L 4 KR 60/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 KR 200/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 60/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über zukünftige Verpflichtungen der Beklagten bei der möglichen Beschaffung eines Hörgerätes.

Der HNO- und Vertragsarzt Dr.M. verordnete der 1931 geborenen Klägerin im September 1993 wegen ihrer Innenschwerhörigkeit links ein Hörgerät. Dieses wurde von der Firma S. in Hamburg - im Folgenden Fa. S. - angefertigt und auf dem sogenannten verkürzten Vertriebsweg (v.V.) unter Zuhilfenahme des behandelnden HNO-Arztes in dessen Praxis angepasst und abgegeben. Die Beklagte - damals die Direktion Augsburg - übernahm sämtliche dafür von Fa. S. in Rechnung gestellte Kosten über 1.096,60 DM und rechnete direkt mit ihr ab. Die dazu vom Arzt verrichtete Tätigkeit wird ihm üblicherweise von der Fa. S. mit 250,00 DM vergütet.

Als die Klägerin am 02.10.1997 Dr.M. erneut konsultierte, verordnete er auch für das rechte Ohr ein Hörgerät. Die Beschaffung erfolgte ebenso wie 1993 über die Fa. S., die dafür 1.144,80 DM Kosten ansetzte, die von der Beklagten nicht vergütet wurden. Sie weigerte sich auch mit dem ursprünglich streitgegenständlichen Bescheid vom 21.01.1998, einem entsprechenden Antrag der Klägerin vom 09.01.1998 - gestellt auf einem vorbereiteten Schreiben - nachzukommen, weil zwischen ihr und der Fa. S. kein entsprechender Versorgungsvertrag bestehe. Den Widerspruch - begründet mit der jahrelang tolerierten Praxis des verkürzten Vertriebsweges durch die Fa. S. - wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.1998 (zugestellt am 05.11. 1998) zurück. Die Abgabe des Hörgerätes sei von der Fa. S. weder in einer meistergeführten Betriebsstätte erfolgt, noch erfülle die Art und Weise der durchgeführten Versorgung die dafür vom Gesetz vorgegebenen Mindestvoraussetzungen. Mit der dagegen am Montag, den 07.12.1998 erhobenen Klage hat der Klägervertreter u.a. mit Überlegungen zur ausreichenden Qualifikation der Fa. S. als Hörgerätelieferant bzw. des von ihm durchgeführten Vertriebes begründet. Auch dürfe die Beklagte ihre jahrelang ausgeübte Abrechnungspraxis mit der Fa. S. nicht plötzlich beenden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14.02.2000 die Klage abgewiesen.

Zur Begründung der dagegen am 03.05.2000 eingelegten, zunächst auf Kostenübernahme gerichtete Berufung wird von den Klägervertretern vorgetragen, dass die Beklagte die Kostenübernahme nicht verweigern dürfe, weil die Klägerin das Hörgerät bei einem zugelassenen Hilfsmittelerbringer bezogen habe, zu denen die Fa. S. seit 1989 durch Zulassung seitens des Landesverbandes der Krankenkassen in Hamburg zähle. Die Zulassung gelte bundesweit. Der von der Fa. S. praktizierte v.V. gewähre Wirtschaftlichkeit und erfülle das Gebot der Qualitätssicherung. Die Versicherten der Beklagten würden von den enorm günstigen Preisen profitieren, weil sie keine Zuzahlung zu leisten hätten. Die hohe Qualität sei anerkannt. Keinesfalls seien die vom SG genannten Einzelfälle geeignet, an dieser allgemeinen Einschätzung Abstriche zu machen.

Im Termin zur Erörterung gab die Klägerin an, dass ihr HNO-Arzt ihr ein Gerät der Fa. S. vorgeschlagen und ihr versichert habe, dass sie bei dessen Erwerb mit keinerlei Zahlungen belastet werde.

Nachdem das Landessozialgericht Hamburg im Beschluss vom 08.06. 2001 - L 1 B 1/99 ER die Beklagte im Wege vorläufigen Rechtsschutzes zeitlich befristet verpflichtet hatte, die Fa. S. als zugelassene Leistungserbringerin von Hörgeräten im v.V. zu behandeln, gab die Klägerin "entsprechend der Vereinbarung mit Vertragsarzt ein neues anpassen. Daraufhin erklärte ihr Bevollmächtigter, den "Rechtsstreit bezüglich des Hauptantrages für erledigt".

In der mündlichen Verhandlung ist von der Klägerseite beantragt worden,

der Senat möge feststellen,
1. dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die aufgrund ärztlicher Indikation vorzunehmende und nach ärztlichem Testat erfolgreich abgeschlossene Versorgung gemäß bayerischer Festbetragsregelung zu übernehmen, soweit diese Versorgung von einem im Geltungsbereich des SGB V für die Kassenart AOK zugelassenen Leistungserbringer vorgenommen wird, auch wenn diese Versorgung im gerichtsbekannten verkürzten Versorgungsweg unter Verwendung von im Hilfsmittelverzeichnis gelisteter Produkte vorgenommen wird,

2. dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die außerhalb der einjährigen Garantie anfallenden Reparaturen gemäß bayerischer Festbetragsregelung zu übernehmen, sofern das Hilfsmittel sachgerecht von der Klägerin verwendet wird,

3. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin drei sich in zumutbarerer Nähe zu ihrem sie behandelnden HNO-Arzt befindliche Vertragsakustiker schriftlich zu benennen,

4. dass die Beklagte verpflichtet ist, die Fahrkosten der Klägerin zwischen ihrem HNO-Arzt und den seitens der Beklagten zu benennenden Vertragsakustikern für den Fall zu übernehmen, dass diese nicht in zumutbarer Nähe residieren,

5. dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin im Falle einer abgebrochenen Versorgung bzw. eines Wechsels des Vertragsakustikers vor ärztlicher Freizeichnung von hierdurch anfallenden Zusatzkosten in Gänze freizuhalten und gleichzeitig sicher zu stellen, dass der volle Festbetrag bis zu einer erfolgreichen Versorgung in Form des Testats der abgeschlossenen Versorgung durch den Arzt zur Verfügung steht,

6. dass die Beklagte verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die genannten Vertragsakustiker unaufgefordert und vor Freizeichnung der Ordnungsmäßigkeit der Versorgung dem Arzt eine verbindliche und detaillierte Aufstellung zuleiten, aus welcher hervorgeht, welches Fabrikat, welches Modell und welche Seriennummer angepasst wurden unter Benennung der Festbetragsgruppe sowie Spezifizierung des Ohrpassstücks und unter Aufgabe, welche Kosten die Klägerseite selbst zu tragen hat sowie welche Kosten seitens der Beklagten verbindlich übernommen werden,

7. dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin innerhalb der sechsjährigen Regelgebrauchszeit der Versorgung bei sachgemäßem Gebrauch von jedweder Inanspruchnahme möglicher Reparaturkosten freizuhalten, sofern eine notwendige Reparatur von einem der Vertragspartner der Beklagten durchgeführt wird,

8. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bei notwendig werdenden Reparaturen an ihrer Versorgung innerhalb der Regelgebrauchszeit die Kosten zu erstatten, die ihr für die Beschaffung von Leihversorgungen, die ihr von Hörakustikern, welche nicht zu den Vertragsakustikern der Beklagten zählen, übergeben werden, entstehen,

9. dass die Beklagte verpflichtet ist, die anfallenden Kosten im Rahmen der für das Bundesland Bayern geltenden Festbeträge für eine Hörgeräteversorgung und, nach Ablauf der 12-monatigen Garantie, gegebenenfalls anfallenden Reparaturkosten zu übernehmen, sofern sich die Klägerin diese Leistungen innerhalb der Europäischen Union (EU) von einem außerhalb des Geltungsbereichs des SGB V residierenden, in dem jeweiligen Mitgliedsland der EU dort zugelassenen Leistungserbringer beschafft.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, weil sie die zuletzt gestellten Anträge für unzulässig erachtet.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 144, 151 SGG) eingelegte Berufung ist auch nach der Erledigungserklärung des ursprünglichen Antrages, der auf Erstattung bzw. Freistellung gerichtet war, zulässig geblieben. Hat sich wie hier die ursprüngliche Klageforderung erledigt, weil die Klägerin das streitgegenständliche Gerät zurückgegeben hat und somit Kosten, von denen sie gegebenenfalls freizustellen wäre, nicht mehr in Betracht kommen, kann es gleichwohl denkbar sein, statt die ursprüngliche Forderung weiter zu verfolgen, im Rahmen des § 99 SGG auf einen anderen Streitgegenstand umzustellen. Das ist aber im vorliegenden Fall ausgeschlossen, weil sich die von der Klägerseite vorgenommene Umstellung nicht mehr in dem von § 99 SGG abgesteckten Rahmen bewegt. Bei den zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten neun Feststellungsanträgen handelt es sich nicht um eine Klageerweiterung oder -beschränkung im Sinne des § 99 Abs.2 SGG, denn die nunmehr begehrten Feststellungen sind vom ursprünglichen Klagegrund völlig losgelöst, betreffen nicht mehr die Abwicklung der Beschaffung des am 02.10.1997 verordneten Gerätes. Vielmehr sollen hier andere, möglicherweise in der Zukunft eintretende Ereignisse zu einer rechtlichen Verpflichtung gemacht werden. Das betrifft nicht mehr den Fall des § 99 Abs.2 SGG.

Es liegt auch keine zulässige Klageänderung im Sinne des Absatzes 1 dieser Vorschrift vor. Die Beklagte hat sich ausdrücklich geweigert, sich materiell mit den neuerlichen, in eine Feststellung gekleideten Forderungen der Klägerseite auseinanderzusetzen und ihre Einwilligung zum Austausch des ursprünglichen Streitgegenstandes versagt.

Auch der Senat musste die Sachdienlichkeit eines solchen Austausches verneinen. Für die gewünschten Feststellungen fehlt der Klägerin in allen neun Punkten das notwendige Feststellungsinteresse im Sinne des § 55 SGG. Es handelt sich um eine Auflistung von Forderungen ohne jeglichen Bezug auf die zur Zeit der mündlichen Verhandlung bestehende Sachlage, die zuvor auch nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens gewesen sind. Durch keine der neun gewünschten Verpflichtungen ist die Klägerin in ihrem derzeitigen Versicherungsverhältnis zur Beklagten berührt. An eine Konkretisierung ist derzeit noch nicht zu denken, es handelt sich um die abstrakte Klärung von möglicherweise in der Zukunft auftauchenden Fragen. Dabei ist bezüglich des Punktes 6 nicht einmal erkennbar, wie die Klägerin jemals von der dort erhobenen Forderung betroffen sein könnte. Dem Gedanken, dass dieser Antrag Nr.6 und die weiteren eher im Interesse der Fa. S. gestellt sein könnten, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen. Insgesamt liegt weder eine zulässige Klageerweiterung noch -änderung innerhalb des Berufungsverfahrens vor, so dass die Berufung in ihrer nunmehrigen Form ohne inhaltliche Prüfung der Anträge zurückzuweisen ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG. Im Hinblick auf den Eindruck von der mangelnden Übersicht der Klägerin über die in ihrem Namen vorgenommener Verfahrensgestaltung, wie er im vorausgegangenen Erörterungstermin gewonnen wurde, hat der Senat davon abgesehen, die Klägerin auf der Grundlage des § 192 SGG an den Verfahrenskosten zu beteiligen.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 160 SGG ist die Revision nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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