Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KN 17/99 U
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 KN 1/00 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 1.1.1992 zu gewähren.
Der am ...1929 geborene Ehemann der Klägerin, ... Sch. - stellte im August 1985 bzw. am 05.09.1985 beim Versicherungsamt der Stadt Nürnberg einen Antrag auf Sozialleistungen gerichtet an die Landesversicherungsanstalt Oberfranken-Mittelfranken - LVA -, die Bundesknapp- schaft und an die Beklagte. Er machte geltend, er habe als Rumäniendeutscher zwischen 1945 und 1949 in der früheren UdSSR in einer Eisenerzgrube Zwangsarbeit leisten müssen; dabei habe er sich ein schweres Lungenleiden zugezogen. Er beantragte eine Silico-Tuberkulose als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er lebte bis August 1985 in Rumänien und verlegte dann seinen Wohnsitz nach Nürnberg. Er gab an, er habe seit 1970 vom Versorgungsamt Gelsenkirchen eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - erhalten und besitze den Bundesvertriebenenausweise A.
Am 17.10.1985 wandte sich die Beklagte an das Versorgungsamt Nürnberg und übersandte den Vorgang mit der Bitte, die weitere Bearbeitung zu übernehmen. Ihre Zuständigkeit sei nicht gegeben, zumal der Kläger bereits vom Versorgungsamt Gelsenkirchen Kriegsbeschädigtenrente erhalten habe. Der Kläger sei von der Aktenabgabe benachrichtigt worden. Eine Durchschrift dieses Schreibens übersandte sie Sch. am 17.10.1985.
Am 08.06.1994 forderte die Beklagte vom Versorgungsamt Nürnberg dessen Akten zur Durchführung eines Festellungsverfahrens im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - im Urteil vom 17.03.1993 (Aktenzeichen 8 RKnU 1/91) zu den sogenannten "Internierungsfällen". Aus Kopien der Akten des Versorgungsamtes Gelsenkirchen ist der Antrag des Sch. vom 03.06.1970 sowie Unterlagen über seitdem erbrachte Leistungen enthalten. Mit Bescheid vom 01.04.1986 gewährte das Versorgungsamt Nürnberg Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 vH wegen einer Silico-Tuberkulose mit Rechtsherzüberlastung als Schädigung i. S. des BVG. Sch. verstarb am 18.11.1986 nach den Feststellungen des Versorgungsamtes an den Folgen der anerkannten Schädigung. Auf den Antrag der Klägerin vom 24.11.1996 gewährte das Versorgungsamt Witwenrente nach § 40 BVG.
Am 31.08.1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie prüfe, ob eine ihre Leistungspflicht begründende Berufskrankheit vorliege und erbitte weitere Unterlagen über das Beschäftigungsverhältnis des Sch. in der UdSSR. Die Klägerin legte verschiedene Unterlagen aus Rumänien vor. Sie gab an, während der Zwangsarbeit in der UdSSR vom 15.02.1945 bis 10.10.1949 habe Sch. unter Bewachung gestanden und lediglich Unterkunft, Essen und Kleidung, jedoch kein Entgelt, erhalten. Mit Bescheid vom 06.04.1995 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen aus Anlaß des Todes von Sch. ab, weil dieser im Gefährdungszeitsraum nicht in einem freien Arbeitsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung beschäftigt gewesen sei. Auch nach Überprüfung anhand des Urteils des BSG vom 17.03.1993 ergebe sich kein Anspruch. Der Bescheid wurde bindend.
In einem Aktenvermerk vom 10.05.1996 hielt die Beklagte fest, nach dem Ergebnis der Fachausschußsitzung für Versicherungsfragen am 6.11. / 7.11.1995 in Oldenburg sei ihre Rechtsauffassung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die von Rumäniendeutschen geleistete Zwangsarbeit sei als versichertes Arbeitsverhältnis zu werten. Nach weiteren Ermittlungen zur Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes - JAV - gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12.09.1996 Witwenrente ab 01.01.1992 in Höhe von 1.026,78 DM monatlich zuzüglich weiterer Erhöhungen. Den Bescheid vom 06.04.1995 nahm sie gem. § 44 des 10.Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X - zurück. Der Bescheid wurde bindend.
Dies führte dazu, dass das Versorgungsamt eine Überzahlung geleisteter Rentenbeträge ab 01.01.1992 in Höhe von ca. 64.000 DM - später reduziert, weil anstelle der Witwenrente von 597.- DM monatlich Witwenbeihilfe im Sinne des Härteausgleichs gem. § 89 Abs. 1 BVG in Höhe von DM 182.- DM gezahlt wurde - geltend machte. Gleichzeitig stellte die LVA das Ruhen gem. § 93 des 6.Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - fest. Dies hatte zur Folge, dass anstatt der monatlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 865,64 DM nur noch 72,56 DM zur Auszahlung kamen. Die LVA machte ebenfalls einen Erstattungsanspruch geltend.
Am 12.12.1996 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Infolge der Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung sei ihr ein monatlicher Schaden in Höhe von ca. 400 DM entstanden. Der Versicherungsfall sei aber bereits am 18.11.1986 eingetreten. Dieser Antrag gelte nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Bescheids vom 06.04.1995 und vom 12.09.1996. In einem weiteren Schreiben vom 27.01.1997 brachte sie vor, über den Antrag des Sch. vom August 1985 sei nicht entschieden worden. Wäre sie richtig informiert worden, so hätte sie nicht beim Versorgungsamt Nürnberg sondern richtigerweise bei der Beklagten Leistungen auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Tode ihres Ehemannes beantragt. Mit Schreiben vom 20.02.1997 erläuterte die Beklagte ihre Vorgehensweise im Bescheid vom 12.09.1996. Die Erteilung eines weiteren Bescheids nach § 44 SGB X lehnte sie ab. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfbelehrung. Am 27.03.1997 forderte die Klägerin erneut, über den Antrag vom August 1985 zu entscheiden, da die Abgabenachricht vom 17.10.1985 insoweit keine Entscheidung darstelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.1998 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 20.02.1997 zurück.
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Nürnberg, welches den Rechtsstreit an das Sozialgericht München verwiesen hat, Klage erhoben. Sie hat beantragt, den Verwaltungsakt vom 20.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.1998 sowie die Bescheide vom 06.04.1995 und vom 12.09.1996 dahin abzuändern, ihr Unfallversicherungsrente aufgrund des Antrags ihres verstorbenen Ehemannes vom 29.08.1985 bis zu seinem Tode und daran anschließend Hinterbliebenenrente zu gewähren. Im wesentlichen hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.05.2000 ist für sie niemand erschienen. Mit Urteil vom 26.05.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit die Abänderung des Bescheids vom 06.04.1995 verlangt werde, da dieser mit Bescheid vom 12.09.1996 von der Beklagten gemäß § 44 SGB X zurückgenommen worden sei. Insoweit fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Im übrigen sei die Klage unbegründet, da die Klägerin ihre Rechte allenfalls aus §§ 56, 59 des 1.Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB I - herleiten könne, jedoch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 18.11.1986 weder Rente gezahlt worden, noch ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei. Ein solches sei durch den Verwaltungsakt vom 17.10.1985 beendet worden. Die Beklagte habe darin ihre Unzuständigkeit geltendgemacht. Ein eventueller Anspruch der Klägerin sei gem. § 59 Satz 2 SGB I erloschen. In der Zeit vor dem 01.01.1992 sei ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht begründet, weil insoweit § 44 Abs. 4 SGB X eingreife.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, die Schlußfolgerung der Sozialgerichts, das vom Versicherten eingeleitete Verfahren sei durch Bekanntgabe des Schreibens vom 17.10.1985 an diesen beendet worden, treffe nicht zu. Sie könne sich nicht erinnern, eine derartige Nachricht erhalten zu haben. Zudem hätte sich die Beklagte nach Bekanntgabe des Urteils des BSGE vom 17.03.1993 verpflichtet fühlen müssen, von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X einzuleiten. Die Verjährungsvorschriften seien terminlich an die Verkündung des vorgenannten Urteils gebunden. Die Meinung des Fachausschusses für Versicherungsfragen, auf die sich die Beklagte stütze, sei gänzlich ohne Bedeutung. Aber selbst wenn man auf die Bekanntgabe der Richtlinien dieses Fachausschusses zum 01.12.1995 abstellen wollte, so müßte eine nach § 44 SGB X festgestellte Witwenrente vor dem 01.01.1992 beginnen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 aufzuheben, den Bescheid vom 20.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 03.06.1998 abzuändern und ihr Witwenrente vor dem 01.01.1992 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (Aktenzeichen 94/021668/0) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Senat tritt der Auffassung des Sozialgerichts bei, wonach der Anspruch der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen ist. Im Hinblick auf die dortigen Ausführungen sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs. 2 SGG ab.
Soweit das Sozialgericht den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Verletztenrente aus dem angeblich noch nicht verbeschiedenen Antrag vom August 1985 verneint, führt der Senat ergänzend an, dass ein solcher nicht zu realisieren wäre, weil dieser verwirkt wäre. Denn nach diesem Zeitpunkt hatten sich weder der Versicherte noch die Klägerin an die Beklagte gewandt und ihre vermeintlichen Rechte geltendgemacht. Vielmehr geht aus dem Akteninhalt hervor, dass sich beide auf die Zahlung der Rente durch das Versorgungamt eingestellt hatten und mit dieser offensichtlich den Antrag als erledigt angesehen haben. Aus dem allgemeinen Rechtsprinzip von Treu und Glauben (vgl. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch) leitet die Rechtsprechung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung die Verwirkung ab. Dies gilt dann, wenn objektiv ein Recht während eines längeren Zeitraums nicht ausgeübt worden ist, obwohl hierzu Veranlassung bestand, und subjektiv der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde, und er sich darauf auch eingerichtet hat (BSG, Breithaupt 1987,948 ff).
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, auch unter Anwendung der Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X müsse der Beginn der Rentenzahlung vor dem 01.01.1992 liegen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie es selbst in der Hand gehabt hätte, gegen die Bescheide der Beklagten vom 06.04.1995 und 12.9.1996 vorzugehen. Beide Bescheide sind jedoch bindend geworden, so dass erst das Schreiben der Klägerin vom 12.12.1996 als Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X aufgefaßt werden kann. Wird ein solcher Antrag gestellt, so beginnt die Berechnung der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X mit dem Tag der Antragstellung. Ein Zahlungsbeginn vor dem 01.01.1992 ist danach ebenso nicht zu begründen.
Wenn die Klägerin meint, die Beklagte sei mit Bekanntgabe des Urteils des BSG vom 17.03.1993 bzw. nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe desselben verpflichtet gewesen, in eine Überprüfung nach § 44 SGB X einzutreten, so ist ihr entgegenzuhalten, dass eine solche Verpflichtung im Gesetz keine Grundlage findet. Abs. 4 dieser Vorschrift gilt unabhängig von einem Verschulden der Beklagten beim Erlaß des aufgehobenen Verwaltungsakts (Schroeder-Printzen u.a., SGB X, 3.Auflage § 44 Anm. 19). Zudem ist eine Behörde nicht verpflichtet - auch nicht aufgrund einer neuen Rechtslage - Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Aus der Formulierung "im Einzelfall" ergibt sich vielmehr, dass sich konkret in der Bearbeitung eines Falles ein Anhaltspunkt für eine Aufhebung ergeben haben muß (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 13). Der Senat kommt damit zu der Auffassung, dass weder das Bekanntwerden der Entscheidung des BSG noch die Bekanntgabe der Auffassung des Ausschusses für Versicherungsfragen am 06.11. / 07.11.1995 eine Pflicht der Beklagten zum Tätigwerden im Sinne einer Überprüfung nach § 44 SGB X begründet haben. Zwar wird anerkannt (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 20), dass ein Herstellungsanspruch begründet ist, wenn die Verwaltung bei einem von Amts wegen durchzuführenden Verwaltungsverfahren ohne triftigen Grund den Bescheid verzögert und dem Betroffenen hinsichtlich der Vierjahresfrist ein Nachteil entsteht. Ein Nachteil ergibt sich für die Klägerin dadurch, weil eine Feststellung bzw. Zahlung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 01.01.1992 die Anwendung der Ruhensvorschriften nach § 93 SGB VI, welche erst nach der Rentenreform 1992 zum 01.01.1992 in Kraft getreten sind, ausgeschlossen wäre. Insoweit ist der Klägerin tatsächlich ein Schaden entstanden. Die Klägerin wäre danach so zu stellen, als hätte die Beklagte das Überprüfungsverfahren bereits 1995 eingeleitet. Jedoch ist auch der Herstellungsanspruch nach ständiger Rechtsprechung (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 20) an die vierjährige Frist gebunden. Auch im Wege eines Herstellungsanspruchs könnte die Klägerin keine Leistungen vor dem 01.01.1992 aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten. Danach könnte die Ruhensvorschrift des § 93 SGB VI ebensowenig ausgeschlossen werden. Darüber hinaus würde ein Herstellungsanspruch ein Verschulden der Beklagten voraussetzen. Ein solches vermag der Senat etwa i. S. einer vorwerfbaren Verzögerung oder einer falschen bzw. unterbliebenen Beratung nicht zu erkennen. Zum Einen hätte es die Klägerin selbst in der Hand gehabt, gegen die Bescheide vom 06.04.1995 bzw. vom 12.09.1996 vorzugehen. Zum anderen bestand kein Beratungsbedarf, da die Klägerin mit der Beklagten keinerlei Korrespondenz geführt hatte, aus der eine Aufklärungspflicht resultiert hätte. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 01.01.1992 ist danach aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen. Ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zu erkennen sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 1.1.1992 zu gewähren.
Der am ...1929 geborene Ehemann der Klägerin, ... Sch. - stellte im August 1985 bzw. am 05.09.1985 beim Versicherungsamt der Stadt Nürnberg einen Antrag auf Sozialleistungen gerichtet an die Landesversicherungsanstalt Oberfranken-Mittelfranken - LVA -, die Bundesknapp- schaft und an die Beklagte. Er machte geltend, er habe als Rumäniendeutscher zwischen 1945 und 1949 in der früheren UdSSR in einer Eisenerzgrube Zwangsarbeit leisten müssen; dabei habe er sich ein schweres Lungenleiden zugezogen. Er beantragte eine Silico-Tuberkulose als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er lebte bis August 1985 in Rumänien und verlegte dann seinen Wohnsitz nach Nürnberg. Er gab an, er habe seit 1970 vom Versorgungsamt Gelsenkirchen eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - erhalten und besitze den Bundesvertriebenenausweise A.
Am 17.10.1985 wandte sich die Beklagte an das Versorgungsamt Nürnberg und übersandte den Vorgang mit der Bitte, die weitere Bearbeitung zu übernehmen. Ihre Zuständigkeit sei nicht gegeben, zumal der Kläger bereits vom Versorgungsamt Gelsenkirchen Kriegsbeschädigtenrente erhalten habe. Der Kläger sei von der Aktenabgabe benachrichtigt worden. Eine Durchschrift dieses Schreibens übersandte sie Sch. am 17.10.1985.
Am 08.06.1994 forderte die Beklagte vom Versorgungsamt Nürnberg dessen Akten zur Durchführung eines Festellungsverfahrens im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - im Urteil vom 17.03.1993 (Aktenzeichen 8 RKnU 1/91) zu den sogenannten "Internierungsfällen". Aus Kopien der Akten des Versorgungsamtes Gelsenkirchen ist der Antrag des Sch. vom 03.06.1970 sowie Unterlagen über seitdem erbrachte Leistungen enthalten. Mit Bescheid vom 01.04.1986 gewährte das Versorgungsamt Nürnberg Beschädigtenrente nach einer MdE um 100 vH wegen einer Silico-Tuberkulose mit Rechtsherzüberlastung als Schädigung i. S. des BVG. Sch. verstarb am 18.11.1986 nach den Feststellungen des Versorgungsamtes an den Folgen der anerkannten Schädigung. Auf den Antrag der Klägerin vom 24.11.1996 gewährte das Versorgungsamt Witwenrente nach § 40 BVG.
Am 31.08.1994 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie prüfe, ob eine ihre Leistungspflicht begründende Berufskrankheit vorliege und erbitte weitere Unterlagen über das Beschäftigungsverhältnis des Sch. in der UdSSR. Die Klägerin legte verschiedene Unterlagen aus Rumänien vor. Sie gab an, während der Zwangsarbeit in der UdSSR vom 15.02.1945 bis 10.10.1949 habe Sch. unter Bewachung gestanden und lediglich Unterkunft, Essen und Kleidung, jedoch kein Entgelt, erhalten. Mit Bescheid vom 06.04.1995 lehnte die Beklagte Hinterbliebenenleistungen aus Anlaß des Todes von Sch. ab, weil dieser im Gefährdungszeitsraum nicht in einem freien Arbeitsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung beschäftigt gewesen sei. Auch nach Überprüfung anhand des Urteils des BSG vom 17.03.1993 ergebe sich kein Anspruch. Der Bescheid wurde bindend.
In einem Aktenvermerk vom 10.05.1996 hielt die Beklagte fest, nach dem Ergebnis der Fachausschußsitzung für Versicherungsfragen am 6.11. / 7.11.1995 in Oldenburg sei ihre Rechtsauffassung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die von Rumäniendeutschen geleistete Zwangsarbeit sei als versichertes Arbeitsverhältnis zu werten. Nach weiteren Ermittlungen zur Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes - JAV - gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 12.09.1996 Witwenrente ab 01.01.1992 in Höhe von 1.026,78 DM monatlich zuzüglich weiterer Erhöhungen. Den Bescheid vom 06.04.1995 nahm sie gem. § 44 des 10.Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X - zurück. Der Bescheid wurde bindend.
Dies führte dazu, dass das Versorgungsamt eine Überzahlung geleisteter Rentenbeträge ab 01.01.1992 in Höhe von ca. 64.000 DM - später reduziert, weil anstelle der Witwenrente von 597.- DM monatlich Witwenbeihilfe im Sinne des Härteausgleichs gem. § 89 Abs. 1 BVG in Höhe von DM 182.- DM gezahlt wurde - geltend machte. Gleichzeitig stellte die LVA das Ruhen gem. § 93 des 6.Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - fest. Dies hatte zur Folge, dass anstatt der monatlichen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 865,64 DM nur noch 72,56 DM zur Auszahlung kamen. Die LVA machte ebenfalls einen Erstattungsanspruch geltend.
Am 12.12.1996 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Infolge der Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung sei ihr ein monatlicher Schaden in Höhe von ca. 400 DM entstanden. Der Versicherungsfall sei aber bereits am 18.11.1986 eingetreten. Dieser Antrag gelte nach § 44 SGB X auf Überprüfung des Bescheids vom 06.04.1995 und vom 12.09.1996. In einem weiteren Schreiben vom 27.01.1997 brachte sie vor, über den Antrag des Sch. vom August 1985 sei nicht entschieden worden. Wäre sie richtig informiert worden, so hätte sie nicht beim Versorgungsamt Nürnberg sondern richtigerweise bei der Beklagten Leistungen auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Tode ihres Ehemannes beantragt. Mit Schreiben vom 20.02.1997 erläuterte die Beklagte ihre Vorgehensweise im Bescheid vom 12.09.1996. Die Erteilung eines weiteren Bescheids nach § 44 SGB X lehnte sie ab. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfbelehrung. Am 27.03.1997 forderte die Klägerin erneut, über den Antrag vom August 1985 zu entscheiden, da die Abgabenachricht vom 17.10.1985 insoweit keine Entscheidung darstelle. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.06.1998 wies die Beklagte den Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 20.02.1997 zurück.
Dagegen hat die Klägerin beim Sozialgericht Nürnberg, welches den Rechtsstreit an das Sozialgericht München verwiesen hat, Klage erhoben. Sie hat beantragt, den Verwaltungsakt vom 20.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.06.1998 sowie die Bescheide vom 06.04.1995 und vom 12.09.1996 dahin abzuändern, ihr Unfallversicherungsrente aufgrund des Antrags ihres verstorbenen Ehemannes vom 29.08.1985 bis zu seinem Tode und daran anschließend Hinterbliebenenrente zu gewähren. Im wesentlichen hat sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.05.2000 ist für sie niemand erschienen. Mit Urteil vom 26.05.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit die Abänderung des Bescheids vom 06.04.1995 verlangt werde, da dieser mit Bescheid vom 12.09.1996 von der Beklagten gemäß § 44 SGB X zurückgenommen worden sei. Insoweit fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Im übrigen sei die Klage unbegründet, da die Klägerin ihre Rechte allenfalls aus §§ 56, 59 des 1.Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB I - herleiten könne, jedoch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 18.11.1986 weder Rente gezahlt worden, noch ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen sei. Ein solches sei durch den Verwaltungsakt vom 17.10.1985 beendet worden. Die Beklagte habe darin ihre Unzuständigkeit geltendgemacht. Ein eventueller Anspruch der Klägerin sei gem. § 59 Satz 2 SGB I erloschen. In der Zeit vor dem 01.01.1992 sei ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht begründet, weil insoweit § 44 Abs. 4 SGB X eingreife.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, die Schlußfolgerung der Sozialgerichts, das vom Versicherten eingeleitete Verfahren sei durch Bekanntgabe des Schreibens vom 17.10.1985 an diesen beendet worden, treffe nicht zu. Sie könne sich nicht erinnern, eine derartige Nachricht erhalten zu haben. Zudem hätte sich die Beklagte nach Bekanntgabe des Urteils des BSGE vom 17.03.1993 verpflichtet fühlen müssen, von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X einzuleiten. Die Verjährungsvorschriften seien terminlich an die Verkündung des vorgenannten Urteils gebunden. Die Meinung des Fachausschusses für Versicherungsfragen, auf die sich die Beklagte stütze, sei gänzlich ohne Bedeutung. Aber selbst wenn man auf die Bekanntgabe der Richtlinien dieses Fachausschusses zum 01.12.1995 abstellen wollte, so müßte eine nach § 44 SGB X festgestellte Witwenrente vor dem 01.01.1992 beginnen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 aufzuheben, den Bescheid vom 20.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 03.06.1998 abzuändern und ihr Witwenrente vor dem 01.01.1992 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (Aktenzeichen 94/021668/0) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.
Der Senat tritt der Auffassung des Sozialgerichts bei, wonach der Anspruch der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen ist. Im Hinblick auf die dortigen Ausführungen sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 153 Abs. 2 SGG ab.
Soweit das Sozialgericht den Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Verletztenrente aus dem angeblich noch nicht verbeschiedenen Antrag vom August 1985 verneint, führt der Senat ergänzend an, dass ein solcher nicht zu realisieren wäre, weil dieser verwirkt wäre. Denn nach diesem Zeitpunkt hatten sich weder der Versicherte noch die Klägerin an die Beklagte gewandt und ihre vermeintlichen Rechte geltendgemacht. Vielmehr geht aus dem Akteninhalt hervor, dass sich beide auf die Zahlung der Rente durch das Versorgungamt eingestellt hatten und mit dieser offensichtlich den Antrag als erledigt angesehen haben. Aus dem allgemeinen Rechtsprinzip von Treu und Glauben (vgl. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch) leitet die Rechtsprechung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung die Verwirkung ab. Dies gilt dann, wenn objektiv ein Recht während eines längeren Zeitraums nicht ausgeübt worden ist, obwohl hierzu Veranlassung bestand, und subjektiv der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde, und er sich darauf auch eingerichtet hat (BSG, Breithaupt 1987,948 ff).
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, auch unter Anwendung der Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X müsse der Beginn der Rentenzahlung vor dem 01.01.1992 liegen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie es selbst in der Hand gehabt hätte, gegen die Bescheide der Beklagten vom 06.04.1995 und 12.9.1996 vorzugehen. Beide Bescheide sind jedoch bindend geworden, so dass erst das Schreiben der Klägerin vom 12.12.1996 als Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X aufgefaßt werden kann. Wird ein solcher Antrag gestellt, so beginnt die Berechnung der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X mit dem Tag der Antragstellung. Ein Zahlungsbeginn vor dem 01.01.1992 ist danach ebenso nicht zu begründen.
Wenn die Klägerin meint, die Beklagte sei mit Bekanntgabe des Urteils des BSG vom 17.03.1993 bzw. nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe desselben verpflichtet gewesen, in eine Überprüfung nach § 44 SGB X einzutreten, so ist ihr entgegenzuhalten, dass eine solche Verpflichtung im Gesetz keine Grundlage findet. Abs. 4 dieser Vorschrift gilt unabhängig von einem Verschulden der Beklagten beim Erlaß des aufgehobenen Verwaltungsakts (Schroeder-Printzen u.a., SGB X, 3.Auflage § 44 Anm. 19). Zudem ist eine Behörde nicht verpflichtet - auch nicht aufgrund einer neuen Rechtslage - Akten von sich aus auf Rücknahmemöglichkeiten durchzuarbeiten. Aus der Formulierung "im Einzelfall" ergibt sich vielmehr, dass sich konkret in der Bearbeitung eines Falles ein Anhaltspunkt für eine Aufhebung ergeben haben muß (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 13). Der Senat kommt damit zu der Auffassung, dass weder das Bekanntwerden der Entscheidung des BSG noch die Bekanntgabe der Auffassung des Ausschusses für Versicherungsfragen am 06.11. / 07.11.1995 eine Pflicht der Beklagten zum Tätigwerden im Sinne einer Überprüfung nach § 44 SGB X begründet haben. Zwar wird anerkannt (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 20), dass ein Herstellungsanspruch begründet ist, wenn die Verwaltung bei einem von Amts wegen durchzuführenden Verwaltungsverfahren ohne triftigen Grund den Bescheid verzögert und dem Betroffenen hinsichtlich der Vierjahresfrist ein Nachteil entsteht. Ein Nachteil ergibt sich für die Klägerin dadurch, weil eine Feststellung bzw. Zahlung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 01.01.1992 die Anwendung der Ruhensvorschriften nach § 93 SGB VI, welche erst nach der Rentenreform 1992 zum 01.01.1992 in Kraft getreten sind, ausgeschlossen wäre. Insoweit ist der Klägerin tatsächlich ein Schaden entstanden. Die Klägerin wäre danach so zu stellen, als hätte die Beklagte das Überprüfungsverfahren bereits 1995 eingeleitet. Jedoch ist auch der Herstellungsanspruch nach ständiger Rechtsprechung (Schroeder-Printzen, a.a.O. Anm. 20) an die vierjährige Frist gebunden. Auch im Wege eines Herstellungsanspruchs könnte die Klägerin keine Leistungen vor dem 01.01.1992 aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten. Danach könnte die Ruhensvorschrift des § 93 SGB VI ebensowenig ausgeschlossen werden. Darüber hinaus würde ein Herstellungsanspruch ein Verschulden der Beklagten voraussetzen. Ein solches vermag der Senat etwa i. S. einer vorwerfbaren Verzögerung oder einer falschen bzw. unterbliebenen Beratung nicht zu erkennen. Zum Einen hätte es die Klägerin selbst in der Hand gehabt, gegen die Bescheide vom 06.04.1995 bzw. vom 12.09.1996 vorzugehen. Zum anderen bestand kein Beratungsbedarf, da die Klägerin mit der Beklagten keinerlei Korrespondenz geführt hatte, aus der eine Aufklärungspflicht resultiert hätte. Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung vor dem 01.01.1992 ist danach aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen. Ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.05.2000 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zu erkennen sind.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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