L 4 KR 106/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 338/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 106/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18. Februar 2000 (Erstattlung eines Heil- und Kostenplanes durch Dr.W.) wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für die Behandlung durch den Nichtvertragszahnarzt Dr.W ...

Die am 1955 geborene und bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin lebte als arbeitslose Diplom-Ingenieurin u.a. von Arbeitslosenhilfe. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten endete mit Ablauf des Jahres 1999.

Am 21.05.1996 suchte die auch damals in München wohnende Klägerin die zahnärztliche Privatpraxis Dr.W. (München) auf und ließ von diesem Arzt einen Behandlungsvertrag sowie einen Heil- und Kostenplan für die Versorgung mit Zahnersatz erstellen. Der Zahnarzt veranschlagte das zahnärztliche Honorar mit 2.011,22 DM und die Laborkosten mit 2.134,54 DM. Die Vereinbarung wurde von der Klägerin nicht unterschrieben.

Mit Rechnung vom 23.05.1996 verlangte der Zahnarzt von der Klägerin für eine eingehende Beratung sowie den Heil- und Kostenplan insgesamt 94,99 DM. Die Klägerin legte am 04.06.1999 diese Rechnung der Beklagten zur Kostenerstattung vor. Mit Bescheid vom 10.06.1996 lehnte die Beklagte eine Beteiligung an Leistungen durch nicht zugelassene Zahnärzte ab. Auf den Widerspruch der Klägerin lehnte die Beklagte ein weiteres Mal eine Kostenerstattung bzw. -zusage im Hinblick auf die fehlende Zulassung des Zahnarztes und den Ausschluss der geplanten Versorgung vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Sie wiederholte diese Rechtsauffassung außerdem in den Schreiben vom 12.08. und 28.08.1996. Die Klägerin erhob dagegen am 21.08.1996 Untätigkeitsklage beim Sozialgericht München (SG).

Am 17.10.1996 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, eine Kostenerstattung für eine nichtvertragszahnärztliche Behandlung komme nicht in Betracht. Im Übrigen sei gesetzlich ausgeschlossen.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 29.10.1996 beim Sozialgericht München (SG) geltend gemacht, es handle sich hier wegen des Verbots der Verwendung von Palladium-Kupfer-Legierungen und der komplizierten Zahntechnik um eine Notfallversorgung.

Das SG hat mit Beschluss vom 21.08.1998 Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, es mangele an der Erfolgsaussicht des Verfahrens. Der Senat hat die Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 05.10.1999 zurückgewiesen (L 4 B 19/99 KR PKH).

Das SG hat mit Beschluss vom 15.02.2000 die Verfahren S 18 KR 337/96, S 18 KR 338/96 und S 18 KR 56/97 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; zum führenden Aktenzeichen hat es S 18 KR 337/96 bestimmt. Es hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18.02.2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 03.04. 2000, mit der sie ihr Begehren auf Kostenerstattung weiterverfolgt. Sie macht geltend, eine Palladiumlegierung sei gesundheitsschädlich, es habe ein Notfall vorgelegen und nur ein Privatzahnarzt sei zur Leistungserbringung bereit gewesen. Sie hat am 03.04.2000 auch für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt; dieser Antrag wurde vom Senat mit Beschluss vom 09.06.2000 abgelehnt. Der Senat hat mit Beschluss vom 14.08. 2000 die Streitsachen aus Zweckmäßigkeitsgründen getrennt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.02.2000 sowie den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 10.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides DM 94,99 - entsprechend in Euro - an Kosten für die Erstellung eines Heil- und Kostenplanes durch Dr.W. zu erstatten, hilfsweise beantragt sie Beweis zu erheben durch Beiziehung des zahnärztlichen Gutachtens Dr.E. aus dem beim Sozialgericht München anhängigen Verfahren S 11 RA 655/98 sowie die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und des SG sowie die vorliegende Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes lag im maßgebenden Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels über 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.). Die vom Senat dennoch vorgenommene Trennung der einzelnen Streitsache ändert daran nichts.

Die Berufung ist unbegründet; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung durch den Zahnarzt Dr.W ...

Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Sachleistungsanspruch auf zahnärztliche Behandlung, die auch die Beratung einschloss (§§ 2 Abs.2 Satz 2, 13 Abs.1, 27 Abs.1 Satz 2 Nr.2, 28 Abs.1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -). Abweichend hiervon kam eine Kostenerstattung im Rahmen der Erprobungsregelung des § 64 SGB V i.V.m. der Satzung der Beklagten nach § 13 Abs.2 SGB V (Wahl der Kostenerstattung) in Frage. Nach Angaben der Beklagten hat die Klägerin jedoch hieran nicht teilgenommen.

Es liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V vor, wonach eine Kostenerstattung davon abhängt, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alternative) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In beiden Alternativen sind diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Beendigung der Mitgliedschaft hat auf den Anspruch keinen Einfluss (§ 19 Abs.1, 2 SGB V), da es sich hier um einen Schadensersatz- und nicht um einen Leistungsanspruch handelt (BSG vom 16.12.1999 BSGE 73, 271; BSG vom 24.09.1996 SGE 79, 125).

Unaufschiebbare Leistungen sind Notfälle im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (§ 76 SGB V) sowie Systemstörungen oder Versorgungslücken. Von einem Notfall im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (§ 76 Abs.1 Satz 2 SGB V) ist auszugehen, wenn dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an der Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (BSG vom 24.05.1972 BSGE 34, 172). Dies ist vor allem der Fall, wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Hieran fehlt es; denn die streitige Leistung hat in einer Beratung und der Erstellung eines Heil- und Kostenplanes bestanden. Sie ist aufschiebbar in dem Sinne gewesen, dass die Klägerin Zeit gehabt hätte, einen zugelassenen Zahnarzt aufzusuchen. Selbst wenn der Senat hier eine dringende Behandlungsbedürftigkeit unterstellt, steht der Klägerin dennoch ein Kostenerstattungsanspruch nach der ersten Alternative des § 13 Abs.3 SGB V nicht zu. Denn es war ihr möglich bzw. zuzumuten, vor Inanspruchnahme der privatzahnärztlichen Behandlung sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen (BSG vom 25.09.2000 SozR 3-2500 § 13 Nr.22).

Die Beklagte hat die durchgeführte Behandlung auch nicht rechtswidrig abgelehnt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu dieser zweiten Alternative der Kostenerstattung sind Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 16.12.1999 SozR 3-2500 § 12 Nr.4; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15). § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V schließt eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus. Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit sie nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, sind nur zu ersetzen, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte. Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit der Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Die Versicherten müssen sich daher vor Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Systems grundsätzlich an die Krankenkasse wenden und die Gewährung beantragen. Dies hat die Klägerin nicht getan.

Da es für die Entscheidung nicht auf die Einschränkung des (beruflichen) Leistungsvermögens ankommt, konnte der Senat von der Beiziehung des in einem Rechtsstreit aus der Rentenversicherung vom SG eingeholten Gutachtens absehen (§ 103 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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