L 4 KR 1/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 435/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 1/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Mai 2000 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 9. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1999 dahin abgeändert, dass dem Kläger die notwendigen Aufwendungen, einschließlich der für die Zuziehung eines Bevollmächtigten, für das Widerspruchsverfahren vom 4. März 1997 zu erstatten sind.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten eines zugezogenen Rechtsbeistandes als notwendige Aufwendungen eines weiteren Widerspruchsverfahrens zu erstatten, welchem ein anderes vorausgegangen war.

Mit Bescheid vom 15.01.1997 lehnte es die Beklagte ab, an den Kläger Krankengeld über den 31.01.1997 hinaus zu bezahlen. Dagegen ließ der Kläger mittels des Rentenberaters M. F. am 03.02.1997 Widerspruch erheben. Dieser ist seit März 1996 zugelassener Rentenberater und besitzt auch für die gesetzliche Krankenversicherung die Genehmigung zur Prozessführung vor den Bayerischen Sozialgerichten.

Mit Bescheid vom 03.02.1997 hob die Beklagte den Bescheid vom 15.01.1997 auf und zahlte das Krankengeld auf zunächst unbestimmte Zeit mit Hinweis auf die Höchstbezugsdauer weiter. Gleichzeitig lehnte sie es ab, die zuvor beantragten Kosten für die Zuziehung des Bevollmächtigten zu übernehmen. Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 28.02.1997 am und gleichzeitig beantragen, auch für dieses weitere Widerspruchsverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Mit Bescheid vom 09.04.1997 half die Beklagte dem weiteren Widerspruch vom 04.03.1997 ab und erstattete die geforderten 582,67 DM. Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Beiziehung eines Rechtsvertreters für dieses Widerspruchsverfahren nicht notwendig gewesen sei.

Mit gerichtlichem Vergleich vom 25.03.1999 einigten sich die Beteiligten dahin, die am 17.04.1997 gegen den Bescheid vom 09.04.1997 erhobene Klage S 18 KR 146/97 als Widerspruch zu behandeln. Die Beklagte erließ daraufhin am 11.06.1999 einen Widerspruchsbescheid. Mit diesem wies sie den Widerspruch hinsichtlich der Kostenerstattung zurück und stellte gleichzeitig fest, "daß ein (weiterer) Anspruch auf Kostenerstattung im Zusammenhang mit der Leistungsstreitsache M. P. nicht besteht". Kosten seien gleichfalls nicht zu erstatten. Die klägerische Forderung auf Kostenerstattung auch noch für das zweite Widerspruchsverfahren beachte das in § 13 Abs.2 BRAGO enthaltene Gebot nicht, wonach in einer Angelegenheit nur einmal Vertreterauslagen gefordert werden dürften. Es habe sich hier um ein einheitlich anzusetzendes Rechtsgeschäft gehandelt, für das nicht mehrfach Gebühren anfallen könnten.

Gegen den am 26.06.1999 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 19.07.1999 Klage erheben und auf die Notwendigkeit der Vertreterhinzuziehung im zweiten Widerspruchsverfahren hinweisen lassen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 25.05.2000 die Klage abgewiesen und dazu ausgeführt: Es habe sich um ein einheitliches Verwaltungsverfahren, beginnend mit der Bescheiderteilung am 15.01.1997 und Erlass des Widerspruchsbescheides vom 11.06.1999 gehandelt. Dafür würde nach §§ 119 Abs.1, 116 Abs.1 BRAGO nur Tätigwerden des Bevollmächtigten ausgelöst. Es handelte sich um Zwischenschritte innerhalb eines einheitlichen Verfahrens.

Der Senat hat - anders als das Sozialgericht - auf die mittels Fernkopie am 07.09.2000 beim Sozialgericht eingelegte Beschwerde die Berufung mit Beschluss vom 21.12.2000 zugelassen.

Der Klägervertreter beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.05.2000 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 09.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.1999 zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens vom 04.03.1997 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es handle sich um eine einheitliche Angelegenheit, da der Klägervertreter aufgrund des ursprünglichen Auftrags des Klägers tätig gewesen sei. Die Streitigkeiten würden hier einem einheitlichen Lebensvorgang entstammen, so dass nur ein einziger Gebührentatbestand verwirklicht worden sei.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist zulässig. Nachdem sich herausgestellt hat, dass seitens des Klägers rechtzeitig die Beschwerde innerhalb der Frist des § 145 SGG eingelegt worden ist, sind Beschluss des Senats zugelassene Berufung führt die ursprüngliche Beschwerde als Berufung fort.

In der Sache selbst ist die Berufung auch begründet. Der Streit darüber, ob es sich bei dem zweiten Widerspruchsverfahren, bei dem es um die Auslegung des § 63 SGB X ging, noch um dieselbe Angelegenheit handelte wie der ursprüngliche Widerspruch, der sich materiell mit dem Krankengeldanspruch nach § 44 SGB V auseinandergesetzt hat, ist im Sinne des Klägers zu entscheiden. Der Senat hat sich dabei den Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - in der den Beteiligten bekanntgegebenen Entscheidung vom 04.10.1990 - 8 C 29/89 angeschlossen. Diese Entscheidung befasst sich gleichfalls mit den hier maßgeblichen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - BRAGO - und dem mit § 63 Abs.2 SGB X wortgleichen § 80 Abs.2 Verwaltungsverfahrensgesetz. Das BVerwG verneint, anders als von der Beklagten angenommen, die Einheitlichkeit der verschiedenen Verfahren. Dem schließt sich der Senat nicht nur aus dem Gedanken der Einheitlichkeit der Rechtsprechung an, die Lösung ist auch sachgerecht, weil hier nicht mehr von "einer Angelegenheit" im Sinne des § 119 BRAGO gesprochen werden kann. Der Kläger war gezwungen, wegen der aus seiner Sicht falschen Kostenentscheidung einen neuerlichen Rechtsbehelf zu ergreifen. Der Bescheid vom 03.02.1997 enthielt zwei Elemente: einmal die Abhilfe hinsichtlich der Krankengeldzahlung und zum anderen die Weigerung der Kostenübernahme. Sich gegen diesen belastenden Teil des neuen Verwaltungsaktes zur Wehr zu setzen, verblieb dem Kläger nur die Möglichkeit, einen weiteren Widerspruch zu erheben. Dieser löste ein neuerliches und eigenständiges Widerspruchsverfahren aus, welches mit dem ursprünglichen, das Krankengeld betreffende, nicht mehr übereinstimmte. Der nunmehrige Streitgegenstand war an § 63 Abs.2 SGB X zu messen und isoliert vom vormaligen Krankengeldanspruch zu beurteilen. Dieses sich an das vormalige Vorverfahren anschließende weitere förmliche Vorverfahren war auch erfolgreich, die Beklagte half ihm ab (Bescheid vom 09.04.1997). Weil dieses Verfahren mit dem Ausgangsverfahren nicht mehr übereinstimmte, ist auch darin kostenrechtlich eine andere Angelegenheit zu sehen. Das vorherige Verfahren lässt sich nicht mehr als ein "Zwischenschritt" innerhalb des § 119 Abs.1 BRAGO werten. Belanglos ist die Abweichung im Bezugsfall des BVerwG. Dort hatte die Behörde zunächst nicht "falsch", sondern gar nicht entschieden. Wenn schon bei dieser Konstellation, die möglicherweise mit einer bloßen Erinnerung oder einem Ergänzungsantrag hätte bereinigt werden können, das BVerwG ein weiteres Widerspruchsverfahren für sachgerecht und eigenständig ansieht, muss das umso mehr im vorliegenden Fall gelten, wo die Beklagte eine den Kläger belastende Entscheidung getroffen hatte.

Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten nach § 63 Abs.2 SGB X in dem zweiten Widerspruchsverfahren ist im Hinblick auf die rechtliche Schwierigkeit der Sache nicht zu bezweifeln und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, nur will sie dafür keine eigenständige Gebühr vergüten. Dies lässt sich nach dem oben Gesagten aber nicht aufrecht erhalten. Dass die Höhe der für das zweite Verfahren anzusetzenden Gebühr sich nur im unteren Bereich bewegen kann, ist offensichtlich, auch wenn der Senat darüber nicht zu befinden hat.

Die Kosten der beiden Gerichtsverfahren hat die Beklagte nach § 193 SGG dem Kläger zu erstatten.

Im Hinblick darauf, dass hier höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, von der das Sozialgericht abgewichen ist, war zwar die Berufung zuzulassen, nicht aber die Revision nach § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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