Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 91/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 49/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Oktober 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine teilweise Kostenerstattung für zwei routinemäßige Nachbesserungen einer vorangegangenen Implantatbehandlung.
Die 1925 geborene Klägerin ist als KVdR-Mitglied bei der Beklagten versichert. Diese bewilligte mit Bescheid vom 27.04. 1992 einen Zuschuss zu den Kosten einer privatärztlich durchgeführten Implantatversorgung. Eine solche war nach dem Befund der Zahnärzte Dres. A. und K. notwendig, weil wegen einer Atrophie am Ober- und Unterkieferalveolarkamm die Fortsetzung der bisherigen Versorgung mit einer Totalprothese nicht mehr ausreiche. Am 05.11.1992 erfolgte die Zuzahlung der zwischen dem 26.03. und 26.10.1992 erbrachten zahnärztlichen Leistungen. Im Folgenden wurde die Erneuerung von "Verschleißteilen" (Haltekapseln) der Implantate notwendig, wofür die Beklagte nach Auskunft der Klägerin die gesamten Kosten übernahm.
Erneut kam es zum Auswechseln eines Sekundärteils am 20.01. 1998, wofür die Klägerin am gleichen Tage 383,40 DM an Dr.E. bezahlte. Wann die Klägerin diese Rechnung der Beklagten vorlegte, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der Stempelaufdruck lautet auf den 19.12.1998. Aus einer Eingabe an den damaligen Gesundheitsminister vom 18.08.1998 geht hervor, dass die Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt bereits geweigert hatte, Kosten zu übernehmen. Mit Bescheid vom 23.10.1998 (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte die Beklagte es im schriftlichem Wege ab, die Kosten auch nur teilweise zu erstatten, weil dies für implantologische Leistungen nicht mehr vorgesehen sei, auch die möglichen Ausnahmefälle lägen bei der Klägerin nicht vor.
Am 03.12.1998 erneuerte Dr.S. in K. weitere Verschleißteile (Dämpfungselemente) und berechnete dafür der Klägerin 846,47 DM. Der Zahnarzt Dr.S. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen - MDK - prüfte die darüber ausgestellte Rechnung und weitere Unterlagen am 21.12.1998 und kam zu dem Ergebnis, dass die schwere Atrophie des Unterkiefers einen implantatgestützten Zahnersatz erfordere, gleichwohl diese Krankheitsform nicht unter die Ausnahmeregelungen der einschlägigen Richtlinie falle. Daraufhin erneuerte die Beklagte im Bescheid vom 04.01.1999 ihre Ablehnung.
Dagegen erhob die Klägerin am 14.01.1999 Widerspruch, was zu ihrer persönlichen Untersuchung am 25.01.1999 durch den MDK mit dem wiederholenden Ergebnis führte, wonach eine zufriedenstellende Versorgung durch Implantate einschließlich der Erneuerung der Verschleißteile erforderlich sei, gleichwohl die Ausnahmeindikationen nach der Richtlinie nicht erfüllt wären.
Nunmehr lehnte die Beklagte mit förmlichen Bescheid vom 18.02. 1999 unter Bezugnahme auf ihre vorangegangenen Bescheide eine Kostenbeteiligung endgültig ab. Auch hiergegen legte die Klägerin unter Bezug auf ihre bisherigen Rechtsbehelfe Widerspruch ein und bat die Beklagte ihr einen Weg aufzuzeigen, wie sie zu einem "funktionierenden Gebiss" kommen könne. Ohne auf dieses Anliegen einzugehen, bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 11.05.1999 ihre ablehnende Haltung.
Mit der Begründung, dass eine andere Versorgung medizinisch ausgeschlossen sei und sie erst nach Abschluss der Erstversorgung von der Notwendigkeit regelmäßiger Erneuerung erfahren habe, erhob die Klägerin am 10.06.1999 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Dieses gab mit Urteil vom 29.10.1999 die auf Zahlung einer teilweisen Kostenerstattung gerichtete Klage in Höhe der geforderten 594,16 DM statt. Dazu hat das Sozialgericht ausgeführt: Bei Herausnahme implantologischer Versorgung aus der Leistungspflicht der Krankenkasse durch den Gesetzgeber sei dieser davon ausgegangen, dass es alternative Behandlungsmöglichkeiten gäbe. Eine solche Alternative habe die Klägerin 1998 nicht mehr gehabt. Zu dieser Zwangslage habe auch die Beklagte beigetragen, indem sie den Zuschuss gewährt und damit die Klägerin davon abgehalten habe, alternative Behandlungsformen zu suchen. Auch sei im Bewilligungsbescheid 1992 nicht daraufhingewiesen worden, dass Folgekosten nicht übernommen würden.
Die Beklagte, deren Berufung durch Beschluss des Sozialgerichts vom 14.03.2000 zugelassen ist, hält das Leistungsverbot bei Implantaten für unbedingt, so dass der Gedanke des Einstehenmüssens für die Folgen der vorangegangenen Versorgung nicht greifen würde und die in Lauf gesetzte Entwicklung auch nicht als Systemversagen angesehen werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Oktober 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sinngemäß beantragt die Klägerin,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die durch den Beschluss des Sozialgerichts vom 14.03.2000 ausgesprochene Zulassung der Berufung führt zu deren Zulässigkeit (§ 145 Abs. 5 in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung i.V.m. § 151 SGG).
Die Berufung ist begründet, denn die Beklagte kann unter keinen hier vorliegenden Umständen zu der begehrten Kostenbeteiligung verpflichtet werden. Auch wenn dieses Ergebnis für die Klägerin unbefriedigend ist, weil die Beklagte ihr keine alternative Versorgung ihres atrophischen Kiefers zur Verfügung stellen kann, entspricht dies dem gesetzgeberischen Willen, wonach die Implantatversorgung bei Kieferatrophie der Eigenvorsorge der Versicherten zuzurechnen ist.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche ließen sich allein auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 SGB V realisieren, doch sind entgegen der Annahme des Sozialgerichts die dazu maßgeblichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist so konstruiert, dass die Krankenkasse den Versicherten die notwendige Behandlung in Form von Sachleistungen zukommen läßt (§ 2 Abs. 1 und 2 SGB V), indem die Versicherten von den zugelassenen Leistungserbringern, hier also dem Kassenzahnarzt, unter Vorlage ihrer Krankenkarte die vom ihm als zweckmäßig und ausreichend erachtete Maßnahme erhalten. Ist das nicht möglich, beabsichtigt ein Versicherter, sich eine Behandlungsmaßnahme privat- ärztlich zu verschafffen, ist er gehalten, sich zuvor mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen und deren Entscheidung (in angemessener Zeit) abzuwarten, ob in seinem Fall anstelle der Sachleistung eine Kostenerstattung möglich ist. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten und die Krankenkasse vor einer privatärztlichen Behandlung nicht eingeschaltet, scheidet eine Erstattung der entstehenden Behandlungskosten prinzipiell aus (ständige Rechtsprechung des Senats und des BSG z.B. im Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00R -). Es spricht nach dem Zeitablauf einiges dafür, dass die Klägerin diese Reihenfolge nicht eingehalten hat, sondern erst die "Sekundärteile" von Dr.E. vom 20.01.1998 hat erneuern lassen, am gleichen Tage die Rechnung bezahlt und diese danach der Beklagten vorgelegt hat. Eine solche Vorgehensweise würde einen auch nur teilweisen Erstattungsanspruch von vornherein ausschließen, doch lässt sich der klägerischen Petition vom Sommer 1998 an den damaligen Bundesgesundheitsminister entnehmen, dass vor Erlass des ersten schriftlichen Bescheides vom 23.10.1998 schriftlich nicht festgehaltene Vorgänge dieser Angelegenheit abgelaufen sein dürften. Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Klägerin bezüglich der beiden hier streitigen Maßnahmen vom 20.01. und 02.12. 1998 die Beklagte rechtzeitig vorher eingeschaltet hat oder nicht, denn die Weigerung der Beklagten für die implantatbedingten Folgemaßnahmen aufzukommen, besteht zu Recht. Es handelt sich dabei um zahnmedizinische Maßnahmen, die die Beklagte schon nicht im Wege der Sachleistung zu erbringen hat und damit auch nicht in Form der Erstattung.
Als 1992 die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss zu der medizinisch unstreitig erforderlichen Implantatbehandlung bezahlte, stand rechtlich nicht eindeutig fest, ob auf der Grundlage des damals geltenden § 28 SGB V oder einer anderen Norm ein derartiger Anspruch bestand. Jedenfalls gewährte die Beklagte keine Sachleistung und erstattete von den entstandenen Kosten nur einen Anteil.
Mit Wirkung zum 01.01.1997 stellte das Beitragsentlastungsgesetz vom 01.11.1996 (Bundesgesetzblatt I S. 1631) durch eine Ergänzung des § 28 Abs. 2 Satz 8 SGB V klar, das implantologische Maßnahmen nicht zu den von den Krankenkassen zu erbringenden Sachleistungen gehören und auch nicht bezuschusst werden dürfen. Dieser vollständige Ausschluss jedweder Leistung im Zusammenhang mit der Implantatversorgung ist ein halbes Jahr später durch das Gesetz vom 23.06.1997 (Bundesgesetzblatt I S.1520) zum 01.07.1997 abgeändert worden. Seitdem haben Versicherte einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihnen die Kasse eine notwendig gewordene Implantatversorgung zukommen lässt, wenn bestimmte Zahn-/Kiefererkrankungen vorliegen, die abschließend in den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten Richtlinien aufgelistet sind. Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, fällt die bei der Klägerin vorhandene Atrophie nicht unter diese Ausnahmeindikation und ist auch bewusst nicht in diese Auflistung aufgenommen worden (vgl. BSG vom 19.06.2001 a.a.O.). Damit scheidet nach dem Gesetzeswortlaut und dem gesetzgeberischen Willen beim Krankheitsbild der Klägerin implantologische Versorgung für die Klägerin zu Lasten der Krankenkasse aus. Neben dem o.a. Urteil hat sich das BSG am 19.06.2001 in weiteren Urteilen (B 1 KR 4/ und 5/00 R) mit der Problematik dieses gesetzlichen Ausschlusses befasst und sieht darin keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht darin, dass die besagten Ausnahmen vom Leistungsausschluss vom Bundesausschuss festgelegt wurde und dessen Katalog abschließend gestaltet ist. Aus dem Gedanken der Eigenvorsorge, wonach den Versicherten nicht sämtliche, auch medizinisch unverzichtbare Maßnahmen von ihren Krankenkassen abgenommen werden müssen, ist der Gesetzgeber durchaus befugt, bestimmte Behandlungsmethoden aus dem Aufgabenbereich der Kasse herauszunehmen. Das gilt auch dann, wenn wie hier nach dem Wissensstand der modernen Medizin die Implantologie das Mittel der Wahl ist, also keine Auswahlmöglichkeit für eine andere Form des Zahnersatzes besteht. Ist also bei Vorliegen einer solchen Atrophie wie die, von der die Klägerin betroffen ist, eine implantologische Versorgung durch die Krankenkasse nicht möglich, gilt dies auch für eine Nachbesserung im Zusammenhang mit einer vormaligen, tatsächlich erbrachten Versorgung vor Geltung des nunmehrigen gesetzlichen Ausschlusses.
Davon lässt sich auch nicht aus dem Gedanken her abweichen, dass die Beklagte für etwas einzustehen habe, was sie zuvor ihrer Versicherten zugemutet habe. Es wäre zu denken an Fälle, wo die Beklagte einen Versicherten, der zunächst eine bestimmte, von der Kasse aber abgelehnte Behandlung begehrt hatte, auf eine Kassenleistung verwiesen hat und sich nun weigert, die daraus erwachsenden Folgekosten zu tragen, die bei der abgelehnten Behandlungsmethode nicht angefallen wären. So liegt der Fall hier aber nicht. Es war 1992 nicht von der Beklagten ausgegangen, dass die Klägerin sich mit den Implantaten versorgen ließ. Dies war medizinisch angezeigt, jedoch nicht als originäre Kassenleistung im Rahmen des damals nicht ganz klar formulierten § 28 SGB V. Die Beklagte hatte daher damals auch nur einen Zuschuss geleistet. Folgt man den Überlegungen des Sozialgerichts käme die nunmehr beantragte Bezuschussung der Reparaturleistung nicht in Betracht, wenn die Beklagte sich von vornherein geweigert hätte, angesichts der damaligen unklaren Rechtslage, sich überhaupt an den Implantatkosten zu beteiligen. Dieses Verhalten, im Zweifel für den Versicherten, kann dann nicht weiter gelten, wenn nunmehr bei eindeutiger Gesetzeslage die Zweifel beseitigt sind und die Implantatversorgung keine Kassenleistung mehr sein kann, sondern der Eigenvorsorge zugerechnet werden muss. Mutet der Gesetzgeber bei atrophiebedingter Notwendigkeit einer Implantatversorgung den Versicherten zu, sich diese selbst zu beschaffen, gilt dies auch für Nachfolgeleistungen, gleichgültig, ob zuvor eine Kassenleistung erfolgte oder nicht. Damit ist die streitige Leistung von der Beklagten weder zu Unrecht abgelehnt worden, noch hat sie diese medizinisch notwendige, rechtlich aber nicht mögliche Leistung am 20.01. und 03.12.1998 "nicht rechtzeitig" im Sinne eines Notfalles erbracht (§ 13 Abs.3 1. und 2. Alternative SGB V). Die Beklagte hat die Nachbesserungen an den Implantaten zu keiner Zeit geschuldet und kann daher zu einer Kostenbeteiligung nicht herangezogen werden.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung.
Im Hinblick auf die umfangreiche Rechtsprechung, wie sie am 19.06.2001 durch das BSG ergangen ist, besteht kein Grund, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine teilweise Kostenerstattung für zwei routinemäßige Nachbesserungen einer vorangegangenen Implantatbehandlung.
Die 1925 geborene Klägerin ist als KVdR-Mitglied bei der Beklagten versichert. Diese bewilligte mit Bescheid vom 27.04. 1992 einen Zuschuss zu den Kosten einer privatärztlich durchgeführten Implantatversorgung. Eine solche war nach dem Befund der Zahnärzte Dres. A. und K. notwendig, weil wegen einer Atrophie am Ober- und Unterkieferalveolarkamm die Fortsetzung der bisherigen Versorgung mit einer Totalprothese nicht mehr ausreiche. Am 05.11.1992 erfolgte die Zuzahlung der zwischen dem 26.03. und 26.10.1992 erbrachten zahnärztlichen Leistungen. Im Folgenden wurde die Erneuerung von "Verschleißteilen" (Haltekapseln) der Implantate notwendig, wofür die Beklagte nach Auskunft der Klägerin die gesamten Kosten übernahm.
Erneut kam es zum Auswechseln eines Sekundärteils am 20.01. 1998, wofür die Klägerin am gleichen Tage 383,40 DM an Dr.E. bezahlte. Wann die Klägerin diese Rechnung der Beklagten vorlegte, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der Stempelaufdruck lautet auf den 19.12.1998. Aus einer Eingabe an den damaligen Gesundheitsminister vom 18.08.1998 geht hervor, dass die Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt bereits geweigert hatte, Kosten zu übernehmen. Mit Bescheid vom 23.10.1998 (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte die Beklagte es im schriftlichem Wege ab, die Kosten auch nur teilweise zu erstatten, weil dies für implantologische Leistungen nicht mehr vorgesehen sei, auch die möglichen Ausnahmefälle lägen bei der Klägerin nicht vor.
Am 03.12.1998 erneuerte Dr.S. in K. weitere Verschleißteile (Dämpfungselemente) und berechnete dafür der Klägerin 846,47 DM. Der Zahnarzt Dr.S. vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen - MDK - prüfte die darüber ausgestellte Rechnung und weitere Unterlagen am 21.12.1998 und kam zu dem Ergebnis, dass die schwere Atrophie des Unterkiefers einen implantatgestützten Zahnersatz erfordere, gleichwohl diese Krankheitsform nicht unter die Ausnahmeregelungen der einschlägigen Richtlinie falle. Daraufhin erneuerte die Beklagte im Bescheid vom 04.01.1999 ihre Ablehnung.
Dagegen erhob die Klägerin am 14.01.1999 Widerspruch, was zu ihrer persönlichen Untersuchung am 25.01.1999 durch den MDK mit dem wiederholenden Ergebnis führte, wonach eine zufriedenstellende Versorgung durch Implantate einschließlich der Erneuerung der Verschleißteile erforderlich sei, gleichwohl die Ausnahmeindikationen nach der Richtlinie nicht erfüllt wären.
Nunmehr lehnte die Beklagte mit förmlichen Bescheid vom 18.02. 1999 unter Bezugnahme auf ihre vorangegangenen Bescheide eine Kostenbeteiligung endgültig ab. Auch hiergegen legte die Klägerin unter Bezug auf ihre bisherigen Rechtsbehelfe Widerspruch ein und bat die Beklagte ihr einen Weg aufzuzeigen, wie sie zu einem "funktionierenden Gebiss" kommen könne. Ohne auf dieses Anliegen einzugehen, bestätigte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 11.05.1999 ihre ablehnende Haltung.
Mit der Begründung, dass eine andere Versorgung medizinisch ausgeschlossen sei und sie erst nach Abschluss der Erstversorgung von der Notwendigkeit regelmäßiger Erneuerung erfahren habe, erhob die Klägerin am 10.06.1999 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Dieses gab mit Urteil vom 29.10.1999 die auf Zahlung einer teilweisen Kostenerstattung gerichtete Klage in Höhe der geforderten 594,16 DM statt. Dazu hat das Sozialgericht ausgeführt: Bei Herausnahme implantologischer Versorgung aus der Leistungspflicht der Krankenkasse durch den Gesetzgeber sei dieser davon ausgegangen, dass es alternative Behandlungsmöglichkeiten gäbe. Eine solche Alternative habe die Klägerin 1998 nicht mehr gehabt. Zu dieser Zwangslage habe auch die Beklagte beigetragen, indem sie den Zuschuss gewährt und damit die Klägerin davon abgehalten habe, alternative Behandlungsformen zu suchen. Auch sei im Bewilligungsbescheid 1992 nicht daraufhingewiesen worden, dass Folgekosten nicht übernommen würden.
Die Beklagte, deren Berufung durch Beschluss des Sozialgerichts vom 14.03.2000 zugelassen ist, hält das Leistungsverbot bei Implantaten für unbedingt, so dass der Gedanke des Einstehenmüssens für die Folgen der vorangegangenen Versorgung nicht greifen würde und die in Lauf gesetzte Entwicklung auch nicht als Systemversagen angesehen werden könnte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Oktober 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sinngemäß beantragt die Klägerin,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die durch den Beschluss des Sozialgerichts vom 14.03.2000 ausgesprochene Zulassung der Berufung führt zu deren Zulässigkeit (§ 145 Abs. 5 in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung i.V.m. § 151 SGG).
Die Berufung ist begründet, denn die Beklagte kann unter keinen hier vorliegenden Umständen zu der begehrten Kostenbeteiligung verpflichtet werden. Auch wenn dieses Ergebnis für die Klägerin unbefriedigend ist, weil die Beklagte ihr keine alternative Versorgung ihres atrophischen Kiefers zur Verfügung stellen kann, entspricht dies dem gesetzgeberischen Willen, wonach die Implantatversorgung bei Kieferatrophie der Eigenvorsorge der Versicherten zuzurechnen ist.
Die von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsansprüche ließen sich allein auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 SGB V realisieren, doch sind entgegen der Annahme des Sozialgerichts die dazu maßgeblichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist so konstruiert, dass die Krankenkasse den Versicherten die notwendige Behandlung in Form von Sachleistungen zukommen läßt (§ 2 Abs. 1 und 2 SGB V), indem die Versicherten von den zugelassenen Leistungserbringern, hier also dem Kassenzahnarzt, unter Vorlage ihrer Krankenkarte die vom ihm als zweckmäßig und ausreichend erachtete Maßnahme erhalten. Ist das nicht möglich, beabsichtigt ein Versicherter, sich eine Behandlungsmaßnahme privat- ärztlich zu verschafffen, ist er gehalten, sich zuvor mit seiner Krankenkasse in Verbindung zu setzen und deren Entscheidung (in angemessener Zeit) abzuwarten, ob in seinem Fall anstelle der Sachleistung eine Kostenerstattung möglich ist. Wird diese Reihenfolge nicht eingehalten und die Krankenkasse vor einer privatärztlichen Behandlung nicht eingeschaltet, scheidet eine Erstattung der entstehenden Behandlungskosten prinzipiell aus (ständige Rechtsprechung des Senats und des BSG z.B. im Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00R -). Es spricht nach dem Zeitablauf einiges dafür, dass die Klägerin diese Reihenfolge nicht eingehalten hat, sondern erst die "Sekundärteile" von Dr.E. vom 20.01.1998 hat erneuern lassen, am gleichen Tage die Rechnung bezahlt und diese danach der Beklagten vorgelegt hat. Eine solche Vorgehensweise würde einen auch nur teilweisen Erstattungsanspruch von vornherein ausschließen, doch lässt sich der klägerischen Petition vom Sommer 1998 an den damaligen Bundesgesundheitsminister entnehmen, dass vor Erlass des ersten schriftlichen Bescheides vom 23.10.1998 schriftlich nicht festgehaltene Vorgänge dieser Angelegenheit abgelaufen sein dürften. Letztlich kann aber offen bleiben, ob die Klägerin bezüglich der beiden hier streitigen Maßnahmen vom 20.01. und 02.12. 1998 die Beklagte rechtzeitig vorher eingeschaltet hat oder nicht, denn die Weigerung der Beklagten für die implantatbedingten Folgemaßnahmen aufzukommen, besteht zu Recht. Es handelt sich dabei um zahnmedizinische Maßnahmen, die die Beklagte schon nicht im Wege der Sachleistung zu erbringen hat und damit auch nicht in Form der Erstattung.
Als 1992 die Beklagte der Klägerin einen Zuschuss zu der medizinisch unstreitig erforderlichen Implantatbehandlung bezahlte, stand rechtlich nicht eindeutig fest, ob auf der Grundlage des damals geltenden § 28 SGB V oder einer anderen Norm ein derartiger Anspruch bestand. Jedenfalls gewährte die Beklagte keine Sachleistung und erstattete von den entstandenen Kosten nur einen Anteil.
Mit Wirkung zum 01.01.1997 stellte das Beitragsentlastungsgesetz vom 01.11.1996 (Bundesgesetzblatt I S. 1631) durch eine Ergänzung des § 28 Abs. 2 Satz 8 SGB V klar, das implantologische Maßnahmen nicht zu den von den Krankenkassen zu erbringenden Sachleistungen gehören und auch nicht bezuschusst werden dürfen. Dieser vollständige Ausschluss jedweder Leistung im Zusammenhang mit der Implantatversorgung ist ein halbes Jahr später durch das Gesetz vom 23.06.1997 (Bundesgesetzblatt I S.1520) zum 01.07.1997 abgeändert worden. Seitdem haben Versicherte einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass ihnen die Kasse eine notwendig gewordene Implantatversorgung zukommen lässt, wenn bestimmte Zahn-/Kiefererkrankungen vorliegen, die abschließend in den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen festgelegten Richtlinien aufgelistet sind. Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, fällt die bei der Klägerin vorhandene Atrophie nicht unter diese Ausnahmeindikation und ist auch bewusst nicht in diese Auflistung aufgenommen worden (vgl. BSG vom 19.06.2001 a.a.O.). Damit scheidet nach dem Gesetzeswortlaut und dem gesetzgeberischen Willen beim Krankheitsbild der Klägerin implantologische Versorgung für die Klägerin zu Lasten der Krankenkasse aus. Neben dem o.a. Urteil hat sich das BSG am 19.06.2001 in weiteren Urteilen (B 1 KR 4/ und 5/00 R) mit der Problematik dieses gesetzlichen Ausschlusses befasst und sieht darin keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht darin, dass die besagten Ausnahmen vom Leistungsausschluss vom Bundesausschuss festgelegt wurde und dessen Katalog abschließend gestaltet ist. Aus dem Gedanken der Eigenvorsorge, wonach den Versicherten nicht sämtliche, auch medizinisch unverzichtbare Maßnahmen von ihren Krankenkassen abgenommen werden müssen, ist der Gesetzgeber durchaus befugt, bestimmte Behandlungsmethoden aus dem Aufgabenbereich der Kasse herauszunehmen. Das gilt auch dann, wenn wie hier nach dem Wissensstand der modernen Medizin die Implantologie das Mittel der Wahl ist, also keine Auswahlmöglichkeit für eine andere Form des Zahnersatzes besteht. Ist also bei Vorliegen einer solchen Atrophie wie die, von der die Klägerin betroffen ist, eine implantologische Versorgung durch die Krankenkasse nicht möglich, gilt dies auch für eine Nachbesserung im Zusammenhang mit einer vormaligen, tatsächlich erbrachten Versorgung vor Geltung des nunmehrigen gesetzlichen Ausschlusses.
Davon lässt sich auch nicht aus dem Gedanken her abweichen, dass die Beklagte für etwas einzustehen habe, was sie zuvor ihrer Versicherten zugemutet habe. Es wäre zu denken an Fälle, wo die Beklagte einen Versicherten, der zunächst eine bestimmte, von der Kasse aber abgelehnte Behandlung begehrt hatte, auf eine Kassenleistung verwiesen hat und sich nun weigert, die daraus erwachsenden Folgekosten zu tragen, die bei der abgelehnten Behandlungsmethode nicht angefallen wären. So liegt der Fall hier aber nicht. Es war 1992 nicht von der Beklagten ausgegangen, dass die Klägerin sich mit den Implantaten versorgen ließ. Dies war medizinisch angezeigt, jedoch nicht als originäre Kassenleistung im Rahmen des damals nicht ganz klar formulierten § 28 SGB V. Die Beklagte hatte daher damals auch nur einen Zuschuss geleistet. Folgt man den Überlegungen des Sozialgerichts käme die nunmehr beantragte Bezuschussung der Reparaturleistung nicht in Betracht, wenn die Beklagte sich von vornherein geweigert hätte, angesichts der damaligen unklaren Rechtslage, sich überhaupt an den Implantatkosten zu beteiligen. Dieses Verhalten, im Zweifel für den Versicherten, kann dann nicht weiter gelten, wenn nunmehr bei eindeutiger Gesetzeslage die Zweifel beseitigt sind und die Implantatversorgung keine Kassenleistung mehr sein kann, sondern der Eigenvorsorge zugerechnet werden muss. Mutet der Gesetzgeber bei atrophiebedingter Notwendigkeit einer Implantatversorgung den Versicherten zu, sich diese selbst zu beschaffen, gilt dies auch für Nachfolgeleistungen, gleichgültig, ob zuvor eine Kassenleistung erfolgte oder nicht. Damit ist die streitige Leistung von der Beklagten weder zu Unrecht abgelehnt worden, noch hat sie diese medizinisch notwendige, rechtlich aber nicht mögliche Leistung am 20.01. und 03.12.1998 "nicht rechtzeitig" im Sinne eines Notfalles erbracht (§ 13 Abs.3 1. und 2. Alternative SGB V). Die Beklagte hat die Nachbesserungen an den Implantaten zu keiner Zeit geschuldet und kann daher zu einer Kostenbeteiligung nicht herangezogen werden.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG in der bis 01.01.2002 geltenden Fassung.
Im Hinblick auf die umfangreiche Rechtsprechung, wie sie am 19.06.2001 durch das BSG ergangen ist, besteht kein Grund, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen.
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