L 9 AL 53/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 441/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 53/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Dezember 2000 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts den Antrag der Klägerin vom 5. Juni 1998 neu zu verbescheiden.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch des zweiten Rechtszuges zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Eingliederungszuschusses streitig.

Die Klägerin, welche in der Rechtsform einer GmbH Dach- und Fassadensysteme fertigt und montiert, beantragte am 05.06.1998 die Gewährung eines Eingliederungszuschusses für den am 29.12. 1948 geborenen Langzeitarbeitslosen L. (L.). Die über die betriebliche Einweisung hinausgehende Einarbeitung sei unter anderem wegen neuer Arbeitsstrukturen, Abläufe und Maschinentechnologien erforderlich. Die Klägerin stellte den früher als Meister in einem Betrieb für Stahl-, Metall- und Maschinenbau beschäftigt gewesenen L. ab 02.06.1998 als Fertigungsleiter Metallverarbeitung an (Arbeitsvertrag vom 28.05.1998). Das Arbeitsentgelt umfasste für eine Vollzeittätigkeit (39 Wochenstunden) DM 5.700,- monatlich. Das Arbeitsverhältnis wurde auf unbestimmte Dauer mit einer Probezeit von sechs Monaten geschlossen, auf die Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird im Übrigen Bezug genommen. Laut vorliegendem Beratungsvermerk wurde die Klägerin auf die verspätete Antragstellung hingewiesen.

Durch Bescheid vom 30.07.1998 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung könne unter anderem nur erbracht werden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sei. Vorliegend sei der Arbeitsvertrag bereits am 28.05.1998 abgeschlossen worden, die Arbeitsaufnahme am 02.06.1998 erfolgt. Hiergegen wandte die Klägerin ein, ihre zuständige Personalsachbearbeiterin sei wegen Urlaubs gehindert gewesen, den Antrag rechtzeitig zu stellen. Die Einstellung des L. sei sehr kurzfristig erfolgt, und zwar unter der Voraussetzung, dass ein Einarbeitungszuschuss gewährt werde. Der Rechtsbehelf wurde durch Widerspruchsbescheid vom 14.10.1998 im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, zwar sei der Antrag an keine Form gebunden, er sei jedoch vor dem leistungsbegründendem Ereignis zu stellen, womit spätestens der Tag der Arbeitsaufnahme gemeint sei. Eine unbillige Härte im Sinne des § 324 Abs.1 Satz 2 SGB III sei nicht zu erkennen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut wurde vorgetragen, eine unbillige Härte sei zu Unrecht abgelehnt worden. Das Unternehmen befinde sich derzeit in einer großen Umbruchsituation. Die bis 31.12.1997 bestehenden drei Firmen der Firmengruppe seien zu einer einzigen Firma verschmolzen worden. Damit sei eine Neugliederung der gesamten Betriebsorganisation sowie der betrieblichen Abläufe ebenso einhergegangen wie umfangreiche Erweiterungsbaumaßnahmen im Bürogebäude der Klägerin. Im Zuge der damit verbundenen Arbeitsüberlastung sei es übersehen worden, den Antrag vor Abschluss des Arbeitsvertrages bzw. vor der Aufnahme der Tätigkeit zu stellen. Bei der Auswahl von L. als Fertigungsleiter habe gerade der durch diesen in Aussicht gestellte Eingliederungszuschuss eine entscheidende Rolle gespielt, da das Unternehmen damit wesentlich entlastet worden wäre. Gerade auch wegen der Förderung sei L. eingestellt und anderen Bewerbern vorgezogen worden. Im Übrigen sei der telefonische Antrag drei Tage nach dem leistungsbegründendem Ereignis gestellt worden, die Frist also lediglich um einige Tage versäumt worden. Darin liege ein Härtefall, zumal L. umfassend und umfangreich habe eingearbeitet werden müssen. Letzterem sei vom Arbeitsamt Deggendorf in Aussicht gestellt worden, dass der Arbeitgeber im Fall der Wiederaufnahme einer Arbeit einen Eingliederungszuschuss bekommen werde. In der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2000 erklärte der Terminsbevollmächtigte der Beklagten, bei rechtzeitiger Antragstellung wäre ein 50-prozentiger Eingliederungszuschuss für 12 Monate bewilligt worden. Die rechtliche Grundlage hierfür sei § 220 Abs.1 Ziffer 2 und Abs.2 Ziffer 2 SGB III. Damit werde der frühere Vortrag nicht mehr aufrechterhalten, L. habe nicht zum förderungsfähigen Personenkreis gehört.

Durch Urteil vom 07.12.2000 hob die 10. Kammer des SG Landshut die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin einen Eingliederungszuschuss für die Dauer von 12 Monaten in Höhe von 50 % des berücksichtigungsfähigen Entgelts für den bei der Klägerin beschäftigten L. zu zahlen. Die Entscheidung wurde darauf gestützt, dass L. zum förderungsfähigen Personenkreis im Sinne des § 218 Abs.1 Ziffer 2 SGB III gehört und für ihn dem Grunde nach Anspruch auf Eingliederungshilfe bestanden habe. Zwar sei vorliegend die Leistung nicht vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden, zur Vermeidung einer unbilligen Härte sei jedoch eine verspätete Antragstellung zuzulassen. Ein derartiger Fall liege stets dann vor, wenn die Antragstellerin ein geringes Verschulden treffe und die Folgen erheblich seien. Zu berücksichtigen sei ferner, welche Auswirkungen die Verspätung auf die Möglichkeiten eines effektiven Mitteleinsatzes hatte und ob die Leistung im Zeitpunkt der Antragstellung ihren Zweck noch erfüllen konnte oder jedenfalls zur Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses diente. Die Kammer ging aufgrund der geschilderten besonderen Umstände davon aus, dass die Klägerin an der Fristversäumung nur ein geringes Verschulden treffe und die mit der Überschreitung der Frist verbundenen Folgen erheblich seien. Der finanzielle Schaden könne sich auf ca. 34.200,- DM belaufen. Allein aus dem Missverhältnis zwischen dem nur um drei Tage zu spät gestellten Antrag und den daraus resultierenden erheblichen finanziellen Folgen sei auf das Vorliegen einer unbilligen Härte zu schließen. Selbst wenn hiervon nicht ausgegangen werden könnte, müsste dem Klageantrag stattgegeben werden. Auf die Fristversäumnis komme es im Ergebnis nämlich gar nicht an. Bei der Gewährung des Zuschusses handele es sich um eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung, welche keinen vorherigen Antrag voraussetze. Bei Zustimmung der Beteiligten könne sie vielmehr auch von Amts wegen erbracht werden.

Die einschlägige Vorschrift sei zwar als Ermessensnorm ausgestaltet. Nachdem im vorliegenden Fall jedoch die grundsätzlichen Förderungsvoraussetzungen des § 217 SGB III vorgelegen hätten und von Seiten der Beklagten ausdrücklich anerkannt worden sei, dass bei rechtzeitiger Antragstellung der Zuschuss geleistet worden wäre, bestehe insoweit ein Ermessenspielraum nicht mehr. Sinn des Eingliederungszuschussses sei es, schwer vermittelbare Arbeitnehmer wieder in dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Dieses Ziel sei im vorliegenden Fall erreicht worden. Im Hinblick darauf wäre eine Nichtgewährung des Zuschusses ermessensfehlerhaft.

Mit der zum Bayerischen LSG eingelegten Berufung wendet die Beklagte ein, Leistungen der Arbeitsförderung könnten nach § 324 Abs.1 Satz 1 SGB III nur bei Antragstellung vor dem leistungsbegründenden Ereignis gewährt werden. Im Fall einer unbilligen Härte, der hier nicht zu erkennen sei, könne eine verspätete Antragstellung im Rahmen einer Ermessensentscheidung zugelassen werden, die von der Gerichtsbarkeit nur beschränkt nachgeprüft werden könne. Das SG hätte im Übrigen nur zu einer Neuverbescheidung verurteilen dürfen. Anhaltspunkte für eine Ermessens- über- oder -unterschreitung seien nicht gegeben. Außerdem sei die Beklagte in den Prozess der Stellenbesetzung nicht eingeschaltet worden, so dass eine Verpflichtung zum Tätigwerden von Amts wegen nicht bestehe.

Demgegenüber verweist die Klägerin darauf, dass für Leistungen der aktiven Arbeitsförderung im Sinne des § 323 SGB III ein Antragserfordernis nicht vorgesehen sei, auch seien die Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung nicht gegeben, vielmehr bestehe ein Rechtsanspruch auf den Zuschuss, zumindest sei von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen.

Der Senat hat neben der Leistungsakte des Arbeitsamtes Deggendorf die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.12.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.12.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie auf die Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 27.11.2001.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten, §§ 143 ff. SGG, erweist sich im Sinn einer Verurteilung zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats als begründet. Zu Unrecht hat das SG die Beklagte zur Leistung verurteilt.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 30.07. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1998, mit welchem der Antrag auf Gewährung eines Eingliederungszuschusses vom 05.06.1998 abgelehnt worden ist.

Grundsätzlich unterliegen Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung im Sinne der §§ 5, 7, 217, 218 SGB III, deren Bewilligung - vom hier nicht vorliegenden Fall des Berufsrückkehrers abgesehen - im Ermessen der Arbeitsverwaltung steht, dem Antragserfordernis der §§ 323, 324 SGB III i.V.m. § 16 SGB I. Darüber hinaus sieht § 323 Abs.1 Satz 3 SGB III vor, dass Leistungen der aktiven Arbeitsförderung auch von Amts wegen erbracht werden können, wenn die Berechtigten zustimmen. Eines verfahrensauslösenden Antrags - im Gegensatz zur anspruchsbegründenden (materiell-rechtlichen) Wirkung - bedarf es dann zunächst nicht, denn das Arbeitsamt darf von sich aus initiativ werden und das Verwaltungsverfahren einleiten, § 18 SGB X. Allerdings dürfen die Leistungen dem Berechtigten nicht aufgedrängt werden, es bedarf insoweit der Zustimmung des Betroffenen, die nach § 323 Abs.1 Satz 4 SGB III als Antrag gilt. Der Antrag als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist dabei formfrei bei der Beklagten anzubringen.

Gemäß § 324 Abs.1 SGB III werden Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Arbeitsamt allerdings eine verspätete Antragstellung zulassen.

Obige Vorschrift regelt vorrangig den Zeitpunkt, zu dem grundsätzlich der Antrag gestellt werden muss, damit er wirksam werden kann, wobei Leistungen der Arbeitsförderung vorher beantragt werden sollen, vgl. BT-Drs. 13/4941 S.212 zu § 325 SGB III. Sie regelt demgegenüber nicht, ab wann Leistungen erbracht werden dürfen. Die Vorschrift enthält daneben eine Härteregelung, derzufolge das Arbeitsamt von sich aus eine verspä- tete Antragstellung zulassen kann, dabei aber an das Vorliegen einer unbilligen Härte gebunden ist. Die Härteregelung des Abs.1 Satz 2 tritt als lex specialis an die Stelle der allgemeinen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in § 27 SGB X.

Maßgebend ist also grundsätzlich das leistungsbegründende Ereignis, bei dem es sich um einen Lebensvorgang handelt, der im Zentrum des Regelungszieles steht, ohne dass dabei auf die Erfüllung formeller Voraussetzungen abzustellen ist. Bei Eingliederungszuschüssen ist der Beginn der Beschäftigung maßgebend, vergleiche Gagel, SGB III, § 323 Rdnr.13.

Eine Härte im obengenannten Sinne liegt stets dann vor, wenn den Antragsteller ein geringes Verschulden trifft und die Folgen erheblich sind, wie das SG dies auch in seinen Urteilsgründen ausgeführt hat, vgl. Gagel, a.a.O., Rdnr.17. Auch diese Ausnahmevorschrift regelt nur die Frage, ob Leistungen der Arbeitsförderung überhaupt erbracht werden dürfen, wenn sie erst nach Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt wurden. Der Begriff der unbilligen Härte stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der gerichtlich voll überprüfbar ist und der Verwaltung keinerlei Beurteilungsspielraum einräumt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind im Gesetz nicht näher definiert und stellen daher eine offene Generalklausel dar, vgl. BSG SozR III-4100 § 44 Nrn.4, 16. Bei Überprüfung des Einzelfalles ist stets eine Güterabwägung zwischen den Interessen der Antragsteller und der Versichertengemeinschaft/Solidargemeinschaft vorzunehmen. Dabei wird darauf abgestellt, dass bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe stets auf Verfassungskonformität zu achten ist, wobei neben dem Individualinteresse das sozialstaatliche Gebot zu berücksichtigen ist, die Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung zu wahren, vgl. BSGE 61.158 (165). Relativiert werden diese Kriterien jedoch dadurch, dass die Zulassung einer verspäteten Antragstellung in das Ermessen der BA gestellt ist. Diese muss, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der unbilligen Härte durch sie bejaht werden, im Wege des Rechtsfolgeermessens weiter prüfen, ob der verspätete Antrag (d.h. ein Antrag nach Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses) zugelassen wird, vgl. Wissing u.a., SGB III, § 324 Anm.6 f. Bei der Ermessensentscheidung darüber, ob die Härte Veranlassung gibt, die Leistung trotz der Verspätung zu gewähren, kommt es darauf an, welche realen Folgen die Verspätung für die Möglichkeiten eines effektiven Mitteleinsatzes hatte und ob die Leistung zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren Zweck (z.B. eine Anreizfunktion) noch erfüllen kann oder ob sie jedenfalls zur Stabilisierung eines Beschäftigungsverhältnisses dient. Im Übrigen sind neben den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen des Antragstellers die Gründe zu berücksichtigen, die zur Verspätung geführt haben, sofern diese nicht bereits beim Begriff der Härte berücksichtigt worden sind, vgl. Gagel, a.a.O., Rdnr.18.

Wie das SG zutreffend dargelegt hat, lässt sich vorliegend der Sinn und Zweck der Eingliederung des früheren Langzeitarbeitslosen L. zumindest im Wege der Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses noch erfüllen. Mit Recht hat das SG aufgrund des Missverhältnisses zwischen dem dargestellten geringen Verschulden der Klägerin einerseits und den erheblichen Folgen (Verlust des Zuschusses in Höhe von ca. 34.000,- DM) andererseits festgestellt, dass darin eine besondere Härte für die Klagepartei liegt, welche wie dargelegt drei Tage nach dem leistungsbegründenden Ereignis (Aufnahme der Arbeit am 02.06. 1998) bereits am 05.06.1998 fernmündlich die Bewilligung der Leistung beantragt hat. Auf die übrige zutreffende Darstellung der besonderen Verhältnisse der Antragstellerin in den Urteilsgründen der ersten Instanz wird ergänzend Bezug genommen.

Wie der Senat bereits hinsichtlich einer besonderen Härte im Sinne des § 76 Abs.2 Nr.3 SGB IV entschieden hat (vgl. Urteil vom 16.12.1999, L 9 AL 191/98 S.7), stellt der Begriff der besonderen Härte einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, bei dem der Beklagten ein Beurteilungsspielraum nicht zuerkannt werden kann. Er steht in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Zulassung einer verspäteten Antragstellung. Wie im dort entschiedenen Fall liegt eine unlösbare Verzahnung des Begriffs der unbilligen Härte mit dem eingeräumten Ermessen der Behörde vor, welche nur durch eine einheitlich zu treffende Entscheidung gelöst werden kann. Denn der Begriff der unbilligen Härte ragt einerseits in den Ermessensbereich hinein und bestimmt andererseits zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung. Dies führt dazu, dass die Entscheidung der BA insgesamt nur eingeschränkt überprüfbar ist, vgl. Wissing und andere, a.a.O., Rdnr.8.

Nachdem die Klägerin Ermessensleistungen im Sinne des § 218 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB III beantragt hat, deren Rechtsvoraussetzungen nach dem Anerkenntnis der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG vorliegen, durfte das Erstgericht nach der Aufhebung der angefochtenen Bescheide lediglich die Verpflichtung der Beklagten aussprechen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Denn die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen erkennbar nicht ausgeübt und wird dieses nachzuholen haben.

Dabei wird sie die Rechtsauffassung des Senats u.a. auch hinsichtlich der Voraussetzungen der unbilligen Härte berücksichtigen müssen. Die Entscheidung gemäß § 218 SGB III erfordert ferner in den Fällen des Abs.1 eine Ermessensentscheidung, welche sich nicht nur auf das Ob, sondern auch auf den Umfang der Förderung erstreckt, der neben der Regelförderung im Sinne des § 220 SGB III die erhöhte (§ 221 SGB III) und die verlängerte Förderung (§ 222 SGB III) umfassen kann. Ein Regelfall des § 220 SGB III liegt vor, wenn aufgrund der Gesamtumstände damit gerechnet werden kann, dass sich im Fall der Regelförderung das Förderungsziel erreichen lässt. Dabei sind sowohl die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers als auch die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses zu beachten, vor allem die an den Arbeitsplatz gestellten Anforderungen. Erreichen die Leistungseinschränkungen des Arbeitnehmers und die Eingliederungserfordernisse ein Ausmaß, bei dem ohne die verlängerte oder erhöhte Förderung eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist, scheidet ein Regelfall aus.

Eine kompensationsbedürftige Leistungseinschränkung und die fehlende Aussicht auf eine ungeförderte Rückkehr in das Erwerbsleben sind mit Wissing, a.a.O., § 217 Rdnr.11 regelmäßig bei dem in § 218 Abs.1 SGB III genannten Personenkreis anzunehmen. Leistungshindernisse stehen nach dem Sachverhalt nicht entgegen. Die Höhe und die Dauer der Förderung richten sich nach dem tatsächlichen Umfang der Minderleistung des L.

Die Konstruktion des Gesetzes, welche im Fall einer besonderen Härte die Antragstellung nach Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses zulässt, lässt die Frage der rückwirkenden Bewilligung des in Betracht kommenden Eingliederungszuschusses für die Zeit ab der Beschäftigungsaufnahme unberührt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Förderungsbedürftigkeit des Beschäftigten L., ggf. rechtfertigt der Eintritt in eine Beschäftigung vor Antragstellung die Annahme, dass der Arbeitnehmer auch ohne die Förderung dauerhaft eingegliedert werden konnte, vgl. Wissing, a.a.O., Rdnr. 51. Regelmäßig liegt aber zwischen den Lohnkostenzuschüssen und der Eingliederung ein kausaler Zusammenhang vor. Diese Ursächlichkeit ist zu bejahen, wenn eine dauerhafte Eingliederung nur deshalb möglich erscheint, weil der zur Einstellung bereite Arbeitgeber finanziell entlastet wird. Maßgebend ist, ob die Zuschussgewährung zur Herstellung einer vollwertigen Leistungsfähigkeit beitragen kann und bei den anfänglich leistungsgeminderten Arbeitnehmern spätestens nach der Förderungs- und Weiterbeschäftigungszeit eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt überhaupt zu erwarten ist. Mit Wissing, a.a.O., Rdnr.44 knüpft die Förderungsbedürftigkeit an die Minderleistung an und wird bei den in § 218 Abs.1 SGB III bezeichneten Personen zu Recht unterstellt. Ob die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers tatsächlich gemindert ist, lässt sich nämlich häufig nicht mit Sicherheit feststellen. Aus diesem Grunde werden bei den in § 218 Abs.1 SGB III genannten Personengruppen Leistungsdefizite unterstellt, vgl. BT-Drs. 13/4941 S.192 zu § 215. Die Annahme, dass Arbeitnehmer, die einer besonderen Einarbeitung bedürfen, erschwert zu vermitteln sind und über einen Mindestzeitraum von einem Jahr arbeitslos waren, zu Beginn einer neuen Tätigkeit nicht in der Lage sind, eine vollwertige Leistung zu erbringen, lässt sich durchaus rechtfertigen. Liegt einer dieser Förderungsgründe vor, ist das Arbeitsamt nicht verpflichtet, in eine weitergehende Prüfung einzutreten und festzustellen, ob die Leistungsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers auch tatsächlich eingeschränkt ist. Knüpft also die Förderungsbedürftigkeit an die Minderleistung an und wird diese bei den in § 218 Abs.1 bezeichneten Personengruppen zu Recht unterstellt, ist es auch gerechtfertigt, die unzureichende Eingliederungsfähigkeit regelmäßig dann anzunehmen, wenn einer der in den genannten Vorschriften beschriebenen Förderungsgründe vorliegt. Zumindest liegt in der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach Auffassung des Senats eine zutreffende Prognoseentscheidung ohne Beurteilungsspielraum, so dass der Beklagten eine Ermessensentscheidung aufzugeben war.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang war die Beklagte zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen zu verpflichten, die der Klägerin zu ihrer Rechtsverfolgung entstanden sind.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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