L 11 AL 38/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 6/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 38/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. Januar 1999 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 07.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1997 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum nach einer Zwischenbeschäftigung und um die Erstattung des von der Aufhebung erfassten Alg.

Der 1971 geborene Kläger ist ausgebildeter Einzelhandelskaufmann und hat diesen Beruf auch ausgeübt. Zudem war er mehrfach als Taxifahrer in einem Arbeitsverhältnis und auch als selbständiger Taxiunternehmer tätig.

Ab 22.02.1996 war ihm nach einem Alg-Formblattantrag vom gleichen Tage Alg für 312 Tage bewilligt worden. Nach einem von der Beklagten genehmigten Urlaubsaufenthalt mit Unterbrechung des Alg-Bezuges in der Zeit vom 24.08.1996 bis zum 21.09.1996 meldete er sich persönlich am 23.09.1996 beim Arbeitsamt (AA) Nürnberg vom Urlaub zurück und bezog ab 23.09.1996 wieder Alg.

Ab 15.01.1997 meldete er sich als Taxifahrer ab in Arbeit.

Durch eine Arbeitsbescheinigung der D. OHG - Taxibetriebs- gesellschaft, die vom 17.12.1996 datiert und deren Eingangsdatum beim AA Nürnberg nicht dokumentiert ist, erfuhr die Beklagte, dass der Kläger vom 01.11.1996 bis zum 07.11.1996 als Taxifahrer beschäftigt gewesen war. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit betrug nach der Bescheinigung 40 Stunden und das in der Beschäftigung erzielte Gesamt-Brutto 400,00 DM. Beiträge zur Beklagten wurden an die AOK Bayern entrichtet. Nach einer von der Beklagten vom Arbeitgeber eingeholten Auskunft sei das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung beendet worden.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.03.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1997 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung wegen Änderung der Verhältnisse ab 01.11.1997 auf und forderte die Erstattung von 1.409,60 DM aus- bezahltem Alg.

Mit Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG) vom 20.01.1999 wurde der Bescheid vom 07.03.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1997 teilweise aufgehoben, nämlich soweit darin die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 08.11.1996 bis zum Ende der Arbeitslosigkeit des Klägers ausgesprochen und die Erstattung des für den bezeichneten Zeitraum gezahlten Alg verfügt worden war.

Das SG Nürnberg hat ausgeführt: Die Klage bezüglich der Alg-Aufhebung und der Erstattung von Alg für den Zeitraum vom 01.11.1996 bis zum 07.11.1996 habe der Kläger im Laufe des Klageverfahrens fallen gelassen. Der Kläger habe sich zwar nach der Zwischenbeschäftigung nicht erneut arbeitslos gemeldet, was nach einer Zwischenbeschäftigung für den Anspruch von Alg notwendig gewesen sei, aber er habe nicht grob fahrlässig gegen seine Mitteilungspflichten verstoßen und auch nicht aus grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Alg-Bezugs ab 08.11.1996 nicht erkannt. Dem Kläger, einem türkischen Taxifahrer, könne nicht vorgehalten werden, er habe einfache, naheliegende Überlegungen nicht angestellt. Für ihn nachvollziehbare und konkrete Handlungsgebote habe er nicht grob fahrlässig verletzt.

Das Urteil vom 20.01.1999 ist der Beklagten am 04.02.1999 zugestellt worden. Dagegen hat sie am 15.02.1999 Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor: Dem Kläger sei bei der Verletzung seiner Mitteilungspflichten bezüglich der Anzeige der Zwischenbeschäftigung grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er habe in seinem Alg-Antrag vom 22.02.1996 unterschriftlich bestätigt, dass er das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe. Im Merkblatt werde auf Seite 6 völlig unmissverständlich auf das grundsätzliche Erfordernis einer schnellstmöglichen erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung nach einer Zwischenbeschäftigung hingewiesen. Aufgrund des Merkblatts habe er deshalb keinem Irrtum über die notwendige erneute Arbeitslosmeldung nach der Zwischenbeschäftigung unterliegen können. Der Kläger habe eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann erfolgreich abgeschlossen. Er sei in diesem Beruf tätig gewesen und habe als Selbständiger ein Taxiunternehmen betrieben. Das Erstgericht habe die Erkenntnisfähigkeit des Klägers unterschätzt.

Die Beklagte beantragt

Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.1999 und Abweisung der Klage.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.1999 zurückzuweisen.

Nach Beendigung seiner kurzzeitigen Beschäftigung sei er sofort wieder beim AA vorstellig geworden und habe dort sowohl die Arbeitsbescheinigung über die ausgeübte kurzzeitige Tätigkeit als auch seine Lohnsteuerkarte wieder abgegeben. Das Merkblatt für Arbeitslose fordere für den Fall einer Zwischenbeschäftigung nicht, dass der Arbeitslose sich danach sofort wieder persönlich arbeitslos melde. Im Übrigen nehme er auf seinen bisherigen Vortrag Bezug.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG, deren Inhalte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, und auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze verwiesen, insbesondere auf den der Beklagten vom 11.06.1999 und den des Klägers vom 06.04.2001.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Beklagte hat zu Recht die Alg-Bewilligung für den Zeitraum ab 08.11.1996 aufgehoben und die Erstattung des von der Aufhebung erfassten Alg vom Kläger verlangt.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 152 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit ... 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Dem Kläger war mit Bescheid 08.10.1996 nach der Leistungsunterbrechung durch seinen Urlaub erneut ab 23.09.1996 Alg wiederbewilligt worden. Durch die Aufnahme der Beschäftigung ab 01.11.1996 war er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr arbeitslos (§§ 101, 102 AFG) und auch nicht verfügbar (§ 103 AFG). Damit waren wesentliche Anspruchsvoraussetzungen des Alg-Anspruchs (§§ 100 ff AFG) entfallen.

Die Arbeitsaufnahme zum 01.11.1996 hat eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen auch für den im Berufungsverfahren noch streitrelevanten Zeitraum nach der Zwischenbeschäftigung bewirkt. Die am 23.09.1996 erneut erfolgte Arbeitslosmeldung nach der Urlaubsunterbrechung war für die nachfolgende Zeit der Arbeitslosigkeit allein maßgebend, hatte mit der Arbeitsaufnahme am 01.11.1996 ihre Wirkung verloren und konnte diese nach Beendigung der Zwischenbeschäftigung auch nicht wieder erlangen. Denn eine Arbeitslosmeldung gilt jeweils nur für den konkreten Fall der angezeigten Arbeitslosigkeit und verliert mit der Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung ihre Wirksamkeit (stRspr vgl zB BSGE 44, 173; SozR 3-4100 § 105 Nr 4 mwN für den maßgebenden Rechtszustand bis zum 31.12.1997).

Es war also eine wesentliche Änderung der für den Alg-Bezug maßgebenden Verhältnisse zum 01.11.1996 eingetreten. Der Kläger hat auch die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X erfüllt. Nach § 60 Abs 1 Nr 2 SGB I war der Kläger verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die er im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben hatte, unverzüglich anzuzeigen. Es bestand also die Pflicht, die Arbeitsaufnahme zum 01.11.1996 anzuzeigen.

Der Kläger hätte diese Pflichten auch erfüllen können, wenn er nicht grob fährlässig gehandelt hätte.

Der Kläger hatte im Antragsformular vom 22.02.1996 angegeben, dass er keine Nebentätigkeit ausübte. Er wusste, dass er ab 01.11.1996 eine Arbeit aufgenommen hatte. Es muss nun nicht aufgeklärt werden, ob der Kläger diese neue Arbeit für eine Nebentätigkeit oder für eine Vollzeittätigkeit hielt. Denn in beiden Fällen trafen ihn erkennbare Mitteilungspflichten. Bezüglich der Verletzung der Anzeige einer Nebentätigkeit resultiert dies aus der Angabe in dem Antragsformular zum Alg, bezüglich der Aufnahme einer Hauptbeschäftigung ist dies eine Pflicht, die bei jedem normalen Arbeitslosen als bekannt vorausgesetzt werden kann und die der Kläger zB auch am 15.01.1997 ohne weiteres erfüllt hat.

Es ist für jeden normalen Arbeitnehmer erkennbar, dass er nicht mehr arbeitslos ist, wenn er eine Vollzeittätigkeit aufnimmt. Der Kläger hat am 01.11.1996 eine Vollzeittätigkeit aufgenommen und hätte dies auch erkennen können, wenn er nicht grob fahrlässig gewesen wäre. Denn es ist für jeden normalen Arbeitnehmer erkennbar, dass eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung aufgenommen wird, wenn er eine unbefristete Beschäftigung begonnen hatte, für die eine 40-Stunden-Woche vorgesehen ist. Wegen der Mitteilung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wurde und für die Beschäftigung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wurden, muss davon ausgegangen werden, dass nicht von vornherein feststand, dass nur eine Tätigkeit für wenige Tage und Stunden am 01.11.1996 begonnen wurde.

Es ist urkundlich belegt, dass der Kläger - entgegen seiner Behauptung im Berufungsverfahren - sich nicht sofort nach der Zwischenbeschäftigung beim AA persönlich gemeldet und seine Arbeitsbescheinigung von der D. OHG vorgelegt hat. Denn diese datiert vom 17.12.1996, also von einem Zeitpunkt nicht "sofort" nach dem Ende der Zwischenbeschäftigung. Anhaltspunkte dafür, dass eine Falschdatierung vorliegt, sind nicht gegeben. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 11.06.1999 (dort Seite 2) dargelegt, dass auch weitere Indizien eindeutig dafür sprechen, dass die Arbeitsbescheinigung erst am 15.01.1997 beim AA eingereicht wurde. Ein Kontakt des Klägers zwischen dem 23.09.1996 und dem 15.01.1997 ist nicht belegt.

Die vom Kläger angebotene Parteivernehmung ist im sozialgerichtlichen Verfahren als Mittel zur Sachaufklärung nicht vorgesehen (vgl Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 6.Auflage, § 103 Anm 12). Wann der Kläger seine Steuerkarte bei der D. OHG eingereicht und wann diese von der D. OHG wieder herausgereicht wurde, ist für die behauptete persönliche Rückmeldung des Klägers beim AA ohne Bedeutung, insofern musste dem entsprechenden Beweisangebot nicht nachgegangen werden.

Der Tatbestand des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X ist erfüllt. Der Kläger hat grob fahrlässig eine gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt. Die Aufhebung stand nicht im Ermessen der Beklagten (§ 152 Abs 3 AFG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung).

Die Erstattungspflicht ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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