L 12 KA 133/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KA 18/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 133/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Beendigung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zum 1. Januar 1999.

Der am 1929 geborene Kläger wurde auf der Grundlage des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte Mittelfranken vom 31. Mai 1978 als praktischer Arzt zur Kassenpraxis zugelassen bzw. auf der Grundlage des Beschlusses der Beteiligungskommission bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vom 21. Juni 1978 als Vertragsarzt an der Ersatzkassenpraxis beteiligt und nahm die Tätigkeit am 3. Juli 1978 auf. Von beiden Kommissionen wurde ihm im Januar bzw. Februar 1979 die Genehmigung erteilt, das bisherige Fachgebiet, für das er zugelassen bzw. beteiligt war, zu wechseln und ab 1. April 1979 als Internist tätig zu sein. Aufgrund Wegzugs endete die Zulassung/Beteiligung des Klägers am 30. Juni 1982. Nach einer Tätigkeit als Internist in W. vom 1. Juli 1982 bis 15. August 1983 wurde der Kläger auf der Grundlage des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte Mittelfranken vom 25. Mai 1983 als Internist zur kassenärztlichen Tätigkeit zugelassen bzw. mit Beschluss der Beteiligungskommission bei der Bezirksstelle Mittelfranken vom 2. Juni 1983 als Internist an der Ersatzkassenpraxis beteiligt. Die kassen- bzw. vertragsärztliche Tätigkeit nahm er am 17. August 1983 auf.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 hat der Kläger den Antrag auf Fortführung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit gestellt. Bei Ausscheiden aus der kassenärztlichen Tätigkeit mit Erreichung der Altersgrenze gehe der Gesetzgeber davon aus, dass für jeden Arzt eine ausreichende Altersversorgung gewährleistet sein müsse. Dies treffe für ihn nicht zu, da er nach Aufgabe seiner kassenärztlichen Tätigkeit Sozialhilfe in Anspruch nehmen müsse. Die Altersschwelle werde zudem nicht einheitlich praktiziert, da andere Ärzte über das 68. Lebensjahr hinaus tätig sein dürften, wenn sie eine 20-jährige Tätigkeit als Kassenarzt noch nicht vollendet hätten.

Der Zulassungsausschuss Ärzte Mittelfranken hat mit Beschluss vom 15. Dezember 1998 den Antrag des Klägers abgelehnt und festgestellt, dass die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit nach Art.33 § 1 des Gesundheitsstrukturgesetzes kraft Gesetzes am 1. Januar 1999 ende. Der Kläger habe am 1. Februar 1998 bereits das 69. Lebensjahr vollendet und nehme seit 3. Juli 1978 als praktischer Arzt bzw. als Internist an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Das Briefkuvert enthält einen Aufdruck mit Glückwünschen für ein frohes Weihnachten und ein gesundes neues Jahr.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Dezember 1998 Widerspruch eingelegt. Der gegenständliche, existenzvernichtende Beschluss sei mit "Frohen Weihnachtswünschen" am 4. Adventswochenende - also zur Unzeit - und unter Verletzung der Feiertagsruhe übermittelt worden. Er leide daher diesbezüglich unter einem besonders schwerwiegendem Fehler. Weiterhin sei die Versagung rechtlichen Gehörs gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz zu rügen, da der Zulassungsausschuss dem Kläger die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen hätte geben müssen. Ein Ausnahmetatbestand ergebe sich auch daraus, dass der Kläger durch eine Straftat schwer geschädigt und hoch verschuldet sei und von den fünf Kindern noch drei Kinder unterhaltsberechtigt und bedürftig seien. Durch den gegenständlichen Beschluss werde daher nicht nur der Kläger, sondern auch drei Kinder und die Ehefrau des Klägers in eine ausweglose Lage gebracht.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1999 hat die zwischenzeitlich bestellte Prozessbevollmächtigte noch auf weitere Mängel des Beschlusses des Zulassungsausschusses hingewiesen. Der Zulassungsausschuss sei mit keinem Wort auf die finanzielle Situation und die Folge der Beendigung für den Kläger und dessen Familie eingegangen, obwohl der Kläger in mehreren Schreiben auf seine Situation hingewiesen habe. Im Rahmen des Ermessens wäre dies jedoch für einen rechtmäßigen Beschluss erforderlich gewesen. Die Regelung des § 95 Abs.7 SGB V in der Fassung des Art.1 Nr.51 GSG sei auf der Grundlage geschaffen worden, dass die ständig steigende Zahl von zugelassenen Ärzten eine wesentliche Ursache für die überhöhten Ausgabenzuwächse in der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Überversorgung sollte nicht ausschließlich durch Zulassungsbeschränkungen eingedämmt werden, die zu Lasten der jungen Ärztegeneration gehe. Die Altersgrenze habe vor dem Bundesverfassungsgericht deshalb Bestand gehabt, da Ärzte in der Regel spätestens mit Vollendung des 68. Lebensjahres über eine ausreichende Altersversorgung verfügen und deshalb keine einschneidenden finanziellen Veränderungen befürchten müssten. Soweit dies nicht der Fall sei, habe der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen, die Zulassung über die Altersgrenze hinaus zu verlängern. Der Gesetzgeber habe nicht gewollt, dass die Existenz der älteren Ärzte vernichtet werde. So aber liege der Fall hier.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 21. Juli 1999 den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte - Mittelfranken - vom 9. Dezember/15. Dezember 1998 zurückgewiesen. Der Zulassungsausschuss habe den Antrag des Klägers mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht abgelehnt. Die Zulassung des Klägers habe mit Ablauf des 31. Dezember 1998 geendet. Nach § 95 Abs.7 Satz 2 und 3 SGB V in der Fassung des GSG vom 21. Dezember 1992, gültig ab 1. Januar 1999, ende am 1. Januar 1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollende. Sei der Vertragsarzt zum Zeitpunkt der Vollendung des 68. Lebensjahres weniger als 20 Jahre als Vertragsarzt tätig und vor dem 1. Januar 1993 bereits als Vertragsarzt zugelassen gewesen, verlängere der Zulassungsausschuss die Zulassung längstens bis zum Ablauf dieser Frist. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in zwei Beschlüssen vom 31. März 1998 - 1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93 - die gesetzliche Regelung auch unter dem Gesichtspunkt geprüft und für verfassungsgemäß erachtet, dass wegen des Gesundheitsschutzes der Versicherten als besonders wichtiges Gemeinschaftsgut die Einführung einer Altersgrenze zulässig gewesen sei. Die gesetzliche Regelung sei zur Sicherung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Vertragsarztes geeignet und erforderlich. Der Gesetzgeber sei im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungspielraums nicht darauf beschränkt, jeweils im Einzelfall ab Vollendung des 68. Lebensjahres eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit vorzunehmen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 25. November 1998 - B 6 KA 4/98 R - auf die BVerfG-Entscheidungen ausdrücklich Bezug genommen. Damit bestehe keine Veranlassung, an der Verfassungsmäßigkeit der Altersbegrenzung zu zweifeln. Die rechtsgültige Regelung des Art.33 § 1 GSG sei aufgrund der Medienberichte seit 1993 bekannt gewesen und jeder Arzt habe davon Kenntnis erlangen können. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns habe nochmals im Frühjahr und Herbst 1998 die von der Altersregelung betroffenen Ärzte auf diese Regelung hingewiesen. Der Zulassungsausschuss habe keine Ermessensentscheidung treffen können, weil es zum einen um die Feststellung einer kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolge gehe, zum anderen um die Prüfung des einzigen gesetzlichen Verlängerungstatbestandes des Art.33 § 1 Satz 2 GSG gegangen sei. Bei Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen hätte ein Rechtsanspruch auf Verlängerung bestanden. Für eine Ermessensentscheidung bestehe kein Raum. Die Zustellung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vor den Weihnachtsfeiertagen stelle keinen besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 40 Abs.1 SGB X dar, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe.

Gegen den am 26. Juli 1999 zugestellten Bescheid des Beklagten hat der Kläger mit Fax vom 26. August 1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Der Kläger sei seit 31. Mai 1978 als Arzt zugelassen. Der Anteil an Privatpatienten betrage lediglich 7 %. Ohne die Kassenpatienten erziele der Kläger derzeit nur noch einen durchschnittlichen monatlichen Umsatz in Höhe von DM 4.000,00, der zum Leben nicht reiche. Die erste Praxis in Nürnberg sei gut gelaufen. Im Jahre 1982 habe ein Unbekannter auf die Fensterscheiben der Praxis des Klägers geschossen und diese zerstört. Der Kläger habe einen schizophrenen Patienten in Verdacht gehabt und beschlossen, die Praxis eines 80-jährigen Arztes in W. zu kaufen. Der Praxiskauf in W. habe sich jedoch als Reinfall herausgestellt. Der Kläger sei daher wieder nach Nürnberg zurückgekehrt und habe seine dritte Praxis gegründet. Mit der Einführung der Beschränkungen durch die gesetzlichen Krankenkassen und die Herausnahme des Naturheilverfahrens wegen der Wirtschaftlichkeitsklausel habe der Kläger erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Der Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte Mittelfranken sei rechtswidrig, verletze den Kläger in seinen Rechten und sei aufzuheben. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG, das entschieden habe, dass Kündigungen zur Unzeit zur Unwirksamkeit der Kündigung führten, sei die Zustellung zur Unzeit ein schwerwiegender Fehler im Sinne des § 40 Abs.1 SGB X, der zur Nichtigkeit des Bescheides führe. Dem Kläger sei das rechtliche Gehör gemäß § 24 SGB X versagt worden. Der Beklagte sei mit keinem Wort darauf eingegangen, ob im vorliegenden Fall ein besonderer Härtefall vorliege, der in irgendeiner Form Berücksichtigung hätte finden müssen. Es sei nicht auf die besondere Situation des Klägers eingegangen worden, stattdessen seien lediglich bekannte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zitiert worden, in denen aber kein Härtefall vorgelegen habe. Die Regelung des Art.33 § 1 GSG sei verfassungswidrig. Dem stünden die beiden Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes aus dem vergangenen Jahr nicht entgegen. Hier sei es nur um die Annahme der Verfassungsbeschwerden gegangen. Die Rechtsfrage sei nach wie vor offen, bis ein Fall tatsächlich in der Sache selbst entschieden sei. Es liege zunächst ein Verstoß gegen Art.12 Abs.1 GG vor. Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass es sich bei der Altersgrenze in erster Linie um eine Konkurrenzschutzregelung zugunsten der jüngeren Ärztegeneration handle und die Altersgrenze der nachrückenden Ärztegeneration Chancen erhalten wolle. Eine solche Konkurrenzschutzregelung sei jedoch nicht zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes erforderlich und auch nicht als überwiegendes Allgemeininteresse zu bewerten. Mit der Frage des Konkurrenzschutzes habe sich das Bundesverfassungsgericht bisher nicht befasst. Vorliegend komme hinzu, dass der Kläger nicht über eine ausreichende Altersversorgung verfüge, wie es der Gesetzgeber vorausgesetzt habe. Da in sämtlichen bisher entschiedenen Fällen die Existenz des Klägers nicht auf dem Spiel gestanden habe, hätten die Richter davon ausgehen können, dass die Grundrechtseinschränkungen durch die Zulassungsbeschränkung für die Betroffenen zumutbar seien. Im vorliegenden Fall drohe jedoch die Vernichtung der Existenz. Deshalb sei eine andere Entscheidung dahingehend gerechtfertigt, dass im vorliegenden Fall die Grundrechtseinschränkung durch die Zulassungsbeschränkung für den Kläger als Ausnahme zu den bisher entschiedenen Fällen nicht zumutbar sei. Auch die Begründung der Rechtmäßigkeit der Altersgrenze für Vertragsärzte damit, dass diese die Gefährdung durch ältere, nicht mehr voll leistungsfähige berufstätige Ärzte eindämme, sei eine Argumentation, die im Hinblick darauf, dass ein Arzt bis zum Ende der Zulassung seine Approbation nicht verliere und Privatpatienten weiterhin behandeln dürfe, sehr schwer nachvollziehbar sei. Es liege auch ein Verstoß nach Art.14 Abs.1 GG vor. Die Entziehung der Kassenarztzulassung bedeute für den Kläger eine Enteignung, für die er keine Entschädigung erhalte, was verfassungswidrig sei. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als solche sei zwar kein Eigentum und könne daher vom Vertragsarzt weder vererbt noch verkauft werden. Bei der Zulassungsgrenze gehe es jedoch um die Vertragsarztpraxis in ihrer Gesamtheit. Die Zivilrechtsprechung anerkenne seit Jahr und Tag einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Eigentum. Der Kläger rüge abschließend, dass das Gesetz für das Ende der Zulassung außer der 20-Jahre-Regelung keine Ausnahme- oder Härtefallregelung vorsehe, was jedoch aufgrund der einschneidenden Wirkung unbedingt erforderlich gewesen wäre. Selbst nach 20-jähriger Kassenarzttätigkeit könne es nämlich, wie der Fall des Klägers zeige, Fälle geben, in denen keine ausreichende Alterssicherung und gesicherte wirtschaftliche Existenz vorhanden sei.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2000 darauf hingewiesen, dass für die Frage, ob eine ausreichende Alterssicherung erzielt werden könne, nicht von den individuellen Verhältnissen des Klägers ausgegangen werden könne. Es sei allein auf die objektivierbare Frage abzustellen, ob in einem Zeitraum von 20 Jahren seitens eines Vertragsarztes eine hinreichende Alterssicherung erzielt werden könne, was aufgrund der versicherungsrechtlichen Vorgaben, z.B. der Ärzteversorgung Bayerns, zu bejahen sei.

Das SG hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2000 den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Das Sozialgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 17. Oktober 2000 die Klage abgewiesen. Nach § 95 Abs.7 Satz 2 SGB V ende ab 1. Januar 1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollende. Diese Voraussetzung treffe auf den am 1. Februar 1929 geborenen Kläger zu. Die Ausnahmeregelungen des Art.33 § 1 Satz 2 GSG bzw. § 95 Abs.7 Satz 3 SGB V erfülle der seit dem 3. Juli 1978 als Internist zur kassen- bzw. vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassene Kläger nicht. Die Zulassung des Klägers ende somit kraft Gesetzes am 1. Januar 1999. Eine Verlängerung des Zulassungsstatus über den 1. Januar 1999 hinaus sei nicht möglich. Für die vom Kläger angestrebte Ausnahmeregelung lasse das Gesetz auch unter Härtegesichtspunkten keinen Raum. Insbesondere könne der Kläger im Hinblick auf seine persönliche finanzielle Situation eine Verlängerung der Zulassung nicht beanspruchen. Der Hinweis auf eine nicht ausreichende Altersversorgung rechtfertige nicht die Fortsetzung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit. Zum einen verfüge der Kläger über ein monatliches Einkommen aus der Bayerischen Ärzteversorgung in Höhe von DM 2000,00, zum anderen würden die 1967 und 1971 geborenen Kinder Gesine und Wolfram - wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung dargelegt habe - in Kürze ihre universitäre Ausbildung beenden. Die Vorschriften über die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit Erreichung der Altersgrenze von 68 Jahren seien auch mit dem Grundgesetz vereinbar (Hinweis auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. März 1998, SozR 3-2500 § 95 SGB V Nr.17; Urteil des BSG vom 25. November 1998, SozR 3-2500 § 95 SGB V Nr.18). Danach seien § 95 Abs.7 Satz 2 SGB V bzw. Art. 33 § 1 Satz 1 GSG mit Art.12 Abs.1 GG, Art.3 Abs.1 GG und Art.14 GG vereinbar (siehe auch Beschluss des BayLSG vom 21. November 1995 - L 12 B 201/95 - NZS 1996, S.93 f).

Gegen das am 8. November 2000 zugestellte Urteil des SG haben die Klägerbevollmächtigten am 8. Dezember 2000 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Sozialgericht verkenne, dass es sich bei dem zitierten Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht um eine Sachentscheidung, sondern nur um einen Nichtannahmebeschluss nach § 31 Abs.2 BVerfGG handle, der keine Gesetzeskraft erlange und nach § 31 Abs.1 BVerfGG die Verfassungsorgane, die Gerichte und Behörden des Bundes und der Länder nicht binde. Der Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG halte einer genauen Überprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der bisherigen Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht stand. Er vertrage sich auch nicht mit den mittlerweile wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen der modernen Gerontologie. Die im Beschluss herangezogenen Fundstellen lassen bei genauerer Betrachtung nicht erkennen, inwiefern eine Zwangspensionierung der kassenärztlichen Ärzteschaft mit 68 Jahren zum Schutz der Allgemeinheit vor großen Gefahren zwingend notwendig sei. Der Beschluss könne sich insbesondere nicht auf das sogenannte "Hebammen-Urteil", BVerfGE 9, 338 bis 354 stützen. Die darin vorgetragene Annahme, dass der Durchschnitt der Berufstätigen im 7. Jahrzehnt des Lebens eine Abnahme der Leistungsfähigkeit erfahre, die einen Einschnitt rechtlicher Art erlaube und unter Umständen fordere, stamme aus dem Jahre 1959 und stehe nicht mehr im Einklang mit den Ergebnissen der gerontologischen Forschung und der Tatsache, dass die Menschen immer länger leben. Lese man das Hebammen-Urteil zu Ende, finde man da eine Stelle, die ganz konkret die Einführung einer Altersgrenze für Ärzte ablehne. Dort heiße es unter anderem, dass es dem bisherigen Berufsbild des Arztes besser entspreche, das Urteil über die Abnahme der Leistungsfähigkeit und die daraus zu ziehenden Folgerungen dem einzelnen Arzt zu belassen und kein verfassungsrechtiches Gebot bestehe, die Altersgrenze des Hebammen-Gesetzes auf die Ärzte zu übertragen oder aber auch für Hebammen wieder zu beseitigen (BVerfGE 9, S.351 ff). Die weiteren von der 2. Kammer in Bezug genommenen Entscheidungen würden ebenfalls die Entscheidung der 2. Kammer nicht stützen. Es liege auch ein Verstoß gegen Art.14 GG vor. Vorliegend habe eine entschädigungslose Enteignung stattgefunden. Schon der BGH (BGHZ 81, 21 ff) habe entschieden, dass der gesetzliche Entzug der Kassenzulassung ein enteignungsgleicher Eingriff sei. Nach dem Grundgesetz müsse aber jede enteignende gesetzliche Bestimmung zugleich Art und Ausmaß der Entschädigung festlegen (Art.14 Abs.3 GG). Dies sei bei der Vorschrift über den Zulassungsentzug für 68-jährige Vertragsärzte nicht der Fall. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der sogenannten "Junktim-Entscheidung" vom 21. Juli 1955 (BVerfGE 4, 219, 233) führe dies aber zur Verfassungswidrigkeit der gesamten enteignenden Vorschrift. Auch ein Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG werde im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unter Bezugnahme auf das Hebammen-Urteil verneint, obwohl ein Vergleich mit dem Hebammen-Urteil vorliegend überhaupt nicht passend sei.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 1. Oktober 2001 wurde mit Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2001 abgelehnt.

Der mit Schreiben vom 1. Oktober 2001 gleichzeitig gestellte Antrag auf Vertagung des Rechtsstreits wurde nach einem Telefonat mit der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 4. Oktober 2001 nicht mehr aufrecht erhalten.

Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17. Oktober 2001 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 21. Juli 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch des Beklagten vom 20. Dezember 1998 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Die Beigeladenen haben den Antrag gestellt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte, die Klageakte, Az.: S 6 Ka 18/99, sowie die Berufungsakte, Az.: L 12 Ka 133/00, zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren übrigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 i.V.m. § 64 Abs.2 und 3 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht Nürnberg hat mit dem angefochtenen Urteil vom 17. Oktober 2000 die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 1999, der allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-2500 § 96 Nr.1 S.5 f), ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beibehaltung seiner vertragsärztlichen Zulassung über den 31. Dezember 1998 hinaus. Da die Ausführungen des SG vom Ergebnis und vom Lösungsweg her zutreffend sind, wird insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Urteils des SG verwiesen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich das BSG nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils noch zweimal mit der Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenze von 68 Jahren befasst und diese wiederum bejaht hat (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2000, B 6 KA 65/00 R, SozR 3-2500 § 95 Nr.26 betreffend Psychologische Psychotherapeuten und BSG, Urteil vom 12. September 2001, B 6 KA 45/00 R). Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 8. November 2000 wurde vom BVerfG abermals nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, 1. Senat, 2. Kammer vom 18. Mai 2001 - 1 BvR 522/01). Auch der erkennende Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2000, L 12 KA 49/99 und Beschluss vom 31. August 2001, L 12 KA 11/01) von der Verfassungsmäßigkeit der streitgegenständlichen Altersgrenze von 68 Jahren aus. Insbesondere besteht kein Raum für weitere Ausnahmeregelungen von der Altersgrenze von 68 Jahren aus Härtegesichtspunkten, wie sie der Kläger für sich anstrebt. Das Fehlen einer allgemeinen Härteregelung bei der Altersgrenze stellt keine ausfüllungfähige oder ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke dar, sondern entspricht der Absicht des Gesetzgebers. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, der eine Ausnahme von der gesetzlichen Beendigung der Zulassung nur für solche Ärzte vorsieht, die vor dem maßgeblichen Stichtag noch nicht 20 Jahre vertragsärztlich tätig gewesen sind. Wenn der Gesetzgeber lediglich einen Ausnahmetatbestand regelt und darüber hinaus auf eine allgemeine Härteklausel verzichtet, ist die Folgerung zwingend, dass über den ausdrücklich geregelten Ausnahmetatbestand hinaus die gesetzliche Grundregel auf alle Betroffenen anzuwenden ist. Die von Klägerseite gerügten Verstösse gegen Art.3, 12 und 14 GG liegen in Übereinstimmung mit der genannten Rechtsprechung nicht vor. Neue verfassungsrechtlich relevante Gesichtspunkte wurden im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Die einzige Ausnahmevorschrift zur Altersgrenze von 68 Jahren gemäß Art.33 § 1 Satz 2 GSG erfüllt der Kläger unstreitig nicht, weil er bereits vor dem 1. Januar 1993 zugelassen und insgesamt mehr als 20 Jahre (nämlich 20 Jahre, 5 Monate, 28 Tage) vertragsärztlich tätig war.

Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1, 4 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren erfolglos blieb. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG sind im Hinblick auf die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundessozialgerichtes nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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