Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 272/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 8/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23. November 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) dem Grunde nach für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 streitig.
Die 1946 geborene Klägerin hat 1967 das Abitur abgelegt und war anschließend bei verschiedenen Unternehmen als Kontoristin, Chefsekretärin und zuletzt vom 01.03.1990 bis 30.09.1994 als Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Sie meldete sich am 05.10.1994 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Hierbei gab sie an, acht bis zehn Stunden in der Woche eine selbständige Tätigkeit (Konzeption und Organisation von Veranstaltungen und Reisen) zu verrichten und ab dem Wintersemester 1994/95 das Studium der Psychologie zu beginnen. Sie stelle sich für eine Teilzeitbeschäftigung von 22 Stunden pro Woche von Montag bis Mittwoch und Freitag jeweils in der Zeit von 12.30 Uhr bis 18.30 Uhr zur Verfügung. Weiterhin listete sie die Vorlesungen des 1. Semesters mit Wochentags- und Zeitangaben auf.
Mit Bescheid vom 21.03.1995 bewilligte die Beklagte Alg bis 01.11.1994. Als Grund für die Befristung der Leistung gab sie an, nach § 103 a Abs.1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) werde vermutet, dass die Klägerin nur Beschäftigungen ausüben könne, die nach § 169 b AFG beitragsfrei seien, da sie ab 02.11.1994 Studentin sei. Diese Vermutung habe sie nicht widerlegt, da sie nicht dargelegt und nachgewiesen habe, dass der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Nach ihren Angaben betrage die wöchentliche Stundenzahl ohne Vor- und Nachbereitungszeit 19,5 Stunden. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Erfahrungssatzes, dass jede Unterrichtsstunde eine Stunde Vor- und Nacharbeit erfordere, überwiege unter Zugrundelegung der allgemein üblichen tariflichen Arbeitszeit die zeitliche Belastung durch das Studium.
In ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Studium sei trotz Immatrikulation nur Nebensache. Sie sei jederzeit bereit, dieses im Falle eines Arbeitsangebotes abzubrechen. Sie habe es nur aufgenommen, um die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit sinnvoll zu nutzen. Sie erkläre sich ausdrücklich bereit, sich für eine Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung zu stellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Verfügbarkeit liege nicht vor, wenn der Arbeitslose nur für Beschäftigungen zur Verfügung stehe, die den Erfordernissen des Studiums angepasst und untergeordnet seien. Die Feststellung des objektiv erforderlichen Arbeitsaufwandes sei bei Studenten anhand der Studienordnung zu treffen. Unerheblich sei, ob der Student im Einzelfall weniger Zeit für sein Studium aufwende.
Mit ihrer zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, nur deshalb zu studieren, um die Zeit der Arbeitslosigkeit sinnvoll zu überbrücken. In dem Erörterungstermin am 19.09.1997 hat sie angegeben, zu keinem Zeitpunkt wirklich studiert, sondern nur in den ersten beiden Wochen des ersten Semesters vereinzelt Vorlesungen besucht zu haben. Dies könne der Zeuge S. bestätigen. Auch lasse der Ausbildungsgang des Studiums der Psychologie bei ordnungsgemäßer Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zu. Zu berücksichtigen sei, dass nicht zwingend vorgeschrieben sei, die Regelstudienzeit einzuhalten, so dass bei einer Ausdehnung des Grundstudiums auf fünf Semester sich pro Semester eine Stundenzahl von 15,6 errechne, was eine normale Halbtagsbeschäftigung ermögliche. Wegen gesundheitlicher Probleme sei sie ab November 1994 außerstande gewesen, einem ordnungsgemäßen Studium nachzugehen.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung den Ehemann der Klägerin und S. als Zeugen vernommen; bezüglich ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Die Klägerin hat sodann beantragt, die Beklagte zur Bewilligung von Alg für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 zu verurteilen.
Mit Urteil vom 23.11.1999 hat das SG die Klage abgeweisen. Es könne dahinstehen, ob die mit dem Widerspruch abgegebene Erklärung, im Falle eines Arbeitsplatzangebotes das Studium sofort aufzugeben, rechtlich unbeachtlich sei. Offen bleiben könne auch, ob der Klägerin, ein ordnungsgemäßes Studium unterstellt, neben der selbständigen Tätigkeit von wöchentlich acht bis zehn Stunden eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung möglich gewesen wäre. Entscheidend sei, dass die Klägerin, wie der Zeuge S. glaubhaft bekundet habe, diesem gegenüber wiederholt eingeräumt habe, dem Studium nicht nachzugehen, da "sie es nicht schaffe". Damit sei sie um so mehr außerstande gewesen, regelmäßig einer erheblich mehr belastenden Beschäftigung zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nachzugehen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, aus der umgangssprachlichen Äußerung, sie schaffe das Studium nicht, könne nicht geschlossen werden, sie sei in dieser Zeit nicht erwerbsfähig gewesen. Hinsichtlich der durch Studium und Erwerbstätigkeit bedingten Stundenzahl gebe es keine allgemein gültige Belastungsgrenze. Im Übrigen habe die Beweisaufnahme der ersten Instanz eindeutig ergeben, dass sie tatsächlich nie studiert habe. Die Immatrikulation alleine begründe noch nicht die Studenteneigenschaft im Sinne des § 103 a AFG. Für den Zeitraum nach dem 03.04.1995 habe sie sich ohnehin voll und ganz dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 21.11.1999 und des Bescheides vom 21.03.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Während der hier streitigen Zeit habe die Klägerin nicht erklärt, nur immatrikuliert gewesen zu sein, ohne zu studieren, vielmehr, im Falle eines Arbeitsangebotes bereit zu sein, das Studium abzubrechen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genüge es dem Erfordernis der Verfügbarkeit nicht, wenn es gestaltender Entscheidungen (Abbruch einer Maßnahme) bedürfe, um einem Arbeitsangebot Folge zu leisten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Klägerin für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Alg hat.
Ein Anspruch auf Alg setzt gemäß § 100 Abs.1 AFG u.a. voraus, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Dies war bei der Klägerin nicht gegeben, da sie im Sinne des § 103 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AFG nicht in der Lage war, eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Da sie während der streitigen Zeit als Studentin immatrikuliert war, wird gemäß § 103 a Abs.1 AFG, eingefügt durch das Gesetz vom 14.12.1987 (BGBl.I S.2602) und geändert durch das Gesetz vom 20.12.1988 (BGBl.I S.2343), vermutet, dass sie nur Beschäftigungen ausüben konnte, die nach § 169 b beitragsfrei sind. Gemäß § 169 b Abs.1 Nr.2 AFG, eingefügt durch das Gesetz vom 20.12.1988, sind Arbeitnehmer beitragsfrei, die während ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eine Beschäftigung ausüben. Somit wäre eine von der Klägerin in dem streitigen Zeitraum aufgenommene Beschäftigung aufgrund ihres Statuses als Studentin beitragsfrei gewesen.
Gemäß § 103 a Abs.2 AFG ist die Vermutung nach Abs.1 widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt. Diese Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt.
Dem Arbeitslosen wird im Rahmen des § 103 a Abs.2 AFG bei der Widerlegung der Vermutung des Abs.1 eine besondere Darlegungs- und Nachweispflicht auferlegt, die insoweit eine Beweiserleichterung zugunsten der Verwaltung darstellt, die der praktischen Rechtsanwendung dient (BSG, Urteil vom 19.03.1998, B 7 AL 44/99 R, SGb 1998, 471, 472). Der Arbeitslose muss durch einfach überprüfbare und dadurch objektivierbare Tatsachen die Vermutung des Abs.1 widerlegen und konkret unter Heranziehung der einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen und unter Angabe der Anzahl und zeitlichen Lage der Unterrichtsstunden zuzüglich der Zeiten der Vor- und Nachbearbeitung, der Wegezeiten und gegebenenfalls der Praktika aufzeigen, wie er das jeweilige Semester gestaltet (BSG a.a.O.). Solches hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr Hinweis, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich aufgrund der Studien- und Prüfungsbestimmungen ergeben hätten, sind insoweit unerheblich, da es auf die konkrete Gestaltung des jeweiligen Semesters ankommt.
Da die Vermutung des § 103 a Abs.1 AFG gemäß Abs.2 nur durch die Darlegung und den Nachweis widerlegt werden kann, dass der Ausbildungsgang bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine beitragspflichtige Beschäftigung zulässt, kann diese Vermutung nicht durch den Vortrag widerlegt werden, eine aufgenommene Beschäftigung sei deshalb nicht beitragsfrei, weil das Studium kaum oder gar nicht betrieben werde bzw. die Immatrikulation zu studienfremden Zwecken erfolgt sei (BSG SozR 3-4100 § 103 a Nr.3). Andernfalls würde die mit dieser Vorschrift beabsichtigte Beweiserleichterung der Verwaltung hinfällig (BSG a.a.O. Nr.1). Wegen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines Studiums und der fehlenden Verpflichtung, Universitätsveranstaltungen zu besuchen, wäre es der Verwaltung kaum möglich, nachzuprüfen, inwieweit der Vortrag des einzelnen Studenten über die Art und Weise des von ihm betriebenen Studiums zutrifft. Aus diesem Grund werden an den Nachweis der Verfügbarkeit immatrikulierter Studenten strengere Anforderungen gestellt als an andere Arbeitslose. Die Immatrikulation begründet die Mitgliedschaft an der Universität und damit die Eigenschaft als Student, weshalb Verfügbarkeit nur anerkannt werden kann, wenn die Klägerin dargelegt und nachgewiesen hätte, welche Vorlesungen sie in der fraglichen Zeit besuchen wollte, dass diese Gestaltung einer ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen entsprach und dass daneben eine Beschäftigung möglich gewesen wäre, die nicht beitragsfrei im Sinne des § 169 b Satz 1 Nr.2 AFG gewesen wäre; hierbei wäre es auf eine vorausschauende Betrachtungsweise angekommen (BSG, Urteil vom 30.03.1994, 11 RAr 67/93, DBlR 4120 AFG § 103 a), so dass auch aus diesem Grunde im Nachhinein angestellte theoretische Überlegungen, welche Gestaltungsmöglichkeiten die Studienordnung im Fach Psychologie in dem streitigen Zeitraum zugelassen hätte, unbehelflich sind.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Argumentation der Klägerin widersprüchlich ist, wenn sie einerseits vorträgt, das Studium jedenfalls in dem fraglichen Zeitraum ohnehin nicht betrieben zu haben, andererseits geltend macht, sie hätte dieses Studium bei Unterbreitung eines Arbeitsangebotes aufgegeben und stelle sich der Arbeitsvermittlung für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung. Zudem steht derjenige der Arbeitsvermittlung akutell nicht zur Verfügung, der erst eine Tätigkeit oder ein Studium aufgeben und dadurch eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandene objektive Vermittelbarkeit herbeiführen muss (BSG a.a.O.; BSG SozR 4100 § 103 Nrn.39, 46).
Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.11.1999 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) dem Grunde nach für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 streitig.
Die 1946 geborene Klägerin hat 1967 das Abitur abgelegt und war anschließend bei verschiedenen Unternehmen als Kontoristin, Chefsekretärin und zuletzt vom 01.03.1990 bis 30.09.1994 als Referatsleiterin für Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Sie meldete sich am 05.10.1994 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Hierbei gab sie an, acht bis zehn Stunden in der Woche eine selbständige Tätigkeit (Konzeption und Organisation von Veranstaltungen und Reisen) zu verrichten und ab dem Wintersemester 1994/95 das Studium der Psychologie zu beginnen. Sie stelle sich für eine Teilzeitbeschäftigung von 22 Stunden pro Woche von Montag bis Mittwoch und Freitag jeweils in der Zeit von 12.30 Uhr bis 18.30 Uhr zur Verfügung. Weiterhin listete sie die Vorlesungen des 1. Semesters mit Wochentags- und Zeitangaben auf.
Mit Bescheid vom 21.03.1995 bewilligte die Beklagte Alg bis 01.11.1994. Als Grund für die Befristung der Leistung gab sie an, nach § 103 a Abs.1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) werde vermutet, dass die Klägerin nur Beschäftigungen ausüben könne, die nach § 169 b AFG beitragsfrei seien, da sie ab 02.11.1994 Studentin sei. Diese Vermutung habe sie nicht widerlegt, da sie nicht dargelegt und nachgewiesen habe, dass der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Nach ihren Angaben betrage die wöchentliche Stundenzahl ohne Vor- und Nachbereitungszeit 19,5 Stunden. Unter Berücksichtigung des allgemeinen Erfahrungssatzes, dass jede Unterrichtsstunde eine Stunde Vor- und Nacharbeit erfordere, überwiege unter Zugrundelegung der allgemein üblichen tariflichen Arbeitszeit die zeitliche Belastung durch das Studium.
In ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr Studium sei trotz Immatrikulation nur Nebensache. Sie sei jederzeit bereit, dieses im Falle eines Arbeitsangebotes abzubrechen. Sie habe es nur aufgenommen, um die Zeit ihrer Arbeitslosigkeit sinnvoll zu nutzen. Sie erkläre sich ausdrücklich bereit, sich für eine Vollzeitbeschäftigung zur Verfügung zu stellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Verfügbarkeit liege nicht vor, wenn der Arbeitslose nur für Beschäftigungen zur Verfügung stehe, die den Erfordernissen des Studiums angepasst und untergeordnet seien. Die Feststellung des objektiv erforderlichen Arbeitsaufwandes sei bei Studenten anhand der Studienordnung zu treffen. Unerheblich sei, ob der Student im Einzelfall weniger Zeit für sein Studium aufwende.
Mit ihrer zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin erneut vorgetragen, nur deshalb zu studieren, um die Zeit der Arbeitslosigkeit sinnvoll zu überbrücken. In dem Erörterungstermin am 19.09.1997 hat sie angegeben, zu keinem Zeitpunkt wirklich studiert, sondern nur in den ersten beiden Wochen des ersten Semesters vereinzelt Vorlesungen besucht zu haben. Dies könne der Zeuge S. bestätigen. Auch lasse der Ausbildungsgang des Studiums der Psychologie bei ordnungsgemäßer Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zu. Zu berücksichtigen sei, dass nicht zwingend vorgeschrieben sei, die Regelstudienzeit einzuhalten, so dass bei einer Ausdehnung des Grundstudiums auf fünf Semester sich pro Semester eine Stundenzahl von 15,6 errechne, was eine normale Halbtagsbeschäftigung ermögliche. Wegen gesundheitlicher Probleme sei sie ab November 1994 außerstande gewesen, einem ordnungsgemäßen Studium nachzugehen.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung den Ehemann der Klägerin und S. als Zeugen vernommen; bezüglich ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Die Klägerin hat sodann beantragt, die Beklagte zur Bewilligung von Alg für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 zu verurteilen.
Mit Urteil vom 23.11.1999 hat das SG die Klage abgeweisen. Es könne dahinstehen, ob die mit dem Widerspruch abgegebene Erklärung, im Falle eines Arbeitsplatzangebotes das Studium sofort aufzugeben, rechtlich unbeachtlich sei. Offen bleiben könne auch, ob der Klägerin, ein ordnungsgemäßes Studium unterstellt, neben der selbständigen Tätigkeit von wöchentlich acht bis zehn Stunden eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung möglich gewesen wäre. Entscheidend sei, dass die Klägerin, wie der Zeuge S. glaubhaft bekundet habe, diesem gegenüber wiederholt eingeräumt habe, dem Studium nicht nachzugehen, da "sie es nicht schaffe". Damit sei sie um so mehr außerstande gewesen, regelmäßig einer erheblich mehr belastenden Beschäftigung zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nachzugehen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, aus der umgangssprachlichen Äußerung, sie schaffe das Studium nicht, könne nicht geschlossen werden, sie sei in dieser Zeit nicht erwerbsfähig gewesen. Hinsichtlich der durch Studium und Erwerbstätigkeit bedingten Stundenzahl gebe es keine allgemein gültige Belastungsgrenze. Im Übrigen habe die Beweisaufnahme der ersten Instanz eindeutig ergeben, dass sie tatsächlich nie studiert habe. Die Immatrikulation alleine begründe noch nicht die Studenteneigenschaft im Sinne des § 103 a AFG. Für den Zeitraum nach dem 03.04.1995 habe sie sich ohnehin voll und ganz dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 21.11.1999 und des Bescheides vom 21.03.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 03.04. bis 31.12.1995 Arbeitslosengeld zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Während der hier streitigen Zeit habe die Klägerin nicht erklärt, nur immatrikuliert gewesen zu sein, ohne zu studieren, vielmehr, im Falle eines Arbeitsangebotes bereit zu sein, das Studium abzubrechen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genüge es dem Erfordernis der Verfügbarkeit nicht, wenn es gestaltender Entscheidungen (Abbruch einer Maßnahme) bedürfe, um einem Arbeitsangebot Folge zu leisten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Klägerin für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Alg hat.
Ein Anspruch auf Alg setzt gemäß § 100 Abs.1 AFG u.a. voraus, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Dies war bei der Klägerin nicht gegeben, da sie im Sinne des § 103 Abs.1 Satz 1 Nr.1 AFG nicht in der Lage war, eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Da sie während der streitigen Zeit als Studentin immatrikuliert war, wird gemäß § 103 a Abs.1 AFG, eingefügt durch das Gesetz vom 14.12.1987 (BGBl.I S.2602) und geändert durch das Gesetz vom 20.12.1988 (BGBl.I S.2343), vermutet, dass sie nur Beschäftigungen ausüben konnte, die nach § 169 b beitragsfrei sind. Gemäß § 169 b Abs.1 Nr.2 AFG, eingefügt durch das Gesetz vom 20.12.1988, sind Arbeitnehmer beitragsfrei, die während ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule oder einer der fachlichen Ausbildung dienenden Schule eine Beschäftigung ausüben. Somit wäre eine von der Klägerin in dem streitigen Zeitraum aufgenommene Beschäftigung aufgrund ihres Statuses als Studentin beitragsfrei gewesen.
Gemäß § 103 a Abs.2 AFG ist die Vermutung nach Abs.1 widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt. Diese Vermutung hat die Klägerin nicht widerlegt.
Dem Arbeitslosen wird im Rahmen des § 103 a Abs.2 AFG bei der Widerlegung der Vermutung des Abs.1 eine besondere Darlegungs- und Nachweispflicht auferlegt, die insoweit eine Beweiserleichterung zugunsten der Verwaltung darstellt, die der praktischen Rechtsanwendung dient (BSG, Urteil vom 19.03.1998, B 7 AL 44/99 R, SGb 1998, 471, 472). Der Arbeitslose muss durch einfach überprüfbare und dadurch objektivierbare Tatsachen die Vermutung des Abs.1 widerlegen und konkret unter Heranziehung der einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen und unter Angabe der Anzahl und zeitlichen Lage der Unterrichtsstunden zuzüglich der Zeiten der Vor- und Nachbearbeitung, der Wegezeiten und gegebenenfalls der Praktika aufzeigen, wie er das jeweilige Semester gestaltet (BSG a.a.O.). Solches hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr Hinweis, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich aufgrund der Studien- und Prüfungsbestimmungen ergeben hätten, sind insoweit unerheblich, da es auf die konkrete Gestaltung des jeweiligen Semesters ankommt.
Da die Vermutung des § 103 a Abs.1 AFG gemäß Abs.2 nur durch die Darlegung und den Nachweis widerlegt werden kann, dass der Ausbildungsgang bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine beitragspflichtige Beschäftigung zulässt, kann diese Vermutung nicht durch den Vortrag widerlegt werden, eine aufgenommene Beschäftigung sei deshalb nicht beitragsfrei, weil das Studium kaum oder gar nicht betrieben werde bzw. die Immatrikulation zu studienfremden Zwecken erfolgt sei (BSG SozR 3-4100 § 103 a Nr.3). Andernfalls würde die mit dieser Vorschrift beabsichtigte Beweiserleichterung der Verwaltung hinfällig (BSG a.a.O. Nr.1). Wegen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines Studiums und der fehlenden Verpflichtung, Universitätsveranstaltungen zu besuchen, wäre es der Verwaltung kaum möglich, nachzuprüfen, inwieweit der Vortrag des einzelnen Studenten über die Art und Weise des von ihm betriebenen Studiums zutrifft. Aus diesem Grund werden an den Nachweis der Verfügbarkeit immatrikulierter Studenten strengere Anforderungen gestellt als an andere Arbeitslose. Die Immatrikulation begründet die Mitgliedschaft an der Universität und damit die Eigenschaft als Student, weshalb Verfügbarkeit nur anerkannt werden kann, wenn die Klägerin dargelegt und nachgewiesen hätte, welche Vorlesungen sie in der fraglichen Zeit besuchen wollte, dass diese Gestaltung einer ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen entsprach und dass daneben eine Beschäftigung möglich gewesen wäre, die nicht beitragsfrei im Sinne des § 169 b Satz 1 Nr.2 AFG gewesen wäre; hierbei wäre es auf eine vorausschauende Betrachtungsweise angekommen (BSG, Urteil vom 30.03.1994, 11 RAr 67/93, DBlR 4120 AFG § 103 a), so dass auch aus diesem Grunde im Nachhinein angestellte theoretische Überlegungen, welche Gestaltungsmöglichkeiten die Studienordnung im Fach Psychologie in dem streitigen Zeitraum zugelassen hätte, unbehelflich sind.
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die Argumentation der Klägerin widersprüchlich ist, wenn sie einerseits vorträgt, das Studium jedenfalls in dem fraglichen Zeitraum ohnehin nicht betrieben zu haben, andererseits geltend macht, sie hätte dieses Studium bei Unterbreitung eines Arbeitsangebotes aufgegeben und stelle sich der Arbeitsvermittlung für eine Vollzeittätigkeit zur Verfügung. Zudem steht derjenige der Arbeitsvermittlung akutell nicht zur Verfügung, der erst eine Tätigkeit oder ein Studium aufgeben und dadurch eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandene objektive Vermittelbarkeit herbeiführen muss (BSG a.a.O.; BSG SozR 4100 § 103 Nrn.39, 46).
Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.11.1999 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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