Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 392/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 21/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Kostenerstattung für die Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer.
Die am 1955 geborene Klägerin wurde in den Jahren 1988 und 1991 mit einem Zahnersatz für die Zähne 26 und 27 versorgt. Der Internist Dr.D. stellte in der Rechnung vom 15.10. 1991 eine iatrogene chronische Amalgamintoxikation, Pentachlorphenol-Intoxikation, Palladium-Unverträglichkeit fest; im November und Dezember 1991 wurden auch Laboruntersuchungen der Ärzte für Laboratoriumsmedizin Dres.S. u.a. (B.) durchgeführt. Die Klägerin ließ sich aufgrund dieser Befunde im Dezember 1991 die Amalgamfüllungen und Paladiumstifte entfernen, woraufhin nach ihren Angaben eine Besserung bzw. ein Verschwinden ihrer Gesundheitsbeschwerden eingetreten sei.
Der Heil- und Kostenplan der Zahnärzte Prof.Dr.O. und G.T. vom 03.02.1992 sah die Eingliederung eines Zahnersatzes für den Oberkiefer vor (Kosten 1.566,01 DM zuzüglich geschätzten Material- und Laborkosten 3.990,- DM); die Klägerin schloss am gleichen Tage auch eine Mehrkostenvereinbarung für eine Keramikverblendung der Zähne 16, 26 (260,- DM). Die gutachtliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr.L. vom 28.04.1992 befürwortete die Überkronung der Zähne 16 bis 22, hielt jedoch die Überkronung der Zähne 23 bis 27 sowie die Extraktion des Zahnes 25 nicht für notwendig. Mit Bescheid vom 13.05.1992 setzte die AOK für die Landkreise Altötting und Mühldorf am Inn für den Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 einen Zuschuss in Höhe von 60 % der entsprechend dem Vertrag berechneten Kosten (zahnärztliches Honorar und notwendige Material- und Laborkosten) mit Ausnahme der Metallkosten fest; für diese zahlte sie einen Zuschuss von 9,- DM je Krone bzw. Brückenglied.
Die Klägerin machte mit dem Widerspruch Kostenübernahme in voller Höhe wegen einer Amalgam- bzw. Palladiumunverträglichkeit sowie PCB-Vergiftung geltend, die zu chronischen Nasen-Nebenhöhlenentzündungen geführt habe. Sie benötige einen palladiumfreien Zahnersatz.
Mit Bescheid vom 04.08.1992 bestätigte die Beklagte die Zuschussfestsetzung in Höhe von 60 v.H. der Vertragssätze gemäß dem genehmigten Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992; dies gelte auch für den palladiumfreien Zahnersatz. Der von der Kasse beigezogene Bericht der A. Allergieklinik GmbH & Co. (Stationsärztin T.) hielt wegen der Krankheitsbeschwerden der Klägerin eine Zahnsanierung für dringend empfehlenswert. Das von der AOK Altötting eingeholte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) von Dr.B. vom 23.11.1992 verneinte eine Palladiumintoxikation sowie eine Palladiumunverträglichkeit.
Am 05.11.1992 erhielt die Klägerin für die Zähne 16 bis 22 Zahnersatz mit palladiumfreier Legierung; der Zahnersatz 26, 27 wurde entfernt und durch einen neuen palladiumfreien Zahnersatz 23 bis 27 ersetzt. Prof.Dr.O. und G. T. verlangten mit den Rechnungen vom 05.11.1992 4.444,46 DM und 3.316.97 DM jeweils einschließlich der Material-, Labor- und Mehrkosten. Die Kasse leistete für den Zahnersatz 16 bis 22 einen Zuschuss von 2.365,58 DM und bezuschusste den Zahnersatz 23 bis 27 nicht.
Sie stellte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 fest, die im Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 geplante Zahnersatzmaßnahme werde dahingehend berichtigt, dass ein festsitzender Zahnersatz für die Zähne 23 bis 27 nicht erforderlich sei und deshalb nicht bezuschusst werde. Der korrigierte Heil- und Kostenplan in der Fassung der Genehmigung vom 13.05.1992 werde mit 60 v.H. der Vertragssätze bezuschusst; ein darüber hinausgehender Zuschussanspruch sei nicht gegeben. Die vorgesehene Überkronung/Verbrückung der Zähne 23 bis 27 und die geplante Extraktion des Zahnes 27 seien nicht erforderlich; die Röntgenaufnahme des letztgenannten Zahnes zeige ein gesundes und normales Zahnbild. Da die Zähne 26 und 27 bereits mit einem funktionstüchtigen festsitzenden Zahnersatz versorgt gewesen seien, habe es auch keiner Überkronung der Zähne 23 und 24 bedurft. Die Klägerin habe die über den zuschussfähigen Vertragspreis für das bei Brücken zu verwendende Material (15,- DM je Brücken- bzw. Kronenglied) selbst zu tragen. Nach dem Gutachten des MDK vom 23.11.1992 liege weder eine Amalgamintoxikation noch eine Palladiumintoxikation mit begründeten Gesundheitsbeeinträchtigungen vor. Die Bundeszahnärztekammer habe in der Pressemitteilung vom 20.08.1992 dargelegt, dass Palladiumlegierungen keine Vergiftungsgefahr beinhalten. Die Kasse stellte im Widerspruchsbescheid ferner die Berechnung des Gesamtzuschusses von 2.365,88 DM fest.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.01.1993 beim Sozialgericht München Klage erhoben (S 2 KR 20/93). Die Kasse hat mit Schriftsatz vom 07.04.1993 ein weiteres Mal die Berechnung des Zuschusses und ihre Rechtsauffassung bezüglich der Ablehnung einer vollen Kostenübernahme dargelegt.
Die Klägerin hat anschließend unter Vorlage des Heil- und Kostenplanes des Zahnarztes Dr.H. vom 03.05.1993 die Übernahme aller Kosten für einen palladiumfreien Zahnersatz im Unterkiefer in Höhe von 3.720,72 DM (Honorar 1.227,72 DM und geschätzte Material Laborkosten 1.800,00 DM) geltend gemacht. Die Kasse hat mit Bescheid vom 07.06.1993 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 eine volle Kostenübernahme abgelehnt. Der zuschussfähige Vertragspreis betrage je Krone bzw. Brückenglied 15,- DM (Zuschuss von 60 % = 9,- DM); der Kassenzuschuss betrage 60 % der Vertragsleistungen, eine Bezuschussung zu 100 % sei nicht vorgesehen.
Die Klägerin hat mit dem Widerspruch vom 17.06.1993 erneut die Übernahme aller Kosten für die Zahnsanierung und Entgiftungsmaßnahmen im Unterkiefer beantragt sowie einen Allergiepass, ausgestellt von Dr.D. am 08.07.1993, vorgelegt. Der Zahnarzt Dr.H. hat mit der Rechnung vom 29.06.1993 die Gesamtkosten mit 3.269,34 DM berechnet (zahnärztliches Honorar 1.364,13 DM, Material- und Laborkosten 1.369,71 DM und Mehrkosten gemäß Vereinbarung 535,50 DM). Er hat abzüglich des Kassenanteils von 1.409,68 DM von der Klägerin die Zahlung eines Eigenanteils von 1.859,66 DM verlangt. Die Klägerin hat weiterhin unter Bezugnahme auf den von Dr.D. am 05.07.1993 durchgeführten Epicutantest volle Kostenübernahme beantragt. Die Beklagte hat hierzu gutachtliche Stellungnahmen des MDK von Dr.B. vom 27.07.1993, Dr.Dr.W. vom 30.07.1993, Dr.B. vom 27.08.1993 und Dr.B. vom 12.10.1993 eingeholt. Während Dr.Dr.W. eine palladiumfreie Legierung empfohlen und eine Amalgamallergie verneint hat, haben Dr.B. und Dr.B. aufgrund des Befundes von Dr.D. eine Palladiumallergie nicht als erwiesen angesehen.
Die Kasse hat mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.1993 festgestellt, sie beteilige sich an den Kosten des Zahnersatzes im Unterkiefer mit 60 v.H. der Vertragssätze; ein darüber hinausgehender Anspruch sei nicht gegeben. Es habe kein Anlass bestanden, Sonderkosten für einen palladiumfreien Zahnersatz zu vereinbaren, da die behauptete Palladiumallergie nicht nachgewiesen worden sei. Selbst bei Vorliegen einer Palladiumallergie könne ein palladiumfreier Zahnersatz nur mit 60 v.H. bezuschusst werden.
Die Klägerin hat hiergegen am 23.12.1993 wieder Klage beim SG erhoben (S 3 KR 576/93). Das SG hat einen Befundbericht von Dr.D. eingeholt und in der mündlichen Verhandlung am 25.10.1995 mit Beschluss die beiden Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Fortführung des Rechtsstreits unter dem Az.: S 3 KR 576/93 verbunden; beide Verfahren wurden als erledigt ausgetragen.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 13.11.1995 und 02.01.1996 eine Protokollberichtigung beantragt und die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 28.10.1996 das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 3. Kammer des SG als begründet bezeichnet.
Das SG hat durch die Vorsitzende der 18. Kammer ein Sachverständigengutachten von Prof.Dr.med.habil., Dr.rer.nat. E. (W.-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-Universität M.) nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige hat eine Amalgam-Palladiumintoxikation bzw. Unverträglichkeit verneint.
Der Klägerbevollmächtigte hat hiergegen Einwendungen erhoben, mit denen er insbesondere die fehlende Beachtung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes rügt, auf Veröffentlichungen aus Zeitungen hinweist und die Einholung eines Gutachtens eines Arztes des Vertrauens (Dr.S.) der Klägerin beantragt hat. Dr.S. ist im Sachverständigengutachten vom 08.06.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen fehlender Unbedenklichkeit von Palladium die Entfernung des Zahnersatzes geboten gewesen sei. Die Symptome der Klägerin seien durch die Verwendung von Amalgam bedingt.
Das SG hat mit Urteil vom 30.09.1999 die Klage abgewiesen. Die Kasse habe den Zuschuss im Oberkiefer zutreffend auf die Überkronung der Zähne 16 bis 22 beschränkt. Eine Notwendigkeit für die übrigen im Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 vorgesehenen Maßnahmen sei angesichts der Ausführung des zahnärztlichen Gutachters Dr.L. vom 28.04.1992 nicht zu erkennen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof.Dr.Dr.E. seien die Symptome der Klägerin mit einer Quecksilber-, Amalgam- oder Palladiumintoxikation bzw. -unverträglichkeit nicht in Zusammenhang zu bringen. Auch wenn der Sachverständige Dr.S. die Entfernung des Zahnersatzes unter Verwendung von Palladium und Quecksilber empfohlen habe, könne dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe den Austausch von Amalgamfüllungen nicht bereits als notwendig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne angesehen, wenn nur die bloße Möglichkeit festgestellt werden könne, dadurch den Gesundheitszustand günstig zu beeinflussen. Einen konkreten Zusammenhang zwischen den Krankheitsbeschwerden der Klägerin und Amalgam oder Palladium habe auch der Sachverständige Dr.S. nicht nachgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 03.02. 2000, mit der sie die Übernahme der entstandenen Kosten in voller Höhe geltend macht. Das angefochtene Urteil vom 30.09.1999 sei verfahrensfehlerhaft, da es sich auf das später erlassene Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.10.1999 stütze. Dieses Urteil enthalte Fehler in der Beweiswürdigung: Das Bundesgesundheitsamt habe die gleichzeitige Verwendung von Amalgam und Palladiumlegierung als kunstfehlerhaft bezeichnet. Das Sachverständigengutachten von Prof.Dr.Dr.E. verkenne den Beweiswert der DMPS-Testungen. Es bestehe bei der Klägerin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der durch den Zahnersatz verursachten Quecksilber-, Amalgam- und Palladiumintoxikation bzw. Unverträglichkeit mit den Krankheitssymptomen. Die Laborwerte der Klägerin seien nicht normal gewesen. Das SG habe sich auch nicht ausreichend mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr.S. auseinandergesetzt, der diesen ursächlichen Zusammenhang für wahrscheinlich gehalten habe. Das vom SG herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts sei nicht überzeugend und medizinisch unzutreffend und hätte daher nicht verwertet werden dürfen. Der Klägerin stehe auch ein Anspruch aus Aufopferung zu.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt sinngemäß,
den Rechtsstreit zu vertagen und ein Sachverständigengutachten des Internisten Prof.Dr.H. (H.) als Arzt des Vertrauens über die Gesundheitsschädigung durch kassenzugelassenes Zahnfüllungsmaterial und die Notwendigkeit der Sanierungs- und Entgiftungsbehandlungen sowie Laboranalysen einzuholen, hilfsweise die rechtlichen Kosten der Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer in Höhe von 9.555,12 DM sowie weitere ambulante Behandlungskosten, Fahrkosten, Verdienstausfall und Krankenhauskosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei Einlegung des Rechtsmittels maßgeblichen Betrag von 1.000,- DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).
Die Berufung ist unbegründet.
Es kann offen bleiben, ob die Verfahren unter den Aktenzeichen S 3 KR 20/93 und 576/93 tatsächlich erledigt worden sind, da das SG die Verfahren unter dem Aktenzeichen S 18 KR 392/95 fortgeführt und hier durch Urteil entschieden hat. Das Urteil ist im Ergebnis und in der Begründung einwandfrei.
Entgegen dem Klägerbevollmächtigten liegt in der Urteilsbegründung kein Verfahrensfehler. Der Senat trägt keine Bedenken gegen die Verwendung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.10.1999 (B 1 KR 13/97 R = SozR 3-2500 § 28 Nr.4 = BSGE 85, 56), das erst nach dem angefochtenen Urteil ergangen ist. Denn damit hat das SG nicht einen unzulässigen Beweis verwertet, sondern einen weiteren Beleg für seine Rechtsansicht zitiert. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das SG die Begründung, insbesondere bei der Beweiswürdigung, kurz gefasst hat. Denn nach § 136 Abs.1 Nr.6 SGG hat das Urteil die Entscheidungsgründe zu enthalten, wobei nach Abs.3 dieser Vorschrift das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen kann, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Daraus ergibt sich für das SG ein Spielraum hinsichtlich der Ausführlichkeit der Entscheidungsgründe. § 313 Abs.3 ZPO, der hier über § 202 SGG entsprechend gilt, sieht überdies vor, dass die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Danach muss sich das Gericht zwar mit allen wesentlichen Streitpunkten auseinandersetzen (BSG vom 10.08.1995, BSGE 76, 233), es genügt aber für jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtlich erheblichen Streitpunkt eine kurze Darstellung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs und der Einwendungen sind zu kennzeichnen, rechtliche Ausführungen können auf die Erörterung zweifelhafter Rechtsfragen beschränkt werden, von der Vertiefung theoretischer Streitfragen soll (schon aus verfahrensrechtlichen Gründen) abgesehen werden.
Wenn ein Beteiligter bestimmte Rechtsfragen aufgeworfen hatte, muss das Urteil zwar in der Regel dazu Stellung nehmen, weshalb es auf die Rechtsfrage nicht ankommt oder wie sie zu beantworten ist (BSG a.a.O.; Meyer-Ladewig, SGG, § 136, Rn.7 m.w.N.). Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, die das SG zutreffend vorgenommen hat. Selbst wenn das SG gegen diese Vorschrift verstoßen haben sollte, würde dies entgegen dem Klägerbevollmächtigten nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Streitsache führen. Denn ein derartiger Mangel wird durch das Urteil in der zweiten Instanz geheilt (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rd.7 g).
Der Rechtsstreit war nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG zu vertagen. Denn auf die im Beweisantrag bezeichneten Fragen kommt es hier nicht an. Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich um die Ablehnung einer Kostenübernahme für einen bestimmten Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer in voller Höhe und nicht um die im Antrag genannten weiteren Leistungen der Krankenbehandlung und der Fahrkosten sowie einen Verdienstausfall. Insoweit liegt eine nicht sachdienliche Klageänderung vor (§ 99 Abs.1 SGG). Die Beklagte hat als Rechtsnachfolgerin (ab 01.06.1995) der AOK für die Landkreise Altötting und Mühldorf am Inn (§ 144 Abs.4 Satz 2 SGB V) in die Klageänderung nicht eingewilligt.
Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten der Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer, der sich nach § 13 Abs.2 Sozialgesetzbuch V (SGB V) i.d.F. vom 20.12.1988 bzw. nach § 13 Abs.3 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992 richtet. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Gegen die Unaufschiebbarkeit der Leistung spricht schon der jeweils mehrmonatige Abstand zwischen dem Erstellen der Heil- und Kostenpläne und der Eingliederung des entsprechenden Zahnersatzes sowie der Umstand, dass die Klägerin sich in vertragszahnärztlicher Behandlung befunden hat.
Die Kasse hat es auch nicht zu Unrecht abgelehnt, die geltend gemachten Mehrkosten des Zahnersatzes zu übernehmen. Nach § 30 Abs.1 SGB V i.d.F. vom 20.12.1991 (BGBl I S.2325) der vom 01.01.1992 bis 31.12.1992 gegolten hat, erstattet die Krankenkasse Versicherten 50 v.H. der Kosten der im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung durchgeführten medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz (zahntechnische Leistungen und zahnärztliche Behandlungen), solange nicht Zuschüsse nach Abs.2 festgelegt worden sind. Der Zahnersatz umfasst auch Zahnkronen. Nach Absatz 5 dieser Vorschrift erhöhen sich die Zuschüsse für eigene Bemühungen des Versicherten zur Gesunderhaltung seiner Zähne um 10 Prozentpunkte und die Zuschüsse erhöhen sich um weitere 5 Prozentpunkte, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten 10 Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung, frühestens seit dem 01.01.1989 bestimmte Untersuchungen in Anspruch genommen hat. Gemäß § 30 Abs.1 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992 (BGBl I S.2266), der vom 01.01.1993 bis 31.12.1996 gegolten hat, haben Versicherte Anspruch auf einen Zuschuss von 50 v.H. der Kosten der im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung durchgeführten medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz (zahnärztliche Behandlung und zahntechnische Leistungen). Der Zahnersatz umfasst auch danach Zahnkronen. Konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit dem Zahnersatz erbracht werden, werden als Sachleistungen gewährt. Auch bei dieser Regelung war, wie in der vorhergehenden Fassung, eine Erhöhung des Zuschusses um 10 und weitere 5 Prozentpunkte vorgesehen.
Nach dem Inkrafttreten des SGB V am 01.01.1989 war die Leistung Zahnersatz nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich als Sachleistung ausgestaltet und die Kostenerstattung lediglich die Folge der Eigenbeteiligung (z.B. BSG vom 10.04. 1990, BSGE 66, 284). Entsprechend dem Wortlaut der obengenannten Vorschriften enthält der Zahnersatz drei Kostengruppen, nämlich den Zuschuss, d.h. den Kostenanteil der Krankenkasse, den Versichertenaneil der vom Versicherten direkt an den Vertragszahnarzt zu zahlen ist und besondere Sachleistungen, die als konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen von der Krankenkasse zusätzlich gewährt werden müssen.
Es ist den Akten nicht zu entnehmen, dass die Kasse den Zuschuss für den Zahnersatz im Oberkiefer, soweit er die Zähne 16 bis 22 betrifft, unzutreffend berechnet hat. Auf der Grundlage des Heil- und Kostenplanes von Prof.Dr.O. und G.T. vom 03.02.1992 über 4.285,89 DM hat sie für das zahnärztliche Honorar von 1.623,69 DM einen Zuschuss von 60 v.H., also 974,21 DM festgesetzt. Sie hat von den Laborkosten (2.662,20 DM) die Kosten für die palladiumfreie Legierung (461,75 DM) abgezogen (Zwischenergebnis 2.199,45 DM) und hat den vertraglichen Materialpreis von 120,- DM hinzugenommen. Aus diesem zuschussfähigen Betrag von 2.319,45 DM hat sie einen Zuschuss von 60 % in Höhe von 1.391,67 DM errechnet, der zusammen mit dem obengenannten Honorarzuschuss den Gesamtzuschuss von 2.365,88 DM ergibt. Die Ausführungen der Kasse im Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 und im Schreiben an die Klägerin vom 12.01.1993 sind nicht zu beanstanden.
Die Kasse hat für den Zahnersatz im Unterkiefer auf der Grundlage des Heil- und Kostenplans vom 03.05.1993 (Dr.H.) vom Honorar (1.227,72 DM) und den Kosten des Fremd- und Eigenlabors (1.310,18 DM bzw. 59,53 DM) die Metallkosten von 474,37 DM abgesetzt (Zwischenergebnis 2.123,06 DM) und hieraus den Kassenanteil von 60 % mit 1.273,84 DM berechnet. Die Metallkosten von 15,- DM je Brücken- und Kronenglied unterliegen gleichfalls der obengenannten Bezuschussung; also verringert sich der Materialpreis auf 9,- DM. Der Metallkostenzuschuss von 54,- DM zuzüglich des Kassenanteils für Honorar und Labor (1.273,84 DM) ergibt einen Gesamtzuschuss von 1.327,84 DM.
Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Recht eine Erstattung der vollen Kosten des Zahnersatzes verlangen, die in den Rechnungen von Prof.Dr.O. und G.T. und Dr.H. ausgewiesen sind. Dies gilt auch für die Verwendung des von ihr gewählten Metalles. In diesem Zusammenhang regeln die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vom 25.10.1977 (BAnz Nr.230,1) in Nr.12, dass bei der Auswahl der Dentallegierungen beachtet werden soll, dass Nichtedelmetall (NEM) und NEM-Legierungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§ 135 Abs.6 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992).
Diese Leistungsbeschränkung in den obengenannten Fassungen des § 30 SGB V besteht also auch dann, wenn bei der Klägerin eine Amalgam-, Palladium-Allergie bzw. -Unverträglichkeit vorgelegen haben sollte. Denn nach § 30 Abs.6 SGB V in der Fassung vom 20.12.1991 bzw. § 30 Abs.4 SGB V in der Fassung vom 21.12.1992 haben die Versicherten die Mehrkosten eines aufwändigeren Zahnersatzes selbst zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn die Zusatzleistung, wie im vorliegenden Fall, von der Kassenleistung nicht getrennt werden kann, weil eine andere Legierung verwendet wird (KassKomm - Höfler, § 30 SGB V, Rdnr.31).
Bei diesem Zahnersatz war ebenso wie bei dem Zahnersatz im Oberkiefer bezüglich der Zähne 23 bis 27 die von der Klägerin gewählte Versorgung (einschließlich der Extraktion des Zahnes 25) nicht notwendig im Sinne des § 12 Abs.1 SGB V. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift müssen die Leistungen der Krankenkasse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Notwendigkeit muss anhand ihres Zwecks bestimmt werden, der vor allem in der Erkennung und Heilung einer Krankheit, in der Verhütung einer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden liegen kann (§§ 11 Abs.1, 27 Abs.1 Satz 1 SGB V).
Voraussetzung für die Leistung des Zahnersatzes bzw. der Zahnbehandlung Extraktion des Zahnes 25 ist nach §§ 30 Abs.1, 28 Abs.2 i.V.m. § 27 Abs.1 Satz 1, 2 Nr.2 SGB V das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes und des BSG wird Krankheit in diesem Sinne als ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand definiert, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (KassKomm-Höfler, § 27 SGB V, Rdnr.9 m.w.N.). Das BSG hat speziell zum Falle eines Amalgamaustausches wegen unklarer gesundheitlicher Beschwerden mit Urteil vom 06.10.1999 (a.a.O.) für Recht erkannt, dass die Krankenkasse nicht für Kosten aufzukommen hat, die dadurch entstehen, dass sich der Versicherte wegen unklarer gesundheitlicher Beschwerden intakte Zahnfüllungen aus Amalgam entfernen und gegen ein anderes Füllmaterial austauschen lässt. Die bloße, auf allgemeine Erwägung gestützte hypothetische Möglichkeit eines Heilerfolges kann die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht begründen. Der Senat sieht entgegen dem Klägerbevollmächtigten keinen Anlass, von diesem Urteil abzuweichen. Sollte eine Vergiftung mit Amalgam oder Palladium bzw. eine Allergie gegen diese Metalle vorliegen, tritt die gesetzliche Krankenversicherung für die Behandlung dieser Krankheiten mit den jeweils einschlägigen Leistungen ein.
Hierzu hat das BSG im Urteil vom 06.10.1999 (a.a.O.) ausgeführt, dass die Zahnbehandlung ebenso Eingriffe an ordnungsgemäß sanierten und deshalb aus zahnmedizinischer Sicht nicht behandlungsbedürftigen Zähnen umfasst, wenn dadurch eine andere, allgemeinmedizinische Erkrankung behoben werden kann. Allerdings bedarf eine derartige mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Denn die Krankenkassen schulden in der Regel eine spezifische medizinische Behandlung. Noch strengere Anforderungen müssen dann gelten, wenn die mittelbare Behandlung eine gezielte Verletzung gesunder Körpersubstanz voraussetzt, weil in diesem Fall die Interessen der Versichertengemeinschaft besonders nachhaltig wegen eventueller Folgekosten berührt werden.
Der Zahnersatz ist auf die Leistung eines Zuschusses auch dann beschränkt, wenn die Behandlung aus anderen als zahnmedizinischen Gründen erforderlich wird (BSG vom 08.12. 1998, B 1 KR 62/97 b, unveröffentlicht; BSG vom 29.06.1994 SozR 3-2500 § 30 Nr.3; BSG vom 08.03.1995 SozR 3-2500 § 30 Nr.5). Dies gilt selbst dann, wenn er integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSG vom 06.10.1999, BSGE 85, 66).
Ein aufwändigeres Zahnersatzmaterial, als die Beklagte der Kostenberechnung zugrunde gelegt hat, war zudem nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall ging es zunächst darum, ob eine körperliche Regelwidrigkeit so erheblich ist, dass zur Behandlung der klägerischen Beschwerden eine Versorgung mit Zahnersatz medizinisch notwendig war (§ 30 Abs.1 SGB V), was von der Beklagten nicht angezweifelt war. Zweifelhaft war jedoch der medizinisch notwendige Umfang der von der Klägerin gewünschten Leistung.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten und der Beweisaufnahme durch das SG ist eine Intoxikation der Klägerin durch Amalgam bzw. Palladium bzw. eine Allergie gegen diese Metalle nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlicheit nachgewiesen. Dieser Maßstab ist im Regelfall für die Überzeugungsbildung einer Tatsache erforderlich (BSG vom 27.03.1958, BSGE 7, 103, 106; BSG vom 17.03.1964, BSGE 20, 255, 256). Eine derartige für die volle Überzeugung hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, d.h. wenn für den Richter das Gefühl des Zweifels, nämlich jede Möglichkeit des Gegenteils beseitigt ist. Erlaubt sind lediglich fernliegende Zweifel; die dafür sprechenden Umstände müssen weitaus überwiegen.
Der Sachverständige Prof.Dr.Dr.E. hat im Gutachten vom 24.06.1998 für den Senat überzeugend ausgeführt, dass eine gesicherte Datengrundlage für eine objektive Abschätzung von chronischen Palladiumintoxikationen bei Belastung durch palladiumhaltige Zahnersatzmaterialien nicht vorhanden ist. Die bei der Klägerin gemessenen Palladiumwerte, die für den Speichel (nach Kaugummi), den Urin (nach DMPS-Verabreichung), das Zahnfleisch angegeben wurden, ergeben keinen Anhalt für eine Palladiumintoxikation. Insbesondere ist der im Urin gemessene Wert nach der Anwendung von DMPS (0,8 Mikrogramm/l) völlig unauffällig. Der Sachverständige bestreitet nicht, dass es ein allergenes Potential von Palladiumverbindungen gibt. Inwieweit aber von positiven Hauttests, wie sie bei der Klägerin durchgeführt worden sind, auf eine Überempfindlichkeitsreaktion im Sinne einer Allergie bei Anwendung von Palladiummetall oder -Legierungen geschlossen werden kann, entzieht sich nach Auffassung des Sachverständigen noch einer eindeutigen Beurteilung. Denn es ist durch Untersuchungen festgestellt worden, dass Patienten mit positiver Reaktion auf Palladiumchlorid einen Kontakt mit Palladiummetall ohne Reaktion tolerieren und dass Palladiumchlorid über Verunreinigungen mit Nickel zu falsch positiven Testresultaten führen kann. Dies zusammen mit der relativ schwachen Reaktion im Hauttest macht eine Palladiumunverträglichkeit bei der Klägerin unwahrscheinlich.
Der Sachverständige hat weiterhin zur Quecksilbervergiftung bzw. Allergie auf Amalgam Folgendes ausgeführt: Es ist nach längerer Expositionsdauer (z.B. durch Amalgamfüllungen) nicht mehr möglich, zwischen der unterschiedlichen Herkunft der Quecksilberbelastung (Nahrung oder Amalgamfüllung) zu unterscheiden. Krankheitsbilder nach chronischer Quecksilberbelastung sind insbesondere aufgrund von Untersuchungen an beruflich exponierten Personengruppen erstellt und in der Literatur beschrieben worden. Die mildere Form der Quecksilberintoxikation (Mikromercurialismus) äußert sich in unspezifischen Syndromen, wie z.B. Schwächegefühl, schnelle Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, Appetitmangel, Nervosität, schlechte Merkfähigkeit, Kopfschmerzen, Arbeitsunlust oder erhöhte Reizbarkeit. Derartige Symtome sind zum Teil auch bei der Klägerin aufgetreten; sie kommen aber auch bei Personen ohne Quecksilberexposition vor. Daher sollten nach dem Sachverständigen die Begriffe Quecksilberintoxikation oder Mikromercuriaslismus nur Verwendung finden, wenn gleichzeitig die Quecksilberkonzentration im Urin oder Blut deutlich erhöht ist. Der Sachverständige geht für die Beurteilung der Regelwidrigkeit von dem biologischen Arbeitsstoff-Toleranz-Wert (BAT-Wert) als Grundlage zur arbeitsmedizinischen Bewertung für die am Arbeitsplatz angenommenen Mengen aus (Urinkonzentration 200 Mikrogramm Hg/l; Blutkonzentration 50 Mikrogramm Hg/l). Dieser BAT-Wert ist die beim Menschen höchst zulässige Quantität eines Arbeitsstoffes, die nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Kenntnis im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten auch dann nicht beeinträchtigt, wenn sie durch Einflüsse des Arbeitsplatzes regelhaft erzielt wird. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Sicherheitsspanne sind dabei arbeitsmedizinisch-toxikologisch fundierte Kriterien des Gesundheitsschutzes maßgebend. Da dieser tolerierbare Wert lediglich für die Belastung am Arbeitsplatz, d.h. für acht Stunden am Tag und fünf Tage die Woche, infrage kommt, kann für die 4-mal längere Belastung durch Amalgamfüllungen ein Viertel dieses Wertes als tolerierbar hingenommen werden, im Urin also 50 Mikrogramm Hg/l. Dies entspricht auch dem Grenzwert, der von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) als gerade noch tolerierbar eingestuft wird. Die Quecksilberkonzentration im Urin der Normalbevölkerung liegt mit 0,1 bis 5 Mikrogramm Hg/l weit unterhalb dieses Grenzwertes. Je nach der Anzahl der Amalgamfüllungen liegt die Quecksilberkonzentration bei Amalgamträgern im Bereich zwischen 1 und 5 Mikrogramm Hg/l. Diese Werte sind durch zahlreiche Untersuchungen belegt und gesichert. Da das Urinvolumen naturgemäß individuellen und tageszeitlichen Schwankungen unterliegt, wird der Gehalt von Quecksilber im Urin auf den Gehalt an Kreatinin bezogen, der eine vom Urinvolumen unabhängige Referenzgröße darstellt. Diesbezügliche Werte der Bevölkerung liegen im Bereich zwischen 0,1 und 6,1 Mikrogramm Hg/g Kreatinin, wobei Personen ohne Amalgamfüllungen zwischen 0,1 und 2,7 Mikrogramm Hg/g Kreatinin aufweisen. Arbeitsmedizinische Untersuchungen am Institut der Universität Erlangen-Nürnberg haben nachgewiesen, dass bei beruflich Quecksilber exponierten Personen Werte zwischen 100 und 1.500 Mikrogramm Hg/g Kreatinin gefunden wurden, ohne dass Anzeichen einer Quecksilberintoxikation (Tremor, sensorische Störungen, vermehrte Störungen des Nervensystems oder der Nierenfunktion) gefunden wurden. Amalgamträger weisen zwar in Zähnen, Knochen und Zahnfleisch generell höhere Quecksilberkonzentrationen auf als Personen ohne Amalgamfüllungen. Eine toxikologische Bewertung hinsichtlich der Belastung des Amalgamträgers lässt sich aus solchen Analysedaten jedoch nicht abgeben, denn einen quantitativen Zusammenhang zwischen solchen Analysedaten und Intoxikationssymptomen gibt es in der Literatur nicht.
Die Metallkonzentration im Speichel nach Kaugummistest ist für die Beantwortung der Frage nach einer übermäßigen Belastung mit folgender chronischer Intoxikation vom wissenschaftlichen Standpunkt aus eine ungeeignete Untersuchungsmethode. Auch aus der Stuhlprobe ergeben sich keine Hinweise auf eine Quecksilberintoxikation der Klägerin. Es ist nachgewiesen, dass Personen nach längerer Quecksilbebelastung das Quecksilber annähernd zu gleichen Teilen über den Urin und Stuhl ausscheiden. Der Sachverständige geht von einer täglichen Ausscheidung mit dem Stuhl von 4,5 Mikrogramm Hg aus und zieht diesen Wert auch für die tägliche Ausscheidung über den Urin heran. Bei einer gebräuchlichen Annahme von täglich ein bis 2 Liter Urin ergibt sich damit eine Quecksilberkonzentration von 2,3 bis 4,5 Mikrogramm Hg/l Urin. Derartige Werte liegen noch nicht einmal in Bereichen, die man als kritisch ansehen muss. Aufgrund dieser realistischen Abschätzung muss eine Quecksilberintoxikation, auch in einer milden Form, bei der Klägerin verneint werden. Der Sachverständige hat auch erhebliche Bedenken gegen die Bewertung der Quecksilbermobilisierung durch DMPS. Schwermetallvergiftungen werden seit vielen Jahren mit besonderen Arzneistoffen (Komplex- oder Chelat-Bildern) behandelt, die die Schwermetalle binden und meist über den Urin vermehrt ausscheiden. Auch wenn keine Vergiftung vorliegt, wird durch die Verabreichung eines geeigneten Komplexbildners ein Teil des im Körper gespeicherten Schwermetalls gebunden und vermehrt ausgeschieden. Der Rückschluss von solchen Tests auf Amalgam als Intoxikationsursache ist in keiner Weise belegt und daher nicht als Nachweis geeignet. Die Angabe von Grenzwerten für die DMPS- bedingte Erhöhung der Quecksilberkonzentration im Urin von Amalgamträgern ist willkürlich. Damit sind die zwei, jeweils im Abstand von mehreren Wochen erfolgten Messungen wenig aussagekräftig. Die bei der Klägerin gemessenen Werte nach intravenöser Gabe von DMPS ergeben nach dem Sachverständigen keinesfalls einen Hinweis auf toxisch erhöhte Quecksilberwerte. Die Höhe der Quecksilberausscheidung im Urin nach Mobilisierung mittels DMPS lag in dem für Amalgamträger typischen Bereich und kann mit toxikologisch erfassbaren Parametern nicht in Zusammenhang gebracht werden. Es ist nach dem Sachverständigen mehr als wahrscheinlich, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Labordatenerhebung, also vor Entfernung der Amalgamfüllungen und Palladiumstifte, keine Amalgam- oder Palladiumintoxikation bzw. -unverträglichkeit bestanden hatte.
Demgegenüber hat das Sachverständigengutachten von Dr.S. nicht die gleiche Überzeugungskraft. Denn es ist zum Teil nicht schlüssig und befasst sich nicht ausreichend mit dem konkreten Fall der Klägerin; vielmehr zeigt es vorwiegend eine Auswahl der einschlägigen medizinischen Literatur. Die Feststellung von Dr.S. , dass die Einführung von Palladium in den menschlichen Körper bereits eine Intoxikation darstelle und dass wahrscheinlich die von der Klägerin angeführten Krankheitssymptome auch auf Palladium zurückzuführen seien, sind zu vage und allgemein, als dass hiermit der Nachweis einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung als wesentliches Kriterium für einen zahnärztlichen Eingriff geführt werden kann. Zwar wird von Dr.S. auch nicht bestritten, dass eine klassische Quecksilbervergiftung nicht vorliegt. Er aus und schließt aus der angeblichen Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin nach der Amalgamsanierung auf die Richtigkeit der Diagnose. Ein derartiger Schluss ist nicht zwingend, da die von der Klägerin angegebenen Krankheitssymptome - wie oben ausgeführt wurde - auch andere Ursachen haben können. Auch die übrigen Feststellungen des Sachverständigen und seine Schlussfolgerungen sind zu allgemein und ungenau und befassen sich lediglich mit Möglichkeiten, so dass hierdurch der Nachweis einer durch Amalgam bzw. Palladium verursachten Erkrankung nicht zu führen ist.
Insoweit muss der Senat davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund dieses Gutachtens die objektive Beweislast trifft (z.B. BSG vom 20.01.1977 BSGE 43, 110). Soweit in der medizinischen Wissenschaft generell Bedenken gegen die Verwendung von Amalgam geäußert werden, weil dessen Ungefährlichkeit nicht erwiesen ist, schließt sich der Senat auch in diesem Punkt dem Urteil des BSG vom 06.10.1999 an (a.a.O.). Es hat hier ausgeführt, dass die gesundheitliche Gefährdung durch Amalgam in ihren wesentlichen Elementen derzeit wissenschaftlich höchst umstritten ist. Es ist aber nicht die Aufgabe der Gerichte, durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtensaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnis voranzutreiben (s. auch BSG vom 16.09.1997, BSGE 81, 54, 69).
Die Klägerin kann den Anspruch auf Zahlung der restlichen Kosten des Zahnersatzes nicht mit Recht auf die erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Grundsätze der Aufopferung stützen. Zwar hat das BSG im Urteil vom 06.10.1999 (BSGE 85, 66)im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Befreiung vom Eigenanteil bei der Versorgung mit Zahnersatz unter bestimmten Umständen unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung geboten sein kann. Der Senat ist schon wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit (§ 40 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung) nicht befugt, hierüber zu entscheiden (Bundesgerichtshof vom 05.06.1997 MedR 1998,365). Er sieht allerdings von einer Verweisung an ein anderes Gericht ab (§ 17a Abs.2 Gerichtsverfassungsgesetz). Denn die Beklagte ist mit einem entsprechenden Verwaltungsverfahren noch nicht befasst gewesen bzw. hat noch nicht Gelegenheit zu einer umfassenden Stellungnahme erhalten, so dass der Senat im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BGH (BGH vom 19.11.1992 NJW 1993, 332; BGH vom 17.06.1993 NJW 1993, 2541; BGH vom 03.08.1995 ZIP 1995, 1451 jeweils mit weiteren Nachweisen) derzeit eine gerichtliche Kontrolle für sinnlos hält.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist eine Kostenerstattung für die Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer.
Die am 1955 geborene Klägerin wurde in den Jahren 1988 und 1991 mit einem Zahnersatz für die Zähne 26 und 27 versorgt. Der Internist Dr.D. stellte in der Rechnung vom 15.10. 1991 eine iatrogene chronische Amalgamintoxikation, Pentachlorphenol-Intoxikation, Palladium-Unverträglichkeit fest; im November und Dezember 1991 wurden auch Laboruntersuchungen der Ärzte für Laboratoriumsmedizin Dres.S. u.a. (B.) durchgeführt. Die Klägerin ließ sich aufgrund dieser Befunde im Dezember 1991 die Amalgamfüllungen und Paladiumstifte entfernen, woraufhin nach ihren Angaben eine Besserung bzw. ein Verschwinden ihrer Gesundheitsbeschwerden eingetreten sei.
Der Heil- und Kostenplan der Zahnärzte Prof.Dr.O. und G.T. vom 03.02.1992 sah die Eingliederung eines Zahnersatzes für den Oberkiefer vor (Kosten 1.566,01 DM zuzüglich geschätzten Material- und Laborkosten 3.990,- DM); die Klägerin schloss am gleichen Tage auch eine Mehrkostenvereinbarung für eine Keramikverblendung der Zähne 16, 26 (260,- DM). Die gutachtliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr.L. vom 28.04.1992 befürwortete die Überkronung der Zähne 16 bis 22, hielt jedoch die Überkronung der Zähne 23 bis 27 sowie die Extraktion des Zahnes 25 nicht für notwendig. Mit Bescheid vom 13.05.1992 setzte die AOK für die Landkreise Altötting und Mühldorf am Inn für den Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 einen Zuschuss in Höhe von 60 % der entsprechend dem Vertrag berechneten Kosten (zahnärztliches Honorar und notwendige Material- und Laborkosten) mit Ausnahme der Metallkosten fest; für diese zahlte sie einen Zuschuss von 9,- DM je Krone bzw. Brückenglied.
Die Klägerin machte mit dem Widerspruch Kostenübernahme in voller Höhe wegen einer Amalgam- bzw. Palladiumunverträglichkeit sowie PCB-Vergiftung geltend, die zu chronischen Nasen-Nebenhöhlenentzündungen geführt habe. Sie benötige einen palladiumfreien Zahnersatz.
Mit Bescheid vom 04.08.1992 bestätigte die Beklagte die Zuschussfestsetzung in Höhe von 60 v.H. der Vertragssätze gemäß dem genehmigten Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992; dies gelte auch für den palladiumfreien Zahnersatz. Der von der Kasse beigezogene Bericht der A. Allergieklinik GmbH & Co. (Stationsärztin T.) hielt wegen der Krankheitsbeschwerden der Klägerin eine Zahnsanierung für dringend empfehlenswert. Das von der AOK Altötting eingeholte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) von Dr.B. vom 23.11.1992 verneinte eine Palladiumintoxikation sowie eine Palladiumunverträglichkeit.
Am 05.11.1992 erhielt die Klägerin für die Zähne 16 bis 22 Zahnersatz mit palladiumfreier Legierung; der Zahnersatz 26, 27 wurde entfernt und durch einen neuen palladiumfreien Zahnersatz 23 bis 27 ersetzt. Prof.Dr.O. und G. T. verlangten mit den Rechnungen vom 05.11.1992 4.444,46 DM und 3.316.97 DM jeweils einschließlich der Material-, Labor- und Mehrkosten. Die Kasse leistete für den Zahnersatz 16 bis 22 einen Zuschuss von 2.365,58 DM und bezuschusste den Zahnersatz 23 bis 27 nicht.
Sie stellte mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 fest, die im Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 geplante Zahnersatzmaßnahme werde dahingehend berichtigt, dass ein festsitzender Zahnersatz für die Zähne 23 bis 27 nicht erforderlich sei und deshalb nicht bezuschusst werde. Der korrigierte Heil- und Kostenplan in der Fassung der Genehmigung vom 13.05.1992 werde mit 60 v.H. der Vertragssätze bezuschusst; ein darüber hinausgehender Zuschussanspruch sei nicht gegeben. Die vorgesehene Überkronung/Verbrückung der Zähne 23 bis 27 und die geplante Extraktion des Zahnes 27 seien nicht erforderlich; die Röntgenaufnahme des letztgenannten Zahnes zeige ein gesundes und normales Zahnbild. Da die Zähne 26 und 27 bereits mit einem funktionstüchtigen festsitzenden Zahnersatz versorgt gewesen seien, habe es auch keiner Überkronung der Zähne 23 und 24 bedurft. Die Klägerin habe die über den zuschussfähigen Vertragspreis für das bei Brücken zu verwendende Material (15,- DM je Brücken- bzw. Kronenglied) selbst zu tragen. Nach dem Gutachten des MDK vom 23.11.1992 liege weder eine Amalgamintoxikation noch eine Palladiumintoxikation mit begründeten Gesundheitsbeeinträchtigungen vor. Die Bundeszahnärztekammer habe in der Pressemitteilung vom 20.08.1992 dargelegt, dass Palladiumlegierungen keine Vergiftungsgefahr beinhalten. Die Kasse stellte im Widerspruchsbescheid ferner die Berechnung des Gesamtzuschusses von 2.365,88 DM fest.
Hiergegen hat die Klägerin am 13.01.1993 beim Sozialgericht München Klage erhoben (S 2 KR 20/93). Die Kasse hat mit Schriftsatz vom 07.04.1993 ein weiteres Mal die Berechnung des Zuschusses und ihre Rechtsauffassung bezüglich der Ablehnung einer vollen Kostenübernahme dargelegt.
Die Klägerin hat anschließend unter Vorlage des Heil- und Kostenplanes des Zahnarztes Dr.H. vom 03.05.1993 die Übernahme aller Kosten für einen palladiumfreien Zahnersatz im Unterkiefer in Höhe von 3.720,72 DM (Honorar 1.227,72 DM und geschätzte Material Laborkosten 1.800,00 DM) geltend gemacht. Die Kasse hat mit Bescheid vom 07.06.1993 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 eine volle Kostenübernahme abgelehnt. Der zuschussfähige Vertragspreis betrage je Krone bzw. Brückenglied 15,- DM (Zuschuss von 60 % = 9,- DM); der Kassenzuschuss betrage 60 % der Vertragsleistungen, eine Bezuschussung zu 100 % sei nicht vorgesehen.
Die Klägerin hat mit dem Widerspruch vom 17.06.1993 erneut die Übernahme aller Kosten für die Zahnsanierung und Entgiftungsmaßnahmen im Unterkiefer beantragt sowie einen Allergiepass, ausgestellt von Dr.D. am 08.07.1993, vorgelegt. Der Zahnarzt Dr.H. hat mit der Rechnung vom 29.06.1993 die Gesamtkosten mit 3.269,34 DM berechnet (zahnärztliches Honorar 1.364,13 DM, Material- und Laborkosten 1.369,71 DM und Mehrkosten gemäß Vereinbarung 535,50 DM). Er hat abzüglich des Kassenanteils von 1.409,68 DM von der Klägerin die Zahlung eines Eigenanteils von 1.859,66 DM verlangt. Die Klägerin hat weiterhin unter Bezugnahme auf den von Dr.D. am 05.07.1993 durchgeführten Epicutantest volle Kostenübernahme beantragt. Die Beklagte hat hierzu gutachtliche Stellungnahmen des MDK von Dr.B. vom 27.07.1993, Dr.Dr.W. vom 30.07.1993, Dr.B. vom 27.08.1993 und Dr.B. vom 12.10.1993 eingeholt. Während Dr.Dr.W. eine palladiumfreie Legierung empfohlen und eine Amalgamallergie verneint hat, haben Dr.B. und Dr.B. aufgrund des Befundes von Dr.D. eine Palladiumallergie nicht als erwiesen angesehen.
Die Kasse hat mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.1993 festgestellt, sie beteilige sich an den Kosten des Zahnersatzes im Unterkiefer mit 60 v.H. der Vertragssätze; ein darüber hinausgehender Anspruch sei nicht gegeben. Es habe kein Anlass bestanden, Sonderkosten für einen palladiumfreien Zahnersatz zu vereinbaren, da die behauptete Palladiumallergie nicht nachgewiesen worden sei. Selbst bei Vorliegen einer Palladiumallergie könne ein palladiumfreier Zahnersatz nur mit 60 v.H. bezuschusst werden.
Die Klägerin hat hiergegen am 23.12.1993 wieder Klage beim SG erhoben (S 3 KR 576/93). Das SG hat einen Befundbericht von Dr.D. eingeholt und in der mündlichen Verhandlung am 25.10.1995 mit Beschluss die beiden Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Fortführung des Rechtsstreits unter dem Az.: S 3 KR 576/93 verbunden; beide Verfahren wurden als erledigt ausgetragen.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 13.11.1995 und 02.01.1996 eine Protokollberichtigung beantragt und die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Bayerische Landessozialgericht hat mit Beschluss vom 28.10.1996 das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende der 3. Kammer des SG als begründet bezeichnet.
Das SG hat durch die Vorsitzende der 18. Kammer ein Sachverständigengutachten von Prof.Dr.med.habil., Dr.rer.nat. E. (W.-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Ludwig-Maximilians-Universität M.) nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige hat eine Amalgam-Palladiumintoxikation bzw. Unverträglichkeit verneint.
Der Klägerbevollmächtigte hat hiergegen Einwendungen erhoben, mit denen er insbesondere die fehlende Beachtung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes rügt, auf Veröffentlichungen aus Zeitungen hinweist und die Einholung eines Gutachtens eines Arztes des Vertrauens (Dr.S.) der Klägerin beantragt hat. Dr.S. ist im Sachverständigengutachten vom 08.06.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen fehlender Unbedenklichkeit von Palladium die Entfernung des Zahnersatzes geboten gewesen sei. Die Symptome der Klägerin seien durch die Verwendung von Amalgam bedingt.
Das SG hat mit Urteil vom 30.09.1999 die Klage abgewiesen. Die Kasse habe den Zuschuss im Oberkiefer zutreffend auf die Überkronung der Zähne 16 bis 22 beschränkt. Eine Notwendigkeit für die übrigen im Heil- und Kostenplan vom 03.02.1992 vorgesehenen Maßnahmen sei angesichts der Ausführung des zahnärztlichen Gutachters Dr.L. vom 28.04.1992 nicht zu erkennen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof.Dr.Dr.E. seien die Symptome der Klägerin mit einer Quecksilber-, Amalgam- oder Palladiumintoxikation bzw. -unverträglichkeit nicht in Zusammenhang zu bringen. Auch wenn der Sachverständige Dr.S. die Entfernung des Zahnersatzes unter Verwendung von Palladium und Quecksilber empfohlen habe, könne dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe den Austausch von Amalgamfüllungen nicht bereits als notwendig im krankenversicherungsrechtlichen Sinne angesehen, wenn nur die bloße Möglichkeit festgestellt werden könne, dadurch den Gesundheitszustand günstig zu beeinflussen. Einen konkreten Zusammenhang zwischen den Krankheitsbeschwerden der Klägerin und Amalgam oder Palladium habe auch der Sachverständige Dr.S. nicht nachgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 03.02. 2000, mit der sie die Übernahme der entstandenen Kosten in voller Höhe geltend macht. Das angefochtene Urteil vom 30.09.1999 sei verfahrensfehlerhaft, da es sich auf das später erlassene Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.10.1999 stütze. Dieses Urteil enthalte Fehler in der Beweiswürdigung: Das Bundesgesundheitsamt habe die gleichzeitige Verwendung von Amalgam und Palladiumlegierung als kunstfehlerhaft bezeichnet. Das Sachverständigengutachten von Prof.Dr.Dr.E. verkenne den Beweiswert der DMPS-Testungen. Es bestehe bei der Klägerin ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der durch den Zahnersatz verursachten Quecksilber-, Amalgam- und Palladiumintoxikation bzw. Unverträglichkeit mit den Krankheitssymptomen. Die Laborwerte der Klägerin seien nicht normal gewesen. Das SG habe sich auch nicht ausreichend mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr.S. auseinandergesetzt, der diesen ursächlichen Zusammenhang für wahrscheinlich gehalten habe. Das vom SG herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts sei nicht überzeugend und medizinisch unzutreffend und hätte daher nicht verwertet werden dürfen. Der Klägerin stehe auch ein Anspruch aus Aufopferung zu.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt sinngemäß,
den Rechtsstreit zu vertagen und ein Sachverständigengutachten des Internisten Prof.Dr.H. (H.) als Arzt des Vertrauens über die Gesundheitsschädigung durch kassenzugelassenes Zahnfüllungsmaterial und die Notwendigkeit der Sanierungs- und Entgiftungsbehandlungen sowie Laboranalysen einzuholen, hilfsweise die rechtlichen Kosten der Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer in Höhe von 9.555,12 DM sowie weitere ambulante Behandlungskosten, Fahrkosten, Verdienstausfall und Krankenhauskosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei Einlegung des Rechtsmittels maßgeblichen Betrag von 1.000,- DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.).
Die Berufung ist unbegründet.
Es kann offen bleiben, ob die Verfahren unter den Aktenzeichen S 3 KR 20/93 und 576/93 tatsächlich erledigt worden sind, da das SG die Verfahren unter dem Aktenzeichen S 18 KR 392/95 fortgeführt und hier durch Urteil entschieden hat. Das Urteil ist im Ergebnis und in der Begründung einwandfrei.
Entgegen dem Klägerbevollmächtigten liegt in der Urteilsbegründung kein Verfahrensfehler. Der Senat trägt keine Bedenken gegen die Verwendung des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.10.1999 (B 1 KR 13/97 R = SozR 3-2500 § 28 Nr.4 = BSGE 85, 56), das erst nach dem angefochtenen Urteil ergangen ist. Denn damit hat das SG nicht einen unzulässigen Beweis verwertet, sondern einen weiteren Beleg für seine Rechtsansicht zitiert. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das SG die Begründung, insbesondere bei der Beweiswürdigung, kurz gefasst hat. Denn nach § 136 Abs.1 Nr.6 SGG hat das Urteil die Entscheidungsgründe zu enthalten, wobei nach Abs.3 dieser Vorschrift das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen kann, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Daraus ergibt sich für das SG ein Spielraum hinsichtlich der Ausführlichkeit der Entscheidungsgründe. § 313 Abs.3 ZPO, der hier über § 202 SGG entsprechend gilt, sieht überdies vor, dass die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Danach muss sich das Gericht zwar mit allen wesentlichen Streitpunkten auseinandersetzen (BSG vom 10.08.1995, BSGE 76, 233), es genügt aber für jeden einzelnen für den Urteilsausspruch rechtlich erheblichen Streitpunkt eine kurze Darstellung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs und der Einwendungen sind zu kennzeichnen, rechtliche Ausführungen können auf die Erörterung zweifelhafter Rechtsfragen beschränkt werden, von der Vertiefung theoretischer Streitfragen soll (schon aus verfahrensrechtlichen Gründen) abgesehen werden.
Wenn ein Beteiligter bestimmte Rechtsfragen aufgeworfen hatte, muss das Urteil zwar in der Regel dazu Stellung nehmen, weshalb es auf die Rechtsfrage nicht ankommt oder wie sie zu beantworten ist (BSG a.a.O.; Meyer-Ladewig, SGG, § 136, Rn.7 m.w.N.). Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, die das SG zutreffend vorgenommen hat. Selbst wenn das SG gegen diese Vorschrift verstoßen haben sollte, würde dies entgegen dem Klägerbevollmächtigten nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Streitsache führen. Denn ein derartiger Mangel wird durch das Urteil in der zweiten Instanz geheilt (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rd.7 g).
Der Rechtsstreit war nicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG zu vertagen. Denn auf die im Beweisantrag bezeichneten Fragen kommt es hier nicht an. Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich um die Ablehnung einer Kostenübernahme für einen bestimmten Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer in voller Höhe und nicht um die im Antrag genannten weiteren Leistungen der Krankenbehandlung und der Fahrkosten sowie einen Verdienstausfall. Insoweit liegt eine nicht sachdienliche Klageänderung vor (§ 99 Abs.1 SGG). Die Beklagte hat als Rechtsnachfolgerin (ab 01.06.1995) der AOK für die Landkreise Altötting und Mühldorf am Inn (§ 144 Abs.4 Satz 2 SGB V) in die Klageänderung nicht eingewilligt.
Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten der Zahnsanierung im Ober- und Unterkiefer, der sich nach § 13 Abs.2 Sozialgesetzbuch V (SGB V) i.d.F. vom 20.12.1988 bzw. nach § 13 Abs.3 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992 richtet. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Gegen die Unaufschiebbarkeit der Leistung spricht schon der jeweils mehrmonatige Abstand zwischen dem Erstellen der Heil- und Kostenpläne und der Eingliederung des entsprechenden Zahnersatzes sowie der Umstand, dass die Klägerin sich in vertragszahnärztlicher Behandlung befunden hat.
Die Kasse hat es auch nicht zu Unrecht abgelehnt, die geltend gemachten Mehrkosten des Zahnersatzes zu übernehmen. Nach § 30 Abs.1 SGB V i.d.F. vom 20.12.1991 (BGBl I S.2325) der vom 01.01.1992 bis 31.12.1992 gegolten hat, erstattet die Krankenkasse Versicherten 50 v.H. der Kosten der im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung durchgeführten medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz (zahntechnische Leistungen und zahnärztliche Behandlungen), solange nicht Zuschüsse nach Abs.2 festgelegt worden sind. Der Zahnersatz umfasst auch Zahnkronen. Nach Absatz 5 dieser Vorschrift erhöhen sich die Zuschüsse für eigene Bemühungen des Versicherten zur Gesunderhaltung seiner Zähne um 10 Prozentpunkte und die Zuschüsse erhöhen sich um weitere 5 Prozentpunkte, wenn der Versicherte seine Zähne regelmäßig gepflegt und in den letzten 10 Kalenderjahren vor Beginn der Behandlung, frühestens seit dem 01.01.1989 bestimmte Untersuchungen in Anspruch genommen hat. Gemäß § 30 Abs.1 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992 (BGBl I S.2266), der vom 01.01.1993 bis 31.12.1996 gegolten hat, haben Versicherte Anspruch auf einen Zuschuss von 50 v.H. der Kosten der im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung durchgeführten medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz (zahnärztliche Behandlung und zahntechnische Leistungen). Der Zahnersatz umfasst auch danach Zahnkronen. Konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit dem Zahnersatz erbracht werden, werden als Sachleistungen gewährt. Auch bei dieser Regelung war, wie in der vorhergehenden Fassung, eine Erhöhung des Zuschusses um 10 und weitere 5 Prozentpunkte vorgesehen.
Nach dem Inkrafttreten des SGB V am 01.01.1989 war die Leistung Zahnersatz nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich als Sachleistung ausgestaltet und die Kostenerstattung lediglich die Folge der Eigenbeteiligung (z.B. BSG vom 10.04. 1990, BSGE 66, 284). Entsprechend dem Wortlaut der obengenannten Vorschriften enthält der Zahnersatz drei Kostengruppen, nämlich den Zuschuss, d.h. den Kostenanteil der Krankenkasse, den Versichertenaneil der vom Versicherten direkt an den Vertragszahnarzt zu zahlen ist und besondere Sachleistungen, die als konservierend-chirurgische und Röntgenleistungen von der Krankenkasse zusätzlich gewährt werden müssen.
Es ist den Akten nicht zu entnehmen, dass die Kasse den Zuschuss für den Zahnersatz im Oberkiefer, soweit er die Zähne 16 bis 22 betrifft, unzutreffend berechnet hat. Auf der Grundlage des Heil- und Kostenplanes von Prof.Dr.O. und G.T. vom 03.02.1992 über 4.285,89 DM hat sie für das zahnärztliche Honorar von 1.623,69 DM einen Zuschuss von 60 v.H., also 974,21 DM festgesetzt. Sie hat von den Laborkosten (2.662,20 DM) die Kosten für die palladiumfreie Legierung (461,75 DM) abgezogen (Zwischenergebnis 2.199,45 DM) und hat den vertraglichen Materialpreis von 120,- DM hinzugenommen. Aus diesem zuschussfähigen Betrag von 2.319,45 DM hat sie einen Zuschuss von 60 % in Höhe von 1.391,67 DM errechnet, der zusammen mit dem obengenannten Honorarzuschuss den Gesamtzuschuss von 2.365,88 DM ergibt. Die Ausführungen der Kasse im Widerspruchsbescheid vom 16.12.1992 und im Schreiben an die Klägerin vom 12.01.1993 sind nicht zu beanstanden.
Die Kasse hat für den Zahnersatz im Unterkiefer auf der Grundlage des Heil- und Kostenplans vom 03.05.1993 (Dr.H.) vom Honorar (1.227,72 DM) und den Kosten des Fremd- und Eigenlabors (1.310,18 DM bzw. 59,53 DM) die Metallkosten von 474,37 DM abgesetzt (Zwischenergebnis 2.123,06 DM) und hieraus den Kassenanteil von 60 % mit 1.273,84 DM berechnet. Die Metallkosten von 15,- DM je Brücken- und Kronenglied unterliegen gleichfalls der obengenannten Bezuschussung; also verringert sich der Materialpreis auf 9,- DM. Der Metallkostenzuschuss von 54,- DM zuzüglich des Kassenanteils für Honorar und Labor (1.273,84 DM) ergibt einen Gesamtzuschuss von 1.327,84 DM.
Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Recht eine Erstattung der vollen Kosten des Zahnersatzes verlangen, die in den Rechnungen von Prof.Dr.O. und G.T. und Dr.H. ausgewiesen sind. Dies gilt auch für die Verwendung des von ihr gewählten Metalles. In diesem Zusammenhang regeln die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen vom 25.10.1977 (BAnz Nr.230,1) in Nr.12, dass bei der Auswahl der Dentallegierungen beachtet werden soll, dass Nichtedelmetall (NEM) und NEM-Legierungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§ 135 Abs.6 SGB V i.d.F. vom 21.12.1992).
Diese Leistungsbeschränkung in den obengenannten Fassungen des § 30 SGB V besteht also auch dann, wenn bei der Klägerin eine Amalgam-, Palladium-Allergie bzw. -Unverträglichkeit vorgelegen haben sollte. Denn nach § 30 Abs.6 SGB V in der Fassung vom 20.12.1991 bzw. § 30 Abs.4 SGB V in der Fassung vom 21.12.1992 haben die Versicherten die Mehrkosten eines aufwändigeren Zahnersatzes selbst zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn die Zusatzleistung, wie im vorliegenden Fall, von der Kassenleistung nicht getrennt werden kann, weil eine andere Legierung verwendet wird (KassKomm - Höfler, § 30 SGB V, Rdnr.31).
Bei diesem Zahnersatz war ebenso wie bei dem Zahnersatz im Oberkiefer bezüglich der Zähne 23 bis 27 die von der Klägerin gewählte Versorgung (einschließlich der Extraktion des Zahnes 25) nicht notwendig im Sinne des § 12 Abs.1 SGB V. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift müssen die Leistungen der Krankenkasse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die Notwendigkeit muss anhand ihres Zwecks bestimmt werden, der vor allem in der Erkennung und Heilung einer Krankheit, in der Verhütung einer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden liegen kann (§§ 11 Abs.1, 27 Abs.1 Satz 1 SGB V).
Voraussetzung für die Leistung des Zahnersatzes bzw. der Zahnbehandlung Extraktion des Zahnes 25 ist nach §§ 30 Abs.1, 28 Abs.2 i.V.m. § 27 Abs.1 Satz 1, 2 Nr.2 SGB V das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes und des BSG wird Krankheit in diesem Sinne als ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand definiert, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat (KassKomm-Höfler, § 27 SGB V, Rdnr.9 m.w.N.). Das BSG hat speziell zum Falle eines Amalgamaustausches wegen unklarer gesundheitlicher Beschwerden mit Urteil vom 06.10.1999 (a.a.O.) für Recht erkannt, dass die Krankenkasse nicht für Kosten aufzukommen hat, die dadurch entstehen, dass sich der Versicherte wegen unklarer gesundheitlicher Beschwerden intakte Zahnfüllungen aus Amalgam entfernen und gegen ein anderes Füllmaterial austauschen lässt. Die bloße, auf allgemeine Erwägung gestützte hypothetische Möglichkeit eines Heilerfolges kann die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht begründen. Der Senat sieht entgegen dem Klägerbevollmächtigten keinen Anlass, von diesem Urteil abzuweichen. Sollte eine Vergiftung mit Amalgam oder Palladium bzw. eine Allergie gegen diese Metalle vorliegen, tritt die gesetzliche Krankenversicherung für die Behandlung dieser Krankheiten mit den jeweils einschlägigen Leistungen ein.
Hierzu hat das BSG im Urteil vom 06.10.1999 (a.a.O.) ausgeführt, dass die Zahnbehandlung ebenso Eingriffe an ordnungsgemäß sanierten und deshalb aus zahnmedizinischer Sicht nicht behandlungsbedürftigen Zähnen umfasst, wenn dadurch eine andere, allgemeinmedizinische Erkrankung behoben werden kann. Allerdings bedarf eine derartige mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung. Denn die Krankenkassen schulden in der Regel eine spezifische medizinische Behandlung. Noch strengere Anforderungen müssen dann gelten, wenn die mittelbare Behandlung eine gezielte Verletzung gesunder Körpersubstanz voraussetzt, weil in diesem Fall die Interessen der Versichertengemeinschaft besonders nachhaltig wegen eventueller Folgekosten berührt werden.
Der Zahnersatz ist auf die Leistung eines Zuschusses auch dann beschränkt, wenn die Behandlung aus anderen als zahnmedizinischen Gründen erforderlich wird (BSG vom 08.12. 1998, B 1 KR 62/97 b, unveröffentlicht; BSG vom 29.06.1994 SozR 3-2500 § 30 Nr.3; BSG vom 08.03.1995 SozR 3-2500 § 30 Nr.5). Dies gilt selbst dann, wenn er integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist (BSG vom 06.10.1999, BSGE 85, 66).
Ein aufwändigeres Zahnersatzmaterial, als die Beklagte der Kostenberechnung zugrunde gelegt hat, war zudem nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall ging es zunächst darum, ob eine körperliche Regelwidrigkeit so erheblich ist, dass zur Behandlung der klägerischen Beschwerden eine Versorgung mit Zahnersatz medizinisch notwendig war (§ 30 Abs.1 SGB V), was von der Beklagten nicht angezweifelt war. Zweifelhaft war jedoch der medizinisch notwendige Umfang der von der Klägerin gewünschten Leistung.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten und der Beweisaufnahme durch das SG ist eine Intoxikation der Klägerin durch Amalgam bzw. Palladium bzw. eine Allergie gegen diese Metalle nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlicheit nachgewiesen. Dieser Maßstab ist im Regelfall für die Überzeugungsbildung einer Tatsache erforderlich (BSG vom 27.03.1958, BSGE 7, 103, 106; BSG vom 17.03.1964, BSGE 20, 255, 256). Eine derartige für die volle Überzeugung hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt, d.h. wenn für den Richter das Gefühl des Zweifels, nämlich jede Möglichkeit des Gegenteils beseitigt ist. Erlaubt sind lediglich fernliegende Zweifel; die dafür sprechenden Umstände müssen weitaus überwiegen.
Der Sachverständige Prof.Dr.Dr.E. hat im Gutachten vom 24.06.1998 für den Senat überzeugend ausgeführt, dass eine gesicherte Datengrundlage für eine objektive Abschätzung von chronischen Palladiumintoxikationen bei Belastung durch palladiumhaltige Zahnersatzmaterialien nicht vorhanden ist. Die bei der Klägerin gemessenen Palladiumwerte, die für den Speichel (nach Kaugummi), den Urin (nach DMPS-Verabreichung), das Zahnfleisch angegeben wurden, ergeben keinen Anhalt für eine Palladiumintoxikation. Insbesondere ist der im Urin gemessene Wert nach der Anwendung von DMPS (0,8 Mikrogramm/l) völlig unauffällig. Der Sachverständige bestreitet nicht, dass es ein allergenes Potential von Palladiumverbindungen gibt. Inwieweit aber von positiven Hauttests, wie sie bei der Klägerin durchgeführt worden sind, auf eine Überempfindlichkeitsreaktion im Sinne einer Allergie bei Anwendung von Palladiummetall oder -Legierungen geschlossen werden kann, entzieht sich nach Auffassung des Sachverständigen noch einer eindeutigen Beurteilung. Denn es ist durch Untersuchungen festgestellt worden, dass Patienten mit positiver Reaktion auf Palladiumchlorid einen Kontakt mit Palladiummetall ohne Reaktion tolerieren und dass Palladiumchlorid über Verunreinigungen mit Nickel zu falsch positiven Testresultaten führen kann. Dies zusammen mit der relativ schwachen Reaktion im Hauttest macht eine Palladiumunverträglichkeit bei der Klägerin unwahrscheinlich.
Der Sachverständige hat weiterhin zur Quecksilbervergiftung bzw. Allergie auf Amalgam Folgendes ausgeführt: Es ist nach längerer Expositionsdauer (z.B. durch Amalgamfüllungen) nicht mehr möglich, zwischen der unterschiedlichen Herkunft der Quecksilberbelastung (Nahrung oder Amalgamfüllung) zu unterscheiden. Krankheitsbilder nach chronischer Quecksilberbelastung sind insbesondere aufgrund von Untersuchungen an beruflich exponierten Personengruppen erstellt und in der Literatur beschrieben worden. Die mildere Form der Quecksilberintoxikation (Mikromercurialismus) äußert sich in unspezifischen Syndromen, wie z.B. Schwächegefühl, schnelle Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, Appetitmangel, Nervosität, schlechte Merkfähigkeit, Kopfschmerzen, Arbeitsunlust oder erhöhte Reizbarkeit. Derartige Symtome sind zum Teil auch bei der Klägerin aufgetreten; sie kommen aber auch bei Personen ohne Quecksilberexposition vor. Daher sollten nach dem Sachverständigen die Begriffe Quecksilberintoxikation oder Mikromercuriaslismus nur Verwendung finden, wenn gleichzeitig die Quecksilberkonzentration im Urin oder Blut deutlich erhöht ist. Der Sachverständige geht für die Beurteilung der Regelwidrigkeit von dem biologischen Arbeitsstoff-Toleranz-Wert (BAT-Wert) als Grundlage zur arbeitsmedizinischen Bewertung für die am Arbeitsplatz angenommenen Mengen aus (Urinkonzentration 200 Mikrogramm Hg/l; Blutkonzentration 50 Mikrogramm Hg/l). Dieser BAT-Wert ist die beim Menschen höchst zulässige Quantität eines Arbeitsstoffes, die nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Kenntnis im allgemeinen die Gesundheit der Beschäftigten auch dann nicht beeinträchtigt, wenn sie durch Einflüsse des Arbeitsplatzes regelhaft erzielt wird. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Sicherheitsspanne sind dabei arbeitsmedizinisch-toxikologisch fundierte Kriterien des Gesundheitsschutzes maßgebend. Da dieser tolerierbare Wert lediglich für die Belastung am Arbeitsplatz, d.h. für acht Stunden am Tag und fünf Tage die Woche, infrage kommt, kann für die 4-mal längere Belastung durch Amalgamfüllungen ein Viertel dieses Wertes als tolerierbar hingenommen werden, im Urin also 50 Mikrogramm Hg/l. Dies entspricht auch dem Grenzwert, der von der Weltgesundheitsbehörde (WHO) als gerade noch tolerierbar eingestuft wird. Die Quecksilberkonzentration im Urin der Normalbevölkerung liegt mit 0,1 bis 5 Mikrogramm Hg/l weit unterhalb dieses Grenzwertes. Je nach der Anzahl der Amalgamfüllungen liegt die Quecksilberkonzentration bei Amalgamträgern im Bereich zwischen 1 und 5 Mikrogramm Hg/l. Diese Werte sind durch zahlreiche Untersuchungen belegt und gesichert. Da das Urinvolumen naturgemäß individuellen und tageszeitlichen Schwankungen unterliegt, wird der Gehalt von Quecksilber im Urin auf den Gehalt an Kreatinin bezogen, der eine vom Urinvolumen unabhängige Referenzgröße darstellt. Diesbezügliche Werte der Bevölkerung liegen im Bereich zwischen 0,1 und 6,1 Mikrogramm Hg/g Kreatinin, wobei Personen ohne Amalgamfüllungen zwischen 0,1 und 2,7 Mikrogramm Hg/g Kreatinin aufweisen. Arbeitsmedizinische Untersuchungen am Institut der Universität Erlangen-Nürnberg haben nachgewiesen, dass bei beruflich Quecksilber exponierten Personen Werte zwischen 100 und 1.500 Mikrogramm Hg/g Kreatinin gefunden wurden, ohne dass Anzeichen einer Quecksilberintoxikation (Tremor, sensorische Störungen, vermehrte Störungen des Nervensystems oder der Nierenfunktion) gefunden wurden. Amalgamträger weisen zwar in Zähnen, Knochen und Zahnfleisch generell höhere Quecksilberkonzentrationen auf als Personen ohne Amalgamfüllungen. Eine toxikologische Bewertung hinsichtlich der Belastung des Amalgamträgers lässt sich aus solchen Analysedaten jedoch nicht abgeben, denn einen quantitativen Zusammenhang zwischen solchen Analysedaten und Intoxikationssymptomen gibt es in der Literatur nicht.
Die Metallkonzentration im Speichel nach Kaugummistest ist für die Beantwortung der Frage nach einer übermäßigen Belastung mit folgender chronischer Intoxikation vom wissenschaftlichen Standpunkt aus eine ungeeignete Untersuchungsmethode. Auch aus der Stuhlprobe ergeben sich keine Hinweise auf eine Quecksilberintoxikation der Klägerin. Es ist nachgewiesen, dass Personen nach längerer Quecksilbebelastung das Quecksilber annähernd zu gleichen Teilen über den Urin und Stuhl ausscheiden. Der Sachverständige geht von einer täglichen Ausscheidung mit dem Stuhl von 4,5 Mikrogramm Hg aus und zieht diesen Wert auch für die tägliche Ausscheidung über den Urin heran. Bei einer gebräuchlichen Annahme von täglich ein bis 2 Liter Urin ergibt sich damit eine Quecksilberkonzentration von 2,3 bis 4,5 Mikrogramm Hg/l Urin. Derartige Werte liegen noch nicht einmal in Bereichen, die man als kritisch ansehen muss. Aufgrund dieser realistischen Abschätzung muss eine Quecksilberintoxikation, auch in einer milden Form, bei der Klägerin verneint werden. Der Sachverständige hat auch erhebliche Bedenken gegen die Bewertung der Quecksilbermobilisierung durch DMPS. Schwermetallvergiftungen werden seit vielen Jahren mit besonderen Arzneistoffen (Komplex- oder Chelat-Bildern) behandelt, die die Schwermetalle binden und meist über den Urin vermehrt ausscheiden. Auch wenn keine Vergiftung vorliegt, wird durch die Verabreichung eines geeigneten Komplexbildners ein Teil des im Körper gespeicherten Schwermetalls gebunden und vermehrt ausgeschieden. Der Rückschluss von solchen Tests auf Amalgam als Intoxikationsursache ist in keiner Weise belegt und daher nicht als Nachweis geeignet. Die Angabe von Grenzwerten für die DMPS- bedingte Erhöhung der Quecksilberkonzentration im Urin von Amalgamträgern ist willkürlich. Damit sind die zwei, jeweils im Abstand von mehreren Wochen erfolgten Messungen wenig aussagekräftig. Die bei der Klägerin gemessenen Werte nach intravenöser Gabe von DMPS ergeben nach dem Sachverständigen keinesfalls einen Hinweis auf toxisch erhöhte Quecksilberwerte. Die Höhe der Quecksilberausscheidung im Urin nach Mobilisierung mittels DMPS lag in dem für Amalgamträger typischen Bereich und kann mit toxikologisch erfassbaren Parametern nicht in Zusammenhang gebracht werden. Es ist nach dem Sachverständigen mehr als wahrscheinlich, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Labordatenerhebung, also vor Entfernung der Amalgamfüllungen und Palladiumstifte, keine Amalgam- oder Palladiumintoxikation bzw. -unverträglichkeit bestanden hatte.
Demgegenüber hat das Sachverständigengutachten von Dr.S. nicht die gleiche Überzeugungskraft. Denn es ist zum Teil nicht schlüssig und befasst sich nicht ausreichend mit dem konkreten Fall der Klägerin; vielmehr zeigt es vorwiegend eine Auswahl der einschlägigen medizinischen Literatur. Die Feststellung von Dr.S. , dass die Einführung von Palladium in den menschlichen Körper bereits eine Intoxikation darstelle und dass wahrscheinlich die von der Klägerin angeführten Krankheitssymptome auch auf Palladium zurückzuführen seien, sind zu vage und allgemein, als dass hiermit der Nachweis einer Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung als wesentliches Kriterium für einen zahnärztlichen Eingriff geführt werden kann. Zwar wird von Dr.S. auch nicht bestritten, dass eine klassische Quecksilbervergiftung nicht vorliegt. Er aus und schließt aus der angeblichen Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin nach der Amalgamsanierung auf die Richtigkeit der Diagnose. Ein derartiger Schluss ist nicht zwingend, da die von der Klägerin angegebenen Krankheitssymptome - wie oben ausgeführt wurde - auch andere Ursachen haben können. Auch die übrigen Feststellungen des Sachverständigen und seine Schlussfolgerungen sind zu allgemein und ungenau und befassen sich lediglich mit Möglichkeiten, so dass hierdurch der Nachweis einer durch Amalgam bzw. Palladium verursachten Erkrankung nicht zu führen ist.
Insoweit muss der Senat davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund dieses Gutachtens die objektive Beweislast trifft (z.B. BSG vom 20.01.1977 BSGE 43, 110). Soweit in der medizinischen Wissenschaft generell Bedenken gegen die Verwendung von Amalgam geäußert werden, weil dessen Ungefährlichkeit nicht erwiesen ist, schließt sich der Senat auch in diesem Punkt dem Urteil des BSG vom 06.10.1999 an (a.a.O.). Es hat hier ausgeführt, dass die gesundheitliche Gefährdung durch Amalgam in ihren wesentlichen Elementen derzeit wissenschaftlich höchst umstritten ist. Es ist aber nicht die Aufgabe der Gerichte, durch die Auswahl von Sachverständigen oder die juristische Bewertung naturwissenschaftlicher Lehrmeinungen für die eine oder andere Position Partei zu ergreifen oder durch Gutachtensaufträge den Fortschritt der medizinischen Erkenntnis voranzutreiben (s. auch BSG vom 16.09.1997, BSGE 81, 54, 69).
Die Klägerin kann den Anspruch auf Zahlung der restlichen Kosten des Zahnersatzes nicht mit Recht auf die erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Grundsätze der Aufopferung stützen. Zwar hat das BSG im Urteil vom 06.10.1999 (BSGE 85, 66)im Anschluss an das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Befreiung vom Eigenanteil bei der Versorgung mit Zahnersatz unter bestimmten Umständen unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung geboten sein kann. Der Senat ist schon wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit (§ 40 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung) nicht befugt, hierüber zu entscheiden (Bundesgerichtshof vom 05.06.1997 MedR 1998,365). Er sieht allerdings von einer Verweisung an ein anderes Gericht ab (§ 17a Abs.2 Gerichtsverfassungsgesetz). Denn die Beklagte ist mit einem entsprechenden Verwaltungsverfahren noch nicht befasst gewesen bzw. hat noch nicht Gelegenheit zu einer umfassenden Stellungnahme erhalten, so dass der Senat im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BGH (BGH vom 19.11.1992 NJW 1993, 332; BGH vom 17.06.1993 NJW 1993, 2541; BGH vom 03.08.1995 ZIP 1995, 1451 jeweils mit weiteren Nachweisen) derzeit eine gerichtliche Kontrolle für sinnlos hält.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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