehende eheähnliche Lebensgemeinschaft aufrecht zu erhalten und fortzusetzen, sondern um diese erst zu begründen.

Dem hält die Klägerin entgegen, dass ein längeres Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft kein notwendiges Merkmal der vom Bundesverfassungsgericht als Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft definierten eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass anläßlich des Ausscheidens der Klägerin bei der Firma A. zum 31.12.1996 eine Sperrzeit nach § 119 Abs.1 AFG eingetreten ist.

Dies war nach § 119 Abs.1 Nr.1 AFG der Fall, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben.

Unstreitig hat die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A. zum 31.12.1996 selbst gekündigt.

Sie hat dadurch zumindest grob fahrlässig die ab 01.01.1997 eingetretene Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der in der Arbeitsbescheinigung angegebene 15.11.1996 oder der Tag der Absendung des Kündigungsschreibens der Klägerin vom 29.10.1996 am 30.10.1996 als Kündigungszeitpunkt angesehen werden muss.

Die Urteile des BSG vom 20.04.1977 (BSGE 43, 269) und vom 12.11.1981 (BSGE 52, 276) befassen sich damit, unter welchen Voraussetzungen einem Arbeitslosen zuzugestehen ist, die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig im Sinne von § 119 Abs.1 Nr.1 AFG herbeigeführt zu haben. Das BSG verlangt hierfür zwar "nicht unbedingt die feste Zusicherung eines Anschlussarbeitsplatzes". Es reichten vielmehr "konkrete Anhaltspunkte" für die Annahme, der Arbeitslose werde nach der Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig einen neuen Arbeitsplatz erhalten. Solche konkreten Anhaltspunkte ergäben sich allerdings nicht bereits aus einer positiven Beurteilung der generellen Arbeitsmarktlage. Es sei vielmehr zu verlangen, dass der Arbeitslose "aus besonderen Gründen" konkrete Anhaltspunkte für die Annahme habe, dass er rechtzeitig, d.h. im Anschluss an die Aufgabe des bisherigen Arbeitsverhältnisses, einen Folgearbeitsplatz erhalte. Als Beispiele solcher besonderen Gründe wird "eine Auskunft eines Sachbearbeiters des Arbeitsamtes" genannt.

Nach diesen Maßstäben muss es der Klägerin als voraussehbar zugerechnet werden, dass sie nach der Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma A. zum 31.12.1996 arbeitslos werden würde.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin entgegen ihrem jetzigen Vorbringen keineswegs damit gerechnet hat, ohne weiteres sehr bald eine Stelle zu finden. Sie hat am 11.10.1996 das Arbeitsamt München eingeschaltet und hat dort persönlich vorgesprochen. Es heißt in den Vermittlungsunterlagen: "Überlegt aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation Zusatzqualifizierung im EDV-Bereich". Tatsächlich war die Klägerin bis Ende August 1997 arbeitssuchend gemeldet und hat erst im Juli 1998 eine Angestelltentätigkeit in ihrem Beruf aufgenommen.

Als zum Zeitpunkt ihrer Kündigung laufendes konkretes Projekt eines neuen Arbeitsplatzes hat die Klägerin eine Außendiensttätigkeit im süddeutschen Raum, Großraum München, bei der Firma M. genannt.

Selbst wenn man der Klägerin folgt, dass sie ihr Vorstellungsgespräch bei der Firma telefonisch mit einem Personalmitarbeiter noch vor dem 15.11.1996 oder auch dem 30.10.1996 vereinbart hat, so hat jedenfalls das Vorstellungsgespräch selbst erst am 26.11.1996, also zweifelsfrei nach der Kündigung durch die Klägerin stattgefunden. Durch die Vereinbarung eines Vorstellungsgesprächs hat die Firma zwar ein Interesse an der Klägerin erkennen lassen. Die Klägerin konnte aber daraus noch nicht den Schluss ziehen, sie könne mit einer Einstellung oder gar mit einer alsbaldigen Arbeitsaufnahme rechnen. Offensichtlich war die Besetzung der von der Firma M. inserierten Stelle auch nicht besonders dringend. Die Klägerin hat vorgetragen, die Besetzung der Stelle sei ursprünglich zum 01.01.1997 vorgesehen gewesen, jedoch dann kurzfristig auf Anweisung der US-amerikanischen Muttergesellschaft verschoben worden. In dem dem SG von der Klägerin vorgelegten Inserat der Firma vom 21.09. 1996 ist kein bestimmter Beginntermin genannt. Es heißt lediglich, dass "zum Ausbau unseres Vertriebes" ein wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Wohnsitz vorzugsweise im Großraum München gesucht werde. Die Klägerin ihrerseits hat in ihrem Bewerbungsschreiben "Januar 1997 oder später" als ihr möglichen Beginntermin angegeben.

Dies reicht nicht aus, um den Senat zu überzeugen, dass die Klägerin "besondere Gründe" in Gestalt "konkreter Anhaltspunkte" für die Annahme hatte, sie werde im Anschluss an die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei A. ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehen können.

Die Klägerin trägt des Weiteren vor, sie habe einen wichtigen Grund im Sinne von § 119 Abs.1 Satz 1 AFG für die Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses bei A. gehabt, da sie ihrem langjährigen Lebenspartner Dr.L. nach München nachgezogen sei. Sie beruft sich dabei auf das Urteil des 7. Senats des BSG vom 29.04.1998 (SozR 3-4100 § 119 Nr.15). Der 7. Senat des BSG habe in diesem Urteil den Zuzug zum Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft als wichtigen Grund für die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses angesehen. Die Klägerin kann sich aber schon deswegen nicht auf das o.g. Urteil des 7. Senats des BSG berufen, da zum Zeitpunkt ihrer Kündigung bei A. noch gar keine nichteheliche Lebensgmeinschaft im rechtserheblichen Sinne zwischen ihr und Dr.L. vorgelegen hat. Nur dies ist maßgeblich, nicht dagegen die Absicht der Herstellung einer solchen Gemeinschaft durch den Nachzug nach München.

Der 7. Senat des BSG legt seinem Urteil vom 29.04.1998 a.a.O. die Definition der eheähnlichen Lebensgemeinschaft zugrunde, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 17.11.1992 dem Merkmal der "eheähnlichen Gemeinschaft" im Sinne der Anrechnungsvorschrift des § 137 Abs.2a AFG gegeben hat (SozR 3-4100 § 137 Nr.3). Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 17.11.1992 im Einzelnen u.a. festgestellt: Der Gesetzgeber habe bei der Einbeziehung in die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung nach § 137 Abs.2a AFG nur solche Gemeinschaften erfassen dürfen, in denen die Bindungen der Partner so eng seien, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden könne. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlten, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten, sei ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten im Hinblick auf die verschärfte Bedürftigkeitsprüfung vergleichbar. Ob eine Gemeinschaft von Mann und Frau diese besonderen Merkmale der eheähnlichen Gemeinschaft aufweise, lasse sich in der Verwaltungspraxis nur anhand von Indizien feststellen. Als solche Hinweistatsachen, die sich nicht erschöpfend aufzählen ließen, kämen etwa in Betracht die lange Dauer des Zusammenlebens, die Versorgung von Kindern und Angehörigen im gemeinsamen Haushalt und die Befugnis über Einkommen und Vermögensgegenstände des anderen Partners zu verfügen (SozR 3-4100 § 137 Nr.3 S.37).

Der Senat meint, dass es nicht nur aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit geboten ist, den Tatbestand einer eheähnlichen Gemeinschaft im rechtserheblichen Sinn eher eng zu fassen und vorwiegend an äußeren Tatsachen festzumachen. Es sollte auch einer übermäßigen Justiziabilisierung privater Lebenssachverhalte und "innerer Tatsachen" vorgebeugt werden.

Der Senat konnte sich danach nicht vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 17.11.1992 zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin bei A. überzeugen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese auf den 30.10. oder den 15.11.1996 zu datieren ist. Nach dem Lebenslauf der Klägerin und des Dr.L. haben diese zwar, soweit möglich, seit 1988 zusammengelebt, haben jedoch ihre Studien- und Berufsziele selbständig verfolgt, und wenn erforderlich, dabei auch eine Trennung in Kauf genommen. Zu einem einigermaßen kontinuierlichen Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung, nämlich der Wohnung der Klägerin an ihrem Studienort Erlangen, kam es nur zwischenzeitlich von 1988 bis Juli 1990, als die Klägerin wegen einer Promotionsstelle nach Münster zog. Auch in diesem Zeitraum jedoch, war Dr.L. bis zum 12.02.1990 noch bei seinen Eltern in Nürnberg gemeldet und lebte nur "im Wesentlichen", nach anderen Ausführungen "zum Teil", an seinem Studienort in Erlangen mit der Klägerin in deren Wohnung. Ansonsten kam es immer nur zu Wochenendbeziehungen zwischen der Klägerin und Dr.L. , so auch, entgegen den damit verbundenen Hoffnungen, als die Klägerin und Dr.L. sich ab September 1995 eine gemeinsame Wohnung bei Tübingen nahmen, da Dr.L. beruflich unter der Woche im Wesentlichen in München beschäftigt war. Erstmals mit der Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses bei A. in Heidelberg zum Ende 1996 hat die Klägerin ihre eigene berufliche Karriere hintenangestellt und dem Zusammenleben mit Dr.L. in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft den Vorrang gegeben.

Wenn demnach wohl eine feste Beziehung zwischen der Klägerin und Dr.L. schon sehr lange bestanden hat, so haben die Klägerin und Dr.L. eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung erst mit Aufgabe des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei A. in Heidelberg und ihrem Nachzug nach München begründet. Der nachvollziehbaren Motivation hierzu wurde mit der Anwendung der Härteregelung seitens der Beklagten ausreichend Rechnung getragen.

Selbst wenn, wie nicht der Fall, die Klägerin ihr Beschäftigungsverhältnis bei A. nicht lediglich zur Begründung, sondern zur Fortsetzung einer eheähnlichen Gemeinschaft aufgegeben hätte, könnte die Klage im Übrigen keinen Erfolg haben.

Insbesondere ist der 7. Senat in seinem von der Klägerin zitierten Urteil vom 29.04.1998 a.a.O. auch nicht von der bisherigen und nachfolgenden (Urteil des 11. Senats vom 05.11.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr.16) Rechtsprechung des BSG abgewichen, wonach der Zuzug zum Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht - wie im Fall einer Ehe - per se als wichtiger Grund im Sinne des § 119 Abs.1 AFG für die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses angesehen werden kann. Der 7. Senat sagt lediglich, dass das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft es nicht ausschließe, einen wichtigen Grund für den Zuzug zum Partner unter Aufgabe des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses anzunehmen, wenn nämlich zusätzliche, d.h. nicht bereits der Definition der eheähnlichen Gemeinschaft immanente, Merkmale bzw. Umstände vorlägen, wovon eine Vielzahl denkbar sei (SozR 3-4100 § 119 Nr.15 S.67, 69). Dies war aber in der Rechtsprechung niemals bestritten.

Die Rechtsprechung hat im Übrigen auch konstant abgelehnt, die Gleichstellung einer eheähnlichen Gemeinschaft mit der Ehe in der Anrechnungsvorschrift des § 137 Abs.2a AFG aus Gründen der Gleichbehandlung auf die Inhaltsbestimmung des wichtigen Grundes im Sinne von § 119 Abs.1 AFG für die Fälle des Nachzugs zum Partner unter Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses zu übertragen (z.B. BSG vom 05.11.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr.16/S.74, vom 25.10. 1988 SozR 4100 § 119 Nr.33, auch der 7. Senat in seinem Urteil vom 29.04.1998 a.a.O. fördert eine solche Gleichbehandlung nicht). Es kann nicht die zu erwartende Anrechnung eines unterstellten Unterhaltsbeitrages des Partners bzw. der Partnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Falle des Eintritts von Arbeitslosigkeit des anderen Partners bzw. der anderen Partnerin mit möglichem Alhi-Anspruch letzterem bzw. letzterer gegenüber der Versichertengemeinschaft das Recht verschaffen, die eigene Arbeitslosigkeit durch Aufgabe der bisherigen Beschäftigung und Zuzug zum Partner sanktionslos herbeizuführen. Bei der Vermeidung von Arbeitslosigkeit und der Alhi-Bedürftigkeitsprüfung handelt es sich um völlig unterschiedliche Regelungsbereiche. So hat vormals die höchstrichterliche Rechtsprechung auch im Nachzug zum Ehegatten - trotz zweifelsfreier wechselseitiger Unterhaltsverpflichtung - ursprünglich keinen wichtigen Grund für die Aufgabe eines Beschäftigungsverhältnisses und nachfolgende Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung gesehen und hat diese Rechtsprechung erst mit Urteil vom 20.04.1977 aufgegeben, da die Eheleute zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet seien (BSG vom 20.04.1977 = BSGE 43, 269, 271 unten f.).

Eben dies gilt für die Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft aber nicht. Die Rechtsordnung gerät nicht - wie bei Eheleuten - mit sich selbst in Konflikt, wenn sie den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Rahmen des § 119 AFG ansinnt, auf ein Zusammenleben vorübergehend zu verzichten, um die Versichertengemeinschaft nicht zu belasten (s. zuletzt BSG vom 05.11.1998 SozR 3-4100 § 119 Nr.16).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Dies im Fall der Klägerin schon deswegen, da eine eheähnliche Gemeinschaft im rechtserheblichen Sinn zwischen ihr und Dr.L. zum Zeitpunkt der Aufgabe ihres Beschäftigungsverhältnisses bei A. noch gar nicht bestand und damit die Frage nicht entscheidungserheblich war, welche Bedeutung es bei der Inhaltsbesimmung des wichtigen Grundes im Sinne von § 119 Abs.1 AFG hat, wenn eine eheähnliche Gemeinschaft fortgesetzt werden soll.
Rechtskraft
Aus
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