Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AL 679/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 336/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. September 1998 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1997 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von 7.991,50 DM streitig.
Der 1939 geborene Kläger war bis 30.09.1994 als Meßner und Pfarrsekretär bei einer katholischen Kirchenstiftung beschäftigt. Er meldete sich am 06.09. mit Wirkung zum 01.10.1994 arbeitslos und beantragte Alg. In dem vom Antragsannehmer am 12.09.1994 entgegengenommenen schriftlichen Antrag wurde bei der Frage, welche Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sei ("bitte Lohnsteuerkarte vorlegen"), für das Jahr 1994 die Steuerklasse IV angegeben. Die Frage nach der Lohnsteuerkarte für das folgende Jahr (falls diese bereits vorliegt) enthält keinen Eintrag.
Dem Kläger wurde für die Zeit ab 01.10.1994 Alg (Verfügung vom 12.09.1994; laut Zahlungsnachweisen erfolgte die erste Überweisung am 14.10.1994) unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe A in Höhe von wöchentlich 323,40 DM bewilligt. Er bezog diese Leistung bis zur Erschöpfung des Anspruches am 28.05.1997.
Auf dem Anschluss-Alhi-Antrag vom 06.05.1997 ist vermerkt, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers seit 01.01.1995 die Steuerklasse V eingetragen sei. Der Kläger legte auf Aufforderung des Arbeitsamts hin eine Bescheinigung seiner Gemeinde vom 07.05. 1997 vor, wonach die Lohnsteuerkarten für die Jahre 1994 und 1995 auf die Steuerklasse V abgeändert worden seien. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass aufgrund des damaligen Bruttogehalts der Ehefrau von 6.648,47 DM der Steuerklassenwechsel zweckmäßig gewesen sei, machte sie in dem Anhörungsschreiben vom 09.06.1997 geltend, der Kläger habe den Lohnsteuerklassenwechsel vom 07.11.1994 nicht mitgeteilt und deshalb 7.991,50 DM zu Unrecht bezogen. Der Kläger gab daraufhin an, die Lohnsteuerkarte vorgelegt bzw. die Steuerklasse ordnungsgemäß gemeldet zu haben, weshalb ein Verschulden seinerseits nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 25.06.1997 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg ab 01.01.1995 teilweise in Höhe von 7.991,50 DM auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Der Kläger habe die Änderung in der Form des Steuerklassenwechsels entgegen § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht rechtzeitig mitgeteilt. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, unverzüglich nach Änderung der Lohnsteuerklasse die entsprechend geänderte Steuerkarte beim Arbeitsamt abgegeben zu haben.
Die Beklagte erließ dann den Bescheid vom 22.10.1997, mit dem sie die Bewilligung des Alg bereits ab 01.12.1994 wegen der geänderten Lohnsteuerklasse teilweise aufhob und nunmehr die Erstattung von insgesamt 8.269,60 DM forderte. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1997 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe durch Hinweise im Merkblatt gewusst, dass er jeglichen Steuerklassenwechsel unverzüglich anzeigen müsse. Dieser Anzeigepflicht sei er nicht nachgekommen. Die Abgabe der Steuerkarte im Rahmen der gesetzlichen Hinterlegungspflicht entbinde ihn nicht von seiner Anzeigepflicht.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die geänderte Lohnsteuerkarte zusammen mit seinem Sozialversicherungsausweis am 17.11.1994 beim Arbeitsamt unter Hinweis auf die geänderte Lohnsteuerklasse abgegeben zu haben. Der handschriftliche Eintrag seiner Stammnummer auf der Vorderseite zeige, dass sie beim Arbeitsamt auch eingegangen sei. Dass dies in der Leistungsakte nicht festgehalten worden sei, sei offensichtlich auf eine nicht ordnungsgemäße Aktenführung zurückzuführen. Er habe am 17.11.1994 auf Aufforderung hin auch eine Zweitschrift des Sozialversicherungsausweises vorgelegt, obwohl er das Original schon bei der Antragstellung abgegeben gehabt habe. Dieses Original sei ihm mit Schreiben vom 25.04.1997 mit dem Ende des Anspruches auf Alg zurückgesandt worden; dieses enthalte, im Gegensatz zur Zweitschrift, nicht die Angabe der Stammnummer, woraus zu schließen sei, dass dieses Original, wie offensichtlich auch die Lohnsteuerkarten 1994 und 1995, zunächst jedenfalls nicht der richtigen Akte zugeordnet worden seien. Das fehlerhafte Verwaltungshandeln könne nicht zu seinem Nachteil gereichen.
Mit Urteil vom 22.09.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Mit der bloßen Hinterlegung der geänderten Lohnsteuerkarten sei der Kläger seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Die Regelung des § 150b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) diene allein dazu, die Hemmschwelle zu erhöhen, neben einem Beschäftigungsverhältnis Leistungen zu beziehen und dieses Beschäftigungsverhältnis dem Arbeitsamt nicht zu offenbaren. Aus den zum Jahreswechsel 1994/95 an alle Leistungsempfänger gesandten Informationsschreiben sei ersichtlich, dass die Beklagte die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Daten weder verarbeiten noch nutzen dürfe und bei einer Änderung eine gesonderte Mitteilung erforderlich sei. Auch sei in dem ausgehändigten Merkblatt die Berechnung der Höhe des Alg dargelegt, so dass auch die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X erfüllt seien.
Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung rügt der Kläger, das SG habe die angebotenen Beweise zur Frage der Mitteilung der geänderten Lohnsteuerklassen nicht berücksichtigt. Er habe nicht gewusst, dass sich die Höhe des Anspruches auf Alg durch die Änderung der Lohnsteuerklasse ändern würde. Hätte er dies gewusst, hätte er den Wechsel der Steuerklasse nicht vorgenommen, sondern später den Lohnsteuerjahresausgleich durchgeführt.
In der mündlichen Verhandlung am 30.07.1999 hat die Beklagte im Rahmen eines Teilanerkenntnisses, das der Kläger angenommen hat, den Bescheid vom 22.10.1997 aufgehoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.09.1998 sowie den Bescheid vom 25.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil, dem sie sich in vollem Umfange anschließt, Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht.
Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Die teilweise Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung durch die Beklagte ist nicht rechtmäßig.
Die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Alg für die noch streitige Zeit ab 01.01.1995 kann nicht auf § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X gestützt werden. Danach "soll" - gemäß § 152 Abs.3 AFG in der seit 01.01.1994 gültigen Fassung "ist" - ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den bei seinem Erlass gegeben gewesenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG ist der Kläger hier seiner Pflicht zur Mitteilung der Lohnsteuerklassenänderung nachgekommen, und zwar gerade durch die Vorlage dieser die Änderung beinhaltenden Lohnsteuerkarten. Dass er die Lohnsteuerkarten 1994 und 1995 am 17.11.1994 beim Arbeitsamt eingereicht hat und diese dort bis zur Rücksendung nach Erschöpfung des Anspruches verblieben sind, ist aufgrund des schlüssigen Vortrages glaubhaft; dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten.
Diese Vorlage der Lohnsteuerkarten am 17.11.1994 erfolgte nicht im Zuge der in § 150b AFG, eingeführt durch das Gesetz vom 23.06.1993 (BGBl.I S.944), festgelegten Hinterlegungspflicht. Die diesbezüglichen Anschreiben sind, wie die Beklagte mit Schreiben vom 07.05.1998 dargelegt hat, auch erst "zum Jahreswechsel 1994/1995 an alle Leistungsempfänger versandt" worden mit der Aufforderung zur Vorlage der Steuerkarten bis 31.01.1995. Vielmehr hat der Kläger mit der Vorlage der Lohnsteuerkarten am 17.11.1994 der Aufforderung in dem Alg-Antragsformular, die Lohnsteuerkarten vorzulegen, Rechnung getragen. Diese Aufforderungen ergehen - und ergingen bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 23.06.1993 - an alle Arbeitslosen, die Alg bzw. Alhi beantragen. Da die Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte im Zusammenhang mit der Frage nach der eingetragenen Steuerklasse steht, soll damit - jedenfalls aus der Sicht des Antragstellers - der Nachweis der Richtigkeit der gemachten Angaben erbracht werden. Deshalb bedeutet die Vorlage von Lohnsteuerkarten mit einer gegenüber den früheren Angaben geänderten Steuerklasse zum einen die Mitteilung dieser Änderung und zum anderen gerade den Nachweis dieser Tatsache. Deshalb konnte auch der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte aus den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte, soweit diese den Leistungsanspruch beeinflussen, die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen würde. Einer weiteren Mitteilung bedurfte es aus seiner Sicht nicht. Da die Vorlage nicht in Zusammenhang mit der Hinterlegung nach § 150b AFG stand, ist der auf den formblattmäßigen Anschreiben enthaltene Hinweis, die Bundesanstalt dürfe die auf der Lohnsteuerkarte enthaltenen Daten weder verarbeiten noch nutzen, hier unerheblich. Vielmehr diente die Vorlage in diesem Zusammenhang gerade dazu, die entsprechenden Daten zu "verarbeiten".
Die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Alg kann auch nicht auf § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 4 SGB X gestützt werden. Hierfür wäre der Nachweis erforderlich, dass der Kläger wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch auf Alg wegen der geänderten Lohnsteuerkarte und der damit verbundenen Anspruchsminderung teilweise weggefallen ist. Dass der Kläger hiervon positive Kenntnis gehabt hat, ist nicht ersichtlich. Sein Vorbringen, dass er in diesem Fall den Lohnsteuerklassenwechsel nicht vorgenommen hätte, ist glaubhaft.
Die fehlende Kenntnis von diesem Umstand beruht auch nicht darauf, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt "in besonders schwerem Maße" verletzt hat, d.h. im Sinne der Legaldefinition des § 45 Abs.2 Satz 3 Ziffer 3 SGB X die Nichtkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die in der Personengruppe, der der Betroffene zuzurechnen ist, herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich höhem Maße verletzt worden ist, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Auflage, Rdnr.24 zu § 45 m.w.N.). Hier ist zu berücksichtigen, dass der dem Kläger zugegangene Bewilligungsbescheid die Angabe der in diesem Zeitpunkt zutreffenden Leistungsgruppe A enthalten hat. Dass der Kläger nicht erkannt hat, dass aufgrund seiner vorgelegten Lohnsteuerkarte die Beklagte einen diesbezüglichen Änderungsbescheid mit einer entsprechenden Herabsetzung der Leistung hätte erlassen müssen, ist ihm bei Anlegung des oben dargestellten Sorgfaltsmaßstabes nicht vorzuwerfen. Zwar weisen die Beklagte und das SG zu Recht darauf hin, dass das dem Kläger bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose, Stand April 1994, auf Seite 13 den Hinweis enthält, Alg und Alhi würden nach fünf verschiedenen Leistungsgruppen gezahlt und die maßgebende Leistungsgruppe ergebe sich in erster Linie aus der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres eingetragen gewesen sei, wobei spätere Änderungen von dem Tage an berücksichtigt würden, an dem erstmals die Voraussetzungen für diese Änderung vorlägen; weiterhin wird dann dargestellt, dass bei einer Lohnsteuerklasse V die Leistungsgruppe D zugeordnet wird. Jedoch ergibt sich aus diesen Hinweisen nicht, ob und inwieweit sich diese Änderung der Leistungsgruppe anspruchsmindernd oder eventuell gar anspruchserhöhend auswirkt. Eine Aufhebung des bestandskräftigen Verwaltungsakts zu Ungunsten des Betroffenen ist aber nach § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 4 SGB X nur zulässig, "soweit" der Betroffene die eingetretene Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Um dies festzustellen, hätte der Kläger sich anhand der AFG-Leistungsverordnung 1994 vom 22.12.1993 (BGBl.I S.2446) informieren müssen, welcher wöchentliche Leistungssatz sich angesichts des im Bewilligungsbescheid genannten Bemessungsentgelts bei Zugrundelegung der Leistungsgruppe D ergibt. Es kann nicht als grobfahrlässig angesehen werden, wenn der Kläger solche Nachforschungen nicht angestellt hat. Er verfügt auch nicht, verglichen mit dem durchschnittlichen Leistungsempfänger, über eine besondere Sachkenntnis, die in seinem individuellen Falle eine entsprechend höhere Anforderung an die Sorgfaltspflicht rechtfertigen würde. Aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck ergaben sich jedenfalls keine Hinweise in dieser Richtung.
Somit waren auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG vom 22.09.1998 und der Bescheid der Beklagten vom 25.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von 7.991,50 DM streitig.
Der 1939 geborene Kläger war bis 30.09.1994 als Meßner und Pfarrsekretär bei einer katholischen Kirchenstiftung beschäftigt. Er meldete sich am 06.09. mit Wirkung zum 01.10.1994 arbeitslos und beantragte Alg. In dem vom Antragsannehmer am 12.09.1994 entgegengenommenen schriftlichen Antrag wurde bei der Frage, welche Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sei ("bitte Lohnsteuerkarte vorlegen"), für das Jahr 1994 die Steuerklasse IV angegeben. Die Frage nach der Lohnsteuerkarte für das folgende Jahr (falls diese bereits vorliegt) enthält keinen Eintrag.
Dem Kläger wurde für die Zeit ab 01.10.1994 Alg (Verfügung vom 12.09.1994; laut Zahlungsnachweisen erfolgte die erste Überweisung am 14.10.1994) unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe A in Höhe von wöchentlich 323,40 DM bewilligt. Er bezog diese Leistung bis zur Erschöpfung des Anspruches am 28.05.1997.
Auf dem Anschluss-Alhi-Antrag vom 06.05.1997 ist vermerkt, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers seit 01.01.1995 die Steuerklasse V eingetragen sei. Der Kläger legte auf Aufforderung des Arbeitsamts hin eine Bescheinigung seiner Gemeinde vom 07.05. 1997 vor, wonach die Lohnsteuerkarten für die Jahre 1994 und 1995 auf die Steuerklasse V abgeändert worden seien. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass aufgrund des damaligen Bruttogehalts der Ehefrau von 6.648,47 DM der Steuerklassenwechsel zweckmäßig gewesen sei, machte sie in dem Anhörungsschreiben vom 09.06.1997 geltend, der Kläger habe den Lohnsteuerklassenwechsel vom 07.11.1994 nicht mitgeteilt und deshalb 7.991,50 DM zu Unrecht bezogen. Der Kläger gab daraufhin an, die Lohnsteuerkarte vorgelegt bzw. die Steuerklasse ordnungsgemäß gemeldet zu haben, weshalb ein Verschulden seinerseits nicht gegeben sei.
Mit Bescheid vom 25.06.1997 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg ab 01.01.1995 teilweise in Höhe von 7.991,50 DM auf und forderte die Erstattung dieses Betrages. Der Kläger habe die Änderung in der Form des Steuerklassenwechsels entgegen § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht rechtzeitig mitgeteilt. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, unverzüglich nach Änderung der Lohnsteuerklasse die entsprechend geänderte Steuerkarte beim Arbeitsamt abgegeben zu haben.
Die Beklagte erließ dann den Bescheid vom 22.10.1997, mit dem sie die Bewilligung des Alg bereits ab 01.12.1994 wegen der geänderten Lohnsteuerklasse teilweise aufhob und nunmehr die Erstattung von insgesamt 8.269,60 DM forderte. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1997 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe durch Hinweise im Merkblatt gewusst, dass er jeglichen Steuerklassenwechsel unverzüglich anzeigen müsse. Dieser Anzeigepflicht sei er nicht nachgekommen. Die Abgabe der Steuerkarte im Rahmen der gesetzlichen Hinterlegungspflicht entbinde ihn nicht von seiner Anzeigepflicht.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die geänderte Lohnsteuerkarte zusammen mit seinem Sozialversicherungsausweis am 17.11.1994 beim Arbeitsamt unter Hinweis auf die geänderte Lohnsteuerklasse abgegeben zu haben. Der handschriftliche Eintrag seiner Stammnummer auf der Vorderseite zeige, dass sie beim Arbeitsamt auch eingegangen sei. Dass dies in der Leistungsakte nicht festgehalten worden sei, sei offensichtlich auf eine nicht ordnungsgemäße Aktenführung zurückzuführen. Er habe am 17.11.1994 auf Aufforderung hin auch eine Zweitschrift des Sozialversicherungsausweises vorgelegt, obwohl er das Original schon bei der Antragstellung abgegeben gehabt habe. Dieses Original sei ihm mit Schreiben vom 25.04.1997 mit dem Ende des Anspruches auf Alg zurückgesandt worden; dieses enthalte, im Gegensatz zur Zweitschrift, nicht die Angabe der Stammnummer, woraus zu schließen sei, dass dieses Original, wie offensichtlich auch die Lohnsteuerkarten 1994 und 1995, zunächst jedenfalls nicht der richtigen Akte zugeordnet worden seien. Das fehlerhafte Verwaltungshandeln könne nicht zu seinem Nachteil gereichen.
Mit Urteil vom 22.09.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Mit der bloßen Hinterlegung der geänderten Lohnsteuerkarten sei der Kläger seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen. Die Regelung des § 150b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) diene allein dazu, die Hemmschwelle zu erhöhen, neben einem Beschäftigungsverhältnis Leistungen zu beziehen und dieses Beschäftigungsverhältnis dem Arbeitsamt nicht zu offenbaren. Aus den zum Jahreswechsel 1994/95 an alle Leistungsempfänger gesandten Informationsschreiben sei ersichtlich, dass die Beklagte die auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Daten weder verarbeiten noch nutzen dürfe und bei einer Änderung eine gesonderte Mitteilung erforderlich sei. Auch sei in dem ausgehändigten Merkblatt die Berechnung der Höhe des Alg dargelegt, so dass auch die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X erfüllt seien.
Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung rügt der Kläger, das SG habe die angebotenen Beweise zur Frage der Mitteilung der geänderten Lohnsteuerklassen nicht berücksichtigt. Er habe nicht gewusst, dass sich die Höhe des Anspruches auf Alg durch die Änderung der Lohnsteuerklasse ändern würde. Hätte er dies gewusst, hätte er den Wechsel der Steuerklasse nicht vorgenommen, sondern später den Lohnsteuerjahresausgleich durchgeführt.
In der mündlichen Verhandlung am 30.07.1999 hat die Beklagte im Rahmen eines Teilanerkenntnisses, das der Kläger angenommen hat, den Bescheid vom 22.10.1997 aufgehoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.09.1998 sowie den Bescheid vom 25.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil, dem sie sich in vollem Umfange anschließt, Bezug.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht.
Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Die teilweise Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung durch die Beklagte ist nicht rechtmäßig.
Die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Alg für die noch streitige Zeit ab 01.01.1995 kann nicht auf § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 2 SGB X gestützt werden. Danach "soll" - gemäß § 152 Abs.3 AFG in der seit 01.01.1994 gültigen Fassung "ist" - ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den bei seinem Erlass gegeben gewesenen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG ist der Kläger hier seiner Pflicht zur Mitteilung der Lohnsteuerklassenänderung nachgekommen, und zwar gerade durch die Vorlage dieser die Änderung beinhaltenden Lohnsteuerkarten. Dass er die Lohnsteuerkarten 1994 und 1995 am 17.11.1994 beim Arbeitsamt eingereicht hat und diese dort bis zur Rücksendung nach Erschöpfung des Anspruches verblieben sind, ist aufgrund des schlüssigen Vortrages glaubhaft; dies wird auch von der Beklagten nicht bestritten.
Diese Vorlage der Lohnsteuerkarten am 17.11.1994 erfolgte nicht im Zuge der in § 150b AFG, eingeführt durch das Gesetz vom 23.06.1993 (BGBl.I S.944), festgelegten Hinterlegungspflicht. Die diesbezüglichen Anschreiben sind, wie die Beklagte mit Schreiben vom 07.05.1998 dargelegt hat, auch erst "zum Jahreswechsel 1994/1995 an alle Leistungsempfänger versandt" worden mit der Aufforderung zur Vorlage der Steuerkarten bis 31.01.1995. Vielmehr hat der Kläger mit der Vorlage der Lohnsteuerkarten am 17.11.1994 der Aufforderung in dem Alg-Antragsformular, die Lohnsteuerkarten vorzulegen, Rechnung getragen. Diese Aufforderungen ergehen - und ergingen bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 23.06.1993 - an alle Arbeitslosen, die Alg bzw. Alhi beantragen. Da die Aufforderung zur Vorlage der Lohnsteuerkarte im Zusammenhang mit der Frage nach der eingetragenen Steuerklasse steht, soll damit - jedenfalls aus der Sicht des Antragstellers - der Nachweis der Richtigkeit der gemachten Angaben erbracht werden. Deshalb bedeutet die Vorlage von Lohnsteuerkarten mit einer gegenüber den früheren Angaben geänderten Steuerklasse zum einen die Mitteilung dieser Änderung und zum anderen gerade den Nachweis dieser Tatsache. Deshalb konnte auch der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte aus den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte, soweit diese den Leistungsanspruch beeinflussen, die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen würde. Einer weiteren Mitteilung bedurfte es aus seiner Sicht nicht. Da die Vorlage nicht in Zusammenhang mit der Hinterlegung nach § 150b AFG stand, ist der auf den formblattmäßigen Anschreiben enthaltene Hinweis, die Bundesanstalt dürfe die auf der Lohnsteuerkarte enthaltenen Daten weder verarbeiten noch nutzen, hier unerheblich. Vielmehr diente die Vorlage in diesem Zusammenhang gerade dazu, die entsprechenden Daten zu "verarbeiten".
Die teilweise Aufhebung der Bewilligung des Alg kann auch nicht auf § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 4 SGB X gestützt werden. Hierfür wäre der Nachweis erforderlich, dass der Kläger wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Anspruch auf Alg wegen der geänderten Lohnsteuerkarte und der damit verbundenen Anspruchsminderung teilweise weggefallen ist. Dass der Kläger hiervon positive Kenntnis gehabt hat, ist nicht ersichtlich. Sein Vorbringen, dass er in diesem Fall den Lohnsteuerklassenwechsel nicht vorgenommen hätte, ist glaubhaft.
Die fehlende Kenntnis von diesem Umstand beruht auch nicht darauf, dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt "in besonders schwerem Maße" verletzt hat, d.h. im Sinne der Legaldefinition des § 45 Abs.2 Satz 3 Ziffer 3 SGB X die Nichtkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die in der Personengruppe, der der Betroffene zuzurechnen ist, herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich höhem Maße verletzt worden ist, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen (Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Auflage, Rdnr.24 zu § 45 m.w.N.). Hier ist zu berücksichtigen, dass der dem Kläger zugegangene Bewilligungsbescheid die Angabe der in diesem Zeitpunkt zutreffenden Leistungsgruppe A enthalten hat. Dass der Kläger nicht erkannt hat, dass aufgrund seiner vorgelegten Lohnsteuerkarte die Beklagte einen diesbezüglichen Änderungsbescheid mit einer entsprechenden Herabsetzung der Leistung hätte erlassen müssen, ist ihm bei Anlegung des oben dargestellten Sorgfaltsmaßstabes nicht vorzuwerfen. Zwar weisen die Beklagte und das SG zu Recht darauf hin, dass das dem Kläger bei der Arbeitslosmeldung ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose, Stand April 1994, auf Seite 13 den Hinweis enthält, Alg und Alhi würden nach fünf verschiedenen Leistungsgruppen gezahlt und die maßgebende Leistungsgruppe ergebe sich in erster Linie aus der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres eingetragen gewesen sei, wobei spätere Änderungen von dem Tage an berücksichtigt würden, an dem erstmals die Voraussetzungen für diese Änderung vorlägen; weiterhin wird dann dargestellt, dass bei einer Lohnsteuerklasse V die Leistungsgruppe D zugeordnet wird. Jedoch ergibt sich aus diesen Hinweisen nicht, ob und inwieweit sich diese Änderung der Leistungsgruppe anspruchsmindernd oder eventuell gar anspruchserhöhend auswirkt. Eine Aufhebung des bestandskräftigen Verwaltungsakts zu Ungunsten des Betroffenen ist aber nach § 48 Abs.1 Satz 2 Ziffer 4 SGB X nur zulässig, "soweit" der Betroffene die eingetretene Rechtswidrigkeit kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Um dies festzustellen, hätte der Kläger sich anhand der AFG-Leistungsverordnung 1994 vom 22.12.1993 (BGBl.I S.2446) informieren müssen, welcher wöchentliche Leistungssatz sich angesichts des im Bewilligungsbescheid genannten Bemessungsentgelts bei Zugrundelegung der Leistungsgruppe D ergibt. Es kann nicht als grobfahrlässig angesehen werden, wenn der Kläger solche Nachforschungen nicht angestellt hat. Er verfügt auch nicht, verglichen mit dem durchschnittlichen Leistungsempfänger, über eine besondere Sachkenntnis, die in seinem individuellen Falle eine entsprechend höhere Anforderung an die Sorgfaltspflicht rechtfertigen würde. Aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindruck ergaben sich jedenfalls keine Hinweise in dieser Richtung.
Somit waren auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG vom 22.09.1998 und der Bescheid der Beklagten vom 25.06.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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