L 9 EG 10/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 EG 19/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 10/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27.01.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld (BErzg) für das zweite Lebensjahr streitig.

I.

Die am 1964 geborene verheiratete Klägerin ist die Mutter des am 1997 geborenen M. sowie eines weiteren Kindes (V., geb. 1994). Ihr am 1949 geborener Ehemann ist aus erster Ehe Vater der Kinder J. (1980) und S. , für die deren leibliche Mutter das Kindergeld erhält. Durch bestandskräftigen Bescheid vom 17.10.1997 hatte die Klägerin für den 1. mit 12. Lebensmonat des Kindes M. unter Berücksichtigung der dem Mutterschaftsgeld entsprechenden beamtenrechtlichen Bezüge BErzg erhalten.

Aufgrund des am 16.07.1998 gestellten Zweitantrages für den 13. mit 24. Lebensmonat des Kindes, in welchem die Klägerin angab, keine Tätigkeit auszuüben und das Kind weiterhin zu versorgen und zu erziehen, ermittelte der Beklagte das maßgebliche Einkommen und bewilligte BErzg für den 13. mit 24. Lebensmonat in Höhe von DM 383,00 unter Anrechnung von DM 217,00 monatlich (Bescheid vom 28.08.1998). Zugrunde gelegt wurden Einkünfte des Ehemannes in Höhe von DM 67.258,00, von denen Werbungskosten in Höhe von DM 9.977,00, Pauschalabsetzungen in Höhe von DM 15.465,87 (27 v.H.) sowie Unterhaltsleistungen in Höhe von DM 2.060,00 abgesetzt wurden. In Bezug auf letztere wird auf die Niederschrift des Amtsgerichts P. - Familiengericht vom 28.10. 1997 vollinhaltlich verwiesen. Hinzu kamen Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von DM 500,00, von denen 27 % pauschal abgesetzt wurden. Das positive Einkommen in Höhe von DM 40.120,13 überstieg die Einkommensgrenze in Höhe von DM 33.600,00 um DM 6.520,13. Hiervon wurden 40 v.H. angerechnet, d.h. DM 2.608,05 jährlich, DM 217,00 monatlich. Die Leistung belief sich folglich auf DM 383,00 monatlich.

Insoweit rügte die Klägerin, zu Unrecht sei Unterhalt lediglich in Höhe von DM 2.060,00, nicht aber die Hälfte des Kindergeldes für die beiden Kinder ihres Mannes aus erster Ehe berücksichtigt worden. Der Rechtsbehelf wurde im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die zulässigen Abzüge seien abschließend in § 6 Abs.1 Nrn.1 mit 3 BErzGG geregelt. Unterhalt sei nur bis zur Höhe des festgelegten Betrages, allerdings nur in tatsächlich geleisteter Höhe zu berücksichtigen. Kindergeld könne demgegenüber nicht als weiterer Unterhaltsbetrag vom Einkommen abgesetzt werden (Widerspruchsbescheid vom 14.10.1998).

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage machte die Klägerin BErzg unter Berücksichtigung des von ihrem Ehemann geleisteten Unterhaltes einschließlich des Halbanteils des Kindergeldes für die beiden Kinder aus erster Ehe geltend und zwar im Einzelnen: für Januar mit April 1998 für beide Kinder insgesamt DM 1.200,00, für Mai mit August 1998 für die Tochter S. weitere DM 860,00, daneben den Halbanteil des Kindergeldes (je Kind DM 110,00) in Höhe von DM 2.640,00 insgesamt. Er habe Unterhalt tatsächlich in dieser Höhe geleistet. Nach herrschender Meinung sei der hälftige Kindergeldanteil als Unterhalt anzurechnen.

Aufgrund mündlicher Verhandlung wies das SG die Klage mit der Begründung ab, gemäß § 6 Abs.1 Ziffer 2 BErzGG seien nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen. Unerheblich sei, welche Berechnung der Unterhaltspflicht zugrunde liege (Urteil vom 27.01.2000).

III.

Mit der hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung wendet die Klägerin ein, das hälftige Kindergeld sei zu Unrecht nicht als zusätzliche Unterhaltsleistung des Ehemannes von den Einkünften abgesetzt worden. Der festgelegte Betrag im Sinne des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG sei die vereinbarte Unterhaltslast vor Abzug des anteiligen Kindergeldes. Tatsächlich habe ihr Ehemann den Unterhalt insoweit erbracht, als er das anteilige Kindergeld mit dem errechneten Tabellenunterhalt der Kinder verrechnet habe.

Demgegenüber führt der Beklagte unter anderem aus, die Verrechnung des hälftigen Kindergeldanteils sei nur Teil der Berechnung des Unterhaltes. Der Gesetzgeber habe sich bei § 6 BErzGG an die Regelung des § 11 BKGG a.F. angelehnt und sich am Nettoeinkommen orientiert. Daher seien nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen, die das Bruttoeinkommen minderten. Das sei beim Kindergeld, welches das Einkommen nicht mindere, nicht der Fall. Die an der Leistungsfähigkeit ausgerichtete Unterhaltsverpflichtung im Sinne des § 1603 BGB richte sich allein nach dem Einkommen ohne Kindergeld.

Der Senat hat neben den Streitsakten des Sozialgerichts die Erziehungsgeldakte des Beklagten beigezogen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Landshut vom 27.01.2000 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 28.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1998 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den 13. bis 24. Lebensmonat des Kindes M. BErzg unter zusätzlicher Berücksichtigung des hälftigen Kindergelds (DM 2.640,00) als Unterhaltsleistung des Ehemannes zu gewähren.

Der Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 27.01.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Erziehungsgeldakte des Beklagten Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 13.06.2002.

Entscheidungsgründe:

Die mangels Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 28.08. 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.1998, mit denen nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen für die aus erster Ehe des Ehemanns der Klägerin stammenden Kinder berücksichtigt worden sind.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, können im Rahmen der Einkommensermittlung nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen abgesetzt werden, § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG. Insoweit hat sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 6 BErzGG an der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes bereits geltenden Regelung des § 11 BKGG a.F. angelehnt und Unterhaltsleistungen lediglich bis zu dem durch einen Unterhaltstitel oder eine Vereinbarung festgelegten Betrag zur Absetzung zugelassen, vgl. BT Drs.10/3792 S.17. Maßgeblich für die Berechnung des BErzg sollte danach das Nettoeinkommen sein. Es sollten also nur die tatsächlichen Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern angerechnet werden, für die die Einkommensgrenze nicht erhöht worden ist, nicht aber der Kindergeldanteil, denn dieser mindert das Einkommen nicht.

Durch die Regelungen der §§ 1612b und c BGB haben sich Änderungen im Sinne einer Auswirkung auf das Begehren der Klägerin nicht ergeben. Nach wie vor soll das Kindergeld die Unterhaltslast der Unterhaltsverpflichteten vermindern. Es wirkt auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes aufgrund der Auszahlung an die Unterhaltsverpflichteten nicht unmittelbar bedarfsverringernd; das Kind muss sich das Kindergeld aber auf seinen Unterhaltsanspruch verrechnen lassen, weil erwartet werden kann, dass die Eltern das Kindergeld dem Kind zugute kommen lassen, vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 61. Auflage, Einführung vor § 1601 Rdnr.45.

Da das Kindergeld grundsätzlich nicht mehr als Sozialleistung, sondern als Steuervergünstigung ausgezahlt wird, § 31 Satz 3 EStG, ist es im 10. Abschnitt des EStG geregelt (§§ 62 ff.). Es wird an die Kindergeldberechtigten unabhängig von einer etwaigen Steuerschuld gezahlt und ist deshalb nur bei einem mangels Einkommens nicht Einkommensteuerpflichtigen eine echte Sozialleistung. Wie vom Beklagten vorgetragen, dient das Kindergeld zur Minderung der Unterhaltslast der Eltern des Kindes und wird nur an einen von ihnen ausgezahlt, so dass sich das Kind dieses auf seinen Barunterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil anrechnen lassen muss. Dem barunterhaltsverpflichteten Elternteil kommt sein Anteil am Kindergeld dann dadurch zugute, dass sich seine Verpflichtung dem Kind gegenüber entsprechend verringert, vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1612b Rdnr.2. Vorgenannte Vorschrift sieht den Halbteilungsgrundsatz vor, welcher eine entsprechende Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch des Kindes bedingt.

Unterhaltsrechtlich ist das Kindergeld kein Einkommen, vgl. BGH, FamRZ 97.806 (807), Born in Münchener Kommentar, Anm.30 zu § 1612b. Bei der Auszahlung des Kindergeldes an die frühere Ehefrau des Ehemannes der Klägerin ergab sich mithin keine Minderung des Bruttoeinkommens. Da es die Unterhaltslast des Verpflichteten mindert, ist es auch nicht als dessen eigene Unterhaltsleistung zu werten. Festgelegter Unterhalt im Sinne des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG ist nach allem nur der Endbetrag nach Abzug des Kindergeldanteils gemäß § 1612b BGB.

Steuerrechtlich gilt, dass ein bestehender zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 31 Satz 5 EStG dem dem Ausgleichsberechtigten gezahlten Kindergeld gleichgestellt wird. Umgekehrt wird der mit dem Ausgleichsanspruch Belastete so behandelt, als habe er nur ein entsprechend vermindertes Kindergeld erhalten. Es genügt, dass der Ausgleichsanspruch für den Veranlagungszeitraum besteht oder bestanden hat. Er muss dem Steuerpflichtigen weder durch Minderung seiner Barunterhaltspflicht zugute kommen, noch muss dies entsprechend dem missverständlichen Wortlaut des § 31 EStG noch möglich sein. Nach dem ab 01.07. 1998 geltenden § 1612b BGB wird unterhaltsrechtlich der Halbteilungsgrundsatz für das aus Vereinfachungsgründen dem sogenannten vorrangig Berechtigten ausgezahlte Kindergeld für die Unterhaltsansprüche des Kindes dadurch sichergestellt, dass dem Barunterhaltsverpflichteten das Kindergeld zur Hälfte angerechnet wird. Der Ausgleichsanspruch nach § 1612b BGB gilt nunmehr sowohl für Väter nichtehelicher Kinder als auch für geschiedene oder getrennt lebende Elternteile, vgl. Ludwig Schmidt, EStG, 20. Auflage 2001, § 31 Rdnr.35.

Der den Barunterhaltsverpflichteten entlastende Kindergeldanteil wirkt sich faktisch bedarfsdeckend aus, er führt insbesondere nicht zu einer Erhöhung des Unterhaltsbedarfs, sondern beide Elternteile werden in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Unterhalbspflicht gegenüber den Kindern entlastet. Im Rahmen des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG hat der Beklagte damit zu Recht nur auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt in Höhe von DM 2.060,00 abgestellt. Insoweit wird der Anspruch des berechtigten Kindes auf seinen Barunterhalt gemindert, vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1612b Rdnr.2.

Nach allem ist das erstinstanzielle Urteil ebenso wenig zu beanstanden wie die streitgegenständlichen Bescheide, so dass dem Berufungsbegehren der Klägerin ein Erfolg nicht beschieden sein kann.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die der Klägerin zu deren Rechtsverfolgung entstanden sind.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs.1, 2, Ziffer 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved