L 14 KG 30/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 Kg 44/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KG 30/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13. März 1995 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. August 1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 1994 und des Teilvergleichs vom 13. März 1995, soweit er die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung ab Januar 1987 und die sich daraus ergebende Rückforderung des noch im Streit stehenden Teilbetrages von DM 1.850,00 betrifft, werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist unter den Beteiligten die Aufhebung einer Kindergeldbewilligung für den Zeitraum von Januar 1987 bis einschließlich Mai 1993 und die Rückforderung der dadurch entstandenen Überzahlung in Höhe eines Teilbetrages von DM 1.850,00.

Die 1962 geborene Klägerin bezog bis Mai 1993 von der Beklagten (Arbeitsamt Kassel) Kindergeld für ihre am 20.03.1981 geborene Tochter Desiree. Sie hatte bei der Antragstellung im Jahr 1981 unterschrieben, das "Merkblatt über Kindergeld" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie mit dem Vater des Kindes in einem gemeinsamen Haushalt. In der Folgezeit trennten sich beide, die Klägerin wechselte mehrfach ihre Anschrift. Sie durchlief zwischen 1983 und 1986 eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin. Im Januar 1986 übersandte ihr die Beklagte laut Kindergeldakte die "Unterlagen über Kindergeld" an deren vom Einwohnermeldeamt erfragte Anschrift M. in K. , die nicht in Rücklauf kamen. Spätestens im Dezember 1986 verzog die Klägerin mit ihrer Tochter nach Portugal, nachdem sich beide bereits zuvor, offenbar zunächst besuchsweise, dort aufgehalten hatten. Der Beklagten hatte sie zuletzt im Juli 1986 unter Angabe der Adresse L.straße lediglich eine neue Bankverbindung in Kassel mitgeteilt.

Die Beklagte überwies in der Folgezeit fortlaufend Kindergeld auf dieses neue Konto. Sie erfuhr im Mai 1993 durch Datenabgleich, dass die zuletzt in K. , L.straße, gemeldete Klägerin bereits am 10.06.1992 durch das dortige Einwohnermeldeamt von Amts wegen abgemeldet worden sei. Eine Rücksprache mit dem Jugendamt der Stadt K. ergab, dass der Vater des Kindes Desiree im November 1992 von dem angeblich im Oktober 1992 erfolgten Umzug der Klägerin mit dem Kind nach Portugal Mitteilung gemacht hatte, dass aber nach den dortigen Aktenunterlagen dieser Umzug bereits 1986 erfolgt sei.

Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung des Kindergeldes ein und veranlasste den Rückruf der auf dem Konto der Klägerin noch vorhandenen Kindergeldbeträge für Dezember 1992 bis Mai 1993 in Höhe von DM 420,00.

Ohne vorherige Anhörung der Klägerin hob sie mit Bescheid vom 23.08.1993 die Bewilligung des Kindergeldes für Desiree unter Bezugnahme auf §§ 1 Abs.1 Nr.1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), 48 Abs.1 Nr.2, 50 Abs.1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend ab Juni 1986 "und für die Zukunft ab Mai 1993" auf und forderte die in der Zeit von Juni 1986 bis April 1993 gezahlten Beträge in Höhe von zusammen DM 4.470,00 (67 Monate à DM 50,00, 16 Monate à DM 70,00) zurück. Lediglich auf der Rückseite des Bescheides war vermerkt, dass sich die Forderung um den zurückgerufenen Betrag von DM 420,00 auf insgesamt DM 4.050,00 mindere. Zur Begründung hieß es, die Klägerin sei nach den vorliegenden Unterlagen im Mai 1986 nach Portugal verzogen und habe damit keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe damit nicht; es lägen keine besonderen Umstände vor, die der rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung des Kindergeldes entgegenständen, ein "Ausnahmefall im Sinne des SGB X" sei nicht gegeben.

Mit ihrem Widerspruch berief sich die Klägerin darauf, dass sie erst im Dezember 1986 endgültig nach Portugal verzogen sei, aber weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland besitze, und sich erst vor kurzem entschlossen habe, in Portugal zu bleiben. Ferner machte sie völlige Mittellosigkeit nach dem Zerbrechen einer Partnerschaft in Portugal geltend sowie Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften über Mitteilungspflichten in Bezug auf das Kindergeld, das seinerzeit der Kindesvater beantragt habe. Zudem habe das Jugendamt der Stadt K. , über das sie Unterhalt vom Kindesvater erhalten habe, Kenntnis von ihrem Wohnort gehabt; der halbe Kindergeldanteil sei bei der Höhe der Unterhaltszahlungen des Vaters über das Jugendamt berücksichtigt worden. Es sei ihr nicht bekannt gewesen, dass sie weitere Behörden hätte benachrichtigen müssen.

Nach einer Besprechung der Sach- und Rechtslage anlässlich der persönlichen Vorsprache des Bevollmächtigten der Klägerin änderte die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.1994 den Bescheid vom 23.08.1993 dahingehend ab, dass die Bewilligung des Kindergeldes erst ab Januar 1987 aufgehoben und der Erstattungsbetrag auf DM 4.170,00 (Vermerk: richtig DM 4.120,00) - unter Außerachtlassung der zurückgerufenen DM 420,00 - festgesetzt wurde; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Klägerin sei durch das Merkblatt über Kindergeld, dessen Erhalt und Kenntnisnahme sie durch Unterschrift bestätigt habe, darüber unterrichtet gewesen, dass der Anspruch auf Kindergeld u.a. vom Wohnsitz des Berechtigten abhängig sei. Ihrer Verpflichtung, den Umzug ins Ausland zu melden, sei sie grob fahrlässig nicht nachgekommen. Auch habe sie aufgrund des Merkblattes gewusst, dass bei einem Umzug ins Ausland grundsätzlich ein Anspruch auf Kindergeld nicht mehr bestehe. Die Entscheidung über die Bewilligung des Kindergeldes sei daher gemäß § 48 Abs.1 Nrn.2 und 4 SGB X ab Januar 1987 aufzuheben gewesen. Für das Vorliegen eines atypischen Falles ergäben sich keine Anhaltspunkte.

Mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) wandte sich die Klägerin gegen die Aufhebung des Kindergeldes für die Vergangenheit sowie gegen die Rückforderung und brachte u.a. vor, sie habe bis zu ihrer Zwangsabmeldung im Mai 1993 ausschließlich über einen deutschen Wohnsitz verfügt, in Portugal habe sie erst Ende 1993 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, vorher habe sie sich quasi illegal dort aufgehalten. Eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten könne ihr daher nicht vorgeworfen werden. Auch könne sie sich an die seinerzeitige Kindergeldantragstellung und an ein Merkblatt über Kindergeld nicht erinnern. Es sei vermutlich beim Vater des Kindes verblieben, in dessen Obhut sich Desiree bis etwa 1983 befunden habe, da sie selber mit der damaligen Situation überfordert gewesen sei und das Kind, das auch den Namen des Vaters trage, nicht selbst betreut habe. Von dem später erfolgten Umzug nach Portugal habe das Jugendamt der Stadt K. von Anfang an Kenntnis gehabt. Sie selber sei davon ausgegangen, dass alles seine Ordnung habe. Sie habe auch später angenommen, dass das Jugendamt den Unterhalt des Vaters und das Kindergeld zusammen in einem Betrag an sie überwiesen habe, zumal das staatliche Kindergeld zur Hälfte auf die Unterhaltszahlungen des Vaters angerechnet worden sei. Im Übrigen könne der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht mit dem Nichtbeachten eines vor langer Zeit übersandten umfangreichen Merkblattes begründet werden. Sie habe seinerzeit nicht an einen Verzug ins Ausland gedacht und sich später an für sie uninteressante Einzelheiten des Merkblatts nicht mehr erinnern können. Die Beklagte müsse daher in regelmäßigen Abständen auf die sich aus dem Kindergeldbezug ergebenden Verpflichtungen hinweisen. Ein weiteres Merkblatt im Herbst 1985 habe sie möglicherweise gar nicht erhalten, da sie zu dieser Zeit umgezogen sei. Ferner führte die Klägerin an, eine andere Stelle der Beklagten, nämlich die Kindergeldstelle des Arbeitsamts Mayen, habe seit 1986/87 von ihrem Aufenthalt in Portugal Kenntnis gehabt, wie sich aus der dort geführten Kindergeldakte ihres Vaters ergebe. Ähnliches sei der vom Arbeitsamt Kassel unter der Stammnummer 31286 geführten BAB-Sache zu entnehmen. Im Übrigen sei sie ohne regelmäßige Einkünfte. Sie beziehe neben dem Unterhalt für Desiree von derzeit DM 420,00 durchschnittlich bis zu DM 600,00 aus Gelegenheitsarbeiten.

Die Beklagte verwies demgegenüber u.a. darauf, dass die Klägerin seinerzeit bei der durch sie selbst erfolgten Antragstellung durch Erhalt des Merkblatts über Kindergeld über die Anspruchsvoraussetzungen informiert und auch auf die Mitteilungspflichten hingewiesen worden sei, ferner dass sie im Herbst 1985 ein weiteres Merkblatt zugesandt bekommen habe. Auch habe sie zweimal der Beklagten ihre Kontonummer bekannt gegeben.

Das SG hielt beim Vater des Kindes Desiree Rückfragen über den Bezug von Kindergeld in dem Zeitraum von Januar 1987 bis April 1993 sowie über dessen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in diesem Zeitraum und riet ihm, selbst Antrag auf Kindergeld zu stellen. Es zog bei die Kindergeldakte des Josef Schwall (Vater der Klägerin) beim Arbeitsamt Mayen (Az.: III 124-Kg Nr.12851/531, daraus ersichtlich: Die Klägerin bekam während ihrer Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin das ihrem Vater für sie zustehende Kindergeld selbst ausbezahlt; sie fragte im November 1985 unter der Adresse Liebigstraße 10 an, warum ihr seit Juli 1985 kein Kindergeld ausbezahlt worden sei; im Juli 1986 gab sie an, ein Schreiben des Amtes von April 1986 nicht erhalten zu haben) sowie die Akten des Jugendamtes der Stadt Kassel betreffend das Kind Desiree (daraus ersichtlich: Ausreise der Klägerin nach Portugal im Sommer 1986, Unterhaltszahlungen über das Jugendamt unter Abzug des halben Kindergeld-Anteils). Es ermittelte am Wohnsitz der Klägerin in Portugal, dass dort keine portugiesischen Familienleistungen von der Klägerin beantragt oder bezogen worden waren. Mit Beschluss vom 01.03.1995 gewährte es der Klägerin auf deren Antrag Prozesskostenhilfe.

Offenbar im Hinblick auf den um den halben Kindergeldanteil niedrigeren Unterhalt des Vaters für das Kind Desiree erklärte sich die Beklagte bereit, "im Vergleichswege auf die Hälfte der Erstattungsforderung zu verzichten". Dieses Angebot nahm der Bevollmächtigte der Klägerin unter Hinweis auf den bereits zurückgeflossenen Betrag von DM 420,00 in der mündlichen Verhandlung an. Das SG wies darauf hin, dass damit nurmehr DM 1.850,00 im Streit seien. Die danach noch auf Aufhebung der Kindergeldbewilligung ab Januar 1987 und gegen die Rückforderung des Teilbetrages von DM 1.850,00 gerichtete Klage wies es mit Urteil vom 13.03.1995 ab und verurteilte die Beklagte zur Erstattung von sieben Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Das SG bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X. Die Klägerin habe ihre Pflicht zur Mitteilung des Umzugs ins Ausland grob fahrlässig verletzt. Sie habe naheliegende und einfache Überlegungen nicht angestellt, obwohl sie aufgrund ihrer Vorbildung und Fähigkeiten über hinreichende Urteils- und Kritikfähigkeit sowie Einsichtsvermögen verfügt habe. Sie sei auch durch das 1981 erhaltene Merkblatt auf den Entfall des Kindergeldes bei Verzug ins Ausland und auf ihre Pflichten hingewiesen worden. Sie habe der Beklagten auch vor ihrem Umzug die Änderung ihrer Bankverbindung bekannt gegeben. Es könne dahinstehen, ob sie dabei an einen fortbestehenden Kindergeldanspruch geglaubt habe, da dies nur für die Aufhebung der Kindergeldbewilligung nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X von Bedeutung sei, nicht aber für § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X, wonach nur die Verletzung der Pflicht zur Mitteilung von Umständen vorausgesetzt werde, die eine Änderung des Kindergeldanspruchs bewirken könnten. Dabei werde nicht eine rechtliche Wertung, sondern nur die tatsächliche Handlung abverlangt. Weiter vertrat das SG die Auffassung, die Beklagte habe aufgrund dieser Sachlage die frühere Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit aufheben dürfen und dabei zumindest teilweise, nämlich bezüglich der nach Abschluss des Teilvergleichs noch verbliebenen Forderung kein Ermessen ausüben müssen, da ihr eigenes Verschulden (Untätigkeit trotz Kenntnis des Umzugs) nicht anzulasten sei. Die für die Zahlung des Kindergeldes für Desiree zuständige Kindergeldkasse beim Arbeitsamt Kassel sei eine eigenständige Einheit und müsse sich nicht die Kenntnisse von Sachbearbeitern des Arbeitsamts Mayen, der BAB-Stelle des Arbeitsamts Kassel, oder des Jugendamts der Stadt Kassel zurechnen lassen. Es komme insoweit allein auf die Kenntnis der nach der Geschäftsverteilung des Leistungsträgers zuständigen Stelle an. Bezüglich der durch Teilverzicht betroffenen Summe von DM 1.850,00 sei zwar grundsätzlich eine Ermessensentscheidung notwendig gewesen, da die Klägerin bei "korrektem Leistungsvollzug" kein Kindergeld, dafür aber einen höheren Unterhaltsbetrag für ihre Tochter bekommen hätte. Das Fehlen von Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid/Widerspruchsbescheid habe aber nach Abschluss des Teilvergleichs in der mündlichen Verhandlung keine Bedeutung mehr. Die Rückforderung des Restbetrages sei nach § 50 Abs.1 SGB X zu Recht erfolgt.

Im Berufungsverfahren verfolgt die Klägerin ihr auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids bezüglich der Aufhebung der Kindergeldbewilligung für die Vergangenheit und bezüglich der noch geltend gemachten Rückforderung gerichtetes Begehren weiter; sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Es sei für sie weiterhin nicht nachvollziehbar, die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt zu haben, zumal sie an der Kindergeldberechtigung für ein im Ausland lebendes deutsches Kind nicht gezweifelt habe und das Jugendamt alle Unterhaltsfragen einschließlich der Anrechnung von Kindergeld für sie geregelt habe. In Anbetracht aller dieser Umstände hätten zumindest die Voraussetzungen für einen atypischen Fall mit der Notwendigkeit von Ermessensausübung vorgelegen, was auch daraus zu ersehen sei, dass der Kindesvater einen Kindergeldanspruch gehabt hätte oder die Klägerin in Portugal einen Anspruch auf portugiesisches Kindergeld hätte stellen können. Das Rückzahlungsbegehren der Beklagten sei unter diesen Umständen unbillig.

Nach der Rückkehr der Klägerin nach Deutschland wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten in Portugal hat der Senat mit Beschluss vom 10.12.2001 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid der Beklagten vom 23.08.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.1994 sowie in der Gestalt des Teilvergleichs vom 13.03.1995, soweit er die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung ab Januar 1987 und die Rückforderung des noch streitigen Betrages von DM 1.850,00 betrifft, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zur Entscheidung neben den Kindergeldakten der Beklagten betreffend das Kind Desiree die Kindergeldakte des Vaters der Klägerin beim Arbeitsamt Mayen sowie die Akte des Jugendamts der Stadt Kassel zur Entscheidung beigezogen. Auf diese wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), sie erweist sich auch als begründet.

Das angefochtene Urteil war ebenso wie der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides und des Teilvergleichs vom 13.03.1995 aufzuheben. Entgegen der Auffasssung des Erstgerichts war die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung für die Zeit vom 01.01.1987 bis Mai 1993 (bzw. richtigerweise bis September 1993) nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nrn.2 und 4 SGB X und die sich daraus ergebende Rückforderung der errechneten Überzahlung, derzeit noch in Höhe von DM 1.850,00, rechtswidrig.

Nach § 48 Abs.1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1 ... 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3 ... 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen ist oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Senats nicht vor.

1) Es ist zwar durch den Verzug der Klägerin nach Portugal spätestens im Dezember 1986 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei der Kindergeldbewilligung im Jahre 1981 vorgelegen haben, eingetreten. Nunmehr bestand kein Anspruch mehr auf das innerstaatliche Kindergeld nach dem BKGG, das den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindergeldberechtigten und des Kindes im Inland voraussetzt. Die Klägerin hatte - unabhängig von einer fortbestehenden formellen Meldung an ihrem alten Wohnort - ab diesem Zeitpunkt weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 1 Abs.1 Nr.1 BKGG a.F. im Geltungsbereich dieses Gesetzes, denn sie hatte hier keine Wohnung mehr "unter Umständen inne, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und nutzen wird"; auch hielt sie sich hier nicht unter Umständen auf, "die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt" (vgl. § 30 Abs.3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -). Das gleiche galt für das Kind Desiree, das mit ihr nach Portugal verzogen war.

Die Klägerin hatte auch unstreitig eine auf § 60 Abs.1 Nr.2 SGB I begründete Pflicht zur Mitteilung der Wohnsitzverlegung gegenüber der Beklagten. Nach dieser Vorschrift musste sie Änderungen in den Verhältnissen, die entweder für die Leistung erheblich sind oder über die sie im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben hatte, unverzüglich der Behörde mitteilen. Dabei musste sie selbst keine rechtliche Wertung über die Auswirkungen der Änderung auf den Kindergeldanspruch vornehmen. Sie hatte lediglich die Änderung von Tatsachen mitzuteilen, die früher von ihr angegeben worden waren und zur Begründung eines Anspruchs beigetragen haben konnten, damit der Leistungsträger in die Lage versetzt wird, eine Überprüfung vorzunehmen bzw. einzuleiten. Die Mitteilungspflicht entfiel auch nicht deshalb, weil die Änderung einer anderen Behörde (hier: Jugendamt) oder anderen Entscheidungsstellen der Beklagten (BAB-Stelle, Kindergeldstelle des Arbeitsamts Mayern), nicht aber der Kindergeldkasse, bekannt war.

Ihrer Mitteilungspflicht ist die Klägerin nicht - jedenfalls nicht nachweisbar - nachgekommen, obwohl sie bei Antragstellung im Jahre 1981 ein Merkblatt mit den Einzelheiten der Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs erhalten und seine Kenntnisnahme durch Unterschrift schriftlich bestätigt hatte. Vom Erhalt eines weiteren Merkblatts im Herbst 1985 bzw. 1986 ist nach Aktenlage nicht zweifelsfrei auszugehen. Die in Frage stehenden "Unterlagen über Kindergeld" wurden nämlich seinerzeit an eine Adresse geschickt, unter der die Klägerin seit längerem nicht mehr wohnhaft war.

Grundsätzlich hätte die Klägerin allein aufgrund des Erhalts des ersten Merkblatts wissen müssen, dass der Kindergeldanspruch vom Wohnsitz abhängig war und dass sie diesbezügliche Änderungen anzuzeigen hatte. Das von § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X diesbezüglich vorausgesetzte Vorliegen grober Fahrlässigkeit, also der Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonderes schwerem Maße (vgl. §§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3, 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X) lag nach Auffassung des Senats aber nicht vor. Der Versicherte muss dazu unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigenden Ausmaß verletzt haben. Bei der Beurteilung sind alle Umstände, insbesondere die Persönlichkeit des Betroffenen und sein Verhalten zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff). Eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung ist dann gegeben, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. u.a. BSG in BSGE 42, 184 ff. m.w.N.). Im Allgemeinen begründet die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses so abgefasst war, dass der Begünstigte seinen Inhalt ohne Weiteres erkennen konnte und die Aushändigung noch nicht zu lange zurücklag (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, § 45 Anm.24 m.w.N.). Im vorliegenden Fall treffen diese Bedingungen nicht zu; die von der Klägerin aufgezeigten Umstände sprechen gegen das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit. Dass ihr die Mitteilungspflicht ohne weitere Überlegungen hätte klar sein müssen (vgl. BSG SozR 4100 § 152 Nr.10), lässt sich nicht feststellen. Eine konkrete unmissverständliche Belehrung darüber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Umzug war nicht erfolgt. Der Erhalt des einzig nachweislich zugegangenen Merkblatts lag im Jahre 1986 mehr als fünf Jahre zurück. Es ist glaubhaft, dass die Klägerin nach mehrfachen Umzügen und den dargelegten Umständen in ihren persönlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Umzugs nach Portugal nicht mehr im Besitz des Merkblatts war und sich an Einzelheiten seines umfangreichen Inhalts bzw. an die mit der Kindergeldberechtigung verbundenen Rechte und Pflichten nicht mehr erinnerte. Auch die Tatsache, dass sie 1986 ihre Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin abschließen konnte, ändert daran nichts.

2) Soweit die Beklagte die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung in ihrem Widerspruchsbescheid auch darauf stützt, die Klägerin habe gewusst oder nur grob fahrlässig nicht gewusst, dass der Kindergeldanspruch aufgrund ihres Umzugs ins Ausland weggefallen sei, könnte hierfür sprechen, dass sie der Beklagten Mitte 1986 unter der letzten Adresse möglicherweise bewusst lediglich eine neue Bankverbindung mitteilte und die formelle Meldung eines Wohnsitzes in Deutschland für sich und auch für ihr Kind möglicherweise zum Schein aufrecht erhielt. Die positive Feststellung einer - von ihr bestrittenen - Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der weiteren Kindergeldberechtigung ist nach den gesamten Umständen aber nicht möglich, zumal die Klägerin angibt, an den Fortbestand des Kindergeldanspruchs für ihr deutsches Kind auch bei Aufenthalt im Ausland geglaubt zu haben, und darauf verweist, dass eine andere amtliche Stelle (das Jugendamt) den auf den Vater entfallenden hälftigen Kindergeldbetrag auf den von diesem zu leistenden monatlichen Unterhalt angerechnet habe, und damit ebenfalls von einer entsprechenden Leistungsberechtigung ausgegangen sei.

Zudem war die auf Kenntnis bzw. grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des Kennenmüssens des weggefallenen Kindergeldanspruchs gestützte rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung - selbst wenn man das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X unterstellt - jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil es insoweit an der gemäß § 24 Abs.1 SGB X erforderlichen Anhörung fehlte und dieser Formfehler - anders als bei der auf § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X gestützten Bewilligungsaufhebung - nicht als im Widerspruchsverfahren geheilt angesehen werden kann. Der Aufhebungsbescheid vom 23.08.1993, der ohne jegliche Anhörung ergangen war, war allein auf Nr.2 gestützt. Die Klägerin hat mit ihrem Widerspruch dazu ausführlich Stellung genommen, auch hat eine mündliche Vorsprache ihres Bevollmächtigten bei der Beklagten stattgefunden; soweit erkennbar, bezogen sich die Einlassungen aber immer nur auf den Wegfall der Kindergeldberechtigung wegen des Umzugs und den Vorwurf der unterlassenen Mitteilung, nicht aber direkt auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Wegfalls der Kindergeldberechtigung. Eine Nachholung der unterbliebenen Anhörung bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der zweiten Gerichtsinstanz ist erst seit einer Gesetzesänderung ab 01.01.2001 (§ 41 Abs.2 n.F.) möglich. Sie ist seit dieser Zeit aber nicht erfolgt.

3) Schließlich war die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung vor allem aber deshalb fehlerhaft und aufzuheben, weil die im Rahmen des § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X erforderliche Ermessensausübung nicht getroffen wurde. § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X schreibt die Aufhebung des Verwaltungsakts nur für die Zukunft zwingend vor, bei der Aufhebung für die Vergangenheit darf die Behörde in besonderen Ausnahmefällen, die insbesondere im Hinblick auf die sich aus § 50 Abs.1 SGB X ergebende Erstattungspflicht als unbillige Härte empfunden werden müssen, von einer rückwirkenden Aufhebung absehen. Die Frage, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, fällt nicht in den Ermessensbereich der Verwaltung, sondern ist als Rechtsvoraussetzung von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Erstgerichts lag bei der Klägerin insgesamt ein atypischer Fall vor, der bei der rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldbewilligung zu einer Ermessensentscheidung verpflichtet hätte. Eine solche Fallgestaltung ist gegeben, wenn der Einzelfall aufgrund seiner Umstände von dem Regelfall der Tatbestände nach Abs.1 Satz 2, die die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen, signifikant abweicht, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Leistungsempfänger durch die Rückzahlungspflicht nach § 50 Abs.1 SGB X in besondere Bedrängnis gerät. Die mit jeder Rückforderung verbundene Härte reicht dabei nicht aus, einen atypischen Fall anzunehmen, wohl aber eine nach Lage des Falles durch die Pflicht zur Erstattung sich ergebende unbillige Härte, die den Versicherten untypischerweise stärker belastet als den im Normalfall Betroffenen (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr.30, BSG SozR 1300 § 48 Nrn.44 und 53, BSG SozR 4100 § 103 Nr.47). Im Rahmen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X ist z.B. dann ein atypischer Fall angenommen worden, wenn die erbrachten Leistungen einem Dritten zufließen und der Adressat des Bewilligungsbescheides tatsächlich nicht mehr Anspruchsinhaber ist (LSG Rheinland-Pfalz vom 26.03.1991, Breithaupt 1992, 147).

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend ein atypischer Fall zu bejahen. Zwar hätte die Klägerin durch rechtzeitige Mitteilung ihres Umzugs die Fortzahlung des ihr nicht mehr zustehenden Kindergeldes verhindern können. Sie hat den fortlaufenden Kindergeldbezug auch allein verursacht, ein mitwirkendes Fehlverhalten auf Seiten der Beklagten liegt nicht vor. Ein solches Mitverschulden, etwa bedingt durch Untätigkeit nach mündlicher Mitteilung des Umzugs durch die Klägerin, ist nach dem Sachverhalt nicht wahrscheinlich. Dennnoch begründen die weiteren Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Ausnahmefalles. Die Besonderheit besteht hier darin, dass der Klägerin trotz der Auszahlung des vollen Kindergeldes durch die Beklagte an sie dieses durch Anrechnung auf den vom Vater des Kindes gezahlten Unterhalt letztlich nur zur Hälfte zugeflossen ist, während die andere Hälfte somit mittelbar dem nach ihrem Umzug ins Ausland eigentlich materiell-rechtlich leistungsberechtigten Kindsvater zugekommen ist. Dieser hätte im streitigen Zeitraum gemäß § 2 Abs.2 BKGG a.F., Art.73 VO (EWG) Nr.1408/71 als Arbeitnehmer in Deutschland für seine in Portugal lebende Tochter Anspruch auf Kindergeld gehabt, und zwar selbst dann - zumindest in Form eines Anspruchs auf einen Unterschiedsbetrag -, wenn die Klägerin schon ab 1987 in Portugal erwerbstätig gewesen wäre und damit einen vorrangigen Anspruch auf dortige (wesentlich niedrigere) Familienleistungen (im Jahre 1988 je Kind 1.000 Esc, d.h. ca. DM 11,80, von einer Beschäftigung abhängig) gehabt hätte - was aber nach dem Sachverhalt eher nicht der Fall war: Gelegenheitsarbeiten der Klägerin ergeben sich aus den Aktenunterlagen bisher nur für die Zeit etwa ab oder nach 1993, möglicherweise in Zusammenhang mit dem von der Klägerin angegebenen Zerbrechen einer Partnerschaft; Familienleistungen wurden jedenfalls in Portugal weder gezahlt noch beantragt, was selbst im Falle einer Leistungsberechtigung in der Zeit vor dem 01.05.1990 zur Folge hatte, dass mangels tatsächlichen Bezugs im Wohnland im Bundesgebiet Anspruch auf ungekürztes Kindergeld bestand, während es für die Zeit ab 01.05.1990 bei fehlender Antragstellung im Wohnland (trotz Berechtigung zum Leistungsbezug) im Ermessen des Leistungsträgers des Beschäftigungsstaates stand, ob er ungekürzte Leistungen gewähren oder seine Leistungen insoweit aussetzen wollte, als ob im Wohnland Leistungen gewahrt würden (Änderung des Art.76 VO (EWG) 1408/71 ab 01.05. 1990; vgl. hierzu Nomos, Komm. zum Europäischen Sozialrecht, I.76 Anm.2ff).

Die Klägerin hat nach alledem in Höhe des dem Vater zuzurechnenden Kindergeldanteils einen finanziellen Nutzen nicht gehabt. Die volle Rückforderung bedeutete für sie eine besondere Härte, die sie im Verhältnis zu einem im Normalfall von einer Aufhebung nach § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X Betroffenen jedenfalls stärker belastete. Auch ist davon auszugehen, dass das Kindergeld Desiree zugute gekommen ist und die Beklagte durch die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldbewilligung und die Rückforderung letztlich Kindergeld erspart hat, das bei ordnungsgemäßem Verlauf an den Kindsvater hätte ausbezahlt werden müssen.

Aufgrund dieser besonderen Umstände war eine vom Normalfall abweichende Fallgestaltung anzunehmen. Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides stand damit im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten. Weil diese von dem ihr obliegenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat, sondern vielmehr irrtümlich von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Die Fehlerhaftigkeit des Bescheides konnte auch nicht gemäß § 41 Abs.2 SGB X durch Nachschieben von Ermessensgründen geheilt werden, wie dies möglicherweise in dem in erster Instanz erklärten Verzicht auf die hälftige Rückforderung zu sehen ist. Ein Nachschieben von Gründen ist zwar nach der neuen Fassung des § 41 Abs.2 SGB X ab 01.01.2001 selbst bei Ermessensentscheidungen grundsätzlich möglich. Dies gilt aber nicht, wenn ersichtlich kein Ermessen ausgeübt wurde, also eine gebundene Entscheidung vorliegt, da eine Ermessensentscheidung gegenüber der gebundenen Entscheidung materiell-rechtlich ein aliud ist (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage § 41 Anm.6).

Im Übrigen ist die Auffassung des Erstgerichts, die Beklagte habe die Kindergeldbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise, nämlich jeweils monatlich zur Hälfte, aufheben dürfen und sei insoweit zu einer Ermessensausübung nicht verpflichtet gewesen, nicht haltbar. Im Falle des Vorliegens eines atypischen Falles ist grundsätzlich bezüglich der rückwirkenden Aufhebung einer Bewilligung (nicht teilbares) Ermessen auszuüben. Erst das Ergebnis dieser Ermessensprüfung kann der Verzicht auf einen Teil der Rückforderung sein.

Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides führt zu seiner (vollständigen) Aufhebung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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