Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Al 903/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 325/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers wird verworfen, soweit diese auf die Gewährung von Arbeitslosengeld gerichtet ist.
II. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. August 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) über den 12.12.1995 hinaus, hilfsweise auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) über den 11.09.1996 hinaus, jeweils bis 30.06.2000.
Der 1935 geborene Kläger ist aus Rumänien 1981 in das Bundesgebiet zugezogen und als Asylberechtigter anerkannt. Er stand seit 14.08.1985 ununterbrochen im Bezug von Leistungen der Beklagten, so bezog er auch Alhi im Bewilligungsabschnitt vom 12.10.1991 bis 21.10.1992. Ein nachfolgender Weiterbewilligungsantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 12.11.1992 abgelehnt, da der Kläger aus gesundheitlichen Gründen für nicht mehr verfügbar gehalten wurde. Grundlage hierfür bildete ein Verfahren wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die einen entsprechenden Rentenantrag mit Bescheid vom 15.09.1992 zwar abgelehnt, hierfür aber versicherungsrechtliche Gründe benannt und der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.1992 das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit bestätigt hatte. Hiervon ging auch ein Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg (SG) vom 10.11.1998 (S 3 RA 77/97) aus, mit dem die Entscheidung der BfA rechtskräftig bestätigt wurde. In den Akten findet sich ein Attest der behandelnden Hausärztin Dr.K. vom 24.09.1996 ua mit folgenden Diagnosen: "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach zwei Herzinfarkten, Lungenemphysem, chronische Bronchitis und Gastroduodenitis, polyarthrotische Beschwerden, Hörminderung (rechts 65 vH, links 70 vH), Sehminderung beidseits." Schließlich besteht beim Kläger der Verdacht auf eine Konversionsneurose.
Vom 22.10.1992 bis 25.12.1994 stand der Kläger im Krankengeldbezug.
Auf Antrag vom 24.10.1994 wurde ihm seitens der Beklagten mit Bescheid vom 09.01.1995 für die Zeit vom 26.12.1994 bis 23.12.1995 erneut Alg bewilligt. Ab 25.12.1995 zahlte die Beklagte Anschluss-Alhi, wogegen der Kläger Klage erhob, weil er im Formblatt Anspruch auf Weitergewährung von Alg, nicht von Alhi geltend gemacht hatte. Dagegen war die Beklagte davon ausgegangen, dass wegen der Erschöpfung des Alg-Anspruchs nur ein solcher wegen Alhi in Betracht kommen konnte. Der Kläger blieb aber bei seiner Behauptung, auch weiterhin Anspruch auf Alg zu haben. Dieser Streit ist zu Gunsten der Beklagten rechtskräftig abgeschlossen (Urteil des SG Nürnberg vom 28.07.1996 - S 5 AL 194/96; Urteil des 11.Senats des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 20.02.1997 - L 11 AL 339/96).
Am 09.09.1996 führte die Beklagte eine Aktenüberprüfung durch und stellte fest, dass dem Kläger die bewilligte Alhi mangels Verfügbarkeit von Anfang an nicht zustand. Sie setzte am 09.09.1996 sowohl ein Anhörungsschreiben wie einen Bescheid an den Kläger in Lauf, mit dem sie die mit Verfügung vom 15.12.1995 ab 25.12.1995 für 312 Tage bewilligte Alhi ab 12.09.1996 aufhob. Zur Begründung führte die Beklagte aus, "der Kläger habe auf den Bestand der rechtswidrigen Entscheidung nicht vertrauen dürfen, weil er deren Rechtswidrigkeit gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Er habe auf den Bestand der rechtswidrigen Entscheidung auch nicht vertrauen können, weil das öffentliche Interesse (rechtmäßige Verwaltung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit) in Abwägung zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens überwiege. Insbesondere könne er mit den genannten Leistungen keine Vermögensdispositionen treffen, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten."
Der Kläger sprach am 11.09.1996 bei der Beklagten vor, erhob Widerspruch und begründete diesen in zwei Schreiben vom 12. und 15.09.1996, die der Beklagten am 13. und 17.09.1996 vorlagen. Darin warf der Kläger den Bediensteten der Beklagten erhebliche Fehler bei der Bewilligung und bei der Aufhebung der Leistung vor. Die Alhi sei ihm bis 25.12.1996 bewilligt worden, er müsse davon sein Leben fristen und habe am 13.02.1995 bei der BfA Antrag auf Altersrente gestellt. Sinngemäß verweist er dabei auch auf den Verlust beitragsgeminderter Zeiten im Rahmen seines Versicherungsverlaufs nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 30.09.1996 führte die Beklagte aus, von Beginn der Bewilligung an habe ein Anspruch auf die Leistungen nicht bestanden, weil der Kläger mangels des erforderlichen Leistungsvermögens nicht verfügbar gewesen sei. Schon seit 1992 habe nämlich seine Erwerbsunfähigkeit festgestanden. Sie sei von der BfA im Rahmen des Rentenverfahrens von 1992 verbindlich festgestellt und der Beklagten auch bekannt gegeben worden. Die entsprechende Feststellung finde sich auch im Gerichtsbescheid des SG Nürnberg. Der Kläger habe zumindest aufgrund des Bescheides vom 09.09.1996 wissen müssen, dass ihm Alhi aus keinem Rechtsgrund mehr zustehe.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Nürnberg erhoben (S 5 AL 903/96). Sie ist mit Urteil vom 12.08.1997 abgewiesen worden. Das SG hat sich den Entscheidungsgründen der Beklagten angeschlossen und ausgeführt, Anspruch auf Alhi habe nur, wer eine längere als kurzzeitig zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne. Dies setze voraus, dass der Antragsteller noch mehr als 18 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen arbeiten könne. Dies sei beim Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch weiterhin aus gesundheitlichen Gründen zu verneinen. Insoweit werde auf ein Urteil des SG Nürnberg vom 01.12.1993 (S 5 AL 544/93) verwiesen. Bereits seinerzeit habe eine amtsärztliche Untersuchung durch Frau Dr.Z. am 30.07.1990 ergeben, dass der Kläger über keinerlei Leistungsfähigkeit mehr verfüge. Auch die BfA habe nach Einholung entsprechender Gutachten festgestellt, dass das Leistungsvermögen des Klägers endgültig erloschen sei. An diesem Sachstand habe sich nichts geändert. Soweit der Kläger erneut auf Rentengewährung klage (SG Nürnberg S 3 An 77/97), würden die medizinischen Feststellungen der BfA zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht angegriffen. Auch eine Leistung auf der Grundlage der sog Nahtlosigkeitsregelung komme nicht in Betracht, nachdem die BfA in medizinischer Hinsicht eine Entscheidung getroffen habe. Dass der Kläger trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens aus versicherungsrechtlichen Gründen Rente nicht bewilligt erhalten habe, sei ohne Bedeutung. Er habe die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung vom Dezember 1995 auch gekannt oder zumindestens kennen müssen. Er habe gewusst, dass die Leistungsbeurteilung durch die BfA sowie durch die Arbeitsamtsärzte auf einer dauerhaft vorliegenden Erkrankung und nicht auf einem vorübergehenden Zustand beruhte, der der Besserung zugänglich gewesen wäre. Es hätte keiner näheren Überlegung bedurft, die unzutreffende Leistungsbewilligung zu erkennen. Bei dieser Sachlage habe die Beklagte unabhängig von der für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit geregelten Jahresfrist die Bewilligungsentscheidung für die Zukunft zurücknehmen dürfen.
Gegen das am 23.08.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.09.1997 Berufung beim BayLSG eingelegt.
Zur Begründung macht er geltend, er habe seinerzeit Alg, nicht Alhi beantragt. Die Nahtlosigkeitsregelung sei unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte und das SG hätten bei ihren Entscheidungen wesentliche Grundrechte verletzt und ihm das rechtliche Gehör vorenthalten.
Sinngemäß beantragt der Kläger,
das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und den Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Alg ab 23.12.1995, hilfsweise von Alhi ab 11.09.1996 bis 30.06.2000 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 zurückzuweisen.
Beigezogen waren außer den Akten der Beklagten die Akten des SG Nürnberg (S 5 Al 903/96, Al 193/96, Al 194/96, Al 544/93, Al 543/93 sowie S 3 An bzw RA 249/94, 77/97 und 514/97) sowie die Akten des BayLSG (L 11 Al 338/96 und 339/96). Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in gehöriger Form und in offener Frist eingelegt (§§ 151, 143 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Hinsichtlich des Anspruchs auf Alg ist die Berufung angesichts der rechtskräftigen Entscheidung des Senats vom 20.02.1997 unzulässig. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dem Kläger stand Alg über den 23.12.1995 hinaus nicht zu. Dies folgt aus §§ 153 Abs 1, 141 Abs 1 SGG.
Soweit die Berufung auf die Beseitigung des Urteils des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und des Bescheids der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 gerichtet ist, ist die Berufung zulässig (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und hinsichtlich der Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 12.09. bis 24.12.1996 auch begründet.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht begründet (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (§ 45 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist idR schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1 ... 2 ... 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs 2 SGB X).
Liegen die in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 152 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-).
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X).
Nachdem die Ausnahmen von dieser Regelung in § 24 Abs 2 SGB X offensichtlich nicht vorliegen, hat die Beklagte ein entsprechendes Anhörungsverfahren auch eingeleitet. Der Kläger ist aber mit seinen Argumenten nicht gehört worden. Denn zugleich mit dem Anhörungsschreiben hat die Beklagte die bewilligte Leistung aufgehoben und ab 12.09.1996 entzogen. Auf die Argumente des Klägers konnte die Beklagte im Bescheid vom 09.09.1996 nicht eingehen, weil sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hat äußern können. Deshalb sind die in den Bescheid vom 09.09.1996 übernommenen Formularfloskeln in Anlehnung an § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X nicht geeignet, Argumente des Klägers abzuwägen. Die Beklagte ist aber auch im Widerspruchsbescheid vom 30.09.1996 mit keinem Satz auf die vom Kläger vorgebrachten Gegenvorstellungen eingegangen. Zur Überzeugung des Senats ist deshalb ein Anhörungsverfahren nicht durchgeführt worden, dieses ist aber auch nicht durch die Erteilung des Widerspruchsbescheids wirksam nachgeholt worden iS von § 42 Satz 2 SGB X (vgl BSG SozR 1200 § 34 SGB I aF Nr 1). Die Beklagte ist nämlich davon ausgegangen, dass sie in Anbetracht des Vorliegens des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X zur Aufhebung der Bewilligung kraft Gesetzes verpflichtet ist, wie sich aus § 152 Abs 2 AFG ergeben kann. Der Senat lässt indessen offen, ob bei Auslegung dieser Vorschrift die Gebundenheit für eine Aufhebungsentscheidung nur dann anzunehmen ist, wenn die Aufhebung für die Vergangenheit erfolgt (so Gemeinschaftskommentar - Wagner, Stand Juni 1994, § 152 AFG Rdnr 18) oder ob aus der Aufhebungsverpflichtung ex ante naheliegend auch eine Aufhebungsverpflichtung ex post gefolgert werden muss (so Niesel, AFG, § 152 Rdnr 17 und SGB III, § 330 Rdnrn 23 f). Denn der Senat sieht die Voraussetzungen von § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGG vorliegend schon nicht als gegeben an.
Die Beklagte hat den Kläger nicht angehört und geht nach Lage der Akten davon aus, dass ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, sollte er trotz Aufhebung der Leistungsbewilligung bei der Auffassung bleiben, letztere sei rechtens gewesen. Der Senat vermag der Beklagten bei dieser Feststellung nicht zu folgen.
Ob der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat, ist abhängig von seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, also seinem Einsichtsvermögen in alle den Streitfall betreffenden Umstände. Wenn sich dabei die mangelnde Einsichtsfähigkeit nicht schon aus den verworrenen Schreiben des Klägers herleiten lässt, so zweifellos doch angesichts seines Verhaltens, auch im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren trotz rechtskräftiger anders lautender Entscheidung darauf zu beharren, dass ihm auch über den 24.12.1995 hinaus nicht Alhi, sondern Alg zustehe. Er hat das wiederholt vorgetragen und war mental geradezu fixiert auf diese Rechtsauffassung. Zur Überzeugung des Senats war er außerstande, die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung zu erkennen. Er durfte sich darauf berufen, dass er auf die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs vertraut hat. Die Beklagte hätte bei dieser Sachlage zumindest auf die Argumente des Klägers - wenn schon nicht im Anhörungs-, so doch zumindest im Widerspruchsverfahren - eingehen und iS von § 45 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB X auch für die Zukunft prüfen müssen, ob sein Vertrauen angesichts der Tatsache besonders schützenswert ist, beispielsweise weil er mittellos war, weil ihm Leistungen aus der Krankenversicherung nicht zustanden und weil schließlich die Fortsetzung der Leistungsgewährung durch die Beklagte von besonderem Gewicht für den Anspruch auf Rentengewährung für ihn war.
Mangels entsprechender Ermessensausübung konnte deshalb das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 keinen Bestand haben. Demzufolge ist dem Kläger die bereits bewilligte Leistung bis zum 24.12.1996 weiter zu gewähren.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil eine begünstigende Entscheidung für die Zeit nach dem 24.12.1996 nicht vorliegt und ein entsprechender Anspruch an den Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG scheitern muss. Die Voraussetzungen des § 105a AFG liegen gleichfalls nicht vor, nachdem beim Kläger Erwerbsunfähigkeit iS von § 44 Abs 2 SGB VI festgestellt worden ist. Der Senat zweifelt angesichts der beim Kläger bestehenden Erkrankungen nicht daran, dass diese schon früher festgestellte Erwerbsunfähigkeit auch im streitigen Zeitraum des Leistungsbezugs von Alhi und später fortbestanden hat.
Demzufolge waren das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufzuheben.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12. August 1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens sind Ansprüche des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) über den 12.12.1995 hinaus, hilfsweise auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) über den 11.09.1996 hinaus, jeweils bis 30.06.2000.
Der 1935 geborene Kläger ist aus Rumänien 1981 in das Bundesgebiet zugezogen und als Asylberechtigter anerkannt. Er stand seit 14.08.1985 ununterbrochen im Bezug von Leistungen der Beklagten, so bezog er auch Alhi im Bewilligungsabschnitt vom 12.10.1991 bis 21.10.1992. Ein nachfolgender Weiterbewilligungsantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 12.11.1992 abgelehnt, da der Kläger aus gesundheitlichen Gründen für nicht mehr verfügbar gehalten wurde. Grundlage hierfür bildete ein Verfahren wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die einen entsprechenden Rentenantrag mit Bescheid vom 15.09.1992 zwar abgelehnt, hierfür aber versicherungsrechtliche Gründe benannt und der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.1992 das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit bestätigt hatte. Hiervon ging auch ein Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg (SG) vom 10.11.1998 (S 3 RA 77/97) aus, mit dem die Entscheidung der BfA rechtskräftig bestätigt wurde. In den Akten findet sich ein Attest der behandelnden Hausärztin Dr.K. vom 24.09.1996 ua mit folgenden Diagnosen: "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach zwei Herzinfarkten, Lungenemphysem, chronische Bronchitis und Gastroduodenitis, polyarthrotische Beschwerden, Hörminderung (rechts 65 vH, links 70 vH), Sehminderung beidseits." Schließlich besteht beim Kläger der Verdacht auf eine Konversionsneurose.
Vom 22.10.1992 bis 25.12.1994 stand der Kläger im Krankengeldbezug.
Auf Antrag vom 24.10.1994 wurde ihm seitens der Beklagten mit Bescheid vom 09.01.1995 für die Zeit vom 26.12.1994 bis 23.12.1995 erneut Alg bewilligt. Ab 25.12.1995 zahlte die Beklagte Anschluss-Alhi, wogegen der Kläger Klage erhob, weil er im Formblatt Anspruch auf Weitergewährung von Alg, nicht von Alhi geltend gemacht hatte. Dagegen war die Beklagte davon ausgegangen, dass wegen der Erschöpfung des Alg-Anspruchs nur ein solcher wegen Alhi in Betracht kommen konnte. Der Kläger blieb aber bei seiner Behauptung, auch weiterhin Anspruch auf Alg zu haben. Dieser Streit ist zu Gunsten der Beklagten rechtskräftig abgeschlossen (Urteil des SG Nürnberg vom 28.07.1996 - S 5 AL 194/96; Urteil des 11.Senats des Bayer. Landessozialgerichts (BayLSG) vom 20.02.1997 - L 11 AL 339/96).
Am 09.09.1996 führte die Beklagte eine Aktenüberprüfung durch und stellte fest, dass dem Kläger die bewilligte Alhi mangels Verfügbarkeit von Anfang an nicht zustand. Sie setzte am 09.09.1996 sowohl ein Anhörungsschreiben wie einen Bescheid an den Kläger in Lauf, mit dem sie die mit Verfügung vom 15.12.1995 ab 25.12.1995 für 312 Tage bewilligte Alhi ab 12.09.1996 aufhob. Zur Begründung führte die Beklagte aus, "der Kläger habe auf den Bestand der rechtswidrigen Entscheidung nicht vertrauen dürfen, weil er deren Rechtswidrigkeit gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Er habe auf den Bestand der rechtswidrigen Entscheidung auch nicht vertrauen können, weil das öffentliche Interesse (rechtmäßige Verwaltung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit) in Abwägung zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens überwiege. Insbesondere könne er mit den genannten Leistungen keine Vermögensdispositionen treffen, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten."
Der Kläger sprach am 11.09.1996 bei der Beklagten vor, erhob Widerspruch und begründete diesen in zwei Schreiben vom 12. und 15.09.1996, die der Beklagten am 13. und 17.09.1996 vorlagen. Darin warf der Kläger den Bediensteten der Beklagten erhebliche Fehler bei der Bewilligung und bei der Aufhebung der Leistung vor. Die Alhi sei ihm bis 25.12.1996 bewilligt worden, er müsse davon sein Leben fristen und habe am 13.02.1995 bei der BfA Antrag auf Altersrente gestellt. Sinngemäß verweist er dabei auch auf den Verlust beitragsgeminderter Zeiten im Rahmen seines Versicherungsverlaufs nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 30.09.1996 führte die Beklagte aus, von Beginn der Bewilligung an habe ein Anspruch auf die Leistungen nicht bestanden, weil der Kläger mangels des erforderlichen Leistungsvermögens nicht verfügbar gewesen sei. Schon seit 1992 habe nämlich seine Erwerbsunfähigkeit festgestanden. Sie sei von der BfA im Rahmen des Rentenverfahrens von 1992 verbindlich festgestellt und der Beklagten auch bekannt gegeben worden. Die entsprechende Feststellung finde sich auch im Gerichtsbescheid des SG Nürnberg. Der Kläger habe zumindest aufgrund des Bescheides vom 09.09.1996 wissen müssen, dass ihm Alhi aus keinem Rechtsgrund mehr zustehe.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Nürnberg erhoben (S 5 AL 903/96). Sie ist mit Urteil vom 12.08.1997 abgewiesen worden. Das SG hat sich den Entscheidungsgründen der Beklagten angeschlossen und ausgeführt, Anspruch auf Alhi habe nur, wer eine längere als kurzzeitig zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne. Dies setze voraus, dass der Antragsteller noch mehr als 18 Stunden wöchentlich unter den üblichen Bedingungen arbeiten könne. Dies sei beim Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch weiterhin aus gesundheitlichen Gründen zu verneinen. Insoweit werde auf ein Urteil des SG Nürnberg vom 01.12.1993 (S 5 AL 544/93) verwiesen. Bereits seinerzeit habe eine amtsärztliche Untersuchung durch Frau Dr.Z. am 30.07.1990 ergeben, dass der Kläger über keinerlei Leistungsfähigkeit mehr verfüge. Auch die BfA habe nach Einholung entsprechender Gutachten festgestellt, dass das Leistungsvermögen des Klägers endgültig erloschen sei. An diesem Sachstand habe sich nichts geändert. Soweit der Kläger erneut auf Rentengewährung klage (SG Nürnberg S 3 An 77/97), würden die medizinischen Feststellungen der BfA zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht angegriffen. Auch eine Leistung auf der Grundlage der sog Nahtlosigkeitsregelung komme nicht in Betracht, nachdem die BfA in medizinischer Hinsicht eine Entscheidung getroffen habe. Dass der Kläger trotz seines eingeschränkten Leistungsvermögens aus versicherungsrechtlichen Gründen Rente nicht bewilligt erhalten habe, sei ohne Bedeutung. Er habe die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung vom Dezember 1995 auch gekannt oder zumindestens kennen müssen. Er habe gewusst, dass die Leistungsbeurteilung durch die BfA sowie durch die Arbeitsamtsärzte auf einer dauerhaft vorliegenden Erkrankung und nicht auf einem vorübergehenden Zustand beruhte, der der Besserung zugänglich gewesen wäre. Es hätte keiner näheren Überlegung bedurft, die unzutreffende Leistungsbewilligung zu erkennen. Bei dieser Sachlage habe die Beklagte unabhängig von der für die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit geregelten Jahresfrist die Bewilligungsentscheidung für die Zukunft zurücknehmen dürfen.
Gegen das am 23.08.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.09.1997 Berufung beim BayLSG eingelegt.
Zur Begründung macht er geltend, er habe seinerzeit Alg, nicht Alhi beantragt. Die Nahtlosigkeitsregelung sei unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte und das SG hätten bei ihren Entscheidungen wesentliche Grundrechte verletzt und ihm das rechtliche Gehör vorenthalten.
Sinngemäß beantragt der Kläger,
das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und den Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Alg ab 23.12.1995, hilfsweise von Alhi ab 11.09.1996 bis 30.06.2000 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 zurückzuweisen.
Beigezogen waren außer den Akten der Beklagten die Akten des SG Nürnberg (S 5 Al 903/96, Al 193/96, Al 194/96, Al 544/93, Al 543/93 sowie S 3 An bzw RA 249/94, 77/97 und 514/97) sowie die Akten des BayLSG (L 11 Al 338/96 und 339/96). Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in gehöriger Form und in offener Frist eingelegt (§§ 151, 143 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Hinsichtlich des Anspruchs auf Alg ist die Berufung angesichts der rechtskräftigen Entscheidung des Senats vom 20.02.1997 unzulässig. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dem Kläger stand Alg über den 23.12.1995 hinaus nicht zu. Dies folgt aus §§ 153 Abs 1, 141 Abs 1 SGG.
Soweit die Berufung auf die Beseitigung des Urteils des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und des Bescheids der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 gerichtet ist, ist die Berufung zulässig (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und hinsichtlich der Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 12.09. bis 24.12.1996 auch begründet.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht begründet (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (§ 45 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -SGB X-). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist idR schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1 ... 2 ... 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs 2 SGB X).
Liegen die in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 152 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-).
Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs 1 SGB X).
Nachdem die Ausnahmen von dieser Regelung in § 24 Abs 2 SGB X offensichtlich nicht vorliegen, hat die Beklagte ein entsprechendes Anhörungsverfahren auch eingeleitet. Der Kläger ist aber mit seinen Argumenten nicht gehört worden. Denn zugleich mit dem Anhörungsschreiben hat die Beklagte die bewilligte Leistung aufgehoben und ab 12.09.1996 entzogen. Auf die Argumente des Klägers konnte die Beklagte im Bescheid vom 09.09.1996 nicht eingehen, weil sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hat äußern können. Deshalb sind die in den Bescheid vom 09.09.1996 übernommenen Formularfloskeln in Anlehnung an § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X nicht geeignet, Argumente des Klägers abzuwägen. Die Beklagte ist aber auch im Widerspruchsbescheid vom 30.09.1996 mit keinem Satz auf die vom Kläger vorgebrachten Gegenvorstellungen eingegangen. Zur Überzeugung des Senats ist deshalb ein Anhörungsverfahren nicht durchgeführt worden, dieses ist aber auch nicht durch die Erteilung des Widerspruchsbescheids wirksam nachgeholt worden iS von § 42 Satz 2 SGB X (vgl BSG SozR 1200 § 34 SGB I aF Nr 1). Die Beklagte ist nämlich davon ausgegangen, dass sie in Anbetracht des Vorliegens des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X zur Aufhebung der Bewilligung kraft Gesetzes verpflichtet ist, wie sich aus § 152 Abs 2 AFG ergeben kann. Der Senat lässt indessen offen, ob bei Auslegung dieser Vorschrift die Gebundenheit für eine Aufhebungsentscheidung nur dann anzunehmen ist, wenn die Aufhebung für die Vergangenheit erfolgt (so Gemeinschaftskommentar - Wagner, Stand Juni 1994, § 152 AFG Rdnr 18) oder ob aus der Aufhebungsverpflichtung ex ante naheliegend auch eine Aufhebungsverpflichtung ex post gefolgert werden muss (so Niesel, AFG, § 152 Rdnr 17 und SGB III, § 330 Rdnrn 23 f). Denn der Senat sieht die Voraussetzungen von § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGG vorliegend schon nicht als gegeben an.
Die Beklagte hat den Kläger nicht angehört und geht nach Lage der Akten davon aus, dass ihm grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, sollte er trotz Aufhebung der Leistungsbewilligung bei der Auffassung bleiben, letztere sei rechtens gewesen. Der Senat vermag der Beklagten bei dieser Feststellung nicht zu folgen.
Ob der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt hat, ist abhängig von seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, also seinem Einsichtsvermögen in alle den Streitfall betreffenden Umstände. Wenn sich dabei die mangelnde Einsichtsfähigkeit nicht schon aus den verworrenen Schreiben des Klägers herleiten lässt, so zweifellos doch angesichts seines Verhaltens, auch im Anhörungs- und Widerspruchsverfahren trotz rechtskräftiger anders lautender Entscheidung darauf zu beharren, dass ihm auch über den 24.12.1995 hinaus nicht Alhi, sondern Alg zustehe. Er hat das wiederholt vorgetragen und war mental geradezu fixiert auf diese Rechtsauffassung. Zur Überzeugung des Senats war er außerstande, die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung zu erkennen. Er durfte sich darauf berufen, dass er auf die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezugs vertraut hat. Die Beklagte hätte bei dieser Sachlage zumindest auf die Argumente des Klägers - wenn schon nicht im Anhörungs-, so doch zumindest im Widerspruchsverfahren - eingehen und iS von § 45 Abs 2 Sätze 1 und 2 SGB X auch für die Zukunft prüfen müssen, ob sein Vertrauen angesichts der Tatsache besonders schützenswert ist, beispielsweise weil er mittellos war, weil ihm Leistungen aus der Krankenversicherung nicht zustanden und weil schließlich die Fortsetzung der Leistungsgewährung durch die Beklagte von besonderem Gewicht für den Anspruch auf Rentengewährung für ihn war.
Mangels entsprechender Ermessensausübung konnte deshalb das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 keinen Bestand haben. Demzufolge ist dem Kläger die bereits bewilligte Leistung bis zum 24.12.1996 weiter zu gewähren.
Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil eine begünstigende Entscheidung für die Zeit nach dem 24.12.1996 nicht vorliegt und ein entsprechender Anspruch an den Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG scheitern muss. Die Voraussetzungen des § 105a AFG liegen gleichfalls nicht vor, nachdem beim Kläger Erwerbsunfähigkeit iS von § 44 Abs 2 SGB VI festgestellt worden ist. Der Senat zweifelt angesichts der beim Kläger bestehenden Erkrankungen nicht daran, dass diese schon früher festgestellte Erwerbsunfähigkeit auch im streitigen Zeitraum des Leistungsbezugs von Alhi und später fortbestanden hat.
Demzufolge waren das Urteil des SG Nürnberg vom 12.08.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 09.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.1996 aufzuheben.
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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