Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AL 519/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 362/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. Juli 1999 und die Bescheide der Beklagten vom 19. und 27. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1998 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und die Erstattung sowie Weitergewährung der Leistung.
Der am ...1964 geborene Kläger war nach seinen Angaben bis 1986 in Polen unter anderem als Schreiner und Polsterer tätig, nach seiner Aussiedelung in die Bundesrepublik Deutschland von 1987 bis 1991 sowie 1992/1993 als Polsterer und seit 1995 beim Arbeitsamt Augsburg arbeitssuchend gemeldet. Vom 14.04.1997 bis 09.01.1998 durchlief er die Fortbildungsmaßnahme der Beklagten "praxisorientierte Reintegration von Rehabilitanden" (PRR) und bezog Übergangsgeld.
Am 12.01.1998 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Er gab an, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In den Beratungsvermerken der Arbeitsvermittlung ist für den 12.01.1998 angegeben, dass dem Kläger ein Vordruck I 251 mit Anlagen 1 und 2 ausgehändigt worden sei. Der Kläger sollte sich am 14.04.1998 (Dienstag nach Ostern) wieder persönlich beim Arbeitsamt melden. Die Beklagte bewilligte ihm Arbeitslosenhilfe vom 10.01.1998 bis 04.01.1999 in Höhe von täglich 28,89 DM.
Mit Bescheiden vom 19.05. und 27.05.1998 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 14.04.1998 ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung für die Zeit vom 14. bis 30.04.1998 gezahlter Arbeitslosenhilfe und der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 491,13 DM und 164,62 DM, insgesamt 655,75 DM. Am 25.05.1998 hat sich der Kläger wieder arbeitslos gemeldet und bezog ab diesem Zeitpunkt weiter Arbeitslosenhilfe.
Gegen den Aufhebungsbescheid, den er auf den 20.05.1998 datierte, erhob der Kläger am 26.05.1998 Widerspruch und machte geltend, er habe im März 1998 bei der Arbeitsvermittlung vorgesprochen. Ihm sei dabei nicht gesagt worden, wann er das nächste Mal vorsprechen solle. In seinem Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 27.05.1998 trug er vor, er habe im März 1998 in der Reha-Abteilung bei Herrn H ... vorgesprochen. Von dort sei er zur Landesversicherungsanstalt geschickt worden.
In den Beratungsvermerken der Vermittlungsabteilung ist eine persönliche Vorsprache des Klägers vom 12.01.1998 und wieder eine Arbeitslosmeldung am 25.05.1998 vermerkt. Der Bedienstete H ... erklärte in einem Aktenvermerk am 05.08.1998, eine Vorsprache des Klägers im März 1998 könne er nicht bestätigen. Da die Landesversicherungsanstalt mit Schreiben vom 22.09.1996 ihre Zuständigkeit abgelehnt habe, habe keine Veranlassung bestanden, den Kläger dorthin zu schicken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1998 wies die Beklagte die Rechtsbehelfe des Klägers zurück. Entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung habe der Kläger seine Arbeitslosmeldung nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von drei Monaten nach der letzten persönlichen Meldung erneuert. Anhand des Merkblatts für Arbeitslose habe der Kläger die Folgen einer Nichterneuerung der Arbeitslosmeldung erkennen können. Die Gesamtforderung werde nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den laufenden Leistungsanspruch aufgerechnet.
Hiergegen erhob der Kläger am 16.09.1998 beim Sozialgericht Augsburg Klage. Zuletzt beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Er habe keine Meldetermine versäumt. Von Frau K ... und Herrn Sch ... sei er in den 1. Stock zum Melden geschickt worden; das Arbeitsamt habe es versäumt, einen Nachweis über die Meldung auszustellen. Auf Anregung durch das Sozialgericht übermittelte die Beklagte Muster von Bewilligungs- und Aufhebungsbescheiden sowie das Formblatt AAI 252-01.98. Das Formblatt enthält auf der Vorderseite Hinweise zur Erneuerung der Arbeitslosmeldung und eine Zeile für den Erneuerungstermin, auf der Rückseite Spalten für die Bestätigung der persönlichen Vorsprachen und die nächsten Erneuerungstermine.
Mit Urteil vom 13.07.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab und ließ die Berufung nicht zu. Aufgrund des Hinweises im Schreiben zum nächst fälligen Erneuerungstermin habe der Kläger wissen müssen, dass mit Nichterneuerung der Meldung auch der Anspruch entfallen würde. Aus der für März behaupteten Vorsprache ergebe sich ebenfalls, dass dem Kläger dieser Zusammenhang bekannt gewesen sei. Er habe die persönliche Meldung beim Arbeitsamt erst wieder am 25.05.1998 erneuert. Die behauptete Vorsprache für März 1998 habe von dem Mitarbeiter der Beklagten nicht bestätigt werden können. Darüber hinaus hätte es sich um eine Vorsprache bei der Reha-Abteilung gehandelt, mit der die (Voraussetzungen für die) persönliche Erneuerung der Arbeitslosmeldung beim zuständigen Vermittler nicht erfüllt worden wären.
Am 27.07.1999 erhob der Kläger hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Auf Bitte des Senats nach Vorlage des Aufhebungsbescheides vom 19. oder 20.05.1998 übermittelte der Kläger einen Übersichtsbogen des Arbeitsamtes über Leistungszahlungen. Mit Beschluss vom 13.12.1999 hob der Senat die Nichtzulassung der Beschwerde in dem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.1999 auf. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung liege nicht vor, da zwischen den Beteiligten nicht nur Arbeitslosenhilfe vom 14. bis 30.04. 1998, sondern auch für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 streitig sei. Die Beschwerdegrenze von 1.000,- DM sei daher überschritten.
Gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ausgburg vom 13.07.1999 eingelegt und auf sein Vorbringen im Klageverfahren verwiesen. Die erforderliche Meldung habe er persönlich vorgenommen. Wegen eines Fehlers des Bearbeiters, dessen Name unbekannt sei, sei sie nicht in den Unterlagen des Arbeitsamtes festgehalten worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.1999 und die Bescheide der Beklagten vom 20. und 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08. 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils. Hinsichtlich der Zeit vom 01. bis 24.05.1998 sei außerdem der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe schon erfüllt worden. Der Kläger habe nämlich später Arbeitslosenhilfe vom 25.05.1998 bis 15.02.1999 bezogen und damit den ihm mit Bewilligungsbescheid vom 03.03.1998 zuerkannten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe von 360 Tagen voll ausgeschöpft. Auch deswegen könne er Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 nicht verlangen, allenfalls die Verschiebung einer entsprechenden Leistungszeit vom Ende des Bewilligungszeitraumes auf Mai 1998. Auf § 48 Abs.3 SGB X werde verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beklagten im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 12.09.2000 Bezug genommen.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Leistungs-, Reha- und Übergangsgeldakte der Beklagten sowie die ärztlichen Unterlagen der Arbeitsamtsärzte, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die LSG-Akte L 9 AL 255/99 NZB vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers ist auch begründet.
Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten können keinen Bestand haben. Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch für den restlichen Zwischenzeitraum vom 1. bis 24.05.1998, wie die Beklagte in ihrem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.03.1998 (Verfügung vom 02.03.1998) schon festgestellt hat. Eine gesonderte Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung in diesem Zeitraum muss daher unterbleiben.
1. Die Voraussetzungen des für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe als Rechtsgrundlage allein in Betracht kommenden §§ 48 Abs.1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor; eine wesentliche Änderung im Sinne dieser Regelung ist nämlich nicht eingetreten. Die persönliche Arbeitslosmeldung, eine Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (§ 190 Abs.1 Nr.2, § 198 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB III) ist nicht gemäß § 122 Abs.2 Nr.3 SGB III mit Wirkung vom 14.04.1998 weggefallen.
Der später durch das 2.SGB III-Änderungsgesetz vom 21.07.1999, BGBl.I 1648, mit Wirkung vom 01.08.1999 wieder gestrichene § 122 Abs.2 Nr.3 SGB III ist hier in der Fassung des Gesetzes vom 06.04.1998, BGBl.I S.688 anzuwenden, die zum 01.01.1998 in Kraft getreten ist. Danach erlosch die Wirkung der Meldung mit Ablauf eines Zeitraums von drei Monaten nach der letzten persönlichen Meldung des Arbeitslosen, wenn der Arbeitslose die Meldung nicht vor Ablauf dieses Zeitraumes beim zuständigen Arbeitsamt oder einem Dritten, der an der Vermittlung des Arbeitslosen beteiligt ist (§ 37 Abs.2), erneuerte, sofern sich aus einer Rechtsverordnung nach § 151 Abs.3 nichts anderes ergab. Aufgrund der Ermächtigung in § 151 Abs.3 SGB III hatte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Arbeitslosmeldungs-VO (AlmV) vom 23.04.1998, Bundesgesetzblatt I S.739, erlassen, die mit Wirkung vom 01.01.1998 in Kraft getreten war. Nach § 1 Nr.2 dieser Verordnung erlosch die Wirkung einer persönlichen Arbeitslosmeldung nicht durch Zeitablauf bei Personen, die wegen in ihrer Person liegender Umstände nur erschwert vermittelt werden können.
Eine solche erschwerte Vermittelbarkeit des Klägers im Sinne dieser Regelung lag hier vor; sie ergab sich aus seinem Gesundheitszustand. Nach einem stationären Aufenthalt in einem Bezirkskrankenhaus 1995 war beim Kläger im ärztlichen Gutachten der Landesversicherungsanstalt Schwaben (Dr.K ...) vom 25.01.1996 ein "Rest- und Defektzustand nach psychiatrischer Erkrankung (am ehesten Schizophrenie vom Simplex Typ)" festgestellt worden; der Kläger könne als Polsterer unter zweistündig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter halbschichtig arbeiten. Mit Bescheid vom 06.03.1996 lehnte die Landesversicherungsanstalt zwar die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Nichterfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab, bejahte aber das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 26.09.1995 bis 30.09.1997. In einem Gutachten vom 06.09.1996 schloss sich die Arbeitsamtsärztin Dr.Sch ... nach Aktenlage der Diagnose der Landesversicherungsanstalt im Wesentlichen an; zusätzlich stellte sie einen "Rundrücken" fest. Es zeigten sich noch Restzustände im Sinne einer Antriebsschwäche und mangelnder Kontaktfähigkeit. Sie stellte eine insgesamt gute körperliche Verfassung fest, hielt aber nach dem vorliegenden nervenärztlichen Gutachten die Eingliederung in eine Werkstätte für Behinderte für angezeigt. Es lägen Leistungseinschränkungen vor, welche die Wettbewerbs- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten. Eventuell sei eine Behinderung auf Dauer gegeben. Ein psychologisches Gutachten des Arbeitsamtes Augsburg (Diplom-Psychologe Kemmerich) vom 10.10.1996 meinte, dass der Kläger "zu gut" für eine Werkstätte für Behinderte sei und schlug eine Sonderförderung vor (Eingliederungsbeihilfen), damit der Kläger im Umkreis seines erlernten Berufs, gegebenenfalls mit Abstrichen bei Leistung und Arbeitszeit, wieder sein Geld verdienen könne. Im Anschluss an eine Rehabilitationsberatung am 10.02.1997 nahm der Kläger auf Vorschlag des Arbeitsamtes an der Maßnahme PRR vom 14.04.1997 bis 09.01.1998 teil. Praktikumsbetrieb war das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Augsburg. Nach einem Beratungsvermerk der Arbeitsvermittlung vom 12.01.1998 war die Übernahme in eine Beschäftigung bei der Stadt Augsburg nicht möglich. Hinweise über Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes enthalten die Beratungsvermerke in der folgenden Zeit nicht; nur am 19.08.1998 wurde festgehalten, dass der Kläger bei dem Unternehmen S ... eine Absage erhalten habe. Nachdem der Kläger am 23.09.1999 entsprechend einem Vermerk der Arbeitsvermittlung "wirre Sachen" geredet hatte, kam die Arbeitsamtsärztin Dr.Sch ... in einem Gutachten vom 30.09.1999 (ärztliche Unterlagen des Arbeitsamtes) zu dem Ergebnis, dass der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als sechs Monate nicht zur Verfügung stehe. Das Arbeitsamt habe vorgesehen, den Kläger ab November 1999 an einer Integrationsmaßnahme für psychisch Kranke teilnehmen zu lassen. Bei einem wegen psychischer Auffälligkeit durchgeführten Gespräch des Reha-Teams am 30.09.1999, an dem auch sie teilgenommen habe, sei der Kläger hochgradig psychisch auffällig und völlig konfus gewesen; er habe behauptet, selbst Arzt zu sein und als Pilot zu fliegen. Der Kläger sei seinem Hausarzt zugeführt worden. Der Facharzt für Allgemeinmedizin B ... bestätigte am 04.10.1999 den Verdacht auf akute Psychose und leitete eine Behandlung ein (ärztliche Befunde des Arbeitsamtes).
Diese Darlegungen zeigen, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, die in ihrem Verlauf schwankt, aber jedenfalls bis 1999 nicht vollständig ausgeheilt war. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Leistungseinschränkungen des Klägers am Ende der Reha-Maßnahme im Januar 1998 wesentlich und nachhaltig gebessert hatten, so dass eine Vermittlung in Arbeit ohne erhebliche Erschwernisse stattfinden konnte. Es war möglich, dass die vorliegende psychische Erkrankung und deren Auswirkungen sich jederzeit wieder verschlimmerten, selbst wenn die Krankheit zeitweise symptomfrei war. Daher bestanden objektiv keine geringen Schwierigkeiten, einen Arbeitgeber zu finden, der den Kläger ungeachtet seiner Erkrankung einstellte und damit eine erhebliche Verantwortung übernahm. Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestätigt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum und später keine Arbeit gefunden hat sowie die Beklagte ihn nicht vermitteln konnte.
Nach alledem ist die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung des Klägers nicht zum 14.04.1998 entfallen. Da Anhaltspunkte für den Wegfall anderer Anspruchsvorausetzungen im Zeitraum 14.04. bis 24.05.1998 nicht gegeben sind, durfte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe nicht aufgehoben werden.
2. Einem Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 01. bis 24.05.1998 steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den auf 12 Monate beschränkten Anspruch (§ 197 i.V.m. § 191 Abs.3 Nr.3 SGB III) durch Leistungsgewährung ab dem 25.05.1998 erfüllt hat. Denn die Auszahlung der Arbeitslosenhilfe für spätere Zeiträume ändert nichts daran, dass der Kläger für die datumsmäßig festgelegte Zeit vom 01. bis 24.05.1998 einen Anspruch auf die Leistung hatte, den die Beklagte nicht erfüllt hat.
Auch aus § 48 Abs.3 SGB X ergibt sich nichts anderes. Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf die neue festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Abs.1 oder 2 zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann (Satz 2). Absatz 3 Satz 1 ist jedoch unmittelbar nicht anwendbar, selbst wenn sein Ausgangspunkt, die Überzahlung der Arbeitslosenhilfe am Ende der tatsächlichen Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, von Anfang an rechtswidrig war und in den Anwendungsbereich des § 45 SGB X fällt. Es fehlt jedenfalls an einer "Änderung" im Sinne des § 48 Abs.1, 2 SGB X zu Gunsten des Klägers. Denn darin, dass entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand und der Senat dies jetzt fest- tellt, liegt keine Änderung dieser Art. Ferner liegt die Überzahlung der Arbeitslosenhilfe am Ende des tatsächlichen Leistungszeitraums auch nicht der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.-24.05.1998 zugrunde,wie es Abs.3 Satz 2 voraussetzt.
Jedenfalls aber und unabhängig davon hat sich die Beklagte nicht schon in ihren Bescheiden auf § 48 Abs.3 SGB X gestützt. Das ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, weil der Feststellung, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig ist, konstitutive Wirkung zukommt (BSGE 63, 266, 269; weitere Nachweise bei Kasseler Kommentar/Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr.69). Schon deswegen kann § 48 Abs.3 SGB X nicht angewendet werden.
Einer analogen Anwendung jedoch stehen ferner Sinn und Zweck des § 48 Abs.3 SGB X entgegen, wonach zu Gunsten des Leistungsträgers verhindert werden soll, dass "Unrecht weiter wächst" (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr.51 S.145). Dieser Normzweck ist hier nicht erfüllt, weil nicht auf der Grundlage einer falschen Bewilligung die Arbeitslosenhilfe laufend weiter gewährt werden soll, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit, obwohl die Anspruchsdauer später voll ausgeschöpft wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Streitsache wegen der bereits genannten Rechtsprechung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit keine grundsätzliche Bedeutung.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und die Erstattung sowie Weitergewährung der Leistung.
Der am ...1964 geborene Kläger war nach seinen Angaben bis 1986 in Polen unter anderem als Schreiner und Polsterer tätig, nach seiner Aussiedelung in die Bundesrepublik Deutschland von 1987 bis 1991 sowie 1992/1993 als Polsterer und seit 1995 beim Arbeitsamt Augsburg arbeitssuchend gemeldet. Vom 14.04.1997 bis 09.01.1998 durchlief er die Fortbildungsmaßnahme der Beklagten "praxisorientierte Reintegration von Rehabilitanden" (PRR) und bezog Übergangsgeld.
Am 12.01.1998 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Er gab an, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In den Beratungsvermerken der Arbeitsvermittlung ist für den 12.01.1998 angegeben, dass dem Kläger ein Vordruck I 251 mit Anlagen 1 und 2 ausgehändigt worden sei. Der Kläger sollte sich am 14.04.1998 (Dienstag nach Ostern) wieder persönlich beim Arbeitsamt melden. Die Beklagte bewilligte ihm Arbeitslosenhilfe vom 10.01.1998 bis 04.01.1999 in Höhe von täglich 28,89 DM.
Mit Bescheiden vom 19.05. und 27.05.1998 hob die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 14.04.1998 ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung für die Zeit vom 14. bis 30.04.1998 gezahlter Arbeitslosenhilfe und der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 491,13 DM und 164,62 DM, insgesamt 655,75 DM. Am 25.05.1998 hat sich der Kläger wieder arbeitslos gemeldet und bezog ab diesem Zeitpunkt weiter Arbeitslosenhilfe.
Gegen den Aufhebungsbescheid, den er auf den 20.05.1998 datierte, erhob der Kläger am 26.05.1998 Widerspruch und machte geltend, er habe im März 1998 bei der Arbeitsvermittlung vorgesprochen. Ihm sei dabei nicht gesagt worden, wann er das nächste Mal vorsprechen solle. In seinem Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid vom 27.05.1998 trug er vor, er habe im März 1998 in der Reha-Abteilung bei Herrn H ... vorgesprochen. Von dort sei er zur Landesversicherungsanstalt geschickt worden.
In den Beratungsvermerken der Vermittlungsabteilung ist eine persönliche Vorsprache des Klägers vom 12.01.1998 und wieder eine Arbeitslosmeldung am 25.05.1998 vermerkt. Der Bedienstete H ... erklärte in einem Aktenvermerk am 05.08.1998, eine Vorsprache des Klägers im März 1998 könne er nicht bestätigen. Da die Landesversicherungsanstalt mit Schreiben vom 22.09.1996 ihre Zuständigkeit abgelehnt habe, habe keine Veranlassung bestanden, den Kläger dorthin zu schicken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.1998 wies die Beklagte die Rechtsbehelfe des Klägers zurück. Entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung habe der Kläger seine Arbeitslosmeldung nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von drei Monaten nach der letzten persönlichen Meldung erneuert. Anhand des Merkblatts für Arbeitslose habe der Kläger die Folgen einer Nichterneuerung der Arbeitslosmeldung erkennen können. Die Gesamtforderung werde nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den laufenden Leistungsanspruch aufgerechnet.
Hiergegen erhob der Kläger am 16.09.1998 beim Sozialgericht Augsburg Klage. Zuletzt beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Er habe keine Meldetermine versäumt. Von Frau K ... und Herrn Sch ... sei er in den 1. Stock zum Melden geschickt worden; das Arbeitsamt habe es versäumt, einen Nachweis über die Meldung auszustellen. Auf Anregung durch das Sozialgericht übermittelte die Beklagte Muster von Bewilligungs- und Aufhebungsbescheiden sowie das Formblatt AAI 252-01.98. Das Formblatt enthält auf der Vorderseite Hinweise zur Erneuerung der Arbeitslosmeldung und eine Zeile für den Erneuerungstermin, auf der Rückseite Spalten für die Bestätigung der persönlichen Vorsprachen und die nächsten Erneuerungstermine.
Mit Urteil vom 13.07.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab und ließ die Berufung nicht zu. Aufgrund des Hinweises im Schreiben zum nächst fälligen Erneuerungstermin habe der Kläger wissen müssen, dass mit Nichterneuerung der Meldung auch der Anspruch entfallen würde. Aus der für März behaupteten Vorsprache ergebe sich ebenfalls, dass dem Kläger dieser Zusammenhang bekannt gewesen sei. Er habe die persönliche Meldung beim Arbeitsamt erst wieder am 25.05.1998 erneuert. Die behauptete Vorsprache für März 1998 habe von dem Mitarbeiter der Beklagten nicht bestätigt werden können. Darüber hinaus hätte es sich um eine Vorsprache bei der Reha-Abteilung gehandelt, mit der die (Voraussetzungen für die) persönliche Erneuerung der Arbeitslosmeldung beim zuständigen Vermittler nicht erfüllt worden wären.
Am 27.07.1999 erhob der Kläger hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Auf Bitte des Senats nach Vorlage des Aufhebungsbescheides vom 19. oder 20.05.1998 übermittelte der Kläger einen Übersichtsbogen des Arbeitsamtes über Leistungszahlungen. Mit Beschluss vom 13.12.1999 hob der Senat die Nichtzulassung der Beschwerde in dem Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.1999 auf. Zulassungsbedürftigkeit der Berufung liege nicht vor, da zwischen den Beteiligten nicht nur Arbeitslosenhilfe vom 14. bis 30.04. 1998, sondern auch für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 streitig sei. Die Beschwerdegrenze von 1.000,- DM sei daher überschritten.
Gleichzeitig mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ausgburg vom 13.07.1999 eingelegt und auf sein Vorbringen im Klageverfahren verwiesen. Die erforderliche Meldung habe er persönlich vorgenommen. Wegen eines Fehlers des Bearbeiters, dessen Name unbekannt sei, sei sie nicht in den Unterlagen des Arbeitsamtes festgehalten worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13.07.1999 und die Bescheide der Beklagten vom 20. und 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08. 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils. Hinsichtlich der Zeit vom 01. bis 24.05.1998 sei außerdem der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe schon erfüllt worden. Der Kläger habe nämlich später Arbeitslosenhilfe vom 25.05.1998 bis 15.02.1999 bezogen und damit den ihm mit Bewilligungsbescheid vom 03.03.1998 zuerkannten Anspruch auf Arbeitslosenhilfe von 360 Tagen voll ausgeschöpft. Auch deswegen könne er Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 nicht verlangen, allenfalls die Verschiebung einer entsprechenden Leistungszeit vom Ende des Bewilligungszeitraumes auf Mai 1998. Auf § 48 Abs.3 SGB X werde verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beklagten im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 12.09.2000 Bezug genommen.
Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Leistungs-, Reha- und Übergangsgeldakte der Beklagten sowie die ärztlichen Unterlagen der Arbeitsamtsärzte, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die LSG-Akte L 9 AL 255/99 NZB vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers ist auch begründet.
Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide der Beklagten können keinen Bestand haben. Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Arbeitslosenhilfe auch für den restlichen Zwischenzeitraum vom 1. bis 24.05.1998, wie die Beklagte in ihrem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 03.03.1998 (Verfügung vom 02.03.1998) schon festgestellt hat. Eine gesonderte Verurteilung der Beklagten zur Leistungsgewährung in diesem Zeitraum muss daher unterbleiben.
1. Die Voraussetzungen des für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe als Rechtsgrundlage allein in Betracht kommenden §§ 48 Abs.1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor; eine wesentliche Änderung im Sinne dieser Regelung ist nämlich nicht eingetreten. Die persönliche Arbeitslosmeldung, eine Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (§ 190 Abs.1 Nr.2, § 198 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB III) ist nicht gemäß § 122 Abs.2 Nr.3 SGB III mit Wirkung vom 14.04.1998 weggefallen.
Der später durch das 2.SGB III-Änderungsgesetz vom 21.07.1999, BGBl.I 1648, mit Wirkung vom 01.08.1999 wieder gestrichene § 122 Abs.2 Nr.3 SGB III ist hier in der Fassung des Gesetzes vom 06.04.1998, BGBl.I S.688 anzuwenden, die zum 01.01.1998 in Kraft getreten ist. Danach erlosch die Wirkung der Meldung mit Ablauf eines Zeitraums von drei Monaten nach der letzten persönlichen Meldung des Arbeitslosen, wenn der Arbeitslose die Meldung nicht vor Ablauf dieses Zeitraumes beim zuständigen Arbeitsamt oder einem Dritten, der an der Vermittlung des Arbeitslosen beteiligt ist (§ 37 Abs.2), erneuerte, sofern sich aus einer Rechtsverordnung nach § 151 Abs.3 nichts anderes ergab. Aufgrund der Ermächtigung in § 151 Abs.3 SGB III hatte das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Arbeitslosmeldungs-VO (AlmV) vom 23.04.1998, Bundesgesetzblatt I S.739, erlassen, die mit Wirkung vom 01.01.1998 in Kraft getreten war. Nach § 1 Nr.2 dieser Verordnung erlosch die Wirkung einer persönlichen Arbeitslosmeldung nicht durch Zeitablauf bei Personen, die wegen in ihrer Person liegender Umstände nur erschwert vermittelt werden können.
Eine solche erschwerte Vermittelbarkeit des Klägers im Sinne dieser Regelung lag hier vor; sie ergab sich aus seinem Gesundheitszustand. Nach einem stationären Aufenthalt in einem Bezirkskrankenhaus 1995 war beim Kläger im ärztlichen Gutachten der Landesversicherungsanstalt Schwaben (Dr.K ...) vom 25.01.1996 ein "Rest- und Defektzustand nach psychiatrischer Erkrankung (am ehesten Schizophrenie vom Simplex Typ)" festgestellt worden; der Kläger könne als Polsterer unter zweistündig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter halbschichtig arbeiten. Mit Bescheid vom 06.03.1996 lehnte die Landesversicherungsanstalt zwar die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente wegen Nichterfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab, bejahte aber das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 26.09.1995 bis 30.09.1997. In einem Gutachten vom 06.09.1996 schloss sich die Arbeitsamtsärztin Dr.Sch ... nach Aktenlage der Diagnose der Landesversicherungsanstalt im Wesentlichen an; zusätzlich stellte sie einen "Rundrücken" fest. Es zeigten sich noch Restzustände im Sinne einer Antriebsschwäche und mangelnder Kontaktfähigkeit. Sie stellte eine insgesamt gute körperliche Verfassung fest, hielt aber nach dem vorliegenden nervenärztlichen Gutachten die Eingliederung in eine Werkstätte für Behinderte für angezeigt. Es lägen Leistungseinschränkungen vor, welche die Wettbewerbs- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten. Eventuell sei eine Behinderung auf Dauer gegeben. Ein psychologisches Gutachten des Arbeitsamtes Augsburg (Diplom-Psychologe Kemmerich) vom 10.10.1996 meinte, dass der Kläger "zu gut" für eine Werkstätte für Behinderte sei und schlug eine Sonderförderung vor (Eingliederungsbeihilfen), damit der Kläger im Umkreis seines erlernten Berufs, gegebenenfalls mit Abstrichen bei Leistung und Arbeitszeit, wieder sein Geld verdienen könne. Im Anschluss an eine Rehabilitationsberatung am 10.02.1997 nahm der Kläger auf Vorschlag des Arbeitsamtes an der Maßnahme PRR vom 14.04.1997 bis 09.01.1998 teil. Praktikumsbetrieb war das Amt für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Augsburg. Nach einem Beratungsvermerk der Arbeitsvermittlung vom 12.01.1998 war die Übernahme in eine Beschäftigung bei der Stadt Augsburg nicht möglich. Hinweise über Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes enthalten die Beratungsvermerke in der folgenden Zeit nicht; nur am 19.08.1998 wurde festgehalten, dass der Kläger bei dem Unternehmen S ... eine Absage erhalten habe. Nachdem der Kläger am 23.09.1999 entsprechend einem Vermerk der Arbeitsvermittlung "wirre Sachen" geredet hatte, kam die Arbeitsamtsärztin Dr.Sch ... in einem Gutachten vom 30.09.1999 (ärztliche Unterlagen des Arbeitsamtes) zu dem Ergebnis, dass der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mehr als sechs Monate nicht zur Verfügung stehe. Das Arbeitsamt habe vorgesehen, den Kläger ab November 1999 an einer Integrationsmaßnahme für psychisch Kranke teilnehmen zu lassen. Bei einem wegen psychischer Auffälligkeit durchgeführten Gespräch des Reha-Teams am 30.09.1999, an dem auch sie teilgenommen habe, sei der Kläger hochgradig psychisch auffällig und völlig konfus gewesen; er habe behauptet, selbst Arzt zu sein und als Pilot zu fliegen. Der Kläger sei seinem Hausarzt zugeführt worden. Der Facharzt für Allgemeinmedizin B ... bestätigte am 04.10.1999 den Verdacht auf akute Psychose und leitete eine Behandlung ein (ärztliche Befunde des Arbeitsamtes).
Diese Darlegungen zeigen, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, die in ihrem Verlauf schwankt, aber jedenfalls bis 1999 nicht vollständig ausgeheilt war. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Leistungseinschränkungen des Klägers am Ende der Reha-Maßnahme im Januar 1998 wesentlich und nachhaltig gebessert hatten, so dass eine Vermittlung in Arbeit ohne erhebliche Erschwernisse stattfinden konnte. Es war möglich, dass die vorliegende psychische Erkrankung und deren Auswirkungen sich jederzeit wieder verschlimmerten, selbst wenn die Krankheit zeitweise symptomfrei war. Daher bestanden objektiv keine geringen Schwierigkeiten, einen Arbeitgeber zu finden, der den Kläger ungeachtet seiner Erkrankung einstellte und damit eine erhebliche Verantwortung übernahm. Diese Schlussfolgerung wird dadurch bestätigt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum und später keine Arbeit gefunden hat sowie die Beklagte ihn nicht vermitteln konnte.
Nach alledem ist die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung des Klägers nicht zum 14.04.1998 entfallen. Da Anhaltspunkte für den Wegfall anderer Anspruchsvorausetzungen im Zeitraum 14.04. bis 24.05.1998 nicht gegeben sind, durfte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe nicht aufgehoben werden.
2. Einem Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 01. bis 24.05.1998 steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte den auf 12 Monate beschränkten Anspruch (§ 197 i.V.m. § 191 Abs.3 Nr.3 SGB III) durch Leistungsgewährung ab dem 25.05.1998 erfüllt hat. Denn die Auszahlung der Arbeitslosenhilfe für spätere Zeiträume ändert nichts daran, dass der Kläger für die datumsmäßig festgelegte Zeit vom 01. bis 24.05.1998 einen Anspruch auf die Leistung hatte, den die Beklagte nicht erfüllt hat.
Auch aus § 48 Abs.3 SGB X ergibt sich nichts anderes. Nach Satz 1 dieser Vorschrift darf die neue festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt, wenn ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Abs.1 oder 2 zu Gunsten des Betroffenen eingetreten ist. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann (Satz 2). Absatz 3 Satz 1 ist jedoch unmittelbar nicht anwendbar, selbst wenn sein Ausgangspunkt, die Überzahlung der Arbeitslosenhilfe am Ende der tatsächlichen Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, von Anfang an rechtswidrig war und in den Anwendungsbereich des § 45 SGB X fällt. Es fehlt jedenfalls an einer "Änderung" im Sinne des § 48 Abs.1, 2 SGB X zu Gunsten des Klägers. Denn darin, dass entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch für die Zeit vom 01. bis 24.05.1998 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestand und der Senat dies jetzt fest- tellt, liegt keine Änderung dieser Art. Ferner liegt die Überzahlung der Arbeitslosenhilfe am Ende des tatsächlichen Leistungszeitraums auch nicht der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.-24.05.1998 zugrunde,wie es Abs.3 Satz 2 voraussetzt.
Jedenfalls aber und unabhängig davon hat sich die Beklagte nicht schon in ihren Bescheiden auf § 48 Abs.3 SGB X gestützt. Das ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erforderlich, weil der Feststellung, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung rechtswidrig ist, konstitutive Wirkung zukommt (BSGE 63, 266, 269; weitere Nachweise bei Kasseler Kommentar/Steinwedel, § 48 SGB X Rdnr.69). Schon deswegen kann § 48 Abs.3 SGB X nicht angewendet werden.
Einer analogen Anwendung jedoch stehen ferner Sinn und Zweck des § 48 Abs.3 SGB X entgegen, wonach zu Gunsten des Leistungsträgers verhindert werden soll, dass "Unrecht weiter wächst" (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr.51 S.145). Dieser Normzweck ist hier nicht erfüllt, weil nicht auf der Grundlage einer falschen Bewilligung die Arbeitslosenhilfe laufend weiter gewährt werden soll, sondern nur für einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit, obwohl die Anspruchsdauer später voll ausgeschöpft wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Streitsache wegen der bereits genannten Rechtsprechung zur Feststellung der Rechtswidrigkeit keine grundsätzliche Bedeutung.
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