L 4 KR 22/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 686/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 22/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme für die Reparatur eines implantatgestützten Zahnersatzes.

Der Kläger wurde nach eigenen Angaben im Jahr 1991 im zahnlosen Oberkiefer bei Atrophie mit implantatgestütztem Zahnersatz versorgt. Die Beklagte hat hierzu einen Zuschuss geleistet.

Am 11.07.1997 legte er der Beklagten eine Privatliquidation des Zahnarztes Dr.H. vom 07.07.1997 in Höhe von 495,63 DM für die Reparatur des Zahnersatzes vor.

Die Beklagte lehnte eine Kostenbeteiligung mit Bescheid vom 16.07.1997 mit der Begründung ab, der Kläger habe eine Privatvereinbarung abgeschlossen. Seit 01.01.1997 dürften sich die gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr an den Kosten für Implantate und implantatgestützten Zahnersatz beteiligen.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers, in dem er ausführte, die ablehnende Entscheidung stehe im Widerspruch zum bisherigen Verhalten der Beklagten sowie der 1991 eingeholten ärztlichen Stellungnahme. Er dürfe darauf vertrauen, dass die Beklagte alle Folgelasten der Kostenbewilligung im Jahre 1991 zu tragen habe. Daher bestehe ein Rechtsanspruch auf Kostenerstattung.

Die Beklagte wertete den Widerspruch als Äußerung zur Anhörung und lehnte eine Kostenübernahme erneut mit Bescheid vom 25.09. 1997 ab. Eine Besitzstandsregelung für Altfälle sei in der neuen gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch und legte eine Rechnung vom 15.06.1998 zur Erstattung vor. Der Rechnungsbetrag belief sich auf 970,05 DM zuzüglich Laborrechnung in Höhe von 252,37 DM.

Die Beklagte machte die Rechnung vom 15.06.1998 zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.1998 zurück.

Der Kläger erhob daraufhin Klage zum Sozialgericht München. Er äußerte die Auffassung, die zu §§ 27 und 28 SGB V ergangene Richtlinie sei entweder rechtswidrig, weil sie keine Regelung für Altfälle enthalte und die besonders schweren Fälle im Sinne des § 28 Abs.2 Satz 9 SGB V zu eng interpretiere oder die Richtlinie solle nur das Neueinsetzen von Implantaten und die darauf resultierenden implantologischen Unterhaltungsmaßnahmen erfassen, nicht jedoch Folgemaßnahmen von Altfällen.

Das Sozialgericht hat die Klage, gerichtet auf Kostenerstattung der beiden vorgelegten Rechnungen, mit Urteil vom 12.10.2000 abgewiesen. Es bestätigt die Entscheidung der Beklagten, wonach ein Anspruch auch auf Reparatur von implantatgestütztem Zahnersatz nach geltendem Recht nur bei Vorliegen eines besonders schweren Falles gegeben ist. Ein solcher Fall liege beim Kläger nicht vor. Auch daraus, dass die Beklagte 1991 Kosten für die Versorgung des Klägers mit Implantaten übernommen habe, ergebe sich kein Leistungsanspruch. Dieser richte sich auch bei notwendigen Folgemaßnahmen nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. Durchführung der Behandlung geltenden Rechtslage.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung beantragt der Kläger einen Zuschuss zu den Rechnungen vom 7. Juli 1997 und 15. Juni 1998. Er fordert erneut eine Auslegung des § 28 Abs.2 Satz 9 SGB V für Altfälle unter besonderer Berücksichtigung seines Vertrauens.

Nach dem Tod des Klägers am 29.07.2001 führen dessen Erben den Rechtsstreit fort.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.10.2000 sowie den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 25.09. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12. 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, DM 1.465,68 - entsprechend in Euro - an die Erbengemeinschaft S. zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM übertrifft (geltendes Recht bis 02.01.2002), ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Als einzige Anspruchsgrundlage für die beantragte Kostenerstattung kommt § 13 Abs.3 SGB V in Betracht.

Danach hat die Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V sind nicht erfüllt. Es handelte sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Die Beklagte hat außerdem die Leistung zu Recht abgelehnt. Bei der am 11.07.1997 zur Erstattung vorgelegten Rechnung vom 07.07. 1997 fehlt bereits ein Kausalzusammenhang zwischen Kostenentstehung und Leistungsablehnung. Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung sind nämlich nicht zu erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten (BSG, Beschluss vom 15.04.1997; SozR 3-2500 § 13 Nr.15). Der Kläger durfte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte Reparaturkosten seines implantatgestützten Zahnersatzes auch ab 1997 bezuschusst. Als dem Kläger 1991 der implantatbestützte Zahnersatz eingefügt wurde, handelte es sich dabei um keine vertragszahnärztliche Leistung. Es fand sich keine Regelung im SGB V und im geltenden Vertragsrecht. Der EBM-Z bzw. ihm folgend die vertragszahnärztliche Gebührenordnung enthielt eine solche Leistung nicht (BSG, Urteil vom 03.12.1997, SozR 3-5555 § 12 Nr.5).

Mit Wirkung vom 01.01.1997 stellte das Beitragsentlastungsgesetz vom 01.11.1996 (BGBl.I S.1631) durch eine Ergänzung des § 28 Abs.2 Satz 8 SGB V klar, dass implantologische Maßnahmen nicht zu den von den Krankenkassen zu erbringenden Sachleistungen gehören und auch nicht bezuschusst werden dürfen (zur Klarstellungsfunktion siehe BT-Drucks.13/4615 S.9). Diesen vollständigen Ausschluss jedweder Leistungen im Zusammenhang mit einer Implantatversorgung hat der Gesetzgeber durch das Gesetz vom 23.06.1997 (BGBl.I S.1520) zum 01.07.1997 abgeändert. Seitdem haben Versicherte einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihnen die Kasse eine notwendig gewordene Implantatversorgung zukommen lässt, wenn bestimmte Zahn-Kiefererkrankungen vorliegen, die abschließend in dem vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten Richtlinien aufgelistet sind. Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, fällt die beim Kläger vorhandende Atrophie nicht unter diese Ausnahmeindikationen und ist auch bewusst nicht in dieser Auflistung aufgenommen worden (vgl. BSG vom 19.06.2001, SozR 3-2500 § 28 Nr.6). Damit scheidet nach dem Gesetzeswortlaut und dem gesetzgeberischen Willen beim Krankheitsbild des Klägers implantologische Versorgung zu Lasten der Krankenkasse aus. Neben dem oben angegebenen Urteil hat sich das BSG am 19.06.2001 in weiteren Urteilen mit der Problematik dieses gesetzlichen Ausschlusses befasst und sieht darin keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht darin, dass die besagten Ausnahmen vom Leistungsausschluss vom Bundesausschuss festgelegt wurden und dessen Katalog abschließend gestaltet ist. Aus den Gedanken der Eigenvorsorge, wonach den Versicherten nicht sämtliche medizinisch unverzichtbaren Maßnahmen von ihren Krankenkassen abgenommen werden müssen, ist der Gesetzgeber befugt, bestimmte Behandlungsmethoden aus dem Aufgabenbereich der Krankenkasse herauszunehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Implantologie nach dem Wissenstand der modernen Medizin das Mittel der Wahl ist, also keine Auswahlmöglichkeit für eine andere Form des Zahnersatzes besteht. Mutet der Gesetzgeber bei atrophiebedingter Notwendigkeit einer Implantatversorgung den Versicherten zu, sich diese selbst zu beschaffen, gilt dies auch für Nachfolgeleistungen, gleichgültig, ob zuvor eine Kassen- leistung erfolgte oder nicht (siehe auch Urteil des Senats vom 20.03.2002, L 4 KR 49/00). Beim Kläger ist zwar 1991 eine im Gesetz nicht vorgesehene Zuschussleistung der Beklagten erfolgt. Daraus lässt sich jedoch kein Vertrauenstatbestand begründen, dass weiterhin Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Der Fall des Klägers erfordert also keine Auslegung des § 28 Abs.2 Satz 9 SGB V und der Richtlinie über ihren Wortlaut hinaus.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG in der bis 02.01.2002 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 19.06.2001 zur Problematik der Implantatversorgung besteht kein Grund, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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