L 4 KR 164/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 385/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 164/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30. August 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für ein Kapok-Bett in Höhe von 1.254,40 DM (= 639,74 DM).

Die am 1955 geborene und bei der Beklagten bis Ende 1999 versicherte Klägerin, die als Diplom-Ingenieurin Sozialhilfeleistungen erhält, beantragte am 19.01.1998 bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein Naturbett (Kapok-Bett; Kapok [malaiisch]: Pflanzenhaare von der inneren Fruchtwand der Kapseln des Kapokbaumes, der zu der Gattung der Wollbaumgewächse gehört (Ceiba pentranda)). Die von der Beklagten zur Verfügung gestellten allergen- und milbenundurchlässigen Überzüge für Matratzen und Kissen aus Polyurethan und Polyester seien wegen ihrer Allergie gegen Kunststoffe nicht geeignet. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.02.1998 eine Kostenübernahme für ein Kapok-Bett ab und außerdem die Rücknahme der Allergikerbettbezüge. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 09.02.1998 erteilte die Beklagte am 12.02.1998 einen neuen ablehnenden Bescheid mit der Begründung, eine Kunststoffallergie sei nicht nachgewiesen.

Die Klägerin beschaffte sich eine Kapok-Decke, ein Kapok-Kissen und -unterbett zu einem Gesamtpreis von 819,50 DM (Rechnungen vom 18.02. und 11.03.1998) und reichte ein Rezept des Allgemeinarztes Dr. B. nach, der ein Allergiker-Naturbett (Kissen, Unterbett, Winterdecke, Sommerdecke) für geeignet hielt und ein Kapok-Bett am 20.03.1998 verordnete. Einer Telefonnotiz über ein Gespräch der Geschäftsstelle der Beklagten mit einem Arzt ist zu entnehmen, dass die Klägerin angeblich an einer Zinkmangelerkrankung und Wundheilungsstörungen leidet. Die von der Beklagten eingeholte gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) von Dr.B. vom 20.03.1998 kam u.a. zum Ergebnis, dass weder eine Kunststoffallergie noch eine andere Gesundheitsstörung nachgewiesen worden sei, die Voraussetzung für einen Kostenzuschuss für Allergiker-Bezüge seien. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.04.1998 eine Kostenübernahme für das beantragte Allergiker-Kapok-Bett wieder ab.

Die Klägerin beantragte am 03.11.1998 unter Vorlage von Quittungen Kostenerstattung für einen Nesselstoff (15,60 DM) sowie 1 kg Kapok (20,00 DM).

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.1998 den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, Bettausstattungen seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und daher keine Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Leistung für das Kapok-Naturbett komme nicht in Betracht; eine Kostenübernahme würde dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechen.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 28.12.1998 beim Sozialgericht München (SG) geltend gemacht, die Allergikerbettbezüge seien wegen der Kunststoffallergie ungeeignet, die durch die Elektroakupunktur nach Voll, Bluttest und Kinesiologie nachgewiesen sei. Sie beantragte ferner Prozesskostenhilfe. Das SG hat mit Beschluss vom 20.09.1999 Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Bayer. Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 05.04.2000 (L 4 B 409/99 KR-PKH) die dagegen eingelegte Beschwerde mangels Erfolgsaussicht der Klage zurückgewiesen.

Das SG hat am 31.07.2001 die vorliegende Streitsache mit anderen Streitsachen verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 30.08. 2001 die Klage insoweit abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Allergikerbett sei im Fall der Klägerin kein Heilmittel, weil nach den überzeugenden Ausführungen des MDK das Bestehen einer Allergie nicht mittels wissenschaftlich anerkannter Methoden nachgewiesen sei. Es hat im Übrigen auf den Widerspruchsbescheid vom 25.11.1998 Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 27.09. 2001, mit der sie zugleich wieder Prozesskostenhilfe beantragt hat. Sie macht geltend, nach dem "MCS-Pass" vertrage sie keine Kunststoffmaterialien, daher habe die Beklagte die Kosten für das Naturbett zu übernehmen. Ferner begehrt sie die Erstattung der Kosten für eine Kapok-Einziehdecke (304,90 DM) und eine Kapok-Rollmatratze (279,00 DM), für die sie Rechnungen vom 02.02.1999 und 28.08.1999 vorgelegt hat.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30.08.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 22.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Beschaffung der Kapok-Naturbetten in Höhe von insgesamt DM 1.254,40 DM - entsprechend in Euro - zu erstatten, hilfsweise ein Gutachten zur Notwendigkeit der Versorgung mit diesem Material einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat aus Gründen der Übersichtlichkeit die vom SG verbundenen Streitsachen mit Beschluss vom 18.03.2002 abgetrennt.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels maßgebenden Wert von 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).

Die Berufung ist unbegründet. Der Anspruch auf Kostenerstattung für das Kapok-Bett richtet sich nach Lage des Falles allein nach § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Danach hängt eine Kostenerstattung davon ab, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In beiden Alternativen sind diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Beendigung der Mitgliedschaft hat auf diesen Anspruch keinen Einfluss (§ 19 Abs.1, 2 SGB V), da es sich hier um einen Schadensersatz - und nicht um einen Leistungsanspruch handelt (Bundessozialgericht (BSG) vom 16.12.1998, BSGE 73, 271; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125).

Unaufschiebbare Leistungen sind Notfälle im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (§ 76 SGB V) sowie Systemstörungen oder Versorgungslücken. Derartige Umstände haben hier nicht vorgelegen und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Insbesondere spricht der zeitliche Ablauf des Beschaffungsvorganges gegen eine unaufschiebbare Leistung.

Die Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachte Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Ein Anspruch auf Kostenerstattung in diesem Sinne erfordert, dass die Klägerin einen entsprechenden Anspruch auf Sachleistungen gehabt hätte, den die Beklagte zu Unrecht nicht erfüllt hat. Dies ist hier zu verneinen.

Die Beklagte hat in den Bescheiden zutreffend darauf hingewiesen, dass antiallergene Kissen- und Matratzenbezüge nicht zu den Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zählen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat hierzu mit den Urteilen vom 10.05.1995 (SozR 3-2500 § 33 Nr.15 und vom 18.01.1996 USK 96 175 für Recht erkannt, dass antiallergene Matratzen- und Kissenbezüge nicht das Ziel haben, eine körperliche Behinderung auszugleichen, insbesondere die Ausübung beeinträchtigter Funktionen des Körpers zu ermöglichen, zu ersetzen, zu erleichtern oder zu ergänzen und daher nicht Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Sie können aber Heilmittel im Sinne des § 32 Abs.1 SGB V sein, wenn der Einsatz des Mittels den Versicherten übermäßig und unzumutbar belasten würde. Diese Leistungspflicht der Beklagten hängt u.a. davon ab, ob sie Teil einer Heilbehandlung sind. Heilmittel sollen mit dem Ziel der Krankheitsbekämpfung auf den menschlichen Organismus einwirken.

Dies setzt voraus, dass eine Erkrankung nachgewiesen ist, zu deren Bekämpfung der Einsatz der beantragten Bettwäsche zweckmäßig und notwendig ist (§ 12 Abs.1 SGB V). Der von der Beklagten eingeholten gutachtlichen Stellungnahme des MDK ist jedoch zu entnehmen, dass bei der Klägerin weder eine Kunststoffallergie noch eine andere Gesundheitsstörung mit in der medizinischen Wissenschaft anerkannten Methoden nachgewiesen ist, die Voraussetzung für einen Kostenzuschuss für Allergiker-Bezüge ist. Abgesehen davon hat die Beklagte der Klägerin antiallergene Bettbezüge zur Verfügung gestellt. Ob diese Ausstattung ungeeignet und unzweckmäßig ist, wie die Klägerin geltend macht, lässt sich hier nicht beurteilen, da die von der Klägerin behauptete Kunststoffallergie auch nach der telefonischen Auskunft des behandelnden Arztes nicht belegt ist. Jedenfalls steht nach dem o.g. Urteil des BSG vom 18.01.1996 dem Anspruch auf Kostenerstattung entgegen, dass ein Sachleistungsanspruch - wenn der Senat das Vorliegen aller Leistungsvoraussetzungen des § 32 Abs.1 SGB V unterstellt - nur insoweit reichen würde, als die gewöhnlichen Kosten des allgemeinen Lebensbedarfs überschritten werden. Dies ist hier nicht der Fall. Es ist eine allgemeinkundige Tatsache, d.h. es ist z.B. aus der Werbung in Tageszeitungen bekannt, dass ein komplettes Bett, das aus einer Matratze, Bettwäsche für Sommer und Winter sowie Daunenfüllungen besteht, mindestens so viel kostet, wie die Klägerin für ihr Bett ausgegeben hat. Damit kann von einer übermäßigen und unzumutbaren Belastung durch die Anschaffung des Kapok-Betts nicht die Rede sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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